Kitabı oxu: «Schuldrecht Besonderer Teil II», səhifə 7

Şrift:

(1) Vertraglich vorbehaltenes Rücktrittsrecht

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Überlegen Sie noch einmal, warum es in § 572 Abs. 1 heißt, der Vermieter könne sich auf sein Rücktrittsrecht „nicht berufen“.

Die Parteien können im Mietvertrag vereinbaren, dass einer Partei oder beiden Parteien unter bestimmten Voraussetzungen vor oder nach Überlassung des Mietobjekts ein Rücktrittsrecht zusteht.

In Wohnraummietverhältnissen könnte der Vermieter jedoch den besonderen Kündigungsschutz nach den §§ 573 ff. umgehen, indem er mit dem Mieter ein freies, nicht an die strengen Voraussetzungen des § 573 gebundenes Rücktrittsrecht vereinbart. Der Vermieter könnte sich dadurch jederzeit vom Vertrag lösen, ohne zur Kündigung berechtigt zu sein. Deshalb ordnet § 572 Abs. 1 an, dass sich der Vermieter nicht auf eine Vereinbarung berufen kann, kraft derer er berechtigt sein soll, nach Überlassung des Wohnraums an den Mieter vom Vertrag zurückzutreten.

(2) Gesetzliches Rücktrittsrecht

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Vor Überlassung des Mietobjekts stehen den Parteien die gesetzlichen Rücktrittsrechte wegen Pflichtverletzung (§§ 323, 324, 326 Abs. 5) oder wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 3) offen. Sie konkurrieren dann mit dem außerordentlichen Kündigungsrecht wegen Pflichtverletzung aus § 543 (ggf. i.V.m. § 569).[147]

Beispiel

V vermietet M Gewerberäume auf unbestimmte Zeit, die am 1.3 übergeben werden sollen. Kommt es am 1.3. nicht zur Übergabe, ließe sich die seit dem 1.3. verstrichene Zeit nicht mehr nachholen. In diesem Fall tritt durch die Verzögerung automatisch auch Unmöglichkeit der Vermieterleistung für die verstrichene Zeit ein. Daraus ergibt sich für den Mieter bei Wegfall seines Interesses ein Rücktrittsrecht aus § 326 Abs. 5 (i.V.m. § 323 Abs. 5, 6).[148]

Nach Überlassung der Mietsache werden die gesetzlichen Rücktrittsrechte durch das Kündigungsrecht nach § 543 (ggf. i.V.m. § 569) vollständig verdrängt.[149]

Beispiel

Während der Wintermonate fällt in der von V an den M vermieteten Wohnung die Heizung aus. Trotz Fristsetzung des M kommt V seiner Reparaturpflicht gem. § 535 Abs. 1 S. 2 nicht nach. M kann hier zwar nicht nach § 323 zurücktreten, aber nach § 543 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 fristlos kündigen.

cc) Widerruf (§ 355)

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Ein Verbraucherwiderruf kommt bei Mietverträgen nur selten in Betracht. Zu denken wäre an den Fall, dass der Vermieter als (gewerblich handelnder) Unternehmer i.S.d. § 14 dem Mieter als Verbraucher i.S.d. § 13 Wohnraum vermietet hat und nun – zum Beispiel wegen Auslaufens des Mietvertrages – den Mieter unaufgefordert in dessen Wohnung aufsucht, um einen neuen Vertrag zu schließen (vgl. §§ 312b Abs. 1 Nr. 1, 312g Abs. 1).[150]

3. Durchsetzbarkeit

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Jeder Anspruch ist durchsetzbar, wenn er fällig ist und keine Einreden entgegenstehen.

Hinweis

Hat der Schuldner nach dem Ihnen vorliegenden Sachverhalt eine einschlägige Einrede noch nicht erhoben, prüfen Sie den Einredetatbestand trotzdem durch und weisen ggf. darauf hin, dass die Einrede noch geltend gemacht werden könnte.[151] Dies kann nämlich auch noch im späteren Prozess geschehen.

a) Fälligkeit

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Die Fälligkeit richtet sich in der Regel nach den Parteivereinbarungen, da die Parteien den Beginn des Mietverhältnisses zum Gegenstand ihrer Vereinbarung machen. Im Zweifel ist von einem sofortigen Beginn des Mietverhältnisses und damit nach § 271 Abs. 1 von einer sofortigen Fälligkeit auszugehen.

b) Einreden
aa) Verjährung

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Die Einrede der Verjährung spielt in Bezug auf den Primäranspruch des Mieters keine nennenswerte Rolle. Dies liegt daran, dass der Anspruch als in die Zukunft gerichtete Dauerverpflichtung ständig neu entsteht und deswegen nach h.M. während des Mietverhältnisses unverjährbar ist.[152] Für die Fristenregelung gem. §§ 195, 199 fehlt es am maßgeblichen „Stichtag“, an den angeknüpft werden könnte – oder, anders ausgedrückt: Die Verjährungsfrist würde permanent neu beginnen und dadurch niemals enden.

bb) Zurückbehaltungsrechte aus §§ 273, 320

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Klausurrelevant ist im Mietrecht die Einrede des Zurückbehaltungsrechts aus §§ 273, 320. Macht der Vermieter etwa wegen Verzugs des Mieters mit seinen Mietzahlungen von seinem Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 Gebrauch und stellt vertragliche geschuldete Nebenleistungen ein, stellt sich die Frage, ob damit nicht bereits die Grenzen zur Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht überschritten sind und dem Mieter deshalb sog. „possessorische“ Schutzansprüche aus §§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 zustehen. Deren Vorzug besteht darin, dass die Leistungsverweigerungsrechte des Vermieters aus dem Mietvertrag eine verbotene Eigenmacht i.S.d. § 858 Abs. 1 tatbestandlich nicht „heilen“ können und deshalb bei diesen Ansprüchen gem. § 863 auch nicht berücksichtigt werden.[153] Die berechtigte Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts durch den Mieter könnte daher durch die konkurrierenden Ansprüche aus §§ 862 Abs. 1, 858 unterlaufen werden und bliebe im Ergebnis ohne Bedeutung. Dieses Problem stellt sich regelmäßig bei der Überlassung von Räumen als Wohnung oder zu gewerblichen bzw. freiberuflichen Zwecken, wenn der Vermieter die Versorgung der Räume mit Wärme (Heizung), Strom etc. wegen Zahlungsverzuges des Mieters einstellt.

Beispiel

V vermietet dem M Büroräume zum Betrieb einer Arztpraxis, für die der M eine monatliche Miete einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen zu entrichten hat. M gerät mit den letzten drei Mieten in Verzug. Daraufhin droht der V dem M an, während des Verzuges die von ihm nach dem Vertrag geschuldete Versorgung der Räume mit Strom, Wärme und Wasser durch Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts (§ 320) einzustellen (sog. „Versorgungssperre“) und setzt dem M eine Frist von 2 Wochen zum Ausgleich des Zahlungsrückstandes und zur Vermeidung der Sperre. M sagt, die Androhung sei ihm egal und verlangt von V nach §§ 862 Abs. 1, 858 auch über das Fristende hinaus die weitere vollständige Versorgung seiner Räume, da er durch die Vorenthaltung von Strom, Wärme und Wasser in seinem Besitzrecht gestört werde. V stellt nach Fristablauf die Zufuhr von Strom, Wärme und Wasser ab.


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In einer solchen Situation ist streng zwischen dem Anspruch des Mieters aus dem Mietvertrag und ergänzenden possessorischen Ansprüchen zu unterscheiden.

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Die Pflicht des Vermieters aus dem Mietvertrag gem. § 535 Abs. 1 umfasst alle Leistungen, die erforderlich sind, um dem Mieter den Gebrauch am Mietobjekt zu gewähren und dabei den vertragliche geschuldeten Zustand aufrechtzuerhalten (siehe bereits oben unter Rn. 30 ff.). Aus dem Mietvertrag ist der Vermieter daher bei der Überlassung von Räumen zu Wohnzwecken oder zur Ausübung eines freien Berufes bzw. Gewerbes unter anderem verpflichtet, die Versorgung des Mieters mit Wasser, Strom und Wärme sicherzustellen.

Hinweis

Allerdings kann auch vereinbart werden, dass der Mieter derartige Versorgungsdienstleistungen direkt vom Versorgungsunternehmen bezieht und dazu eigene Verträge mit dem jeweiligen Unternehmen schließen muss.[154]

Gerät der Mieter mit der Zahlung der Miete in Verzug, steht dem Vermieter grundsätzlich ein Zurückbehaltungsrecht aus § 320 als „Druckmittel“ zur Verfügung.[155] Er kann deshalb gegen den Primäranspruch gem. § 535 Abs. 1 ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht geltend machen und damit zum Beispiel seine Versorgungsleistungen, die mit der Miete ja auch bezahlt werden, vorübergehend einstellen. Dem steht nicht entgegen, dass das Aussetzen der Versorgung in Bezug auf den Zeitraum der „Sperre“ zu einer Unmöglichkeit der Vermieterleistung führt. Andernfalls würde dem Gläubiger in Dauerschuldverhältnissen die Einrede aus § 320 stets versagt, was sich weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn des Zurückbehaltungsrechts als „Druckmittel“ vereinbaren lässt.[156]

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Hier müssen Sie zunächst sorgfältig prüfen, ob der Mieter überhaupt in Verzug geraten ist. Möglicherweise schuldet er wegen Mängeln nach § 536 Abs. 1 nur eine verminderte Miete. Außerdem mag es sein, dass dem Mieter seinerseits Zurückbehaltungsrechte zur Seite stehen, die einen Verzug mangels Durchsetzbarkeit des Zahlungsanspruches ausschließen.

Allerdings steht die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts auch unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben, § 320 Abs. 2. Wann die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts in Form einer sog. „Versorgungssperre“ treuwidrig ist, wird sehr unterschiedlich beurteilt.

Einigkeit besteht zunächst darin, dass der Vermieter den Mieter die Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts durch Einstellen bestimmter Versorgungsleistungen angemessen im Voraus androhen und Gelegenheit zur Abwendung dieser Sanktion durch Ausgleich des Zahlungsrückstandes geben muss.[157] Andernfalls droht eine Überrumpelung des Mieters, der mit dieser Sanktion nicht unbedingt rechnen muss.

Einigkeit besteht außerdem darin, dass die Ausübung von Zurückbehaltungsrechten des Vermieters unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben im Einzelfall gegen die Interessen des Mieters und die Auswirkungen auf sonst betroffene Personen abgewogen werden muss.

Dabei kommt dem Ausmaß der Pflichtverletzung des Mieters erhebliche Bedeutung zu. Zu fragen ist also, ab welchem Zahlungsrückstand eine Einstellung der Versorgung des Mieters mit Nebenleistungen wie Strom, Wasser, Wärme, etc. in Betracht kommt. Aus Wertungsgründen erscheint es angemessen, auf eine Verzugslage abzustellen, die den Vermieter auch zur fristlosen Kündigung berechtigen würde.[158] Wenn das Gesetz dem Vermieter erlaubt, seine Leistungspflichten aus dem Mietverhältnis insgesamt fristlos zu beenden, muss es erst recht möglich sein, zu der weniger einschneidenden Maßnahme der vorübergehenden Sperre einzelner Leistungen zu greifen. Entscheidend sind also die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, wobei in Wohnraummietverhältnissen noch die Klarstellung in § 569 Abs. 3 Nr. 1 (bitte lesen!) zu berücksichtigen ist.

Sodann sind die Folgen der Versorgungssperre für den Mieter und andere Personen einerseits und die Zumutbarkeit einer weiteren Versorgung auf Kosten des Vermieters andererseits in den Blick zu nehmen.

Bei Mietverhältnissen über andere Sachen als Wohnraum wird der entscheidende Abwägungsgesichtspunkt darin gesehen, ob dem Vermieter durch die weitere Versorgung eine Ausweitung seines Schadens droht.[159] Dies ist dann der Fall, wenn er die Versorgungsleistungen auf eigene Kosten erbringen muss und der Mieter auch die diesbezüglichen Nebenkostenvorauszahlungen nicht mehr erbracht hat.[160] Anders liegt es, wenn der Mieter die Nebenkostenvorschüsse weiter entrichtet und nur mit der Grundmiete in Verzug ist, oder wenn der Mieter die Entgelte für den Energiebezug direkt mit dem Versorgungsunternehmen abrechnet. In diesen Fällen darf der Vermieter die von ihm geschuldete „Durchleitung“ der Energie nicht unterbrechen.[161]

Im Beispiel hatte der M sowohl die Zahlung der Grundmiete als auch die Zahlung der Nebenkostenanteile eingestellt. V hatte dem M zuvor die Ausübung einer Versorgungssperre angedroht und ausreichend Gelegenheit zur Zahlung gegeben. Der Zahlungsrückstand hätte den V sowohl nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. a als auch lit. b zur fristlosen Kündigung berechtigt, so dass V von seinem nach § 320 Abs. 1 eröffneten Zurückbehaltungsrecht durch Ausübung der Versorgungssperre auch ohne fristlose Kündigung Gebrauch machen konnte.

Bei Wohnraummietverhältnissen müssen an die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts schärfere Anforderungen gestellt werden.[162] Die Wohnung genießt als Lebensmittelpunkt des Mieters und Raum zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit einen besonderen Schutz, dem der Gesetzgeber durch besondere Schutzregelungen im Mietrecht Rechnung trägt.[163] Den besonderen Interessen des Mieters am Erhalt seines Nutzungsrechts an der Wohnung stehen andererseits die Interessen des Vermieters gegenüber. Im Falle des Zahlungsverzuges des Mieters gestattet der Gesetzgeber dem Vermieter zwar nach Maßgabe der §§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 569 Abs. 3 Nr. 1 die fristlose Kündigung. Auch nach fristloser Kündigung kann der säumige Wohnungsmieter aber sein Nutzungsrecht „retten“, indem er den Vermieter innerhalb der in § 569 Abs. 3 Nr. 2 gesetzten Fristen befriedigt oder sich eine öffentliche Stelle (z.B. Sozialamt) zur Befriedigung verpflichtet. Außerdem besteht noch die Möglichkeit eines Schutzes durch Räumungsfristen in der Zwangsvollstreckung nach Maßgabe der §§ 721, 765a, 794a ZPO. Dem in diesen Regeln zum Ausdruck gebrachten besonderen Schutz des Wohnraummieters muss auch bei der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch den Vermieter Rechnung getragen werden. Das Zurückbehaltungsrecht muss zunächst nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 dann entfallen, wenn der Rückstand unterhalb der nach §§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 569 Abs. 3 Nr. 1 maßgeblichen Grenze zurückgeführt wurde, sondern auch dann, wenn sich eine öffentliche Stelle zum Ausgleich des Rückstands verpflichtet. Dann ist dem Vermieter eine weitere Versorgung des Mieters ohne weiteres zumutbar. Selbst wenn eine solche Absicherung fehlt, kann eine Zumutbarkeit dann anzunehmen sein, wenn die Unterbrechung der Versorgung mit Energie erhebliche Gesundheitsgefährdungen des Mieters oder seiner Angehörigen zur Folge hätte.[164] Bei dem Interessenausgleich müssen die Interessen des Vermieters allerdings nicht vollständig zurückstehen. Auch im Wohnraummietrecht ist zu berücksichtigen, ob sich der Mieter vertragstreu verhält oder nicht.[165] Deshalb wird man ein Zurückbehaltungsrecht dann für zulässig halten müssen, wenn dem Vermieter im Hinblick auf den erreichten Zahlungsrückstand durch die weitere Versorgung des Mieters mit Energie ein nicht mehr zumutbarer wirtschaftlicher Schaden entsteht.

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Entscheidend ist hier – wie immer – die Erfassung des Problems und Ihre Argumentation anhand der einschlägigen Normen und den im Sachverhalt aufgezeigten Auswirkungen einer Versorgungssperre.

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Im Gutachten ist in derartigen Fällen außerdem zu prüfen, ob der säumige Mieter aus §§ 862 Abs. 1 S. 1, 858 wegen Besitzstörung die weitere Versorgung fordern kann.[166] Auf bestehende Zurückbehaltungsrechte kann sich der Vermieter gegen diesen Anspruch nach § 863 nicht berufen. Entscheidend ist daher, ob in dem Unterbrechen der Zufuhr überhaupt eine Störung des unmittelbaren Besitzes des Mieters zu sehen ist.

Der Besitz ist von dem (sog. „petitorischen“) Recht auf Gewährung des Gebrauchs gem. § 535 Abs. 1 streng zu unterscheiden. Der Besitz selbst ist kein Recht, sondern bezeichnet gem. § 854 Abs. 1 die „tatsächliche Gewalt über die Sache“, also einen realen Zustand tatsächlicher Zugriffsmöglichkeit einer Person auf eine bestimmte Sache. Der Besitzschutz nach §§ 861, 862 dient dazu, eben diese reale Zugriffsmöglichkeit zu verteidigen. Daran ändert eine Unterbrechung der Versorgung der Räume durch Wasser, Wärme, Strom oder Gas nichts. Die Vorenthaltung der Zufuhr von Sachen oder Energie stellt deshalb nach überwiegender Ansicht keine abwehrfähige Besitzstörung dar.[167] Die possessorischen Ansprüche aus §§ 861, 862 schützen nur den tatsächlichen Besitzstand. Eine besondere Qualität oder Verbesserung der benutzten Sache kann nur über die vertraglichen Ansprüche verlangt werden.

Im Beispiel ist ein Anspruch des M auf fortgesetzte Zufuhr der aufgrund der „Sperre“ vorenthaltenen Energie aus §§ 862 Abs. 1 S. 1, 858 ausgeschlossen. M kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch V im Ergebnis also nicht verhindern.

4. Übungsfall Nr. 1

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„Einzugsschwierigkeiten“

V hat dem M Gewerberäume vermietet. Mit einem am Montag, den 2. März um 10:30 Uhr im Büro des M ausgedruckten Fax erklärte der V dem M die Kündigung des Mietvertrages zum 30. September. In der Kündigung hatte V zugleich der Verlängerung des Mietverhältnisses durch fortgesetzten Gebrauch widersprochen. Im Hinblick auf die Kündigung des mit M geschlossenen Mietvertrages hat V die Räume noch im März an den X vermietet, wobei das Mietverhältnis zum 1. Oktober, also unmittelbar im Anschluss an den mit M geschlossenen Mietvertrag, beginnen soll. X hat von der bisherigen Vermietung der Räume an den M Kenntnis. M gibt das Objekt jedoch erst zum 1. November an V geräumt heraus. Dem X entstehen wegen der verzögerten Übergabe Betriebsausfallschäden in Form entgangenen Gewinns in Höhe von 5000 €. Diesen Betrag verlangt X nun von V ersetzt. Mit Recht?

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Lösung
I. Anspruch des X gegen V aus § 536a Abs. 1 Var. 2

X könnte gegen V ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus § 536a Abs. 1 Var. 2 zustehen.

Der Anspruch aus § 536a Abs. 1 Var. 2 setzt zunächst einen wirksamen Mietvertrag und einen vom Vermieter zu vertretenden Mangel der Mietsache voraus.

1. Wirksamer Mietvertrag

X und V haben einen Mietvertrag über Gewerberäume geschlossen, gegen dessen Wirksamkeit keine Bedenken bestehen. Selbst anfängliche Unmöglichkeit würde die Wirksamkeit des Vertrags nicht berühren, wie sich aus § 311a Abs. 1 ergibt.

2. Mangel der Mietsache

Vorliegend kommt ein Rechtsmangel i.S.d. § 536 Abs. 3 in Betracht, der darin liegen könnte, dass X aufgrund des Rechts eines Dritten, nämlich des M, am Gebrauch der Mietsache gehindert war. Während die Anwendbarkeit des § 536a Abs. 1 bereits vor Übergabe der Mietsache bei Sachmängeln von der überwiegenden Auffassung unter Hinweis auf den Wortlaut des von § 536a Abs. 1 in Bezug genommenen § 536 Abs. 1 („zur Zeit der Überlassung“) abgelehnt wird,[168] ist § 536a Abs. 1 bei Rechtsmängeln nach einhelliger Auffassung von Anfang an einschlägig. Zwar spricht § 536 Abs. 3 von einem „Entzug“ der Mietsache, welcher sprachlich nur nach Überlassung denkbar ist. Jedoch kann es keinen Unterschied machen, ob ein Rechtsmangel die Übergabe bereits verhindert oder erst nach Überlassung zum Entzug des Gebrauchs führt. Die Vorenthaltung des Besitzes wird deshalb einem Entzug gleichgestellt.[169]

Ein Rechtsmangel i.S.d. § 536 Abs. 3 setzt ein geltend gemachtes Gebrauchsrecht des Dritten (hier: M) voraus, aufgrund dessen die Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs an den Mieter (X) verhindert oder nachträglich vereitelt wird. Der unberechtigte Gebrauch stellt hingegen kein „Recht“ i.S.d. § 536 Abs. 3 dar.[170]

Entscheidend ist daher, ob und wann das Gebrauchsrecht des M aus dem Mietvertrag durch die von V ausgesprochene Kündigung endete.

In seinem an M gerichteten Faxschreiben hatte V seinen Willen zum Ausdruck gebracht, das Mietverhältnis zum 30. September zu beenden. Da eine Kündigungserklärung aufgrund ihrer Gestaltungswirkung empfangsbedürftig ist, bedarf sie zu ihrer Wirksamkeit des Zugangs beim Kündigungsgegner (§ 130 Abs. 1 S. 1). Zugegangen ist eine Willenserklärung unter Abwesenden dann, wenn sie in den Bereich des Empfängers gelangt ist und sobald mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Empfänger unter gewöhnlichen Umständen zu rechnen ist. Willenserklärungen, die durch Fernschreiben oder ein Telefax übermittelt werden, gehen danach zu, sobald der Druckvorgang am Empfangsgerät des Adressaten abgeschlossen und die Kenntnisnahme durch den Empfänger möglich und nach der Verkehrsanschauung zu erwarten ist. Daher ist auch bei einer Übermittlung per Telefax auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem sich der Empfänger nach den Gepflogenheiten der Verkehrsanschauung Kenntnis vom Inhalt der Willenserklärung verschaffen konnte. Das Telefax war nach dem Sachverhalt am Montag, den 2. März um 10:30 Uhr von dem Empfangsgerät des M ausgedruckt worden. M hatte ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit zur Kenntnisnahme, da es sich um einen Werktag handelte und der Ausdruck zu den gewöhnlichen Bürozeiten erfolgt ist. Die Erklärung ist dem M damit am 2. März zugegangen.

Ein Verstoß gegen eine gesetzliche Formvorschrift mit der sich aus § 125 S. 1 ergebenden Nichtigkeitsfolge scheidet im vorliegenden Fall aus. Der in den §§ 568 Abs. 1, 126 Abs. 1 vorgesehen Schriftform musste die Kündigungserklärung nicht genügen, da sich § 568 Abs. 1 nach seiner systematischen Stellung nur auf Wohnraummietverträge bezieht und gem. § 578 auf Mietverträge über Gewerberäume gerade keine Anwendung finden soll.

Eine wirksame Beendigung des Mietvertrages zum 30. September setzt weiterhin voraus, dass V zu einer Kündigung zu diesem Zeitpunkt berechtigt war.

Gem. § 580a Abs. 2 ist bei einem Mietverhältnis über Geschäftsräume die ordentliche Kündigung mit einer Frist von zwei Kalendervierteljahren zulässig, wobei die Kündigung spätestens am 3. Werktag des ersten Kalendervierteljahres zugehen muss. Im vorliegenden Fall konnte die am 2. März zugegangene Kündigungserklärung des V das Mietverhältnis zum Ablauf des übernächsten Kalendervierteljahres, also zum 30. September, beenden.

V hat den Vertrag folglich wirksam zum 30. September gekündigt.

Der Beendigung des Mietverhältnisses steht auch nicht § 545 entgegen. Zwar hat M nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Räume fortgesetzt. V hat der Fortsetzung des Vertrages jedoch bereits in seiner Kündigungserklärung und damit vor Ablauf der in § 545 S. 2 Nr. 2 gesetzten Frist widersprochen.

Das Gebrauchsrecht des M endete am 30. September, weshalb ihm im Oktober kein Besitzrecht zustand, durch das dem X der Gebrauch hätte entzogen werden können.

Ein Rechtsmangel und damit ein Schadensersatzanspruch aus § 536a Abs. 1 scheidet deshalb aus.

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