Stress-Familie Robinson

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„Dann soll ich dir also nicht helfen?“

Etwas verriet mir, dass wir nun endlich zum eigentlichen Gegenstand der Diskussion gekommen waren.

„Natürlich möchte ich, dass du mir hilfst - wenn du es wirklich ernst meinst. Was ich nicht ausstehen kann, ist, wenn du schnaufend und schnaubend herumläufst und dich aufregst, dass du nichts tun kannst, während ich damit beschäftigt bin, es zu tun.“

„Soso …“, sagte Mike und versuchte verletzt zu klingen, jedoch ohne rechte Überzeugung. „Dann kann ich ja hier bleiben und Dip helfen, wenn du es so siehst. Übrigens, Dip, was hältst du denn von meiner Packmethode?“

Ich wollte den Robinsons eine echte Freundin sein.

„Lächerlich“, sagte ich lächelnd, „rührend, aber lächerlich. Überlass es Kathy.“

Ich fand es herrlich, wie die beiden lachten.

Später, als Mike und ich Seite an Seite die Spülgegend des „Höllenlochs“ in Angriff nahmen, unterhielt ich mich mit ihm über die Packdebatte.

„Es war fast so“, sagte ich, „als hättet ihr das Ganze durchspielen müssen, nur um an einem Punkt anzukommen, von dem ihr sowieso wusstet, dass ihr dort enden würdet. Ich glaube nicht, dass es je wirklich in Frage kam, dass du beim Packen hilfst - natürlich nicht, dass du nicht ernst gemeint hättest, was du gesagt hast, Mike, das nicht. Du hast offensichtlich sehr feste Ansichten über das Füllen von Koffern. Ich bin auf diesem Gebiet ganz unbeleckt - ich habe überhaupt keine Ansichten darüber.“

Mike schmunzelte. Er hatte seine fröhliche, unerschütterliche Gelassenheit wieder gefunden.

„Wir benehmen uns wohl manchmal ein bisschen albern. Kath macht sich Sorgen, dass wir keine von diesen perfekten christlichen Ehen führen, von denen man in Büchern liest, aber, nun ja … wir lieben uns trotzdem. Das ist doch ziemlich wichtig, oder?“ Plötzlich hüstelte er verlegen und legte den Teller hin, den er gerade polierte. „Es muss manchmal sehr schwer für dich sein, Dip - ich meine, dir muss es bis zum Hals stehen, wenn Leute sich über ihre Frauen und Männer auslassen und dergleichen, wo du doch …“

„Wo ich doch nie verheiratet war? Ja, das fällt mir wirklich hin und wieder ein bisschen schwer, aber ich bin gern mit Familien zusammen, und mir gefällt es eigentlich inzwischen gar nicht mehr so schlecht, allein stehend zu sein. Es ist keine Krankheit, nicht verheiratet zu sein, weißt du. Um ehrlich zu sein, Mike, ich weiß nicht, ob ich es nach all diesen Jahren überhaupt ertragen könnte, mein - du weißt schon - mein Innerstes mit jemand anderem zu teilen.“

Durchs Fenster konnte ich sehen, wie Felicity sich auf der gelben Plastikschaukel, die an einem der Apfelbäume hing, rasend schnell um sich selbst drehte. Plötzlich stiegen alte Kleinmädchenträume wieder in mir auf.

„Aber ich will dir etwas sagen, es kommt schon vor, dass ich mich danach sehne, dass jemand auf mich wartet, wenn ich nach Hause komme, jemand, der mich fragt, wie es auf der Arbeit war, der mir eine Tasse Tee macht - dergleichen Dinge. Und manchmal, wenn ich irgendwo bin, wo viele Menschen sind, dann wünsche ich mir … du wirst das jetzt total albern finden.“

„Nein“, sagte Mike, „erzähl weiter, es interessiert mich.“

Ich warf einen raschen Blick in sein Gesicht und fuhr fort.

„Na ja, dann wünsche ich mir, ich könnte quer durch den Raum den Blick von jemandem auffangen, über die Köpfe der anderen hinweg - nur für einen Moment -, einen jener kleinen, lächelnden Blicke, die einem sagen, dass da jemand genau versteht, was man gerade denkt. Und dann unterhält man sich weiter oder was immer man gerade getan hat, aber man weiß, dass man nicht allein ist. Etwas Besonderes für jemanden zu sein, die Nummer eins in seinem Leben - ich weiß, es ist albern, aber hin und wieder sehne ich mich immer noch schrecklich danach.“

Ein paar Augenblicke lang war in der Küche der Robinsons nichts zu hören außer dem Tropfen des Wasserhahns und dem Geklapper des Geschirrs, aber es war keine peinliche Stille.

„Immerhin“, sagte Mike endlich, „wenigstens musst du keine wirren Debatten durchexerzieren, bevor du zu etwas kommst, so wie wir es gerade getan haben.“

„Das nicht, aber …“ Ich hielt inne, weil ich mich plötzlich ein wenig fürchtete. Das war sehr harte Währung, die ich hier über den Tresen unserer immer noch im Entstehen begriffenen Freundschaft reichte. Nicht die Sorte, die man je wieder würde zurücknehmen können. „Nein, aber wir Singles spielen unsere eigenen albernen Spielchen, weißt du. Zumindest tue ich das.“

„Zum Beispiel?“

Ich schälte mir die Gummihandschuhe von den Händen und warf sie in das Spülbecken.

„Trockene Geschirrtücher?“

„In der Schublade unter den Stabschrecken. Hektarweise Geschirrtücher. Wir sind sehr reichlich ausgestattet mit trockenen Geschirrtüchern. Erzähl mir mehr von deinen Spielchen.“

„Manchmal“, sagte ich, während ich nach einer Hand voll nasser Besteckteile griff, „verliere ich das Zutrauen zu den Leuten.“ Ich berichtigte mich. „Das heißt, das ist nicht ganz fair. Ich schätze, was ich wirklich meine, ist, dass ich das Zutrauen zu mir selbst verliere. Da ist vielleicht eine Familie - wie eure - und ich bin schon oft zu Besuch gekommen, und alles scheint in bester Ordnung zu sein. Doch dann kriege ich ganz plötzlich so ein kaltes Gefühl im Bauch, und ich denke, was ist, wenn die mich die ganze Zeit nur mühsam erduldet haben? Was ist, wenn sie nur nett zu mir waren? Dann gerate ich in Panik. Und dann fangen die Spielchen an.“

Draußen hatte Felicity ihre Schaukel verlassen und hockte nun neben dem kleinen Blumenbeet, das ihr ganz allein gehörte, und stocherte mit einem Stöckchen in der Erde herum. Da sie zufällig in diesem Moment aufsah, fing sie meinen Blick auf und grinste. Warum rief Felicitys Lächeln in mir manchmal diese kleinen Krämpfe aufsteigender Tränen hervor?

„Dann tauche ich wieder wie ein verängstigtes Kaninchen in meinem kleinen Haus unter, mache die Tür hinter mir zu - verschließe sie, verriegele sie, verbarrikadiere sie mit einem Stuhl -, tue alles, um mir die Welt vom Leib zu halten, damit sie nicht sieht, wie peinlich es mir ist, eine lästige alte Langweilerin zu sein, die sich aufdrängt, wo sie nicht erwünscht ist. Und dann laufe ich vielleicht ein bisschen mit geballten Fäusten im Haus umher und überschütte mich selbst mit Flüchen und so.“

Der arme Mike musste natürlich etwas sagen. „Aber Dip, du glaubst doch nicht wirklich …“

„Ich rede nicht davon, was ich glaube, Mike. Ich rede davon, was ich fühle. An solchen Tagen fühle ich mich wie ein formloses Stück Abfall und bin sicher, dass niemand mich wirklich mag. Sie tun alle nur so, und ich will keinen von ihnen je wiedersehen.“

„Und das Spielchen …?“

„Das Spielchen - oh, ich komme mir vor wie ein Idiot, Mike! Das Spielchen - eines der Spielchen - besteht darin, dass ich tagelang oder sogar wochenlang mit niemandem Kontakt aufnehme, nur um zu sehen, wie lange es dauern wird, bevor ihnen endlich einfällt, dass ich existiere und sie mir schreiben oder mich anrufen oder irgendetwas. Ich weiß, es ist kindisch und albern, aber - ich schätze, manchmal bin ich eben ganz unten und verwandle mich in einen Jammerlappen.“

„Du hast dieses letzte Messer fünfmal abgetrocknet, Dip. Funktioniert das?“

„Funktioniert was? Die Kontaktsperre, meinst du? Nein, eigentlich nicht. Eine Weile lang drücke ich eine Ladung brennenden Groll an mich, aber dann fange ich an, die Leute zu vermissen; also gehe ich sie besuchen, und sie freuen sich meistens so sehr, mich zu sehen, und ich freue mich so sehr, sie zu sehen, dass ich ganz vergesse, tief verletzt zu sein, und alles wird wieder normal.“ Ich lachte. „Einmal ging der Schuss voll nach hinten los. Da war so ein Pärchen in meiner früheren Gemeinde, die meinten, sie hätten einen, Dienst unter Alleinstehenden‘ zu verrichten, und sie wurden ziemlich fuchtig, als ich eine Weile nicht zu ihnen kam. Eines Abends standen sie bei mir auf der Matte, mit Mündern, die aussahen wie ausgefranste Schnurstücke, und sagten mir, weil ich nicht an ihren Versammlungen teilgenommen hätte - ach Mike, lebendig begraben zu werden hätte mir mehr Spaß gemacht -, fühlten sie sich geführt, sich für eine Zeit von mir zurückzuziehen. Dann marschierten sie ab, und ich fühlte mich sehr erleichtert und ein bisschen schuldig - aber nur ein bisschen.“

Mike warf den Flaschenöffner an seinen Platz und schloss die Besteckschublade mit einem triumphierenden Knall.

„Der Abwasch ist erledigt. Jetzt nehmen wir uns den Fußboden vor. Gehen wir syst- … ich meine, du fegst, Dip, und ich stelle die Stühle hoch, weil ich weiß, wie man sie am besten anordnet, und dann kannst du mir vom Flur aus weiter erzählen, während ich feucht wische. Okay?“

Als ich ein paar Minuten später mit verschränkten Armen im Türrahmen lehnte und Mike beobachtete, wie er sich langsam und methodisch mit dem Schrubber rückwärts auf mich zuarbeitete, empfand ich ein leises Unbehagen. Eine Frage formte sich in dem konzentrierten Rhythmus seiner Bewegungen. Hätte ich nicht gewusst, dass durch den bevorstehenden Urlaub sowieso eine Lücke entstehen würde, so hätte ich vielleicht an Ort und Stelle meine Kaninchennummer abgezogen. Welchen Preis würde ich dafür bezahlen müssen, dass ich mich so entblößt hatte?

„Darf ich dich etwas fragen, Dip?“

„Nein.“

„Komm schon - darf ich?“

Ich seufzte. „Ja.“

„Also - warum hast du mir das alles erzählt? Ich meine, du hast deine ganze Tarnung platzen lassen, nicht wahr? Wie kannst du dich jetzt noch dünnemachen und dein Spielchen mit der Kontaktsperre spielen, wenn wir doch genau wissen, was mit dir los ist, und mit riesigen Blumensträußen und Schwüren ewiger Freundschaft bei dir auf der Matte stehen werden, sobald wir dich einmal länger als einen oder zwei Tage nicht sehen? Verstehst du, was ich meine?“

 

Ich war entschlossen, nicht zu weinen. Ich holte tief Luft.

„Die Sache ist die, Mike, ich habe keine Lust, mit dir und Kathy und den anderen Spielchen zu spielen. Ich bin fast einundfünfzig Jahre alt, und ich glaube nicht, dass noch die Chance besteht, dass mir jemand Besonderes über den Weg läuft - nicht, wenn ich realistisch denke. Ich habe es ernst gemeint, als ich gerade sagte, dass ich mir heute nicht mehr vorstellen kann, jemandem auf diese Weise so nahe zu kommen. Aber in letzter Zeit habe ich angefangen …“

Mike, der spürte, dass ich ein Zeichen seiner Aufmerksamkeit brauchte, drehte sich um, stützte sich auf seinen Schrubber und nickte mir zu. „Weiter, ich höre zu.“

„In letzter Zeit habe ich angefangen, mich auf eine neue Art und Weise einsam zu fühlen - es steckt eine Art Panik mit darin, eine Furcht, dass ich alt werden könnte, ohne etwas …“, ich rang einen Augenblick lang nach Worten, „ohne mich an jemanden zu verschenken, ohne die Spielchen und die unnötige Zurückhaltung und die ruhige und zuverlässige Fassade und all das. Ich möchte niemandem ein Klotz am Bein sein, aber ich würde gern irgendwo hingehören.“ Ich starrte den Wäschetrockner an. „Du und Kathy und die Kinder, ihr habt - wie soll ich es beschreiben? -, ihr habt mich in alles mit hineingenommen, was bei euch los ist, ohne eure christliche Fassade in Ordnung zu bringen, bevor ich sie zu sehen bekomme. Ihr habt mich dahin gelassen, wo ihr wirklich seid, und, nun ja, ich habe bisher nie gewusst, was für ein Gefühl das ist. Ich möchte, dass das so bleibt. Das wünsche ich mir sehr. Habe ich dich in Verlegenheit gebracht?“

Mike verlagerte sein Gewicht auf dem Schrubberstiel. „Gestern Abend, als alle weg waren“, sagte er langsam und ernst, „lagen Kath und ich im Bett und führten ein ziemlich altbekanntes Abendgespräch. Es läuft fast immer gleich ab. Sie verzweifelt an ihrer miserablen Mutterschaft und ihrem Aussehen und dem Verfall ihrer schriftstellerischen Begabung und ihrer Undankbarkeit gegen Gott für das, was er ihr in all diesen Bereichen geschenkt hat, und ich sage Sachen wie:, Nun komm schon, Kath, du weißt doch, dass es in Wirklichkeit gar nicht so schlimm ist.‘ Dann sagt sie mir, was mit mir nicht stimmt, und ich höre zu, sage aber nichts - früher ja, aber jetzt nicht mehr -, bis sie gesagt hat, was immer sie auf dem Herzen hat; dann weint sie meistens, und wir kuscheln uns aneinander, und alles ist mehr oder weniger wieder in Ordnung. Na ja, wir haben das alles durchexerziert, und dann, als wir gerade schlafen wollten, sagte Kath plötzlich:, Mike, ich wünschte, Dip würde zu uns ziehen und mit uns zusammenleben. Ich fühle mich sicher und geborgen, wenn sie hier ist.‘ Das waren ihre Worte -, sicher und geborgen‘.“

Er zögerte einen Moment; er wollte mir zu verstehen geben, wie ernst es ihm war.

„Dip, wir sind eine chaotische Familie - das brauche ich dir nicht zu sagen. Wir verbringen offenbar schrecklich viel Zeit damit, so zu tun, als wären wir besser organisiert oder heiliger oder enger miteinander verbunden, als wir es wirklich sind. Zeitverschwendung, sicher, aber ich fürchte, so sind wir nun einmal. Du bist die erste Person, bei der es uns nicht stört, dass sie uns einfach so sieht, wie wir sind.“ Er lächelte. „Ob es dir gefällt oder nicht, Elizabeth Reynolds, du hast eine Wärme und Herzlichkeit an dir, die Kath und ich einfach - nun - einfach lieben. Neulich haben wir beide genau dasselbe gesagt. Wenn du zur Haustür hereinkommst, wird alles ein bisschen heller.“

Er drehte sich abrupt um und begann, den Fußboden noch heftiger als zuvor zu attackieren.

„Dies ist ein großes, altes Haus, Dip“, sagte er über die Schulter hinweg. „Reichlich Platz für ein Wohn- und Schlafzimmer im Obergeschoss. Denk darüber nach, während wir in Amerika sind, ja?“

„Aber Kathy …“

„Gerade eben hast du gesagt, du möchtest gern für jemanden die Nummer eins in seinem Leben sein, stimmt's? Also, das kann ich dir zwar nicht garantieren, aber ich kann dir sagen, dass du bei Kath leicht auf den sechsten Platz kommst - ich würde sogar sagen, wie die Dinge mit Mark im Moment stehen, bist du auf den fünften Platz aufgestiegen. Denk darüber nach, während wir weg sind, ja? Versprochen?“

„Ich verspreche es.“

Die Küchenuhr zeigte genau zwei Uhr fünfundzwanzig, als Kathy, Mike, Jack, Felicity und ich uns an den Tisch setzten, um ein spätes Mittagessen mit Fisch und Chips zu uns zu nehmen, das Jack aus der High Street besorgt hatte. Sein Zimmer sah jetzt (nach den Worten seiner Mutter) aus, als wäre etwas Trauriges und Schreckliches notdürftig verborgen worden. Von Mark war immer noch nichts zu sehen.

Kathys Methode musste ziemlich gut funktioniert haben, denn es war alles gepackt, aber sie sah sehr müde und verdrießlich aus.

„Wir halten uns nicht lange mit Tellern und dergleichen auf“, sagte Mike leicht nervös, während er das Essen auspackte. „Hat ja keinen Sinn, alles abzuspülen und dann wieder zu benutzen. Wir können genauso gut mit den Fingern vom Packpapier essen; dann brauchen wir nur noch das Papier wegzuwerfen und uns die Hände zu waschen, stimmt's?“

„Ich weiß gar nicht, wieso wir überhaupt jemals Teller benutzen“, bemerkte Jack, „die machen doch nur das Leben komplizierter, oder nicht? Meiner Meinung nach ist Essen nur Brennstoff. Man steckt es hinein, und es bringt den Motor zum Laufen.“

Er steckte ein großes Stück gebratenen Brennstoff in seinen Mund und kaute es mit sichtlichem Genuss.

„Ich esse gern mit den Fingern“, sagte Felicity fröhlich. „Warum sprechen wir eigentlich kein Tischgebet, wenn wir unter uns sind? Wir sprechen nie ein Tischgebet, wenn nicht jemand hier ist - ein Gast.“ Das letzte Wort sprach sie aus, als verberge sich dahinter eine gefährliche Krankheit.

„Aber Dip ist doch hier, Felicity“, sagte Mike, „zählt sie denn nicht?“

„Natürlich nicht“, erwiderte Felicity verächtlich, „Dip gehört doch zu uns. Mami, warum beten wir nicht, wenn wir unter uns sind? Glaubst du, Gott möchte, dass wir ihm nur dann für unser Essen danken, wenn jemand Wichtiges zum Essen kommt? Bei Emily zu Hause beten sie vor dem Frühstück und vor dem Tee und vor allem, selbst wenn nur Emily und ihre Mami und ich da sind. Bei Emily zu Hause …“

„Felicity, hör schon auf mit Emily s Zuhause“, unterbrach Kathy gereizt. „Mir ist völlig egal, wie es dort zugeht. Offenbar sind bei Emily zu Hause viel tollere Menschen als bei Felicity zu Hause, aber ich fürchte, dir bleibt nichts übrig, als hier mit deiner eigenen nichtsnutzigen Mutter zu wohnen, also iss deinen Fisch, und sei still!“

In der darauf folgenden Stille traten zwei riesige Tränen in Felicitys Augen und rannen langsam an ihrem Gesicht herab. Mike hatte aufgehört zu essen und starrte Kathy an. Vielleicht wartete er darauf, dass sie den angerichteten Schaden wieder gutmachen würde, bevor jemand anderes es tun musste. Schließlich brach Jack das Schweigen. Er würde niemals den Prozess der Brennstoffaufnahme für irgendetwas unterbrechen, aber immerhin fand er zwischen zwei Bissen Zeit, seine Ansicht zu äußern.

„Das ist ein bisschen unfair, Mum. Flitty hat nur darauf hingewiesen, wie heuchlerisch es ist, vor manchen Leuten eine Show abzuziehen, während man sich bei anderen die Mühe spart.“

Eine riesige Fuhre Fisch und Chips unterbrach Jacks im Entstehen begriffene Verteidigungsrede für seine kleine Schwester, aber er hätte sowieso keine Gelegenheit gehabt, noch mehr zu sagen. Was immer sich gerade in Kathy aufheizte, kam in diesem Moment zum Kochen. Sie beugte sich über den Tisch, hob einen steifen Zeigefinger und stach damit in die Richtung ihres ältesten Sohnes.

„Von dir lasse ich mir keine Vorträge über das Thema Heuchelei halten. Ich bin eine Expertin auf diesem Gebiet, nachdem ich das letzte Jahr mit dir erlebt habe. Du sitzt da, stopfst dir Chips ins Gesicht und erzählst mir, dass Teller das Leben komplizierter machen - also, dann darf ich deinem unergründlichen Wissensschatz vielleicht hinzufügen, dass Milchflaschen das Leben ebenfalls komplizierter machen; besonders wenn ich fünf davon in diesem Loch da oben finde, das du dein Zimmer nennst, von denen jede noch einen Achtelliter vergammelte Milch enthält, deren Gestank das ganze Haus verpestet. Wenn du irgendwann einmal anfängst, dein eigenes Chaos in Ordnung zu bringen, und aufhörst, unser Geld zu verschleudern, dann bin ich vielleicht bereit, mir deine Meinung darüber anzuhören, wie wir unser geistliches Leben gestalten und unsere anderen Kinder erziehen!“

Es entstand ein bedrücktes Schweigen. Jack legte seinen Arm, der gerade nicht mit der Brennstoffzuführung beschäftigt war, um Felicity, die immer noch schniefte, und Mike machte den Mund auf, um etwas zu sagen. Der Sturm drehte sich in seine Richtung.

„Falls du mir jetzt erzählen willst, dass ich ein Stück Fisch oder sonst was auf deinen schönen, sauberen, verfluchten Küchenfußboden habe fallen lassen, Mike, dann werde ich aus diesem Haus flüchten - ich glaube wirklich, das werde ich. Offenbar bin ich umgeben von Neurotikern und Idioten, die nicht genug Verstand haben, sich um irgendetwas selbst zu kümmern, und ich habe genug davon!“

Kathy legte die Hände flach vors Gesicht und begann mit vor Erregung zitterndem Oberkörper lautlos zu schluchzen. Felicity starrte ihre Mutter aus geröteten Augen verwirrt an.

„Daddy“, sagte sie mit leiser, heiserer Stimme, „warum weint denn Mami? Ist sie wütend oder traurig?“

Mike breitete verwirrt und unglücklich die Arme aus. „Ich weiß es nicht genau, Liebling. Aber mach dir keine Gedanken. Mami wollte nicht so … sie hat es nicht so gemeint. Sie hat sich nur ein bisschen aufgeregt.“

„Es waren nur vier Milchflaschen“, warf Jack unsicher und vielleicht etwas gedankenlos ein, als meinte er, das würde die Situation in ein völlig anderes Licht stellen.

Sie taten mir alle schrecklich Leid, doch gleichzeitig sang in meinem Kopf die Erinnerung an etwas, das Felicity gesagt hatte, wie ein Vögelchen - immer die gleiche Melodie: „Dip gehört doch zu uns, Dip gehört doch zu uns, Dip gehört doch zu uns …“ Ich war in diesem Augenblick bestimmt die glücklichste Person in der Küche der Robinsons. Ich sehnte mich danach zu helfen.

Etwas an Kathys Verhalten erinnerte mich an all die Gelegenheiten in der Vergangenheit, meistens an den Abenden, wenn eine Welle panischer Einsamkeit auf mich einstürzte und das bisschen inneren Frieden, das ich hatte, überspülte, sodass ich nach Luft ringend zurückblieb und aus demselben Grund weinte wie ein Baby, aus schierer Bedürftigkeit. Über so etwas sprach man niemals. Nein, man wartete, bis die Tränen versiegt waren, dann ging man nach oben, wusch sich das Gesicht und bürstete sich die Haare, und wenn man wieder einigermaßen passabel aussah, ging man wieder hinunter, setzte sich neben das Telefon und ging in Gedanken eine Liste der Leute durch, die man kannte. Wenn man es endlich geschafft hatte, jemanden zu erreichen, klang man heiter und ungezwungen. Man sagte, man werde vielleicht später kurz vorbeischauen (weil man sowieso in der Gegend sein werde), um etwas zu besprechen oder irgendein Arrangement zu treffen oder etwas abzuholen, was man dort hatte liegen lassen. Nichts Wichtiges, nein, nein. Es konnte warten - nur so ein Gedanke …

Wenn sie dann sagten, das sei eine gute Idee, dann spitzte man die Ohren, um herauszuhören, ob sie einen wirklich haben wollten. Wollten sie es - oder taten sie überzeugend genug so, als ob sie es wollten -, dann ging man hin. Wenn man hinkam, wurde man gefragt, wie es gehe, und man sagte prima und lachte ein wenig, doch innerlich schrie man stumm danach, dass sie einen in die Arme nahmen und lieb hatten und sich um einen kümmerten.

Ich bin sicher, andere Leute kommen viel besser mit dem Alleinleben zurecht als ich früher. Aber solche Erfahrungen, wie ich sie gemacht habe, machen einen sehr hellhörig für die Möglichkeit, dass Leute etwas meinen könnten, das sie nicht aussprechen. Ich wusste, dass Kathys Problem nichts mit irgendjemandem zu tun hatte, der jetzt in der Küche saß. Ich beugte mich hinüber und zog sanft eine Hand von ihrem Gesicht.

„Es ist Mark, nicht wahr?“

In diesem Moment hörten wir alle, wie jemand die Haustür öffnete. Die Tatsache, dass darauf nicht das entsprechende Geräusch der sich schließenden Haustür folgte, deutete darauf hin, dass Mark endlich nach Hause gekommen war. Zwei Sekunden später trat er in die Küche und starrte das Essen auf dem Tisch an.

 

„Ihr konntet wohl nicht auf mich warten, was?“, sagte er empört.