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Kitabı oxu: «Die beiden Dianen», səhifə 49

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VI.
Die Unklugheit der Vorsicht

Gabriel drang ohne Widerstand in den Louvre. Seit der Einnahme von Calais war der Name des jungen Grafen von Montgommery zu oft ausgesprochen worden, als daß man hätte daran denken, sollen ihm den Eintritt in die Gemächer von Frau von Castro zu verwehren.

Diana beschäftigte sich in diesem Augenblick, allein mit einer ihrer Frauen, mit einer Stickerei. Oft ließ sie ihre Hand sinken und dachte träumerisch an ihre Unterredung am Morgen mit Aloyse.

Plötzlich trat André ganz bestürzt ein und meldete:

»Gnädige Frau, der Herr Vicomte d’Ermès.«

Der Knabe hatte sich noch nicht abgewöhnt, seinem alten Herrn diesen Namen zu geben.

»Wer? Herr d’Ermès hier?« wiederholte Diana erstaunt.

»Madame, er folgt mir auf dem Fuß,« antwortete der Page. »Hier ist er.«

Gabriel erschien an der Thüre, so gut als möglich seine Erschütterung bewältigend. Er verbeugte sich tief vor Frau von Castro, welche Anfangs in ihrer Bestürzung seinen Gruß nicht erwiderte.

Doch sie entließ mit einer Gebärde den Pagen und die Kammerfrau.

Als Diana und Gabriel allein waren, gingen sie auf einander zu, reichten und drückten sie sich die Hände.

So blieben sie mit verschlungenen Händen eine Minute lang und schauten sich stillschweigend an.

»Ihr hattet die Güte, zu mir zu kommen, Diana,« sprach Gabriel endlich mit tiefer Stimme. »Ihr wolltet mich sehen, Ihr hattet mit mir zu sprechen, und ich bin herbeigelaufen.«

»Hat Euch mein Schritt erst belehrt, daß es für mich ein Bedürfniß ist, Euch zu sehen, Gabriel, wußtet Ihr das nicht ohnedies?«

»Diana,« erwiderte Gabriel mit einem traurigen Lächeln, »ich habe anderswo Proben von meinem Muth abgelegt, und kann wohl sagen, daß ich hierher in den Louvre gehend bange gehabt hätte.«

»Bange, wovor?« fragte Diana, welche selbst vor ihrer Frage Furcht hatte.

»Bange vor Euch! . . . bange vor mir! . . .« antwortete Gabriel.

»Und deshalb habt Ihr es vorgezogen, unsere alte Zuneigung zu vergessen? Ich spreche von der rechtmäßigen und heiligen Seite dieser Zuneigung?« fügte sie eiligst bei.

»Ich hätte es vorgezogen, eher Alles zu vergessen, als von selbst in diesen Louvre zurückzukehren; ich muß es gestehen. Doch, ach! ich habe es nicht vermocht, und der Beweis . . .«

»Der Beweis?«

»Der Beweis ist, daß ich Euch überall und immer suche; ist, daß ich, während ich Eure Gegenwart fürchtete, Alles in der Welt gegeben hätte, um Euch eine Minute in der Ferne zu erblicken. Der Beweis ist, daß ich, während ich in Paris, in Fontainebleau, in Saint-Germain und in der Nähe der königlichen Schlösser umherschweifte, statt das zu wünschen, was ich, wie man glaubte, belauerte, Euch, Euren reizenden, süßen Anblick, Euer Kleid zwischen den Bäumen auf einer Terrasse erschaut wünschte, herbeirief, wollte! Der Beweis ist endlich, daß Ihr nur einen Schritt mir entgegen zu machen hattet, um mich Klugheit, Pflicht, Angst, Schrecken, Alles vergessen zu lassen. Und nun bin ich in dem Louvre, den ich fliehen mußte! Und ich beantworte alle Eure Fragen. Und ich fühle, daß dies Alles gefährlich, wahnsinnig ist, und dennoch thue ich dies Alles. Diana, habt Ihr damit Proben genug?«

»Ja, ja, Gabriel,« erwiderte sie hastig und ganz zitternd.

»Ah! wie viel vernünftiger wäre es von mir gewesen auf meinem festen Entschluß zu beharren, Euch nicht mehr zu sehen, zu entfliehen, wenn Ihr mich rufen, zu schweigen, wenn Ihr fragen würdet! Das wäre besser für Euch und für mich gewesen, glaubt es mir, Diana. Ich wußte, was ich that; ich zog für Euch noch die Unruhe, die Schmerzen vor. Mein Gott! warum bin ich ohne Kraft gegen Eure Stimme, gegen Euren Blick? . . .«

Diana fing an zu begreifen, sie könnte Unrecht gehabt haben, aus ihrer tödtlichen Unentschlossenheit herauszutreten. Jeder Gegenstand des Gesprächs war ein Schmerz, jede Frage war eine Gefahr. Zwischen diesen zwei Wesen, welche Gott vielleicht für das Glück geschaffen hatte, konnte es durch die Handlungen der Menschen nur noch Mißtrauen, Gefahr und Unglück geben.

Doch da Diana das Schicksal so herausgefordert, so wollte sie ihm nicht entfliehen; sie wollte den ganzen Abgrund erforschen, den sie versucht hatte, und sollte sie auch in seiner Tiefe nur die Verzweiflung und den Tod finden.

Nach einem nachdenkenden Stillschweigen sprach sie:

»Es lag mir aus zwei Gründen daran, Euch zu sehen, Gabriel: einmal hatte ich Euch eine Erklärung zu geben, und dann wollte ich mir eine von Euch erbitten.«

»Sprecht, Diana. Oeffnet und zerreißt mein Herz nach Eurem Belieben: es gehört Euch.«

»Zuerst war es für mich ein Bedürfnis, Gabriel, Euch auseinanderzusetzen, warum ich nicht, sobald ich Eure Botschaft erhalten, sogleich den Schleier nahm, den Ihr mir zurückschicktet, und nicht auf der Stelle in ein Kloster trat, wie ich dies als mein Vorhaben bei unserer letzten und schmerzlichen Zusammenkunft in Calais ausgesprochen hatte.«

»Habe ich Euch den geringsten Vorwurf hierüber gemacht? Ich ließ Euch im Gegentheil durch André sagen, ich gebe Euch Euer Versprechen zurück. Das war von mir nicht ein leeres Wort, sondern eine wirkliche Absicht.«

»Es war auch meine wirkliche Absicht, Nonne zu werden, Gabriel, und diese Absicht ist bis jetzt nur vertagt. Wißt das wohl.«

»Und warum, Diana? warum auf diese Welt verzichten, für die Ihr gemacht seid?«

»Euer Gewissen beruhige sich über diesen Punkt, mein Freund,« sprach Diana, »nicht sowohl um dem Eid gehorsam zu sein, den ich Euch geleistet habe, als um den geheimen Wunsch meiner Seele zu befriedigen, will ich diese Welt, wo ich so viel gelitten, verlassen. Ich bedarf sehr des Friedens und der Ruhe; und ich wüßte die Ruhe nunmehr nur bei Gott zu finden. Beneidet mich nicht um diese letzte Zufluchtsstätte!«

»Oh! doch, ich beneide Euch!« rief Gabriel.

»Ich habe nur meinen unwiderruflichen Entschluß aus einem Grund nicht sogleich ausgeführt: ich wollte darüber wachen, daß Ihr die in meinem letzten Briefe enthaltene Bitte erfülltet, daß Ihr Euch nicht zum Richter und Bestrafer machtet, daß Ihr Gott nicht zuvorkämet.«

»Wenn man ihm je zuvorkommt,« sagte Gabriel halb leise.

»Endlich,« fuhr Diana fort, »endlich hoffte ich im Falle der Noth mich zwischen diejenigen, welche ich liebe und die sich hassen, werfen und, wer weiß? ein Unglück oder ein Verbrechen verhüten zu können. Grollt Ihr mir wegen dieses Gedankens Gabriel?«

»Man kann den Engeln nicht wegen dessen grollen, was ihrer Natur gemäß ist,« sagte Gabriel. »Ihr seid edelmüthig gewesen, und das ist ganz einfach.«

»Ei!« rief Frau von Castro, »weiß ich selbst, ob ich edelmüthig gewesen bin? weiß ich wenigstens, bis auf welchen Grad ich es bin? Ich verzeihe in der Finsternis und auf den Zufall, und das ist es gerade, worüber ich Euch zu fragen habe, Gabriel; denn ich will mein Geschick in seinem ganzen Entsetzen kennen.«

»Diana! Diana! das ist eine unselige Neugierde.«

»Gleichviel,« erwiderte Diana. »Ich werde nicht einen Tag länger in dieser furchtbaren Beklemmung ausharren! Sagt mir, Gabriel, habt Ihr endlich die Ueberzeugung erhalten, daß ich wirklich Eure Schwester bin? oder habt Ihr ganz und gar jede Hoffnung verloren, die Wahrheit über dieses seltsame Geheimnis zu erfahren? Antwortet mir, ich bitte Euch, ich flehe Euch an.«

»Ich werde antworten,« sprach Gabriel traurig. »Diana, ein spanisches Sprichwort sagt, man müsse immer auf das Schlimmste gefaßt sein. Ich habe mich daher seit unserer Trennung daran gewöhnt, Euch in meinem Geiste als meine Schwester zu betrachten. Doch der Wahrheit gemäß muß ich sagen, daß ich keine neuen Beweise erlangt habe. Nur habe ich, wie Ihr bemerktet, keine Hoffnung, kein Mittel mehr, solche zu erlangen.«

»Gott des Himmels!« rief Diana. »Derjenige, welcher diese Beweise liefern sollte, lebte er nicht mehr bei Eurer Rückkehr von Calais?«

»Er lebte noch, Diana.«

»Dann sehe ich, daß man Euch das heilige Versprechen, welches man Euch geleistet, nicht gehalten hat. Doch wer hat mir denn gesagt, der König habe Euch vortrefflich aufgenommen?«

»Man hat strenge Alles gehalten, was man mir versprach, Diana.«

»Oh! Gabriel, mit welch einer finsteren Miene sagt Ihr mir das? Heilige Mutter Gottes, was für ein schreckliches Räthsel steckt hierunter?«

»Ihr habt es verlangt, Ihr sollt Alles erfahren,« erwiderte Gabriel. »Ihr sollt bis zum Ende die Hälfte meines furchtbaren Geheimnisses tragen. Es ist mir auch lieb, zu sehen, was Ihr von meiner Offenbarung denken werdet, ob Ihr, nachdem Ihr sie vernommen, bei Eurer Milde verharren, und ob Eure Miene, Euer Gesicht, Eure Gebärden nicht wenigstens Eure Worte der Gnade Lügen strafen werden. Hört!«

»Ich höre und zittere, Gabriel,« sprach Diana.

Mit einer keuchenden, bebenden Stimme erzählte Gabriel Frau von Castro sodann Alles, den Empfang des Königs, wie ihm Heinrich II. abermals sein Versprechen erneuert, die Vorstellungen, die diesem Frau von Poitiers und der Connétable zu machen geschienen, welche Nacht der Angst und des Fiebers Gabriel zugebracht, seinen zweiten Besuch im Châtelet, sein Hinabsteigen in die Hölle des verpesteten Gefängnisses, die traurige Mittheilung von Herrn von Sazerac, kurz Alles.

Diana hörte, ohne zu unterbrechen, ohne einen Ausruf, ohne sich zu rühren, kalt wie eine Bildsäule, die Augen starr in ihrer Höhle, die Haare auf ihrer Stirne gesträubt.

Es trat eine lange Pause ein, als Gabriel seine unselige Geschichte beendigt hatte. Dann wollte Diana sprechen, sie konnte es nicht. Ihre Stimme blieb in ihrer erschütterten Brust. Gabriel schaute mit einer gewissen furchtbaren Freude ihre Unruhe und ihren Schrecken an. Endlich stieß sie einen Schrei aus:

»Gnade für den König!«

»Ah!« rief Gabriel, »Ihr verlangt Gnade? Ihr haltet ihn also auch für schuldig und strafbar! Gnade? Ah! das ist eine Verurtheilung! Gnade? nicht wahr, er verdient den Tod?«

»Oh! ich habe das nicht gesagt,« entgegnete Diana ganz verwirrt.

»Doch, Ihr habt es gesagt! ich sehe, Ihr seid meiner Ansicht, Diana, Ihr denkt, Ihr fühlt wie ich. Nur schließen wir anders, je nach unsern Naturen; die Frau verlangt Gnade und der Mann Gerechtigkeit!«

»Ah!« rief Diana, »wie unklug und toll bin ich! warum habe ich gemacht, daß Ihr in den Louvre gekommen seid!«

In demselben Augenblick klopfte Jemand leise an die Thüre.

»Wer ist da, was will man wieder von mir?« rief Frau von Castro.

André öffnete ein wenig die Thüre und sprach:

»Entschuldigt, gnädige Frau, es ist eine Botschaft vom König.«

»Vom König!« wiederholte Gabriel, dessen Blick sich entflammte.

»Warum bringt Ihr mir diesen Brief, André?«

»Madame, er ist, wie man mir sagt, dringend.«

»Gebt. Was will der König von mir? Geht, André, wenn eine Antwort nöthig ist, werde ich Euch rufen.

André entfernte sich. Diana entsiegelte den königlichen Brief und las ganz leise wie folgt mit wachsendem Schrecken:

»Meine theure Diana!«

»Man sagt mir, Ihr seid im Louvre; ich bitte, geht nicht aus, ehe ich zu Euch komme. Ich bin in einer Sitzung des Raths, welche von einem Augenblick zum andern endigen kann. Sobald ich sie verlasse, begebe ich mich auf der Stelle und ohne Gefolge in Eure Wohnung. Erwartet mich jede Minute.

»Es ist so lange her, daß ich Euch nicht mehr allein gesehen habe! Ich bin traurig und muß nothwendig einige Augenblicke mit meiner vielgeliebten Tochter plaudern. Sogleich also.

»Heinrich.«

Erbleichend zerknitterte Diana diesen Brief in ihrer krampfhaften Hand. als sie ihn gelesen hatte.

Was sollte sie thun?

Gabriel sogleich wegschicken? Doch wenn er, indem er wegginge, dem König begegnen würde, der jeden Augenblick kommen konnte?

Den jungen Mann bei sich zurückbehalten? Aber der König würde ihn bei seinem Eintritt finden!

Den König warnen, hieße Verdacht erregen. Gabriel warnen, hieße seinen Zorn hervorrufen, indem man ihn zu fürchten scheinen würde.

Ein Zusammentreffen zwischen diesen zwei einander so gefährlichen Männern schien nun unvermeidbar, und Diana, die sie so gern um den Preis ihres Blutes gerettet haben würde, hatte dieses unselige Zusammentreffen herbeigeführt!

»Was verlangt der König von Euch?« fragte Gabriel mit einer geheuchelten Ruhe, welche das Zittern seiner Stimme Lügen strafte.

»Nichts, nichts, in der That nichts!« erwiderte Diana. »Eine Ermahnung wegen des Empfanges von heute Abend.«

»Ich störe Euch vielleicht und entferne mich.«

»Nein, nein, bleibt!« rief Diana rasch. »Doch wenn Euch,« fügte sie bei, »wenn Euch ein Geschäft auf der Stelle von hier wegruft, so möchte ich Euch nicht gern zurückhalten.«

»Dieser Brief hat Euch beunruhigt, Diana. Ich befürchte, Euch lästig zu sein, und nehme von Euch Abschied.«

»Ihr mir lästig, Freund! könnt Ihr das denken?« versetzte Frau von Castro. »Habe ich Euch nicht gewissermaßen geholt? Ach! vielleicht sehr unkluger Weise, befürchte ich. Ich werde Euch wiedersehen, doch nicht mehr hier, sondern bei Euch; sobald ich entkommen kann, besuche ich Euch und nehme dieses zugleich süße und furchtbare Gespräch wieder auf. Ich gelobe es Euch, zählt auf mich. Für den Augenblick, Ihr hattet Recht, ich muß es gestehen . . . ich bin ein wenig erschüttert, ein wenig leidend, ich habe etwas wie das Fieber.«

»Ich sehe es, Diana, und verlasse Euch,« sprach Gabriel mit traurigem Tone.

»Auf baldiges Wiedersehen, Freund!« sagte sie. »Geht, geht!«

Sie ging mit ihm bis an die Thüre ihres Zimmers.

»Wenn ich ihn zurückhalte,« dachte sie, indem sie ihn geleitete, »so wird er sicherlich den König sehen; wenn er sich im Augenblick entfernt, so ist doch wenigstens eine Hoffnung vorhanden, daß sie sich nicht begegnen.«

Doch sie zögerte, zweifelte und zitterte noch.

»Verzeiht, ein letztes Wort, Gabriel,« sprach sie ganz außer sich auf der Thürschwelle. »Mein Gott, Eure Erzählung hat mich so sehr angegriffen! . . . ich habe Mühe, meine Gedanken zu sammeln . . . Was wollte ich Euch fragen? . . . Ach! ich habe es. Nur ein Wort noch, ein wichtiges Wort! Ihr habt mir noch nicht gesagt, was Ihr zu thun beabsichtigt? Ich rief: Gnade! und Ihr riefet: Gerechtigkeit! Wie hofft Ihr diese Gerechtigkeit zu erlangen?«

»Ich weiß es noch nicht,« antwortete Gabriel mit finsterer Miene. »Ich verlasse mich auf Gott, auf die Ereignisse und die Gelegenheit.«

»Auf die Gelegenheit?« wiederholte Diana schauernd. »Auf die Gelegenheit? was versteht Ihr darunter? Oh! kehrt zurück! kehrt zurück! Ich will Euch nicht so gehen lassen, ehe Ihr mir das Wort: bei Gelegenheit, erklärt habt. Bleibt, ich beschwöre Euch.«

Und sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn wieder in das Zimmer.

»Wenn er dem König außen begegnet,« dachte die arme Diana, »so werden sie allein mit einander sein, der König ohne Gefolge, Gabriel das Schwert an seiner Seite. Hier bin ich wenigstens da, ich kann zwischen sie stürzen, Gabriel anflehen, mich dem Streiche entgegenwerfen, Gabriel muß bleiben.«

»Ich fühle mich besser,« sagte sie laut. »Bleibt, Gabriel, nehmen wir das Gespräch wieder auf; gebt mir die Erklärung, die ich von Euch erwarte. Ich fühle mich viel besser.«

»Nein, Diana, Ihr seid noch mehr bewegt, als vorhin,« erwiderte Gabriel. »Und wißt Ihr, welcher Gedanke sich in mir regt, und welcher Ursache ich Euren Schrecken zuschreibe?«

»Wahrhaftig, nein, Gabriel, wie sollte ich es wissen?«

»Nun wohl, wenn vorhin Euer Schrei nach Gnade zugestand, daß für Euch das Verbrechen unleugbar war, so offenbart nun Eure Angst, Diana, daß die Bestrafung in Euren Augen gesetzlich wäre. Ihr fürchtet für den Schuldigen meine Rache und würdet sie folglich begreifen. Ihr haltet mich hier zurück, um möglichen Repressalien zuvorzukommen, die Euch erschrecken, aber nicht in Erstaunen setzen würden, die Euch ganz einfach vorkommen, nicht wahr?«

Diana bebte, so scharf hatte der Streich getroffen.

Nichtsdestoweniger raffte sie ihre ganze Energie zusammen und erwiderte:

»Oh! Gabriel, wie möget Ihr glauben, ich könnte solche Gedanken über Euch fassen; Ihr, mein Gabriel, ein Mörder! Ihr, durch Ueberfall einen schlagen, der sich nicht vertheidigen würde. Das ist unmöglich! Das wäre mehr als ein Verbrechen, es wäre eine Feigheit! Ihr bildet Euch ein, ich halte Euch zurück? Ein Irrthum geht! geht! ich öffne Euch die Thüren. Mein Gott! ich bin ruhig, sehr ruhig, über diesen Punkt wenigstens. Wenn etwas mich beunruhigt, so ist es nicht ein solcher Gedanke, dafür stehe ich Euch. Verlaßt mich, verlaßt den Louvre im Frieden. Ich kehre zu Euch zurück, um unser Gespräch zu vollenden. Geht, mein Freund, geht!«

Und so sprechend, hatte sie ihn bis in das Vorzimmer geführt.

Hier fand sich der Page. Diana dachte wohl daran, ihm zu befehlen, Gabriel bis vor den Louvre zu begleiten. Doch diese Vorsichtsmaßregel hätte abermals ihr Mißtrauen verrathen. Als sie aber hier war, konnte sie sich nicht enthalten. André durch ein Zeichen zu rufen und ihn flüsternd zu fragen:

»Wißt Ihr, ob der Rath beendigt ist?«

»Noch nicht, gnädige Frau,« antwortete André ganz leise. »Ich habe die Räthe noch nicht aus dem Saale weggehen sehen.«

»Gott befohlen, Gabriel,« sagte Diana rasch und laut. »Gott befohlen, Freund! Ihr nöthigt mich, Euch beinahe wegzuschicken, um Euch zu beweisen, daß ich Euch nicht zurückhalte, Gott befohlen, aber auf baldiges Wiedersehen!«

»Auf baldiges Wiedersehen!« sprach mit einem schwermüthigen Lächeln der junge Mann, indem er ihr die Hand drückte.

Er ging. Sie blieb und schaute ihm nach, bis die letzte Thüre sich hinter ihm geschlossen hatte.

Dann kehrte sie in ihr Zimmer zurück und sank, die Augen in Thränen, das Herz bebend, vor ihrem Betpult auf die Kniee.

»O mein Gott! mein Gott!« sprach sie, »wache im Namen Jesu über demjenigen, welcher vielleicht mein Bruder, über demjenigen, welcher vielleicht mein Vater ist. Behüte vor einander die Wesen, die ich liebe, o mein Gott! Du allein vermagst es.«

VII.
Gelegenheiten

So sehr sie bemüht gewesen war, oder vielleicht gerade weil sie so sehr bemüht gewesen, verwirklichte sich das was Frau von Castro vorhergesehen und befürchtet hatte.

Gabriel entfernte sich ganz traurig, ganz betrübt.

Das Fieber von Diana hatte ihn gewissermaßen angesteckt und verdunkelte seine Augen, verwirrte seine Gedanken.

Er ging maschinenmäßig über die Treppen und durch die bekannten Gänge des Louvre, ohne viel auf die äußeren Gegenstände Achtung zu geben.

Als er im Begriff war, die Thüre der großen Gallerie zu öffnen, erinnerte er sich nichtsdestoweniger, daß er bei seiner Rückkehr von Saint-Quentin hier Maria Stuart begegnet war, und daß ihm die Vermittlung der jungen Königin Dauphine bis zum König zu gelangen gestattet hatte, wo ihn die erste Täuschung erwartete.

Denn man hatte ihn nicht nur einmal getäuscht und verletzt! zu wiederholten Malen hatte man seiner Hoffnung den Todesstreich gegeben! Nach einer ersten Bethörung hätte er sich allerdings an diese feigen und treulosen Auslegungen des Buchstaben eines heiligen Vertrages gewöhnen und darauf gefaßt sein müssen!

Während im Geiste von Gabriel diese erschütternden Erinnerungen wieder auftauchten, öffnete er die Thüre und trat in die Gallerie.

Plötzlich bebte er, wich er einen Schritt zurück und blieb wie versteinert stehen.

Am andern Ende der Gallerie hatte sich die parallele Thüre geöffnet.

Ein Mann war eingetreten.

Dieser Mann war Heinrich II., Heinrich, der Urheber oder wenigstens der Mitschuldige der strafbaren Täuschungen, die für immer die Seele und das Leben von Gabriel verheert und zu Grunde gerichtet hatten! Der König kam allein, ohne Waffen und ohne Gefolge heran.

Der Beleidiger und der Beleidigte befanden sich zum ersten Mal seit der Verletzung einander gegenüber, allein und nur von einander durch eine Entfernung von ungefähr hundert Schritten getrennt, die man in zwanzig Secunden und mit zwanzig Sprüngen durcheilen konnte.

Wir haben gesagt, Gabriel sei plötzlich stehen geblieben, unbeweglich und eiskalt, wie eine Bildsäule, wie die Statue der Rache oder des Hasses.

Der König blieb auch stehen, als er denjenigen erblickte, welchen er seit beinahe einem Jahr nicht anders als in seinen Träumen wiedergesehen hatte.

Die zwei Männer verharrten so wohl eine Minute, wie durch einander verzaubert.

In dem Wirbel der Empfindungen und Gedanken, welche mit Finsternis das Herz von Gabriel erfüllten, wußte der bestürzte junge Mann keine Betrachtung zu wählen, keinen Entschluß zu fassen. Er wartete.

Was Heinrich trotz seines erprobten Muthes empfand, ja, es war wohl Schrecken!

Dennoch erhob er die Stirne bei diesem Gedanken, verjagte er jede feige Willensäußerung und faßte seinen Entschluß.

Rufen hätte fürchten, sich zurückziehen hätte fliehen geheißen.

Er schritt auf die Thüre zu, wo Gabriel wie angenagelt geblieben war.

Eine höhere Gewalt, eine Art von unwiderstehlichen unseligen fortreißender Macht rief ihn, zog ihn gegen das bleiche Gespenst, das ihn, zu erwarten schien. Er fing an dem Schwindel seines Schicksals zu unterliegen.

Gabriel sah ihn so mit einer gewissen blinden, instinkartigen Befriedigung auf sich zukommen, doch es gelang ihm nicht, irgend einen Gedanken von den Wolken loszumachen, die seinen Geist verdunkelten.

Er legte nur die Hand an den Griff seines Degens.

Als der König nur noch einige Schritte von Gabriel entfernt war, erfaßte ihn wieder die Angst, die er schon zurückgedrängt hatte, und preßte sein Herz wie in einen Schraubstock zusammen.

Er sagte sich unbestimmt, seine letzte Stunde sei gekommen und dies sei gerecht.

Dennoch näherte er sich immer mehr. Seine Füße schienen ihn von selbst und ohne daß er daran Antheil hatte vorwärts zu tragen. So müssen die Nachtwandler gehen.

Als er sich ganz vor Gabriel befand, als er seinen Athem hörte und ihn mit den Fingern hätte berühren können, griff er mit der Hand in seiner seltsamen Verwirrung an sein samtenes Toquet und grüßte den jungen Mann.

Gabriel erwiderte seinen Gruß nicht. Er behauptete seine marmorne Haltung, und seine versteinerte Hand verließ sein Schwert nicht, um nach dem Hute zu greifen.

Für Gabriel war Heinrich kein König mehr, sondern ein Mensch, der seinen Vater getödtet hatte, und dem er nur noch Haß schuldig sein konnte.

Er ließ ihn jedoch vorübergehen, ohne ihm etwas zu thun und ohne ihm etwas zu sagen.

Der König ging seinerseits vorüber, ohne sich umzuwenden und ohne über den Mangel an Achtung zu erstaunen.

Als die Thüre sich wieder hinter diesen zwei Männern geschlossen hatte und der Zauber gebrochen war, erwachte jeder von ihnen, rieb sich die Augen und fragte sich:

»War das nicht ein Traum?«

Gabriel ging langsam aus dem Louvre weg. Er beklagte nicht die verlorene Gelegenheit, er bereute es nicht, daß er sie hatte entschlüpfen lassen: er empfand sehr eine gewisse verworrene Freude darüber.

»Meine Beute kommt mir entgegen,« dachte er, »sie dreht sich um meine Netze und nähert sich meinem Speer.«

Er schlief in dieser Nacht, wie er seit langer Zeit nicht mehr geschlafen hatte.

Der König war nicht so ruhig! Er begab sich zu Diana, die ihn erwartete und ihn empfing, man erräth, mit welchem Entzücken!

Doch Heinrich war zerstreut und unruhig. Er wagte es nicht, vom Grafen von Montgommery zu sprechen. Er sagte sich Gabriel sei ohne Zweifel, als er ihn getroffen, von seiner Tochter gekommen; doch er wollte das nicht ergründen, und er, der um sein Vertrauen zu erzeigen, sie besucht hatte, behielt während des ganzen Besuches eine mißtrauische gezwungene Miene.

Dann kehrte er düster und traurig in seine Gemächer zurück; er fühlte sich unzufrieden mit sich selbst und mit den Anderen und schlief nicht in dieser Nacht.

Es kam ihm vor, als wäre er in ein Labyrinth eingetreten, aus dem er nicht mehr lebendig herauskommen würde.

»Doch ich habe mich gewissermaßen,« sagte er zu sich selbst, »ich habe mich dem Schwerte dieses Menschen dargeboten. Es ist gewiß, daß er mich tödten will!«

* * *

Der König wollte, um sich zu zerstreuen und zu betäuben, nicht in Paris bleiben. Während der Tage, welche auf dieses Zusammentreffen mit dem Grafen von Montgommery folgten, begab er sich abwechselnd nach Saint-Germain, nach Chambord und zu Diana von Poitiers in das Schloß Anet.

Gegen das Ende des Monats Juni war er in Fontainebleau.

Und überall entwickelte er die größte mögliche Thätigkeit, und er schien seine Gedanken durch das Geräusch, durch die Bewegung, durch Handeln ersticken zu wollen.

Die nahe bevorstehenden Feierlichkeiten bei der Hochzeit seiner Tochter Elisabeth mit König Philipp II. gaben diesem fieberhaften Bedürfniß Thätigkeit eine Nahrung und einen Vorwand.

In Fontainebleau wollte er dem spanischen Botschafter das Schauspiel einer Parforcejagd im Walde bieten. Diese Jagd wurde auf den 23. Juli bestimmt.

Der Tag kündigte sich an, als sollte er heiß und dampfig werden. Es herrschte eine Gewitterschwüle.

Dessen ungeachtet entschloß sich Heinrich nicht, die gegebenen Befehle zu widerrufen. Ein Sturm ist auch Geräusch.

Er wollte sein ungestümstes, raschestes Pferd besteigen, und überließ sich der Jagd mit einer Art von Muth.

Es gab einen Augenblick, wo er, von seiner Hitze und von der Hitze des Pferdes fortgerissen, seinem ganzen Gefolge weit voran ritt, die Jagd aus dem Gesicht verlor und sich im Walde verirrte.

Die Wolken häuften sich am Himmel an, dumpfes Murren erscholl in der Ferne. Der Sturm war dem Ausbruch nahe.

Ueber sein schäumendes Pferd geneigt, das er nicht einmal in seinem Gang zu mäßigen suchte, sondern vielmehr mit der Stimme und den Sporen antrieb, ritt und ritt Heinrich schneller als der Wind über Stock und Stein: dieser Schwindel erregende Galopp gefiel ihm und er lachte ganz laut und ganz allein.

Auf einige Augenblicke hatte er vergessen.

Plötzlich bäumte sich sein Pferd erschrocken; ein Blitz hatte die Wolke zerrissen und einer von den weißen Felsen die sich in großer Menge im Walde von Fontainebleau finden, hatte sich an der Ecke eines Fußpfades erhoben.

Der Ausbruch des Donners verdoppelte die Angst des argwöhnischen Pferdes. Es fuhr ganz bestürzt auf. Seine ungestüme Bewegung nach rückwärts zerriß den Zügel nahe beim Gebiß. Heinrich war nicht mehr Meister desselben.

Dann begann ein wüthender, wahnsinniger, furchtbarer Lauf.

Mit starr empor gesträubter Mähne, mit rauchenden Flanken und stählernen Haksen durchschnitt das Pferd die Luft wie ein Pfeil.

Ueber seinen Hals vor geneigt, um nicht herab zufallen, Haare und Kleider im Winde flatternd, suchte der König vergebens den Zügel wieder zu fassen, der ihm übrigens unnütz gewesen wäre.

Hätte sie einer so im Sturm vorüberschießen sehen, er würde sie sicherlich für eine höllische Erscheinung gehalten und eiligst das Kreuz gemacht haben.

Doch Niemand war da, nicht ein lebendige Seele, nicht eine bewohnte Hütte. Diese letzte Chance der Rettung welche dem in Gefahr schwebenden Menschen die Gegenwart von seines Gleichen bietet, entging dem gekrönten Reiter.

Nicht ein Bettler, nicht ein Wildschütze, nicht ein Holzhauer, nicht ein Strauchdieb, um den König zu retten.

Und der Regen strömte herab und die immer näher kommenden Donnerschläge beschleunigten mehr und mehr den wahnsinnigen Galopp des erschrockenen Pferdes.

Mit seinen irren Augen suchte Heinrich den Fußpfad des Waldes zu erkennen, den sein Roß in seinem tödtlichen Laufe verfolgte.

An einer gewissen Lichtung der Bäume erkannte er auch die Oertlichkeit, und er bebte.

Der Pfad führte geraden Weges auf die Höhe eines abschüssigen Felsen, der einen tiefen Abgrund überragte.

Der König strengte sich an, um das Pferd mit der Hand, mit der Stimme aufzuhalten. Nichts half.

Ließ er sich herabfallen, so setzte er sich der Gefahr aus, die Stirne auf einem Baumstamm oder auf einem Granitvorsprung zu zerschmettern. Es war immer noch besser, erst im letzten Augenblick dieses verzweifelte Mittel anzuwenden.

Doch in jedem Fall fühlte sich Heinrich verloren, und er empfahl schon seine von Gewissensbissen und Angst erfüllte Seele der Gnade Gottes.

Er wußte schon nicht mehr genau, auf welchem Punkte des Fußpfades er sich befand, und ob der Absturz nahe oder fern war.

Doch er mußte nahe sein und der König war im Begriff, sich auf jede Gefahr zu Boden gleiten zu lassen.

Als er einen letzten Blick in die Ferne vor sich hinauswarf, gewahrte er am Ende des Pfades einen Mann zu Pferde wie er, doch unter dem Schutze einer Eiche stille haltend.

In dieser Entfernung konnte er den Reiter nicht erkennen. Ueberdies verbargen ein langer Mantel und ein breitkrämpiger Hut seine Züge und seine Haltung. Doch es war ohne Zweifel ein Edelmann, der sich ebenfalls im Walde verirrt hatte.

Nun sah sich Heinrich gerettet. Der Pfad war schmal und der Unbekannte durfte nur sein Pferd vorwärts gehen lassen, um dem des Königs den Weg zu versperren. oder seine Hand ausstrecken, um es in seinem Lauf aufzuhalten.

Nichts konnte leichter sein, und wenn auch einige Gefahr dabei war, so mußte der Unbekannte, den König erkennend, nicht zögern, sich dieser Gefahr preiszugeben, um seinen Herrn zu retten.

In zwanzigmal weniger Zeit, als man braucht, um dieses zu lesen, waren die drei bis vierhundert Schritte, welche Heinrich von seinem Retter trennten, zurückgelegt.

Um ihn aufmerksam zu machen, stieß Heinrich einen Nothschrei aus und schüttelte seinen aufgehobenen Arm.

Der Unbekannte sah es und machte eine Bewegung. Ohne Zweifel hielt er sich bereit.

Doch, o Schrecken! das wüthende Pferd schoß vorüber, ohne daß es der unbekannte Reiter durch die unmerklichste Gebärde aufzuhalten suchte.

Er schien sogar ein wenig zurückzuweichen, um jeden möglichen Stoß zu vermeiden.

Der König stieß einen zweiten Schrei aus, doch diesmal war es nicht mehr ein Ruf um Hilfe, nicht mehr eine Bitte, sondern einen Schrei der Wuth und der Verzweiflung.

Nun glaubte er unter dem Hufschlag seines Pferdes den Stein, und nicht mehr die Erde schallen zu hören.

Heinrich hatte den unseligen Felsen erreicht.

Er sprach den Namen Gottes aus, machte seinen Fuß vom Steigbügel los und ließ sich zur Erde nieder.

Der Stoß schleuderte ihn fünfzehn Schritte hinaus. Doch durch ein wahres Wunder fiel er auf einen mit Moos und Gras bedeckten Hügel und that sich kein Leid. Es war Zeit; zwanzig Schritte von da öffnete sich der Abgrund.

Was sein Pferd betrifft, so schien es, erstaunt, seine Bürde nicht mehr zu fühlen, seinen Lauf ein wenig zu hemmen, so daß es, am Rande des Schlundes angelangt, Zeit hatte, diesen zu messen und sich in einem letzten Instinkte, das Auge erweitert, die Nüstern rauchend, die Mähne zerzaust, ungestüm zurückzuwerfen.

Janr və etiketlər
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Litresdə buraxılış tarixi:
06 dekabr 2019
Həcm:
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