Kitabı oxu: «Die Rebellenprinzessin»

Şrift:

Die Rebellenprinzessin

Anna Rawe

Über das Buch

Als Evangeline MacKay beginnt, einen mysteriösen Jungen zu sehen, ahnt sie noch nichts von der Wende, die ihr Leben nur wenige Tage später nimmt. Unfreiwillig findet sie sich plötzlich in einer Welt voller Magie – als Todfeindin einer tyrannischen Königin. Verbündete gewinnt sie bei einer Gruppe Widerstandskämpfer, die in ihr die lang prophezeite Retterin sehen.

Doch als Alpträume beginnen, Evangeline zu plagen, wissen selbst ihre engsten Vertrauten keinen Rat. Schon bald muss sie sich eingestehen, dass hinter den blutrünstigen Bildern mehr steckt als erwartet. Und dass alle Wege sie zu der Frau führen, der zu begegnen Evangelines Tod bedeutet.

Über die Autorin

Anna Rawe ist das Pseudonym einer deutschen Autorin. Worte enthielten schon immer eine besondere Magie für sie und so begann sie bereits mit sieben Jahren ihre ersten Geschichten zu verfassen. Mit „Die Rebellenprinzessin“ ist nun ihr erster Roman erschienen. Wenn sie sich nicht gerade in neuen Geschichten und Welten verliert, lässt sie gern die Finger über die Saiten einer Gitarre tanzen oder zieht mit Kamera und Rucksack bewaffnet durch die Welt.

Mehr von Anna findet ihr auf Instagram unter @writingannarawe und auf ihrer Website Flügel aus Papier

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Epilog

Zitierangaben

Prolog

Kein Zurück. Die Wahrheit sang in seinem Herzen und trieb ihn tiefer und tiefer in den Wald. Unter seinen Pfoten knackten Zweige und aus dem Unterholz drang vereinzeltes Rascheln. Er hörte das panische Fiepen einer Maus und den Flügelschlag der Eule, die sich in diesem Moment auf sie stürzte. Er roch Blut. Seine Sinne waren so scharf, dass es ihn nahezu um den Verstand brachte. Mit aller Kraft drängte er die Dunkelheit zurück, die sich seiner Gedanken zu ermächtigen drohte. Er musste sich konzentrieren. Seine Pfoten federten auf dem weichen Moos, als er in einen Trab verfiel. Wieder und wieder rief er sich die Worte seiner Mentorin in den Geist.

Es ist eine Gabe, Conan. Die Götter haben dich erwählt.

Er schnaubte und grub seine Krallen tief in die weiche Erde. Seinetwegen hätten die Götter jeden anderen für ihre undurchsichtigen Pläne erwählen können. Jemanden, der es darauf anlegte, ein Held zu sein. Jemanden, der nichts Besseres zu tun hatte, als dieser Bestimmung zu folgen. Einfach irgendjemanden.

Aber sie haben sich für dich entschieden, hörte er Tilly ein weiteres Mal betonen, Und egal, wie sehr du dich sträubst, deinem Schicksal kannst du nicht entkommen.

Wie immer hatte sie auch in diesem Punkt Recht behalten. Seine Gabe hatte sich weder unterdrücken noch ignorieren lassen und war anders als eine Erkältung auch nicht von allein verschwunden. Stattdessen hatten seine Versuche, vor dieser Bestimmung wegzulaufen, ihn nur tiefer ins Elend gestürzt. Und nun blieb ihm keine Wahl mehr.

Sein zweiter Körper war ihm noch immer fremd. Es bereitete ihm Unbehagen, die Muskeln seiner Hinterläufe zu spüren und zu wissen, dass jede ihrer Kontraktionen ihn schneller laufen lassen konnte, als er in menschlicher Gestalt jemals gelaufen war. Er mochte es nicht, wie der Wind sein Fell zerzauste, wenn er rannte. Vielleicht – ja, vielleicht – hätte sich all das auch wie Freiheit anfühlen können. Doch dazu hätte er diese Gabe als einen Teil seiner Selbst akzeptieren müssen – und dafür war er nicht bereit. Erst recht nicht, nachdem sie ihm alles genommen hatte.

Ein weiteres Mal drängte das Böse sich in sein Bewusstsein. Der Hunger nach Blut überrollte ihn, bevor er den Hirsch gewittert hatte. Alles in ihm schrie nach Jagd, seine Muskeln vibrierten voll ungeahnter Kraft, während die Vorstellung, seine Fänge in das warme Fleisch zu schlagen, erregte Schauder durch seinen Körper jagte. Auf leisen Pfoten näherte er sich dem Tier. Das Böse wisperte. Worte der Verlockung, Worte von Blut und Tod. Es sang, es rief, es zog ihn näher und näher, bis er kaum mehr wusste, was er tat. Noch ein Schritt und es würde ihn verschlingen, würde jedes winzige Stück seiner Selbst unter einen Bann stellen, den er nicht zu brechen vermochte.

Nein. Mit aller Willensstärke hielt er dagegen. Seine Krallen hinterließen tiefe Spuren in der Erde, als er sich zwang, zurückzuweichen. Sein Atem ging schwer und er spürte, wie Schweiß an seinem Körper hinabrann und sein Fell durchnässte. Schritt für Schritt kämpfte er sich weiter, während die Stimmen in seinem Kopf an Kraft verloren.

Schließlich verstummten sie ganz. Der Geruch des Hirsches lag noch immer deutlich zwischen den anderen Düften des Waldes, doch nicht länger spürte er das Pulsieren des Blutes oder den Drang, seine Zähne in den empfindlichen Hals des Tieres zu schlagen. Zögernd setzte er eine Pfote vor die andere, bis er sicher war, tatsächlich wieder Herr seiner Sinne zu sein. Dann jagte er in kräftigen Sprüngen davon.

Als er die Lichtung fand, nahte die Dämmerung bereits. Die Steine waren teilweise von Moos und Flechten bewachsen und es brauchte einen Moment, bis er den Kreis ausgemacht hatte, den sie bildeten. Langsam trat er zwischen ihnen hindurch und näherte sich der Mitte, während sein Blick die Umgebung musterte. Im Mondschein sah die Lichtung bleich und kalt aus. Schwarze Baumriesen umzingelten den Kreis von allen Seiten und streckten ihre langen Arme nach ihm aus. Es schien, als wären alle Geräusche unter einem Mantel tiefer Stille verschwunden. Seine empfindliche Nase, die sonst jeden noch so schwachen Duft anderer Lebewesen wahrnahm, fand in der klaren Luft kaum mehr als den Geruch des Waldes. Er war allein, so vollkommen allein wie er seit seiner ersten Verwandlung nicht mehr gewesen war.

Tu es. Die Stimme seiner Mentorin war klar. Du musst sie finden, Conan. Eure Schicksale sind miteinander verbunden wie die Fäden eines Spinnennetzes.

Er kannte seine Aufgabe. Langsam erhob er den Kopf und stieß den ersten Ton hervor.

Das tiefe Grollen, das seine Kehle verließ, hatte nichts mit den Worten gemein, die sein Verstand wiederholte. Es waren fremde Worte. Worte, deren Klang er nie zuvor gehört hatte und der doch so selbstverständlich in ihm sang wie ein Kinderlied. Magie.

Er spürte das Flimmern in der Luft und ahnte, dass es soweit war. Der erste Stein begann, bläulich zu glimmen. Mit jedem Wort, das er sprach, vervielfachte sich das Leuchten, bis auch die nebenstehenden Steine erstrahlten. Ringsum wurde der Kreis nun von gespenstischem Leuchten erhellt. Sein Herz schlug so schnell, dass ihm schlecht wurde, doch er hielt nicht inne. Das tiefe Grollen, das seine Worte nach außen trug, schwoll nur noch an, bis das Licht um ihn so gleißend war, dass er die Augen zu Schlitzen verengte.

Sein Knurren verwandelte sich in ein tiefes, wölfisches Heulen und als der letzte Ton verstummte, schoss Licht in Kaskaden durch den Wald. Die Luft explodierte und flog ihm in kleinen Fetzen um die Ohren. Seltsame Kräfte rissen an ihm, während der Wirbel aus Sturm und Licht ihn verschlang.

Das war das Ende. Und der Anfang.

Kapitel 1

Strahlende Herbstsonne fiel durch die großen Glasfenster und tauchte das kleine Café in warmes Gold. Obwohl der Oktober dieses Jahr für kanadische Verhältnisse warm ausfiel, sah ich zahlreiche Menschen mit dicken Winterjacken und großen Schals draußen vorbeieilen. Schnell hierhin, schnell dorthin. In einer Stadt wie Calgary musste alles schnell gehen. LKWs und gelbe Taxis drängten sich auf den Straßen. An manchen Tagen war der Verkehr hier so dickflüssig wie Sirup, der die schnurgeraden Straßen zwischen den Hochhäusern verklebte. Ich schüttelte den Kopf. Was für eine absurde Vorstellung. Meine kleine Tagträumerin, nannte Mom mich immer, wenn ich mal wieder der Welt um mich herum mehr Beachtung schenkte, als dem Gespräch, das wir gerade führten.

„Ein Latte Macchiato mit extra viel Schaum für das geheimnisvolle Mädchen am Fenster.“ Die Bedienung grinste breit, während sie das Glas abstellte. Sie war in ihren Zwanzigern, eine kurvige Frau mit rosa Wangen und kleinen Grübchen – der Typ Mensch, den man einfach mögen musste.

„Du bist neu hier, nicht wahr?“, fragte sie, „Ich habe dich schon einige Male im Café gesehen. Ich bin Carly.“

„Evangeline“, stellte ich mich vor, „Und ja, wir sind erst vor einigen Wochen hergezogen.“

Carly lächelte zufrieden. „Das habe ich mir schon gedacht“, erklärte sie, „Du klingst nicht wie eine Kanadierin. Eher … irgendwie britisch?“

Sie sah mich fragend an.

„Schottland“, bestätigte ich, „Eine Kleinstadt an der Ostküste, nahe Edinburgh.“

Carly war gerade in Begriff, zu antworten, als nach ihr gerufen wurde. Entschuldigend hob sie die Hände. „Tut mir leid, ich muss wieder an die Arbeit.“ Ihr Blick fiel auf meinen Kalender, der vor Hausaufgaben, Referaten und Terminen fast überquoll. Ich hatte nicht geahnt, dass der Umzug so viel nachzuholendes Unterrichtsmaterial bedeuten würde. „Wie es aussieht, hast du ja auch noch einiges vor dir.“

Ich nickte. „Leider, ja.“

„Das wird schon“, meinte Carly lächelnd, „War jedenfalls schön, dich kennenzulernen. Ich bin sicher, man sieht sich mal wieder, nicht wahr?“

„Auf jeden Fall.“

„Bis dahin.“ Sie winkte leicht, bevor sie sich umdrehte und zurück an die Arbeit ging.

Ich löffelte einen kleinen Berg Milchschaum von meinem Kaffee und warf einen Blick aus dem Fenster.

Da sah ich ihn.

Die Hände in den Taschen seiner Jeans lehnte er an der Wand des gegenüberliegenden Gebäudes und starrte mich so offen an, dass ich erschauerte. Sogar aus dieser Entfernung konnte ich die Farbe seiner Augen erkennen – ein strahlendes Blau, das perfekt zu seinem hellen Haar passte. Etwas wild und sehr blond, wirkte es in der klaren Oktobersonne fast wie ein Heiligenschein, der seine feinen Gesichtszüge umrahmte. Er konnte höchstens ein paar Jahre älter sein als ich. Und noch immer sah er zu mir herüber. Zweifellos zu mir.

Ein Geräusch ließ mich aufschrecken. Auf dem Display meines Smartphones erschien eine neue Nachricht. Maggie.

„Bin in einer Stunde daheim, dann können wir skypen.“

Eilig entsperrte ich das Display und antwortete.

„Okay. Bis dann.“

Es konnte nur Sekunden gedauert haben. Doch als ich wieder aufsah, war der Typ verschwunden. Die Wand gegenüber war leer, der blonde Haarschopf wie vom Erdboden verschluckt. Bei dem Versuch, die Straße weiter hinunterzusehen, hätte ich fast noch meinen Kaffee umgestoßen. Er war einfach weg.

Ich schüttelte den Kopf über mich selbst. Jetzt fing ich schon an, paranoid zu werden. Geistesabwesend trank ich einige Schlucke, während ich erneut versuchte, mich in die Bio-Aufgaben zu vertiefen. Ich machte mir einige Notizen, Skizzen, blätterte durch das zerlesene Buch, das ich vor ein paar Wochen bekommen hatte – doch die blauen Augen wollten einfach nicht aus meinen Gedanken verschwinden. Lächerlich, wie tief man sich doch in Tagträume stürzen konnte, nur um lästigen Hausaufgaben zu entkommen.

Ich schüttelte den Kopf. Das hier wurde so nichts mehr.

In einem Schluck kippte ich den restlichen Kaffee hinunter und packte das Notizbuch und meinen Kalender ein.

Noch immer in Gedanken verließ ich das Café und machte mich auf den Heimweg.

*****

Wir hatten ein Haus am Stadtrand gekauft, nahe dem Elbow River, in einem der reicheren Viertel. Sienna Hills war eines dieser kleinen Wohngebiete mit Vorgärten, typisch-amerikanischen Holzhäusern in glänzendem Weiß und riesigen Pick-ups in den Einfahrten, wo die Gebäude ordentlich nebeneinander aufgereiht standen und alles irgendwie gleich aussah.

Unser Haus machte dabei keine Ausnahme – abgesehen davon, dass es schon ein bisschen heruntergekommen war.

„Es hat Charme“, sagte Dad immer, wenn das Thema aufkam, „Und sobald wir uns etwas eingelebt haben, werde ich das Dach ausbessern und die Fassade neu streichen. Eine andere Farbe kann Wunder wirken, wisst ihr?“

Die Haustür war abgeschlossen und ich brauchte einige Minuten, um den Schlüssel aus meiner hoffnungslos überfüllten Tasche zu fischen. Mit einem ohrenbetäubenden Quietschen schwang die Tür schließlich doch noch auf.

Der Flur dahinter war ein einziger Hindernisparcours aus vollen Umzugskartons, halb aufgebauten Möbeln und jeder Menge Krimskrams, der seinen Platz in unserem neuen Haus noch nicht gefunden hatte. Ich kämpfte mich bis zur Treppe durch, auf der Ced bereits sein Spielzeug ausgebreitet hatte. Man musste höllisch aufpassen, um nicht auf eine Ansammlung spitzer Lego-Steine zu treten oder auf einem Kuscheltier auszurutschen. Entgegen aller Erwartungen schaffte ich es dennoch heil bis in mein Zimmer, wo ich meine Sachen abstellte und einen Blick auf die Uhr warf. Zehn vor fünf. In einigen Minuten würde Maggie anrufen.

Sie war meine beste Freundin seit ich denken konnte.

Eigentlich hieß sie Marjorie, doch sie fand, der Name passte nicht zu ihr. Solange ich sie kannte, stellte sie sich deshalb überall nur als Maggie vor. Maggie, die Plaudertasche mit der Neugier eines Kleinkindes und dem ansteckendsten Lachen, das ich kannte.

Mit dem Notebook auf den Knien machte ich es mir schon einmal in meinem Bett bequem.

Seit ich weggezogen war, skypten wir mindestens einmal pro Woche, meist stundenlang. Ihr schienen nie die Themen auszugehen – sei es nun der neuste Klatsch aus unserer Schule, die Errungenschaften ihres letzten Shopping-Trips oder ihre Träume von der Zukunft. Ihre Erzählungen gaben mir das Gefühl, immer noch dort zu sein, daheim in Schottland, und mit ihr gemeinsam am Pier zu sitzen und über das Leben zu reden, wie wir es früher oft gemacht hatten.

Maggie hatte diese Art an sich, die Dinge leicht zu nehmen. Sie sagte, was sie dachte und machte sich nie Gedanken darüber, was andere davon hielten.

Auch heute sprachen wir wieder fast zwei Stunden miteinander.

Maggies Katze hatte vorgestern Junge bekommen, drei kleine Kätzchen, jedes nur so groß wie Maggies Hand.

„Sie sind noch blind und taub und sehen aus wie Mini-Kobolde, mit diesem feuerroten Fell“, meinte Maggie lachend, „Und in zwei, drei Wochen werden sie unser Haus in Schutt und Asche legen.“

Ich grinste. „Tja, dann musst du wohl Schadensersatz und Unterhalt von dem Kater fordern, der für dieses Chaos verantwortlich ist.“

Maggie lachte auf. „Apropos Chaos“, meinte sie dann, „Weißt du, wer seit gestern ganz offiziell vergeben ist?“

„Sag bloß!“ Ich schlug die Hände vors Gesicht. „Ridley ist unter der Haube?“

Maggie nickte vielsagend. Stephan Ridley war an unserer Schule ein Jahr über uns gewesen. Ein Rugbyspieler mit Adoniskörper, dazu gar nicht mal wenig Köpfchen – der Traum eines jeden Mädchens.

„Ein Jammer“, bemerkte Maggie, „Wenigstens eine wilde Knutscherei auf dem Schulhof hätte doch drin sein dürfen.“

Ich schmunzelte. Typisch Maggie. Sie würde ihre Unabhängigkeit noch jeder festen Beziehung vorziehen.

„Und, wer ist die Glückliche?“

Maggie verzog die Lippen. „Ashley Cummings“, verkündete sie dann, „Aber wenn du mich fragst, hält das sowieso nicht lange. Immerhin sind die zwei einfach …“

Innerhalb weniger Minuten befanden wir uns mitten in einer Diskussion über Beziehungen und unsere Vorstellung des perfekten Partners. Wie jedes Mal, wenn wir auf dieses Thema kamen, folgte auch heute wieder Maggies Frage danach, ob ich irgendwelche süßen Typen kennengelernt hätte.

„Komm schon, irgendeinen muss es doch geben“, bohrte sie, „Ich habe kanadische Models gegoogelt und ganz ehrlich – die würdest du nicht von der Bettkante stoßen.“

Ich gab bloß ein Brummen von mir, während meine Gedanken erneut zu dem seltsamen Typen vorm Café schweiften. Die blauesten Augen, die ich je gesehen hatte. Unten klirrte ein Schlüsselbund an der Tür.

„Eline?“ Das war Mom. „Eline, Schatz, bist du daheim?“

„Ich bin oben.“ An Maggie gewandt, zuckte ich die Schultern. „Ich muss Schluss machen. Wir hören uns morgen, okay?“

„Okay.“ Maggie grinste. „Bis dann.“

Schritte trampelten die Treppe hinauf und kamen den Flur entlanggeflitzt. Ich konnte gerade noch das Notebook in Sicherheit bringen, dann flog Ceds dunkler Schopf direkt auf mich zu und warf sich in meine Arme.

„Eline, Eline!“, rief er dabei, „Du errätst nie, wo wir heute waren.“ Sanft strich ich ihm die Strähnen aus den schokoladenbraunen, großen Kinderaugen und beugte mich zu ihm herunter. „So?“, fragte ich schmunzelnd, „Wo wart ihr denn?“

„Bei der Feuerwehr“, verkündete er stolz, „Wir haben einen echten Feuerwehrmann getroffen und sind mit dem großen Feuerwehrauto gefahren. Das mit der langen Leiter und dem Blaulicht. Ich durfte sogar beim Feuerlöschen helfen. Die anderen hatten alle Angst, aber ich habe das Feuer gelöscht. Ich bin ein mutiger Junge, hat der Feuerwehrmann zu mir gesagt, ich lasse nichts anbrennen.“ Jetzt konnte ich nicht anders. Lauthals brach ich in Lachen aus.

„Was ist?“, fragte Ced und sah mich verwirrt an, „Warum lachst du?“

Ich schüttelte bloß den Kopf. „Nicht so wichtig“, sagte ich und strich ihm über den Kopf, „Klingt, als hättest du heute eine Menge Spaß gehabt.“

Er nickte und seine dunkle Mähne wippte im Takt. „Und wir haben dir auch was mitgebracht“, meinte er, ganz hibbelig vor Freude, „Mom hat gesagt, du freust dich ganz bestimmt, wenn wir was von Mario’s Maccaroni holen.“

Ich sprang auf. „Ihr wart bei Mario’s? Ehrlich?“

Er nickte erneut und seine kleine Hand zupfte an meinem Pullover. „Komm schon, Eline. Ich habe Hunger. Und Mac’n’Cheese schmecken nur …“

„… wenn sie schön warm und käsig sind.“ Eine von Dads Alltagsweisheiten, die sogar Ced mit seinen sieben Jahren auswendig kannte. Er liebte diese Nudeln genauso wie ich.

Lachend folgte ich ihm die Treppe hinunter bis in die Küche. Mom war bereits dabei, den Tisch zu decken. „Hey, Große“, begrüßte sie mich, während Ced ungeduldig um den Tisch herumsprang, „Wie war dein Tag?“

Ich zuckte nur die Schultern und holte Besteck aus einer der Schubladen. „Nichts Besonderes. Schule eben. Aber ich habe vorhin mit Maggie geskypt. Sie lässt euch Grüße ausrichten.“

Mom lächelte. Sie kannte Maggie schon seit wir beide noch in Windeln durch die Gegend gekrabbelt waren. Beste Freundinnen für immer und ewig.

„Wie geht es ihr denn?“, fragte Mom, „Lynette erwähnte letztens, sie hätte sich für die Uni beworben?“

Ich nickte. „Journalismus in Aberdeen“, erklärte ich, während ich das Besteck verteilte, „Ihre Noten reichen dafür allemal. Aber das Ergebnis bekommt sie erst in ein paar Monaten.“

Es war unser gemeinsamer Traum gewesen. Ein Studium in Aberdeen, eine kleine Wohnung, gemütliche Filmabende im Winter und lange Sommertage am Strand.

Begleitet vom wohlbekannten Rascheln der Papiertüte packte Mom das Essen aus und verteilte es auf die einzelnen Teller.

„Ich will extra viel Käse, Mom, viel Käse bitte!“, bettelte Ced, der unruhig auf seinem Stuhl herumrutschte.

„Aber du musst auch aufessen, Schatz“, bestand Mom, den vollen Teller in der Hand, „Versprichst du das?“

Ced nickte so inbrünstig, wie nur Siebenjährige es konnten.

„Also gut.“ Schmunzelnd stellte Mom den Teller vor ihm auf den Tisch und holte dann auch ihren und meinen.

Wie so oft in letzter Zeit waren wir nur zu dritt zum Abendessen. Dad blieb nicht selten bis neun in seinem Büro an der Universität. Sein neuer Job in der Forschungsabteilung für Mikrosystemtechnik war auch der Grund unseres Umzuges hierher gewesen. Ich erinnerte mich noch genau, wie er vor zwei Monaten verkündet hatte, er hätte ein Angebot aus Calgary bekommen, einen gut bezahlten Job an einer der renommiertesten Universitäten von Kanada. Nächsten Monat ziehen wir um, hatte Mom daraufhin angekündigt. Und dabei war es geblieben. All meine Proteste, doch bleiben zu dürfen, waren vergeblich gewesen.

Und so saßen wir schließlich hier, Mom allein mit Ced und mir. Ced plapperte noch immer fröhlich von seinem Schulausflug und Mom gab sich alle Mühe, nach dem zehnten Durchlauf immer noch interessiert zu wirken. Meine Gedanken schweiften inzwischen vier Wochen in die Vergangenheit.

Ich hatte die ganze Nacht bei Maggie verbracht. Wir hatten keine Sekunde geschlafen. Aufgeregt hatten wir in ihrem Bett gelegen und in der Dunkelheit über meine Zukunft diskutiert.

„Was soll ich denn bloß machen, wenn du nicht mehr da bist?“, hatte Maggie gefragt, „Physik wird sterbenslangweilig sein ohne dich. Und mit wem soll ich in der kleinen Nische in der Cafeteria sitzen und Hot or not spielen?“ Ich hörte sie neben mir schniefen. In meinen Augen brannten Tränen. „Gott, ich werde dich so vermissen, Ell.“

Ich griff nach ihrer Hand. Fest verschlang ich meine Finger mit ihren. „Ich werde dich auch vermissen, Mags“, flüsterte ich mit zitternder Stimme.

Am nächsten Morgen hatte uns das Taxi zum Flughafen gebracht. „Versprich mir, dass du einmal die Woche anrufst“, hatte ich ihr zugeflüstert, während sie mich umarmte.

„Mindestens“, kam Mags‘ Antwort direkt an meinem Ohr, „Und außerdem sehen wir uns zu Weihnachten schon wieder. Es sind nur vier Monate bis dahin.“

Ich nickte und rang mir ein schiefes Lächeln ab.

„Irgendwie werden wir das schon schaffen“, meinte Maggie so optimistisch wie eh und je.

„Eline? Eline!“ Eine Hand fuchtelte vor meinem Gesicht herum und katapultierte mich zurück an den Tisch. „Hm?“

„Ich wollte bloß wissen, ob du Nachtisch willst?“, fragte Mom, während sie die Teller stapelte, „Wir haben noch etwas Schokoladeneis und Blaubeeren von gestern.“ Wie auf Kommando riss Ced seine Arme in die Luft. „Ich will, ich will, ich will.“

Mom lachte. „Ist ja gut, Ced, du bekommst gleich was. Eline?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein danke, ich bin satt.“ Mit einem entschuldigenden Lächeln stand ich auf.

„Ich muss noch lernen“, erklärte ich, „Aber Mario’s war eine fantastische Idee. Ihr seid echt die Besten.“

Ced grinste. „Klar sind wir das.“

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