Kitabı oxu: «Segel setzen (E-Book)»

Şrift:


Astrid Warbinek, Margarete Reinhardt

Segel setzen

Leitgedanken zu Klassenführung und Selbstregulation

ISBN Print: 978-3-0355-1648-7

ISBN E-Book: 978-3-0355-1649-4

1. Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 hep Verlag AG, Bern

hep-verlag.com

Inhalt

Vorwort

Vorwort der Autorinnen

TEIL 1VOR DER REISE

1Einleitung

2Einführung

2.1Klassenführung: Begriff und Konzepte

2.2Die Tiefenstrukturen des Unterrichts

2.3Selbstregulation

2.4Die Seekarte – Dimensionen und Bereiche der Klassenführung auf einen Blick

Anmerkungen zu Kapitel 2

TEIL 2SEGEL SETZEN

3Klassenführung – Rolle und Kompetenzen der Lehrkraft

3.1Klassenführung – die eigene Haltung klären

3.2In die eigene Führungsrolle finden

3.3Techniken der Klassenführung

3.4Die eigene Gesprächsführung reflektieren und trainieren

3.5Den eigenen Unterricht in den Blick nehmen

3.6Präventive Gestaltungsmacht in der Klassenführung

3.7Proaktives Handeln: Prävention und Konsequenz

3.8Reaktives Handeln: Intervention und Lösungsorientierung

Anmerkungen zu Kapitel 3

4Selbstregulation (Schülerinnen und Schüler als Kraft der Klassenführung)

4.1Training der exekutiven Funktionen durch Bewegung

4.2Den Einstieg ins Lernen finden

4.3Zielführende Planung fördern

4.4Handlungsstrategien und Selbstbeobachtung

4.5Reflexion und Maßnahmenableitung

4.6Die Eltern und andere Erziehungsberechtigte – nicht an Bord und trotzdem einflussreich

4.7Klassenführung bei Fernlernangeboten

Anmerkungen zu Kapitel 4

TEIL 3MIT DER FLOTTE AUF KURS

5Klassenführung im System Schule

5.1«Personal Mastery»: Persönliche Kompetenzreflexion und -entwicklung – wie Klassenführung zum Thema jeder Lehrkraft werden kann

5.2Gemeinsame Vision und mentale Modelle – wie Klassenführung im Kollegium zum Thema werden kann

5.3Teamlernen und Systemdenken – wie Klassenführung zum Thema der Organisation wird

5.4Die Rolle der Schulleitung als Motor der Entwicklung

5.5Entwicklungsberichte aus der Beratungspraxis

Anmerkungen zu Kapitel 5

6Jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt –Schlussbetrachtungen

Literatur

Vorwort

Nicht ohne Grund haben die Forschungsaktivitäten zum selbstregulierten Lernen in den vergangenen zwanzig Jahren kontinuierlich zugenommen: Zahlreiche empirische Befunde konnten zeigen, dass Kompetenzen zur Selbstregulation für Lernerfolg und Wohlbefinden an Schulen eine zentrale Rolle spielen. Diese Studien beschäftigen sich mit der (Weiter-)Entwicklung theoretischer Modelle zum selbstregulierten Lernen und mit der Erfassung, den Wirkungen und Möglichkeiten der Förderung von Facetten selbstregulierten Lernens. Jenseits des Lernerfolgs ist das selbstregulierte Lernen seit jeher, wenngleich zum Teil mit etwas anderen Worten, als eine wichtige Voraussetzung für eine mündige gesellschaftliche Teilhabe betrachtet worden – insbesondere in Gesellschaften, die sich rapide wandeln und in denen kontinuierliche individuelle Weiterentwicklungen unabdingbar sind. Aktuell gewinnt das selbstregulierte Lernen vor dem Hintergrund der Individualisierung von Lehr-Lern-Prozessen und der Digitalisierung an Schulen verstärkt an Bedeutung. Sowohl die Individualisierung als auch die Digitalisierung werden zunehmend zu Phasen individuellen Lernens führen, in denen die Fähigkeit zur Selbstregulation eine besondere Voraussetzung für gelingendes Lernen darstellt.

Selbstregulation ist ein vielschichtiges und komplexes Konstrukt, bei dem es im weitesten Sinne um individuelle Zielsetzungen, die Kenntnis der Möglichkeiten, diese Ziele zu erreichen, die Kompetenzen zur Erreichung dieser Ziele, die Initiierung konkreter Handlungen zur Zielerreichung und kontinuierliche Evaluations- und Modifikationsprozesse im entsprechenden Handlungsprozess geht. Quasi übergeordnet kommt als Voraussetzung zur Selbstregulation hinzu, dass sie langfristig nur dann betrieben wird, wenn die Motivation und die Freude zu entsprechenden Handlungen vorhanden ist – und dies vonseiten der Lehrenden wie auch der Lernenden.

Selbstregulation sehr konkret im Hinblick auf ihre Förderung darzustellen und Anregungen für konkrete Umsetzungsmaßnahmen zu geben, stellt eine wirkliche Herausforderung dar, der sich die Autorinnen dieses Buches gestellt haben. Sie haben Selbstregulation im Zusammenhang mit Klassenführung behandelt und übergreifend das anschauliche Bild einer Seefahrt verwendet. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern dieses Buches, dass sie viele Anregungen für die Unterrichtspraxis mit auf ihren individuellen Weg nehmen. Und ich wünsche diesem Buch, dass es auf die ihm eigene Weise Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler motiviert, ihre Kompetenzen zur Selbstregulation zu erweitern.

Es bedeutet immer auch eine Investition, sich mit einem Thema, in diesem Fall der Selbstregulation und ihrer Förderung, auseinanderzusetzen und Entsprechendes dann auch zu praktizieren. Ich kann nur dazu ermutigen. Sowohl auf der Basis meiner Forschungsarbeiten als auch aufgrund individueller Erfahrungen kann ich mit voller Überzeugung sagen, dass Selbstregulation ein überaus spannender, gewinnbringender und mit viel Freude einhergehender Prozess sein kann.

Wien, Januar 2020

Prof. Dr. Thomas Götz

Der Autor ist Professor für Bildungspsychologie und gesellschaftliche Veränderungen an der Universität Wien

Vorwort

DER AUTORINNEN

Es kommt nicht darauf an, woher der Wind weht, sondern wie man die Segel setzt.

Alte Segelweisheit

Herzlich willkommen! Sie suchen für Ihre Reise durch den Unterricht Anregungen für den Umgang mit einer gerade besonders schwierigen Klasse oder mit einem besonders herausfordernden Verhalten einzelner Schülerinnen und Schüler? Dann sind Sie hier richtig.

Es geht Ihnen ebenso wie vielen Lehrkräften in unseren Lehrgängen zum Thema Klassenführung. Seit vielen Jahren stellen wir den Teilnehmenden neben reaktiven Strategien in schwierigen Schulsituationen den gestaltenden, präventiven Ansatz der Klassenführung vor und versuchen, die damit verbundene Gestaltungsmacht erfahrbar zu machen. Dazu ermutigen wir sie, sich auf ihre Werte zu besinnen, daraus selbst-bewusst eine wertegeleitete Führungsstrategie zu entwickeln und gleichzeitig die Unterstützung der Schülerinnen und Schüler bei der Selbstregulation als Bezugspunkt für die eigene Klassenführung zu sehen. Viele Teilnehmende haben diese Ideen aufgenommen und uns anschließend positives Feedback gegeben: «Es wirkt wirklich!»

Als Prozessbegleiterinnen an Schulen erleben wir die Macht der Klassenführung als Steuerungsinstrument: Die persönliche Reflexion eines Konzepts der eigenen Klassenführung und seine Umsetzung im eigenen Unterricht erweitert die individuelle Handlungskompetenz jeder Lehrkraft. Die sich anschließende kollegiale Reflexion und die Umsetzung von Maßnahmen ermöglichen eine gemeinsam verantwortete Unterstützung des Lernens im kooperativ gestalteten System Schule.

Immer wieder formulierten Lehrkräfte in unserer Fortbildung und Beratung den Wunsch, die Inhalte zu diesem komplexen Thema gesammelt in einem Buch vorliegen zu haben. Nun sind wir diesem Wunsch endlich nachgekommen. Das Resultat – ein Buch aus der Praxis für die Praxis – halten Sie in den Händen. Es beinhaltet unsere Anregungen und Ideen für eine lernwirksame Klassenführung in Unterricht und Schule. Das Augenmerk liegt auf Praxisnähe und Umsetzbarkeit. Die Thematik sollte sich nicht in einer wissenschaftlichen Darstellung erschöpfen.

Wir hoffen, dass Sie, liebe Leserin, lieber Leser, unsere Leitgedanken zur Klassenführung richtungsgebend – sozusagen als Kompass – für gelingende Lernprozesse nutzen können. Als weiteres Steuerungselement – in der nautischen Sprache der Sextant – dienen die Ausführungen zur Selbstregulation. Zahlreiche Verweise auf Literatur zum Thema dienen Ihnen bei Interesse als Anstoß, weiterzuforschen. Unser Anliegen ist es allerdings, dass Sie durch die Lektüre unseres Buches Ihre eigenen Rezepte durch die Reflexion der vorgestellten Inhalte finden, anwenden und im Anschluss überprüfen und weiterentwickeln können. Wir werden Ihnen nicht sagen, wie Sie was tun müssen oder «wie es richtig geht»; wir sind der Meinung, dass das überhaupt nicht möglich ist. Wir bieten lediglich Entscheidungshilfen für Ihren eigenen Weg: Am Ende der Lektüre eines jeden Kapitels bestimmen Sie Ihre eigene Reiseroute für Ihren Unterricht.

Diese Routen können Sie als Lehrkraft in Ihrem individuellen Unterricht ausprobieren, darum geht es im zweiten Teil des Buches. Sie können sie natürlich auch an Ihre Kolleginnen und Kollegen herantragen und als Schulleiterin oder Schulleiter nutzen, um gemeinsam eine abgestimmte Klassenführung zu vereinbaren und umzusetzen. Die Gesamtflotte wird im Fokus des dritten Buchteils stehen. Erlauben Sie uns zunächst jedoch ein paar grundlegende Überlegungen, gewissermaßen zur Vorbereitung der gemeinsamen Reise (Teil 1).

All dies wird Ihren Schülerinnen und Schülern zugutekommen, denn sie werden ein durchdachtes Angebot erleben und nicht mehr nach Schlupflöchern für ihre Interessen suchen müssen, sondern eingebunden sein in einen gemeinsam verantworteten Prozess.

Reutlingen/Biberach im Frühjahr 2020

Astrid Warbinek und Margarete Reinhardt


1Einleitung

Die Führungsrolle der Lehrkraft ist vergleichbar mit der Rolle des Kapitäns oder der Kapitänin auf einem Segelschiff. Lehrkräfte haben eine große Gestaltungsmacht; sie entscheiden, wann welche Segel gesetzt und gerefft werden. Eine klare Führung im Unterricht (auf dem Segeltörn) lässt die Schülerinnen und Schüler (die Crew) den Kurs mitbestimmen und halten. Tragfähige kollegiale Absprachen im System Schule (mit anderen Kapitäninnen und Kapitänen der Flotte) erleichtern ihnen das Umsteigen von einem Schiff auf das andere.


Sie werden solche oder ähnliche Unterrichtssituationen kennen. Was tun, wenn der Unterricht eigentlich gut vorbereitet und die Klasse beliebt ist, es aber trotzdem nicht nach Plan läuft? Gibt es garantiert wirkende Rezepte für solche Situationen? Lassen Sie uns einen Vergleich ziehen, bevor wir auf die Frage antworten.

Für uns gleicht jede Unterrichtsstunde einer Segelfahrt auf hoher See: Es gibt keinen festen Untergrund, Wind und Wetter sind nicht immer berechenbar. Ausschlaggebend für eine entspannte, erfolgreiche Fahrt ist eine verantwortungsvolle Aufgabenverteilung innerhalb der Mannschaft. Vorab braucht es jemanden, der das Schiff verlässlich steuert. Kapitäninnen und Kapitäne benötigen eine solide Ausbildung, in der sie die technischen Kompetenzen erwerben. Erst wenn sie darüber verfügen, können sie das Schiff überhaupt auslaufen lassen. Unterwegs werden die Aufgaben innerhalb der Crew geteilt. Deshalb ist es wichtig, dass der Kapitän, die Kapitänin ein wertegeleitetes Verständnis für die Führung von Menschen hat. Beteiligung, Teamarbeit und Delegation sind hier grundlegende Aspekte. Die Fähigkeit, Vertrauenswürdigkeit auszustrahlen und gleichzeitig Begeisterung zu vermitteln, stärkt die Führung und ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Crew hinter den Zielen der Reise steht und sich dafür einsetzt. Kapitäninnen und Kapitäne müssen die Aufgaben mit den Augen der Mannschaft betrachten, um zu wissen, was diese für ein gelingendes Arbeiten braucht. Manöver und Tagesziele sollten möglichst im Voraus detailliert besprochen und geübt werden, damit im entscheidenden Moment jeder Handgriff sitzt. Direkte Ansprachen und klare Aufgabenbeschreibungen sind ebenso wirksam wie ein entwickeltes Verständnis geteilter Verantwortung: Jeder und jede ist Teil einer Gemeinschaft und trägt zu deren Gelingen bei. Um die Mannschaft anzusprechen und erreichen zu können, brauchen Kapitäninnen und Kapitäne trainierte Gesprächsführungstechniken und die Bereitschaft, durch Rückmeldungen zu lernen. Nochmals: Auf einem Segelschiff braucht es zwingend ein Verständnis für ein systemisches Zusammenwirken; niemand ist für alles allein verantwortlich, es sind immer die Wechselwirkungen, die für das Gelingen ausschlaggebend sind.

Vermutlich haben Sie unsere Schiffsmetapher längst nachvollzogen: Als Lehrkraft sind Sie selbst die Kapitänin oder der Kapitän. Sie übernehmen die (Klassen-)Führung und setzten damit die Segel für einen wirksamen Unterricht. Führungsverantwortung folgt eigenen Werten und bedeutet Reflexion des persönlichen Führungsstils. «Klassenführung» verstehen wir also wörtlich als Führungsqualität. Die Leitgedanken unseres Buches dienen wie ein Kompass der besseren Orientierung. Einzelne Segel im Fahrtwind des Unterrichts stehen für die Gestaltung der Gruppe, des Raums und der Lernsituation; im präventiven Gestalten liegt mehr Kraft als in der Intervention im Nachgang zur Handlung von Schülerinnen und Schülern. Zusätzliche Orientierung erfolgt durch ein zweites Steuerungsinstrument, nämlich den Sextanten. Er versinnbildlicht die Ausrichtung in Bezug auf die Selbstregulation von Schülerinnen und Schülern. Ihre Unterstützung darin ist zentral und von großem Einfluss auf eine gelingende Klassenführung.

Segel lassen sich hissen oder auch reffen – als Reaktion auf aktuelle Umwelteinflüsse und Wetterbedingungen oder in der Absicht, die Route selbst zu bestimmen. Kompass und Sextant werden Ihnen helfen, die Lage zu erkennen und voraussehend zu handeln. Instrumente dienen Ihnen besser als fertige Rezepte, wie man sie in marktüblichen Ratgebern findet. Ein Rezept kann kurzzeitig durchaus sehr wirkungsvoll sein. Aber auf Dauer ist Nachahmen nicht zielführend, das haben Sie bestimmt selbst schon erfahren. Wir möchten Sie lieber zur Reflexion Ihrer tagtäglichen eigenen Führungstätigkeit in Ihren Klassen anregen und Ihnen Gedanken ermöglichen über eine eigene Ausgestaltung der mit den Schülerinnen und Schülern angestrebten Ziele. Sie werden souverän darin werden, die Segel auszurichten, Stürmen zu trotzen, Flauten zu überbrücken und den Kurs zu halten.

Frau Hansen aus dem Beispiel am Anfang dieses Kapitels könnte Ihre Kollegin sein. Wir möchten Sie anregen, mit Ihren Teammitgliedern im Austausch zu bleiben und die Segel aller Schiffe im Kollegium gleich auszurichten. Das wird sich für alle lohnen. Denn stellen Sie sich einmal vor, was es für die Schülerinnen und Schüler bedeutet, nach jeder Unterrichtsstunde auf ein anderes Schiff umzusteigen. Hier gibt es eine Befehlskultur wie auf der Bounty, dort führt die Kapitänin demokratisch. Einmal gleitet das Schiff durch ruhige Gewässer, ein anderes Schiff läuft trotz Gewitterwarnung aus. Was verlangen wir von unseren Schülerinnen und Schülern, wenn wir unreflektiert davon ausgehen, dass sie anpassungsfähig sind und mit jedem Führungsstil zurechtkommen? Wie geht es uns selbst damit, bei Fortbildungen zum Beispiel? Achten wir nicht sehr genau darauf, dass wir unsere Wünsche und Vorstellungen einbringen dürfen, dass wir unterstützt werden? Erst bei spürbarem Wohlwollen öffnen wir uns für anregende Ideen. Gegen das Gefühl, belehrt zu werden, verschließen wir uns. Nur dank unserer eigenen hochtrainierten Selbstregulation enthalten wir uns störender Aktionen – wobei: Wer schon einmal Lehrkräfte fortgebildet hat, weiß, dass sie sich in der Gruppe eigentlich genauso verhalten wie ihre Schülerinnen und Schüler. Sie können meutern. Solche Reaktionen sind die logische Konsequenz von nicht bewusst und nicht konstruktiv eingesetzter Führung. Damit sie in den Klassen ausbleiben, braucht es neben einer guten Führung und Selbstregulation auch ein gemeinsames Ganzes: einen tragfähigen und umgesetzten, auf grundlegenden pädagogischen Entscheidungen basierenden Konsens.

Wir bleiben der nautischen Metaphorik im ganzen Buch treu. Es ist so aufgebaut, dass auf diese Reisevorbereitung im Teil «Vor der Reise» mit Einleitung (Kapitel 1) und einführendem Kapitel (2) im Teil «Segel setzen» ein Hauptkapitel zu Klassenführung (Kompass; Kapitel 3) und eins zur Selbstregulation (Sextant; Kapitel 4) folgen. Die beiden Kapitel enthalten Grundlagen sowie konkrete Anregungen für den Unterricht. Nach ihrer Lektüre und Bearbeitung werden Sie eine klare Sicht auf Ihr Reiseziel haben und die beiden Instrumente in ihrer Funktionsweise verstehen und selbst bedienen können.

Im Teil «Mit der Flotte auf Kurs», dem dritten Teil des Buches, liegt der Fokus nicht mehr auf einem einzelnen zu steuernden Schiff und seinen Segeln, sondern auf der ganzen Flotte: auf dem System Schule. Wir erläutern die Grundlagen und schulische Anwendung des Konzepts der fünf Dimensionen einer lernenden Organisation (Kapitel 5). Damit sind alle angesprochen, die zum System gehören und es mitgestalten, in erster Linie Schulleiterinnen und Schulleiter, aber natürlich auch Lehrkräfte. Erfahrungsberichte verschiedener Schulentwicklungsprozesse an unterschiedlichen Schulen runden das Buch ab.

Die Kapitel enthalten viel Hintergrundinformation, aber auch zahlreiche Angebote zur Reflexion über das eigene Tun. Uns ist die Selbstregulation der Lehrkräfte genauso ein Anliegen wie jene der Schülerinnen und Schüler. Sie wissen als Lernexpertin oder -experte selbst, dass «gehört» nicht automatisch «(ein-)verstanden» bedeutet, dass es eines längeren Reflexionsprozesses bedarf, um herauszufinden, womit man wie einverstanden ist und was man davon in welcher Form umsetzen möchte. Darauf nehmen wir Rücksicht, wenn wir die Reiserouten ausschildern. Sie finden unterwegs immer wieder Gelegenheit, Ihre eigene Unterrichtssituation zu reflektieren und Ihre Handlungsmöglichkeiten bei der Lektüre dieses Buches zu erweitern.

2Einführung

Um erfolgreich lernen zu können, brauchen Schülerinnen und Schüler Führungskräfte, die sich als solche definieren und reflektieren und auch den Unterschied zwischen Klassenführung und Klassenleitung kennen. Eine überlegte Klassenführung wirkt sich positiv auf Ihre Gesundheit aus. Die Auseinandersetzung damit dient sowohl der eigenen Kompetenzentwicklung als auch der Entwicklung der gesamten Schule.

«Unterricht» und «Klasse» sind zentrale Begriffe in diesem Buch. Unter Ersterem verstehen wir alle Formen lehrergeleiteten Lernens, also offene Formen genauso wie das Unterrichtsgespräch. «Klasse» bezieht sich auf den konventionellen Verband von Schülerinnen und Schülern, aber auch auf andere Gruppen von Lernenden.

Vielen Lehrkräften fällt es noch immer schwer, im Zusammenhang mit Schule und Unterricht von «Führung» zu sprechen. Sie umgehen den Begriff durch Formulierungen wie «Ich unterrichte in dieser Klasse», «Ich bin (nicht) Klassenlehrerin in dieser Klasse» oder «Ich gebe die Regeln vor». Wir halten die Begriffsanleihe aus der Wirtschaftswelt für die Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle im Unterricht für hilfreich. Wenn sich eine Lehrkraft nämlich als Führungskraft versteht, kann sie eine eindeutige Rollenklärung und eine vertiefte Reflexion über ihr Führungshandeln vornehmen und in dieser Selbstbewusstheit vor die Klasse treten und selbst-bewusst handeln.

Vielleicht kennen Sie die Situation, dass sich eine Fachlehrkraft, die in «Ihrer» Klasse unterrichtet, hilfesuchend an Sie als Klassenlehrkraft wendet: «Deine Klasse war ja heute mal wieder … ! Das musst du unbedingt ändern.» Wie soll eine während der Unterrichtsstunde gar nicht anwesende Klassenlehrkraft für Ruhe und einen reibungslosen Ablauf von Stunden der Kolleginnen und Kollegen sorgen und die vermeintlich fehlende Disziplin regeln? Das geht nicht und ist auch nicht Ihre Aufgabe. Als Klassenlehrerin oder Klassenlehrer obliegt Ihnen zwar die Verantwortung für die Organisation und Betreuung der Klasse. Das ist die Klassenleitung. Wir grenzen sie klar von der Klassenführung ab. Diese dürfen und müssen Sie annehmen und gestalten, ob Sie die Klassenleitung innehaben oder nicht; sie ist die Aufgabe jeder einzelnen Lehrkraft, die unterrichtet.


ABB. 1KLASSENFÜHRUNG UND KLASSENLEITUNG

Klassenführung ist die Grundlage für Unterrichtsqualität und unabdingbar für den Lernerfolg der einzelnen Schülerinnen und Schüler. Internationale Forschungsergebnisse zeigen deutlich, «dass kein anderes Merkmal so eindeutig und konsistent mit dem Leistungsniveau und dem Leistungsfortschritt von Schulklassen verknüpft ist».[1]

Klassenführung ist auch eine wichtige Größe für Ihre Gesundheit als Lehrkraft. Das eigene selbstbewusste Verhalten kann für ein stressfreieres und entspannteres Erleben und Arbeiten im Klassenzimmer maßgebend sein. Gemeinsam gestaltete Bedingungen im Klassenzimmer und in der ganzen Schule können den Bedürfnissen aller Rechnung tragen, ohne dass eine einzelne Lehrkraft zu sehr eingespannt ist. Die Balance zwischen einer Sicherheit, die aus einem routinierten persönlichen Handlungsrepertoire erwächst, und einem Wir-Gefühl, das aus einer kollegial abgestimmten Gestaltung im eigenen System Schule entsteht, bewirkt für die Art und Weise, an Herausforderungen heranzugehen, und damit für das eigene und kollektive Gesundheitserleben einen großen Unterschied.

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9783035516494
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