Kitabı oxu: «Ein Jahr ohne dich»

Şrift:

Caroline Régnard-Mayer

Ein Jahr ohne dich

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

Prolog

Ein Jahr davor …

°Conny°

°Christin°

°Christin°

°Conny°

°Christin°

°Conny°

°Christin°

°Conny°

°Christin°

°Conny°

°Christin°

°Conny°

°Christin°

°Conny°

°Christin°

°Conny°

°Christin°

°Conny°

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Impressum

Rachel Parker

Ein Jahr ohne dich

Roman

Band 1

Copyright © Juni 2016 by Rachel Parker (Originalauflage)

Copyright 2. Auflage © Juli 2017 by Rachel Parker

Alle Rechte vorbehalten.

Es darf kein Teil dieses Werkes ohne Genehmigung der Autorin Rachel Parker in irgendeiner Form vervielfältigt oder reproduziert werden.

Satz und Layout: Rachel Parker

Coverdesign: Cover Up by Bianca Holzmann (www.cover-up-books.de) unter Verwendung der Coverfoto: Bilder von ©Shutterstock (conrado)

Lektorat: Wiebke Worm

Für Heidi und Wiebke, meine Heldinnen

- sowie in guten als auch schlechten Tagen!

Für Mütter und Töchter ist es nicht immer leicht, sich voneinander abzunabeln. So erging es mir, als meine Tochter aus heiterem Himmel beschloss, zwischen der 11. und 12. Stufe im Gymnasium ein Jahr in die USA zu gehen. Es war für mich zuerst eine seelische Katastrophe. Jedoch verstand ich sie. Conny musste ihre englischen Sprachkenntnisse unbedingt bis zum Abitur festigen und verbessern, auf der anderen Seite verspürte sie eine unbändige Lust, sich eine Auszeit von der Schule sowie ihrem familiären Umfeld zu nehmen und die weite Welt zu entdecken. Ich habe sie nicht aufgehalten trotz meiner inneren Gegenwähr; ich unterstützte sie soweit ich es konnte und versuchte nach ihrer Abreise Anfang Juli bis Weihnachten psychisch durchzuhalten. Ab Januar wurde es leichter. Die Monate vergingen wie im Flug und am 1. Juni stand Conny am Frankfurter Flughafen wieder vor mir. Wo war die Zeit geblieben?

Meine Tochter hat nicht viel während ihrem Highschool-Jahr geschrieben oder mit mir geskypt, deswegen ist der erste Teil des Romans nur mit wenig Persönlichem aus ihrem Auslandsjahr versehen. Die letzten zwei Drittel entsprangen meiner Fantasie; sowie die Geschichte von Christin, der Mutter. Zu Beginn habe ich einiges aus meiner persönlichen Erfahrung mit der Erkrankung Multiple Sklerose einfließen lassen, doch der Rest der Figurenentwicklung ist erfunden. Es gibt Moment, da wünschte ich mir wie Christin zu sein. Eine kleine Buchhandlung zu eröffnen und einen lieben Menschen neben mir zu haben. Deswegen schrieb ich dieses Buch - um zu träumen und meine Fantasie auszuleben. Und das Wichtigste! Ihnen liebe Leser und Leserinnen ein paar schöne Lesestunden zu bieten. Tauchen Sie ein in meine Geschichte!

Ihre Rachel Parker

Als ich war noch ein Kind

war ich für viele Sachen blind.

Heute weiß ich genau,

das Leben ist manches Mal rau.

Du gabst mir alles und noch mehr,

ist es auch ein paar Jahre her.

Als Fels, als Anker bist du für mich da,

und damit noch immer wunderbar!

(Anna R. Winter)

Der Ort Lahnfeld gibt es nicht, auch Herr Schweitzer nicht. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass alle Namen frei erfunden sind. Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen oder Orte sind rein zufällig.

Prolog

Eine Staubschicht überzog mich und ich kauerte am Boden meines Zimmers auf dem Campus. War das eben wirklich geschehen? Totenstille um mich herum. Überall lagen meine Sachen verstreut – die halb gepackten Koffer zwischen Kleidungsstücken und zerbrochenem Geschirr, ebenso die Bücher und Bilderrahmen. Das große Regal neben der Zimmertür war sogar umgestürzt. Gestern wurde die Bevölkerung über Fernsehen, Radio und wir Studenten zusätzlich während der Vorlesungen gewarnt. Eben noch erwartete man ein Erdbeben der Stärke 5,0 bis 6,0 in der Stadt und in weiten Teilen des Bostoner Umlandes, nun war es geschehen. Wenige Minuten verstrichen. Ich wagte kaum zu atmen oder mich zu bewegen. Wo hielt sich Paul während dieser schrecklichen Minuten auf? Von draußen hörte man Sirenen von Krankenwagen. Menschen schienen panikartig über den Campus zu laufen, ihre Schreie drangen bis zu mir ins Zimmer. Auf unserem Gang war es jedoch beängstigend still. Auch unser Studentenwohnheim bebte und zitterte fürchterlich während des Erdbebens. Meine Fensterscheiben hatten Sprünge, waren aber zum Glück nicht zerborsten, weshalb ich unverletzt blieb. Die Zimmerdecke wies Risse auf, und Putz löste sich. Ich war von Kopf bis Fuß mit grauem Staub bedeckt, dieser rieselte noch immer auf mich herab. Nach dem ersten Schock und der Starre breitete sich nun Angst in meinem Innern aus. Ich machte mir große Sorgen um Paul. Er befand sich auf dem Weg zum Bahnhof, um unsere Tickets für die Heimreise zu kaufen. Danach wollte er zu dem Reisebüro, um die Flugzeiten für den Flug nach Frankfurt bestätigen zu lassen. Hatte er noch rechtzeitig eines der Gebäude verlassen können? Vorsichtig robbte ich zum Schreibtisch und suchte zwischen den staubigen Studiensachen nach meinem Handy. Endlich! Hier war es. Ich wählte seine Nummer, aber die Leitung war tot. Oh mein Gott, das darf doch nicht wahr sein! Panik erfasste mich. Ich rief wie von Sinnen nach Hilfe. Da erinnerte ich mich an meine Freundin Mara und all die anderen auf meinem Stockwerk.

»Mara, wo bist du? Bist du verletzt?«, schrie ich verzweifelt.

»In meinem Zimmer, Conny! Nein, nur total staubig und hier herrscht das absolute Chaos. Ich versuche gerade, meine Zimmertür zu öffnen, aber der Schrank liegt davor.«

»Warte, ich komme sofort zu dir!« Vorsichtig, denn die Angst saß mir immer noch im Nacken, öffnete ich meine Tür. Auf unserem Korridor war an vielen Stellen der Putz von der Decke gebrochen und da, am Ende des letzten Raumes, klaffte ein riesiges Loch. Oh mein Gott, hoffentlich war Nick während dem Beben nicht in seinem Zimmer! Er war ein liebgewonnener Kommilitone. Ich begann zu zittern, und Tränen liefen mir über das Gesicht, währenddessen ich zu Maras Schlafraum stürzte.

»Mara, ich stehe vor deiner Tür und stemme mich dagegen, du ziehst dann am Schrank. Okay?«, rief ich mit angsterfüllter Stimme.

»Ja, ist gut Conny. Ich habe solche Angst!«

»Dann zieh, damit wir so schnell wie möglich hier rauskommen!«

Vereint befreiten wir sie in wenigen Minuten und fielen uns weinend aber glücklich, um den Hals.

»Schnell, Mara, nix wie weg! Am Ende des Korridors klafft ein riesiges Loch. Von der Decke fällt immer wieder Putz. Gibt es nicht auch Nachbeben?«

Panikartig eilten wir zum Treppenhaus, rannten die Treppen hinunter ins Freie und direkt in die Arme des Katastrophenschutzteams.

»Bitte begeben sie sich sofort zum Sammelplatz an der Mensa. Wir erwarten ein Nachbeben! Haben sie noch jemanden im Innern gesehen?«

Wir schüttelten nur unsere Köpfe, und schon waren die Männer im Gebäude verschwunden.

Auf dem Weg zur Mensa fragte ich: »Funktioniert dein Handy, Mara? Meines ist tot.«

»Ja, hier. Ich habe vorhin Jens vom Zimmer aus angerufen, bei ihm ist alles okay. Er war während des Bebens in der U-Bahn und rettete sich ins Freie.«

Ungeduldig wählte ich Pauls Nummer. Immer noch tot. Ich fing bitterlich an zu weinen.

Ein Jahr davor …

°Conny°

Es war an einem Donnerstag im August, der Himmel leuchtete azurblau, ab und zu zog eine kleine Wolke vorüber. Ein strahlender Sommertag. Es war der Tag, an dem ich mich erwachsen fühlte, gleichwohl ich im Juni erst neunzehn Jahre alt geworden war. Ich saß mutterseelenallein in einem Flieger in die USA und flog in ein neues Leben.

»Conny, pass auf dich auf, mein Mädchen. Hast du alles? Pass? Geld?«

»Mama, nerv mich doch nicht. Klar, habe ich alles. Ich bin doch bald wieder zurück.«

Ich rollte mit den Augen und hob meinen schweren Koffer auf das Förderband am Eincheckschalter der Lufthansa Linie.

»Wenn es möglich wäre, möchte ich bitte einen Fensterplatz«, sagte ich zur Stewardess, die gerade eine Banderole um mein Gepäck klebte.

»A 1 ist sogar noch frei.« Die Frau schaute mich fragend an.

»Den nehme ich. Danke.«

Nachdem ich meine Papiere und die Boarding-Karte in meiner Handtasche verstaut hatte, drehte ich mich zu meiner Mutter um und zog sie vom Schalter weg. Ihr trauriges Gesicht sprach Bände.

»Bald ist relativ, Kind. Ein Jahr ohne dich – noch kann ich es mir überhaupt nicht vorstellen.«

Ihre Augen glänzten verdächtig. Oma war etwas gefasster und machte ihre Späße, wie es ihre Art war.

»Kommt, Mama und Omi, lasst uns noch einen Kaffee trinken, damit du«, Conny kniff ihrer Mutter in die Wange, »mir nicht auf dem Heimweg einschläfst.«

Arm in Arm schlenderten wir ins nächstbeste Café. Am Fenster, mit Blick zum Rollfeld, ließen wir uns für das letzte Gespräch vor meinem Abflug nieder.

***

Nach einem tränenreichen Abschied von meiner Familie befand ich mich nun in der Economyklasse eines Fliegers der Lufthansa mit Ziel London, einem Zwischenstopp auf meiner Reise nach New York. Ich hatte gemischte Gefühle, aber wollte mir meinen großen Traum, in Amerika zwei Auslandssemester zu studieren, erfüllen. Trotzdem nagte das schlechte Gewissen an mir, hatte ich doch meine Mutter und meinen Bruder in Deutschland zurückgelassen.

Meine Eltern waren schon lange geschieden und mein Vater verstarb vor zwei Jahren. Die endlosen Streitigkeiten bei Gericht und mit dem Ergänzungspfleger, einem unsympathischen, sich selbst gerne reden hörenden Mann, der mein Vermögen verwaltete, hatten mich zermürbt. Dann gab es die Großeltern väterlicherseits, die uns ständig unser Erbe streitig machten. Sie nutzten jede noch so kleine Gelegenheit, um an das Geld meines Vaters zu kommen, ob gerichtlich oder per Anwalt. Mittlerweile war mir diese ganze Erbschaft eh egal. Sollten sie doch alles bekommen. Hauptsache, ich hatte wieder Frieden und es würde Ruhe in das Leben meiner kleinen Familie einkehren.

Diese war dringend notwendig, denn meine Mutter erkrankte vor vielen Jahren an der Autoimmunkrankheit Multiple Sklerose und war inzwischen nervlich vollkommen am Ende. Hätte ich sie einpacken können, ich hätte sogar meine Kleider zurückgelassen. Aber selbst wenn es ihr besser gegangen wäre, hätte es nicht geklappt. Da gab es ja noch meinen jüngeren Bruder, der noch zur Schule ging und in vier Jahren sein Abitur machen wollte. Ich hatte sie alle lieb, aber auf diese Reise konnte ich sie nicht mitnehmen. Wenn ich ehrlich zu mir war, ich wollte es auch nicht. Es war mein Traum! Es war meine Reise, die ich alleine antreten musste, fern von allen Streitigkeiten und der Familie meines Vaters, auch weg von seinem Schatten und dem Schmerz in meiner Brust.

Als ich damals durch meine Mutter die Nachricht von seinem Tod erhalten habe, erstarrte ich innerlich, und in dieser Starre befand ich mich noch immer. Mein Bruder Peter und ich hatten den psychischen und körperlichen Zerfall unseres Vaters über zehn Jahre hinweg erlebt. Die letzten Wochen waren mehr als grausam. Er lag nur noch in seinem Bett, konnte sich kaum bewegen, und seine Sprache war ihm unwiderruflich verloren gegangen. Ich konnte den Anblick kaum ertragen, aber seine Eltern versuchten, uns bei jedem Besuch in sein Zimmer zu drängen. Meine Mutter hatte mit uns geweint und uns getröstet, wann immer sie konnte. Diese Besuche hatte sie nur zweimal zuge-lassen. Wir sollten uns an die guten, besseren Zeiten mit ihm erinnern, wobei Peter ihn nur krank kannten. Zu Beginn seines Tumorleidens sahen und hörten wir nichts von seinen Symptomen, dafür waren wir einfach noch zu klein. Nachdem er verstorben war, besuchte ich mit Peter und Mama nur einmal sein Grab. Ich hatte einfach die Vorstellung nicht ertragen können, dass er nun unter der Erde lag. Am liebsten würde ich das Erlebte in meinem Kopf löschen …

Die Stewardess riss mich aus meinen Gedanken und fragte: »Wollen Sie einen Kaffee oder Tee? Was darf ich Ihnen von den Kaltgetränken servieren?«

»Ich nehme bitte einen Tee mit Zucker und einen Orangensaft.«

»Bitte sehr, und ein Sandwich servieren wir auch gleich.«

Ich fühlte mich sehr wohl mit meinem Sitzplatz direkt am Fenster, somit konnte ich die bizarren Wolkenformationen oder den späteren Landeanflug beobachten. Neben mir befand sich ein freier Platz, daneben saß eine ältere Dame. Sie las schon die ganze Zeit und außer einer Begrüßung kamen wir nicht ins Gespräch. Ich freute mich auf mein Studium in Boston. New York war nur ein kleiner Urlaubsabstecher, den ich mir von meinem Erbe gönnte. In Manhattan hatte ich mir ein Hotel gebucht und wollte auf eigene Faust fünf Tage lang diese riesige Stadt der USA kennenlernen. Viele Sehenswürdigkeiten hatte ich eingeplant.

Ich schaute hinaus über die Tragefläche und die letzten Wolken zogen vorbei. Das Sonnenlicht blendete mich kurz. Dann erblickte ich Englands Hauptstadt. Der Flugkapitän sprach durch die Sprechanlage: »Meine Damen und Herren, wir haben gerade unsere Reiseflughöhe verlassen und befinden uns im Landeanflug auf London. Wenn sie aus dem Fenster blicken, sehen sie auf der rechten Seite den Buckingham Palast. Es scheint die Sonne, bei einer Außentemperatur von 21°C. In circa fünfzehn Minuten landen wir auf dem Heathrow Airport. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt. Vielen Dank und auf Wiedersehen.«

Da ich in einer Linienmaschine saß, klatschte keiner Applaus für den Flugkapitän, wie bei diesen Pauschalreisefliegern. Mein Herz pochte ganz schnell, als ich die Themse unter uns erblickte. Sie glitzerte im Morgenlicht und die Häuser und Autos konnte man immer deutlicher erkennen. Neues Leben, ich komme!

°Christin°

Die Narren zogen durch die Stadt und frönten dem Faschingsfest. Die Natur zeigte sich in verschiedenen Farben. Es war ein kalter, regnerischer Aschermittwoch, als sich mein Leben schlagartig und unwiderruflich veränderte. Auch für meine Kinder änderte sich alles. Ich hatte die Diagnose Multiple Sklerose erhalten. Damals hatte ich nicht gewusst, dass es eine unheilbare Erkrankung des Nervensystems ist. Doch schnell habe ich mich mit Fachliteratur eingedeckt und besuchte bereits nach wenigen Wochen eine Selbsthilfegruppe. Meine Tochter war damals neun Jahre alt und hatte eine veränderte, verstörte Mutter zurück bekommen. Peter, im Alter von fünf Jahren, erfasste die Tragweiter meiner Diagnose noch nicht. Oft weinte ich ohne erkennbaren Grund nach außen, denn in mir sah es düster aus. Conny spürte deutlich meine Veränderung.

»Es wird alles gut werden Constanze, mein Mäuschen!«, sagte ich zu ihr und nahm sie in den Arm. Sie kuschelte sich an meine Schulter.

Conny erzählte mir sehr viele Jahre später: Sicher, verunsichert war ich allemal und Peter war erst 5 Jahre alt. Mit ihm konnte ich nicht darüber reden. Du hast versucht mir deine Krankheit schonend beizubringen; dass du sehr krank bist und von nun an etwas ruhiger leben müsstest …

Zur Diagnose hatte ich nun auch noch die Kündigung während meiner Probezeit in einer Klinik bekommen; künftig war ich arbeitslos. Mein geschiedener Mann, Richard, schaffte keine gute finanzielle Basis für uns, somit gingen die Laufereien zu diversen Ämtern los. Ich konnte kaum gehen, leider nicht gerade der Idealfall, wenn man im Dachgeschoss wohnte.

»Mama, soll ich dir etwas helfen?« Oft stand meine kleine Tochter vor mir und hat mich danach gefragt.

»Nein, mein Schatz. Geh ruhig spielen. Ich schaffe das.« Traurig schaute ich Conny hinterher, die ein sensibles Kind war und genau spürte, wann ich keine Kraft mehr für den Haushalt hatte.

»Mama, kann Papa mir etwas einkaufen?« Ich hatte die Nummer meiner Eltern gewählt und sie um Hilfe gebeten. Auch etwas, das ich erst lernen musste.

»Klar Christin, ich schreibe es mir auf und dann kann dein Vater die Sachen gleich besorgen. Ich war zwar heute Morgen im Supermarkt, doch habe ich die Tomaten und die Butter vergessen.«

Nachdem ich telefoniert hatte, legte ich mich auf die Couch.

Mit den Jahren haben sich meine Kinder notgedrungen in die Situation eingefunden, dass manches in unserer kleinen Familie anders war, als bei ihren Freunden. Oft bekam ich Infusionen, die ich anfangs der Erkrankung meist stationär in der Klinik erhalten habe.

In den ersten zwei Jahren nach meiner Diagnose blickte ich öfters zurück. Kein leichtes Leben hatte ich seit der Heirat. Bei meiner kleinen Conny haben die Ärzte bei der Geburt ein schweres Hüftleiden diagnostiziert. Später waren Asthmaanfälle dazu gekommen; viele Klinikaufenthalte folgten. Dann hatten wir den Hausbau in unserer alten Heimat in Angriff genommen und zogen von Bayern wieder zurück nach Lahnfeld. Bei Peter wurde mit neun Monaten ebenfalls eine Hüftdysplasie festgestellt und somit kämpfte ich an zwei Fronten. Richard hielt sich aus allem heraus und forcierte nur seine Karriere. Wir hatten ein schönes Haus mit Garten in einem Vorort. Ein Holzgartenzaun begrenzte unser Grundstück, und liebevoll hatte ich einen Bauerngarten angelegt. Es duftete, je nach Jahreszeit, nach Rosen, Lavendel, Thymian und Jasmin. Er war mein ganzer Stolz und ein Ausgleich zu den anstrengenden Nächte und der Pflege der Kinder. Mittendrin auf dem Rasen haben eine Holzschaukel und ein Sandkasten gestanden, was für meine zwei Kleinen ein Paradies darstellte. Eine wundervolle Idylle, die plötzlich durch die Erkrankung meines damaligen Mannes zerrissen wurde.

Richard erkrankte sehr schwer. Eine Welt stürzte für mich ein.

»Ich muss Ihren Mann sofort auf die Intensivstation verlegen. Auf dem MRT-Bild erkennt man deutlich einen Gehirntumor.« Der junge Assistenzarzt hatte mir die niederschmetternde Diagnose auf dem Krankenhausflur der Notaufnahme übermittelt. Er starrte an mir vorbei.

»Hätte ich Sie nicht zum MRT aufgefordert, nachdem Sie mir die Blutwerte zeigten und der LDL-Wert massiv erhöht ist, wären Sie nie auf die Idee einer MRT-Aufnahme gekommen. Bitte veranlassen Sie den sofortigen Transport nach Karlsruhe oder Mannheim. Hier bleibt mein Mann nicht.« Aufgebracht fuchtelte ich mit den Händen vor seinem Gesicht herum.

»Wie Sie möchten. Es tut mir leid. Ich werde sofort telefonieren, wohin wir Ihren Mann verlegen können.« Mit eingezogenen Schultern wendete sich der junge Arzt ab und ließ die Tür während seines Telefonats offen.

In Windeseile rief ich meine Eltern an, die bei uns zuhause auf die Kinder aufpassten. Mit meinem eigenen Auto und meinem Vater fuhr ich dem Krankenwagen hinterher, der auf dem Weg mit Richard in die Kopfklinik nach Mannheim war.

Am nächsten Tag operierten die Ärzte sofort den Gehirntumor meines Mannes. Anschließend musste er für Wochen in eine Rehabilitationsklinik, aus der er frühzeitig entlassen wurde, um erneut operiert zu werden. Ich besuchte ihn regelmäßig, sprach mit Ärzten und hielt Kontakt mit unseren Freunden, die ebenso in die Reha-Klinik fuhren, um ihn zu besuchen. In dieser Zeit bin ich eindeutig über meine Grenzen gegangen, überlegte ich in diesem Moment meines Rückblicks. Durch enormen Stress und seelische Belastungen kann eine Krankheit, wie die Multiple Sklerose, ausbrechen. Diese Erkenntnis half mir jetzt aber nicht weiter. Denn es kam vor vier Jahren zum Supergau.

Ohne Ankündigung zog Richard aus unserem Haus zu seinen Eltern und verschwand aus unserem Leben.

Ein Familienkrieg zwischen uns und den Eltern meines Vaters entfachte, Richard krank und vom Charakter devot, fügte sich ihren Wünschen. Conny erzählte mir kurz vor ihrer Abreise: Es war kaum auszuhalten und ich flüchtete in meine eigene Welt. Meine ach so netten Großeltern, die ich gerne nur mit Vornamen anspreche, machten dir, Mama und somit auch uns, das Leben zur Hölle. Unser schönes Haus wurde verkauft und wir zogen in diese verhasste Dachwohnung, beengt und ohne Garten. Zum Glück hast du nicht mehr im Hallenbad als Putzhilfe gearbeitet, sondern bekamst zeitgleich eine Halbtagsstelle in deinem Beruf als MTA. Blöd waren nur die Nacht- und Wochenenddienste. Oma und Opa versorgten uns ja, wenn du arbeiten musstest, und wir übernachteten viele Abende bei ihnen. Das fand ich echt toll. Sie verwöhnten uns und waren echt ein Halt in dieser schweren Zeit …

Das Familienleben mit Richard war zerbrochen und nichts war mehr wie vorher.

°Conny°

Der Anflug auf die Ostküste der USA und New York war unbeschreiblich. Auf dieser Seite der Erde war es erst 12:38 Uhr, aber ich gähnte mit den restlichen Passagieren um die Wette. In Frankfurt um 7:35 Uhr losgeflogen, landeten wir um 9:40 Uhr in London. Weiter ging es nach zweistündigem Aufenthalt, dann über den Teich und schon wieder war Mittagsessenszeit. Ich hatte tatsächlich fast den ganzen Flug geschlafen, außer die Momente der Mahlzeiten. Trotzdem fühlte ich mich wie gerädert. Aufgeregt bangte ich um mein Gepäck und das, was ich von meinem Fenster aus sah, entschädigte mich für jede Müdigkeit. Ich hielt den Atem an. Dort unten erblickte ich zum ersten Mal die Freiheitsstatue und die Skyline von Manhattan. »Wow, Constanze, der Anfang ist gemacht. Amerika, ich komme!« sprach ich zu mir selbst.

Der Kapitän machte eine Ansage: »Verehrte Gäste, in circa zehn Minuten landen wir auf dem John F. Kennedy International Airport. Es ist jetzt 12:41 Uhr, bei angenehmen 19°C. Die gesamte Crew bedankt sich bei ihren Passagieren und wir wünschen Ihnen einen unvergesslichen Aufenthalt.«

»Bitte sind sie so nett und legen sie ihre Handtasche unter den Sitz.«

Die Stewardess meinte mich und riss mich aus meinen Tagträumen. Sie lächelte und warte bis ich Gesagtes ausgeführt hatte.

Wir landeten und plötzlich kam ich mir doch recht verloren vor. Schon beim Anblick auf New York grummelte mein Bauch. Ich bekam weiche Beine, als ich die unbeschreiblich großen Hallen und Gänge sah. Allen Kulturen dieser Welt begegnete ich, während ich zur Gepäckausgabe lief. Neben mir wurde französisch gesprochen, dann huschte ein spanisch sprechendes Pärchen an mir vorbei, die Sprachen wechselten mannigfaltig von russisch zu italienisch. Zurzeit verstand ich kaum Deutsch, so verwirrt und verängstigt war ich plötzlich.

»Excuse me!« Es hatte mich jemand angerempelt und schon war dieser Unbekannte in der Menge verschwunden.

Constanze beruhige dich, geh zur Passkontrolle, dann dein Gepäck holen und bring den Zoll hinter dich. Danach ab ins Hotel. Du brauchst dringend eine Dusche und eine Mütze Schlaf.

Mit meinen zwei Koffern stand ich zwei Stunden später vor der Ankunftshalle, nachdem ich die Immigration durchlaufen hatte, um überhaupt in das Land einreisen zu dürfen. Ich kramte meine Notizen aus der Tasche. Zu Hause am PC hatte ich mir die Bus- und Zugverbindungen herausgeschrieben, was jetzt eine große Hilfe war.

»Entschuldigen sie bitte. Ich suche die Haltestelle ´Jamaica` der Air Train.«

Ich sprach ein Ehepaar an, das an einem Taxistand wartete und sich in meiner Sprache unterhielt.

»Sie gehen hier nach rechts, nach circa hundert Metern kommt eine Rolltreppe, die führt sie zur Air Train nach unten. Unten sehen Sie dann das Hinweisschild zur Haltestelle ´Jamaica`.«

»Vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen.«

Ich schnappte mein Hab und Gut und ging in die gezeigte Richtung. Nach etwa fünf Minuten saß ich endlich im Zug nach New York City. Mein Hotel lag im zentralen Bereich von Brooklyn. Unterwegs musste ich nochmals umsteigen, dann traf ich vollkommen erschöpft und müde im "The New York Loft Hostel" ein. Welch hektische Stadt habe ich mir denn hier ausgesucht? Der Lärm dröhnte mir in den Ohren und mit letzter Kraft und gestammeltem Englisch meldete ich mich an der Rezeption an.

»How are you?«, begrüßte mich eine nette Frauenstimme.

»Hello. Mein Name ist Constanze Winterstein. Ich habe ein Einzelzimmer für fünf Tage in ihrem Hostel gebucht. «

»Hier gebe ich Ihnen das Anmeldeformular, das Sie bitte ausfüllen. Ich benötige bitte Ihren Reisepass. Sie haben das Zimmer Nummer 308 im 3. Stock. Der Aufzug befindet sich dort am Ende der Halle.«

»Vielen Dank.« Mehr brachte ich nicht mehr über die Lippen. Zu müde war ich in der Zwischenzeit und wollte nur noch schlafen.

»You are welcome«, wurde ich freundlich verabschiedet.

***

Am nächsten Morgen war ich schon um sechs Uhr wach. Gemütlich ging ich duschen. Das große Badezimmer am Ende des Flurs hatte ich um diese Uhrzeit noch für mich alleine. Schnell waren die Haare geföhnt und ich ging zum Frühstück nach unten.

»Hier ist ja mächtig was los!«, murmelte ich vor mich hin. Der Frühstücksraum war um diese Uhrzeit offensichtlich von den Nachteulen gut besucht. Kleine bunte Tische waren arrangiert direkt neben dem großen Buffet an der hinteren Wand des großen Raums. Große Fenster sorgten für viel Licht und Pflanzen als Abgrenzung zwischen den Tischgruppen für Behaglichkeit. Leise Musik spielte im Hintergrund.

»Hi, ich bin Conny, ist bei euch noch ein Platz frei?«

»Klar, wir gehen jetzt schlafen, waren die ganze Nacht in der City unterwegs.«

»Wow. Und mächtig getankt, was?! Könnt ihr mir noch einen Tipp geben, womit ich heute und um diese Zeit mit dem Besichtigen von New York beginnen könnte?«

Eines der Mädchen antwortete mir: »Ich würde dir empfehlen, nach dem Frühstück gleich zur Freiheitsstatue zu fahren. Dann ist dort noch nicht so viel los. Ach ja, ich bin Peggy«, und schon war sie verschwunden.

Gesagt, getan! Aber zuvor schrieb ich meiner Mutter noch eine kurze Mail an einem PC, der allen Gästen zur Verfügung stand. Sie sollte wissen, dass ich gut angekommen war und in einem netten Hotel wohnte.

Kurze Zeit später gegen 8:00 Uhr lief ich zwei Blocks weiter zur U-Bahn und fuhr bis zur Brooklyn Bridge. Die ersten Sonnenstrahlen zeigten sich zwischen den hohen Häusern. Ein besonderer Großstadtgeruch lag in der Luft. Ich überquerte die Brücke, die mit einer beachtlichen Länge die Stadtteile Manhattan und Brooklyn verbindet. Unter der Brooklyn Bridge fließt dunkel und dominant der East River und der Blick auf die Skyline von Manhattan war spektakulär. Zu Fuß ging ich beschwingt weiter zum New Yorker Hafen und dort bestieg ich die Fähre ´attery Park – Liberty Island´, Richtung New York. Die Fahrt und der Fußweg zur Fähre waren unbeschreiblich aufregend. Fremde Sprachen erreichten mein Ohr. Ich hatte noch nie so eine laute, pulsierende Stadt erlebt. Überall eilende Menschen, Autogehupe, Leuchtreklamen, die auch am Tage leuchteten, und gigantische Werbetafeln. Die Gerüche waren mir so fremd und wieder beschlich mich das mulmige Gefühl, das mich schon beim Landeanflug heimgesucht hatte. Doch ich schritt weiter meines Weges und sprach mir selbst Mut zu. Du hast es so gewollt, nun musst du auch hier durch, mit allen Vor- und Nachteilen.

Von der Fähre aus hatte ich einen sagenhaften Blick auf die Skyline von New York. Es waren Gebäude, die in den Himmel wuchsen, so schien mir. Der Hudson River glitzerte im Morgenlicht. Weiße kleine Schaumkronen zeigten sich im Wasser, und die Gischt spritzte an beiden Seiten des Schiffs bis zur Reling hoch. Die Luft war warm und der Wind strich mir zärtlich um den Kopf, so als ob er mein aufgewühltes Inneres beruhigen wollte. Peggy hatte Recht, es waren erst wenige Touristen unterwegs, und die meisten New Yorker waren offensichtlich schon bei ihrer Arbeit.

Dann sah ich sie, die Freiheitsstatue, genannt ´Statue of Liberty`. Wow. Um mich herum verstummten die Gespräche und ein Raunen ging durch die Menge. Die imposante Statue kam immer näher, und nach etwa einer halben Stunde Fahrzeit legten wir an der Insel an. Ich schlenderte gemütlich zum Sockel, um mir die vielen Gedenktafeln anzusehen. Aber immer wieder schaute ich über den Hudson River zur Stadt oder zum New Yorker Hafen, die mich magisch anzogen. Anschließend begann ich mit dem Aufstieg im Treppensystem, das mich bis zum Kopf der Statue brachte. Ich fühlte mich betrunken vor lauter Glück. Der Aufgang zur Fackel war leider gesperrt. Erstmals genoss ich den grandiosen Ausblick auf die gesamte Stadt und das anstrengende Treppensteigen war vergessen.

Viele Gedanken schossen mir durch den Kopf. Ich schaute Richtung Europa und dachte an meine Mutter und meinen Bruder. Was beide wohl gerade tun würden? Es war dort schon Abend. Ich vermisste sie sehr. Schmerzlich zog sich mein Herz zusammen. Ach hätte ich sie beide jetzt doch an meiner Seite und wir könnten zu dritt diese Reise erleben. Für Mama wäre so eine Reise zu anstrengend - sie würde sicher ständig über ihre Grenzen gehen, um mit uns beiden mitzuhalten. Auch der Jetlag, der nach dem Rückflug nach Deutschland nicht ausbleibt, würde ihre Kräfte übersteigen. Aber sie würde solche Momente wie hier in diesem Augenblick sicher genießen.

Direkt nach dem Abstieg kaufte ich Ansichtskarten. Ich schrieb diese an meine kleine Familie und meine Großeltern, erzählte ihnen von meinen ersten Eindrücken, während ich mir ein verspätetes Mittagessen in einem kleinen Lokal gönnte, das ich auf dem Rückweg zum Hotel in Chinatown entdeckt hatte. Auch in diesem bunten lauten Stadtteil pulsierte das Leben, exotisch und fremd. Satt, zufrieden und auch ein bisschen kaputt nahm ich die U-Bahn und kehrte zur Herberge zurück. Ich gähnte und stellte fest, dass ich inzwischen zu müde war, um mich den anderen im Aufenthaltsraum anzuschließen, nur bei Peggy schaute ich kurz vorbei.

5,46 ₼

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9783742798015
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