Kitabı oxu: «Geschichten des Windes»

Şrift:

Claudia Mathis

Geschichten

des

Windes

Historischer

Abenteuerroman

1 Auflage 2021

Copyright © by Claudia Mathis

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Titelbild: Pixabay Alfons Schüler

Umschlagentwurf: Claudia Mathis

Pilum Verlag, Strasshof an der Nordbahn, Österreich

ISBN 978-3-99090-038-3

für Raffael

Kommst aus dem Nichts

Bist unsichtbar

Zeigst dennoch Wirkung

Kannst überall sein

Ohne Grenzen

Ohne Schranken

Nur unsere Fantasie kann dir folgen

Wirst niemals alt

Hast alles gesehen

Wir müssen nur lauschen

R.B.B.

Prolog

Seine Augen blitzten auf. Was hatte er da gerade gelesen? Er klappte das Buch zu und schaute sich den Einband noch einmal an. Daran war nichts Außergewöhnliches zu erkennen. Durch Zufall hatte er das Buch hinter den alten Reisebeschreibungen ganz oben auf dem großen Regal entdeckt.

Warum er es herausgezogen hatte, wusste der Junge nicht. Wie von einer unsichtbaren Hand gelenkt hatte er nach dem verstaubten, unscheinbaren Buch gegriffen und bemerkt, dass es ohne Titel und sogar handgeschrieben war. Die Schrift konnte er nur mit Mühe lesen, die Schreibweise kam ihm seltsam vor. Einige Worte kannte er nicht.

Es musste uralt sein.

Der Junge untersuchte das Buch erneut und fand zunächst keinen Hinweis zu dessen Autor. Erst nach einer ganzen Weile angestrengter Suche bemerkte er ganz hinten drei kleine Buchstaben: R.B.B. Was sollten sie bedeuten? Eine seltsame Aufregung überkam ihn.

Erschrocken drehte er sich um. Hatte er ein Geräusch gehört? Der Junge versteckte das Buch unter seinem Hemd und schlich zur Tür der weiträumigen Halle mit den zahlreichen Bücherregalen. Fast vergaß er seine Lampe, die er auf einen kleinen Tisch gestellt hatte. Hoffentlich wurde er nicht bemerkt. Er durfte um diese Zeit gar nicht hier sein.

Als er die schwere Eichentür einen kleinen Spalt weit öffnete, stellte er erleichtert fest, dass draußen alles ruhig war. Der Junge glitt vorsichtig hinaus. Hastigen Schrittes eilte er die dunklen Gänge entlang bis zu seinem Gemach. Erschöpft ließ er sich auf seine Schlafstätte fallen und nahm ein paar erleichterte Atemzüge.

Erst jetzt fiel seine Aufmerksamkeit wieder auf das Buch. Behutsam holte er es hervor, öffnete es zaghaft und begann aufgeregt noch einmal von Beginn an zu lesen.

I

Der Sohn des Lairds

Echte Freundschaft

Knüpft feste Knoten in dein Lebensseil

Wenn du sie als Tritt benutzt

Kannst du unerreichbare Höhen bezwingen

R.B.B.

Eins

1686 - drei Jahre zuvor

Seufzend schaute der Junge aus dem Fenster. Wieder würde es ein langer, langweiliger Tag werden und es bestand keinerlei Hoffnung auf irgendeine Art von Zerstreuung. Obwohl er das Langweiligste heute schon hinter sich gebracht hatte, den sonntäglichen Gottesdienst in der kleinen Kapelle des Castles, wusste er nicht, wie er sich hätte beschäftigen können.

Wegen dieses lächerlichen Vorfalls vorgestern durfte er sein Zimmer ein paar Tage nur zu den Mahlzeiten, zum Unterricht, zum Abtritt und zum Gottesdienst verlassen. Ansonsten war er in Stille und Einsamkeit gefangen und verfolgte die quälend langsam dahinwandernden Schatten an der Wand.

Er schaute aus dem Fenster, blickte auf den Hof und die vergnügt spielenden Kinder. Wie oft hatte er sie schon beobachtet! Stundenlang saß er dann am Fenster und tat nichts anderes. Obwohl er der Sohn des Lairds1 war, kannte er diese Kinder nicht. Sie gehörten zu den Bediensteten der Burg und waren laut seiner Eltern nicht würdig, um mit ihm zu verkehren. Nur zufällig schnappte er manchmal ein paar Namen auf, wie Baxter, Arran, Davie, Bonny, Arthur, Ivera und versuchte, diese den Kindern zuzuordnen.

Das ist so ungerecht!, dachte der Junge verzweifelt. Wieso darf ich nicht mit ihnen spielen?

Da er zudem Einzelkind war, führte er ein sehr einsames Leben. Auch mit seiner alten und strengen Amme Maiga konnte er keine Spiele spielen. Das Betreten des Burggeländes ohne Aufsicht war ihm strikt untersagt.

Vor zwei Jahren jedoch war eine positive Veränderung in sein tristes Leben getreten: er lernte lesen. Es fing damit an, dass er das Buch mit den Kindergeschichten, aus dem ihm seine Großmutter vorlas, genauer betrachtete und sie fragte, wie man diese Schriftzeichen aussprach. Mit der Hilfe seiner Großmutter lernte er die ersten Buchstaben und brachte sich die restlichen selbst bei. Auf sein Drängen hin stellten seine Eltern einen Hauslehrer für ihn ein, der ihm beim Lesen und Verstehen dessen half, was er las und später auch andere Fächer wie Geschichte und Mathematik unterrichtete.

Mr. Sutton, der extra aus Aberdeen anreiste und während der Woche mit auf dem Castle wohnte, war ein strenger, aber doch einfühlsamer Lehrer. Er bemerkte schnell die Begabung des Jungen und dessen klaren Verstand. Mr. Sutton erkannte die erstaunliche Leidenschaft für Bücher im Sohn des Lairds. Eines Tages schließlich, der Unterricht war gerade beendet, erzählte Mr. Sutton seinem Schüler von einem ganz besonderen Ort und ging mit ihm in die Bibliothek des Castles. Der Anblick der großen, mannshohen Bücherregale überwältigte den Jungen in solchem Maße, dass er beinahe das Atmen vergaß. Mr. Sutton ließ schmunzelnd seinen Schüler staunen und erklärte ihm die Anordnung der Bücher. Jedoch meinte er, dass sie noch zu schwierig zu verstehen seien für einen sechsjährigen Jungen, der gerade erst lesen gelernt hatte. Aber diese Masse an unterschiedlich dicken Werken des geschriebenen Wortes spornte den Ehrgeiz des Jungen dermaßen an, so dass er innerhalb eines Jahres harter Arbeit und nach vielen langen Abenden im Kerzenschein die Fähigkeit besaß, ganze Bücher in einer, für sein Alter, erstaunlichen Geschwindigkeit zu lesen.

Sein scharfer Verstand ermöglichte es ihm, das Gelesene so weit zu verstehen, dass er bald zum Leidwesen seines Lehrers ununterbrochen wissbegierige Fragen stellte.

Schnell kam die Zeit, in der der Junge endlich auch Bücher aus der Bibliothek lesen durfte. Es bereitete ihm die größte Freude, in den staubigen Regalen zu stöbern und die Vielfalt der Bücher zu entdecken. Schnell entwickelte sich die Bibliothek zu seinem Lieblingsort.

Der Junge fand heraus, dass die meisten Werke uralt waren und von seinem Ururgroßvater stammten. Es kribbelte ihm angenehm in den Fingern, wenn er sacht über die Rücken der edlen ledergebundenen Bücher strich, und er nahm sie stets mit großer Behutsamkeit und Ehrfurcht aus den Regalen.

Die Bücher waren nach mehreren Fachgebieten gut sortiert. Sein Ururgroßvater Cailan Afton McCunham schien ein sehr belesener und vielseitig interessierter Mann gewesen zu sein. So fanden sich ebenso Werke über Geschichte (allgemein über die Welt und konkret über Schottland), über Medizin, Völkerkunde, Geografie und vieles mehr sowie auch Romane und Erzählungen über die verschiedensten Themen darunter.

Der Junge las weiterhin begierig und eignete sich in seinen jungen Jahren bereits ein beträchtliches Wissen an. Er bemerkte zu seiner großen Freude, dass er ein ausgezeichnetes Gedächtnis besaß. Und da sein tatsächliches Leben so eintönig war, flüchtete er sich immer öfter in eine Fantasiewelt, in der er mit den Charakteren aus den Büchern zu den aufregendsten Orten reisen konnte.

Doch nun durfte der Junge einige Tage nicht in die Bibliothek gehen, und er hatte gestern auch das letzte Buch auf seinem Zimmer zu Ende gelesen. Nicht einmal der Unterricht fand heute statt, da Mr. Sutton am Wochenende immer frei hatte und nach Aberdeen fuhr.

Was soll ich nur machen?

Schon öfter war ihm der Gedanke gekommen, einfach für eine Weile wegzuschleichen und sich an seinem zweiten Lieblingsort, den Stallungen des Castles, zu verstecken. Dort würde seine Lieblingsstute Vika auf ihn warten, die sich immer freute, wenn er zu ihr kam und sie streichelte. Sie war ein geduldiges und sanftmütiges hellbraunes Wesen und hatte eine etwas gedrungene Statur.

Der Junge gab sich seinen Gedanken hin und die Sehnsucht nach Freiheit wurde fast übermächtig. So reifte in ihm der Entschluss heran, dieses Mal wirklich wegzulaufen.

Berauscht von einem Gefühl der Macht und Selbstbestimmtheit öffnete er sacht die Tür seines Gemachs und schaute mutig auf den langen Gang davor. Der Junge befand sich im obersten der zwei Stockwerke des so genannten Palais, dem größten und neuesten Gebäude des Castles.

Er hatte einen langen Gang und eine gewundene Treppe vor sich bis zur großen Eingangshalle, seinem Weg in die Freiheit. Es war zum Glück gerade die Zeit der Mittagsruhe und Maiga würde schlafen - so hoffte er.

Er schlich also los. Wie ein Geist versuchte der Junge leichtfüßig an den zu dieser Stunde glücklicherweise wenigen umher gehenden Bediensteten vorbeizukommen. Viele Schweißtropfen und unzählige Augenblicke angehaltenen Atems später erreichte er die massige eisenbeschlagene Eingangstür und öffnete sie so leise wie möglich. Euphorisch stellte er fest, dass sich vor dem Gebäude niemand aufhielt, sein Herz pochte bis in die Schläfen. Vorsichtig trat der Junge ein paar Schritte heraus und drehte sich um.

Der Palais hinter ihm bestand aus vier Flügeln und der Junge bemerkte zum ersten Mal, dass an manchen Stellen etwas hellere Steine verbaut waren, als ob sie nachträglich eingefügt worden wären. Gemeinsam mit der ihm so verhassten Kapelle, aus deren Fassade auch eine Menge hellere Steine hervor blitzten, umrandete es einen großen rechteckigen Innenhof mit Brunnen und einer gigantischen Eiche in der Mitte. Der Junge schaute sehnsüchtig zu diesem Baum mit den riesigen, weit ausladenden Ästen und dem dicken gefurchten Stamm. Seine Großmutter hatte ihm erzählt, dass der Baum von seinem Ururgroßvater im Jahre 1586 gepflanzt worden war. In diesem Jahr konnte der fünfjährige Bau des Palais beendet werden. Die Eiche trotzte dem kargen Boden, gedieh prächtig und war nun genau einhundert Jahre alt.

Seine Großmutter erzählte außerdem, dass die Ururgroßmutter des Jungen unbedingt ein neues, vor allem größeres und eleganteres Wohnhaus bauen lassen wollte. Sein Ururgroßvater aber war dagegen gewesen. Er verstand den Sinn hinter solch einem Bau nicht, denn ihm genügte das alte Tower House, in dem bereits viele seiner ehrwürdigen Vorfahren gewohnt hatten. Aber schließlich konnte er sich nicht gegen den Willen seiner Gemahlin durchsetzen. Diese bekam am Ende doch meistens das, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte. Und dieses Mal war es sogar ein ganzes Haus. Der Palais sah mit seinen verzierten Fenstereinrahmungen, den Türmchen und der Galerie im Obergeschoss sehr hübsch aus, fand der Junge.

Er schaute zurück. Über die Dächer seines Wohngebäudes hinweg erblickte er das Tower House, den eigentlichen Bergfried des Castles. Es war das höchste Gebäude der Burg. Für den Jungen sah es aus wie ein riesiger Turm, in dem man wohnen konnte. Das Tower House hatte drei Stockwerke, die durch enge Wendeltreppen miteinander verbunden waren. Er bemerkte zum ersten Mal, dass auch hier offenbar nachträglich gebaut worden war und wunderte sich, warum er das nicht schon früher bemerkt hatte.

Der Junge kannte alle Kammern des Tower Houses und sogar den großen Keller mit den uralten Steingewölben. Sein Freund Angus, der alte Verwalter des Castles, wohnte im untersten Stockwerk und hatte ihm alles gezeigt. Viele Kammern waren verstaubt und mit alten Möbeln und allerlei Gerümpel vollgestellt. Außer Angus wohnten auch noch andere Bedienstete darin, zum Beispiel Kevin, der Gärtner, der den kleinen Gemüsegarten der Burg bewirtschaftete.

Der Junge machte sich vorsichtig auf den Weg und schlich auf Zehenspitzen voran. Als er den Hof verlassen hatte, kam er zuerst an einem Haus rechts von ihm vorbei. Man nannte es Waterton`s Lodging und es war eigentlich für den Sohn des Lairds und seine Braut gedacht. Also würde er selbst eines Tages darin wohnen, bis er der Laird des Castles sein würde. Zurzeit wohnte seine Großmutter Kendra dort. Das neben dem Palais klein wirkende Haus beinhaltete einige private Gemächer sowie eine große Halle und einen Zugang zum Haupthaus.

Hinter seinem zukünftigen Wohnhaus eröffnete sich rechts von dem Jungen ein großer freier Platz, der Bowling Green. Hier wurden die seltenen Feste der Familie McCunham gefeiert. Links von diesem befand sich die Mauer des Kirchhofes, in dem die Toten der Familie McCunham begraben wurden. Sein Vater hatte einmal mit ihm die Gräber besucht und versucht, ihm seine Ahnen zu erklären. Doch der Junge erinnerte sich nur mühsam an deren Namen.

Er ging weiter, kletterte auf eine kleine Anhöhe mit Mauer und hatte plötzlich einen atemberaubenden Ausblick auf das scheinbar endlose Meer. Der kalte Wind blies ihm einen Hauch von Freiheit um die Nase, denn Dunnottar Castle2 war keine gewöhnliche Burg. Sie lag schwindelerregende 160 Fuß 3über dem Meer und wurde von steilen Sandsteinklippen begrenzt. An diesen imposanten hellroten Felswänden brachen sich schäumend die Wellen der rauen Nordsee.

Die elf Gebäude des Castles befanden sich auf einem kleinen, annähernd runden Hochplateau, welches von struppigem, kurzem Gras überwachsen war. Nur ein schmaler Pfad verband die Landzunge Dunnottar mit dem Festland. Wenn man von diesem aus die Burg betreten wollte, musste man durch das massive, stark befestigte Torhaus gehen, welches vor langer Zeit in einem Felsspalt errichtet worden war.

Aber es gab noch einen zweiten Zugang zum Castle: auf der Nordseite der Klippen befand sich eine vom Meer geschaffene Höhle, von der ein äußerst steiler Pfad zu dem ebenfalls gut befestigten Hintereingang führte. Der Junge war diesen eindrucksvollen Weg ein paar Mal gemeinsam mit seinem Vater gegangen, wenn sie im Meer gefischt hatten. Er wunderte sich jedes Mal erneut, wie viele in Stein gehauene Stufen er hinaufsteigen musste, um vom Meer endlich bis zum Hintereingang zu gelangen. Mehrmals nahm er sich vor, sie zu zählen, aber immer musste er knapp nach der Hälfte aufgeben, weil er zu sehr mit dem Atmen beschäftigt war oder ihm die Zahlen ausgegangen waren.

Bei solchen Ausflügen zum Meer erzählte sein Vater stolz von den einstigen Erbauern von Dunnottar Castle. Sie hatten, wie er sagte, diesen Platz für die Burganlage gewählt, da die Lage strategisch günstig war und sie somit die nordschottischen Schifffahrtsrouten sowie auch ein langes Stück der Küste mit ihren endlosen Hügeln kontrollieren konnten. Die imposante Festung galt lange als uneinnehmbar. Sie benötigte nicht einmal eine Festungsmauer. Der Junge kannte zwar die Bedeutung des Wortes „strategisch“ nicht, aber er genoss die Erzählungen seines Vaters und die kostbaren Stunden mit ihm allein sehr.

Obwohl der edle Laird von Dunnottar Castle ein strenger und eigenbrötlerischer Mann war, mochte ihn sein Sohn aufgrund seiner ruhigen und manchmal durchaus humorvollen Art. Auf jeden Fall war ihm seine Gesellschaft lieber als die seiner Mutter, die ihn immer noch wie einen kleinen Jungen behandelte.

Am liebsten aber mochte er seine Großmutter. Sie war immer freundlich zu ihm und erzählte ihrem Enkel viele spannende Geschichten über seine Vorfahren und oft auch schottische Sagen. Und, da sie des Lesens fähig war, las sie ihm auch aus dem Geschichtenbuch vor.

Nach diesem kurzen Ausblick über das Meer machte sich der Junge auf den Weg zu seinem eigentlichen Ziel: den Stallungen des Castles. Das langgezogene Gebäude, neben dem sich noch die Schmiede und ein Lagerhaus befanden, lag direkt an den Klippen. Je näher er kam, desto intensiver wurde der Geruch von frischem Heu, Mist und Pferden. Der Junge lauschte dem vertrauten Schnauben.

Mit den elf Tieren war der Stall voll. Fünf davon dienten als Transportponys, die so genannten Garrons. Da der schmale Pfad zur Burg mit ungefähr zweihundert Stufen versehen war, konnte keine Kutsche in den Burghof hineinfahren. Es wurde alles von den robusten und besonders trittsicheren Ponys getragen.

Der Junge hatte die Boxen immer wieder gezählt und die Namen der Pferde aufgesagt: die weiße Murron, die stattliche Rodin, der rotbraune Reed und wie sie alle hießen. Er liebte diese stolzen Tiere. Nur sehr selten ging Maiga mit ihm zu den Stallungen, wenn er unerbittlich darum gebettelt hatte. Es sei zu dreckig für einen kleinen Laird hatte sie immer wieder betont. Manchmal durfte er auch mit seinem Vater hierherkommen und schaute Tevin, dem Stallmeister, bei der Arbeit zu, während sein Vater sich für einen Jagdausflug fertig machte. Der Junge sehnte die Zeit herbei, in der auch er das Reiten erlernen durfte. Oft hatte er seine Eltern gefragt, wann es denn soweit sei, aber seine Mutter vertröstete ihn immer wieder und meinte, es wäre zu gefährlich. Wie er diese übertriebene Fürsorge hasste!

Obwohl er sich nur wenig körperlich betätigte, hatte der Junge eine hohe, kräftige Statur und wirkte älter als seine Altersgenossen. Er fragte sich, warum er nicht endlich auf einem Pferd durch das Gelände reiten durfte. Verärgert aufgrund dieser Gemeinheit trat er zu Vika, die ihn mit sanftem Blick aus ihren wunderschönen, dunkelbraunen Augen mit den langen Wimpern ansah. Er streichelte gerade ihren weichen, hellbraunen Hals, als er plötzlich einen Jungen hinter sich bemerkte. Dieser blickte ihn aufmerksam an.

Bis ins Mark erschrocken zuckte der Sohn des Lairds unwillkürlich zusammen. Das amüsierte den anderen offensichtlich.

„Na, hast du dich verlaufen?“, fragte der andere Junge, der ungefähr im gleichen Alter war.

Der Sohn des Lairds hatte ihn schon oft beobachtet und schnell für ihn Sympathie empfunden. Mit seinen etwas längeren blonden Haaren und der wettergegerbten Haut wirkte er verwegen und frei. Er hatte halb lange einfache Hosen und keine Schuhe an. Um seinen Hals trug er ein Lederband, welches unter seinem groben Leinenhemd verschwand.

„Ich heiße Arthur und du bist Sean, stimmt`s?“, fragte der andere Junge.

Der Sohn des Lairds benötigte eine Weile, bis er antworten konnte. Er war es nicht gewöhnt, mit anderen Kindern zu sprechen und spürte eine große Unsicherheit in sich. Doch die Erscheinung seines Gegenübers zog ihn in den Bann.

„Ich bin Sean McCunham“, sprach er dann stolz. Seinen zweiten Vornamen Afton verschwieg er, weil er sich für diesen schämte. Sein Vater hieß genauso und dessen Vater vor ihm und so weiter, aber Sean fand den Namen einfach schrecklich. „Ich bin der Sohn des Lairds von Dunnottar Castle.“

Scheinbar unbeeindruckt nickte Arthur. „Dass du der Sohn des Lairds bist, weiß ich schon. Meine Mutter erzählt manchmal von dir. Aber sonst hast du immer diese komische alte Frau dabei und darfst nicht mit uns sprechen.“

„Das ist Maiga, sie folgt mir fast überall hin“, sagte Sean niedergeschlagen. „Heute hatte ich das erste Mal Glück und den Mut, so dass ich mich fortschleichen konnte. Ich muss dann auch zurück, bevor sie bemerkt, dass ich weg bin.“

Und schon rannte er davon.

„Sehen wir uns mal wieder?“, rief ihm Arthur hinterher. Komischerweise gefiel ihm der junge Laird, aber er tat ihm auch etwas leid. Die seltsame Kleidung, die der Junge anhatte, ließ ihn schmunzeln. Warum musste er im Sommer lange Hosen und ein Hemd mit einer karierten Weste darüber tragen? Auch Schuhe in der warmen Jahreszeit waren ihm fremd. Die Kinder der Angestellten trugen nur im Winter einfache Holzschuhe. Seans Vater war kein großzügiger Laird und so bekamen seine Bediensteten nur das Nötigste.

Sean rannte so schnell er konnte nach Hause, völlig verwirrt aufgrund der unerwarteten Begegnung. Zum Glück hatte niemand das Fehlen des kleinen Ausreißers bemerkt, bevor dieser wieder in sein Schlafgemach schlüpfte. Der wagemutige Ausflug blieb ohne negative Konsequenzen für Sean. Er dachte euphorisch an den Jungen im Stall.

Ob ich ihn bald wiedersehen werde? Und warum kennt mich seine Mutter?

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