Kitabı oxu: «Tales of Beatnik Glory, Band II, (Deutsche Edition)», səhifə 3

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Nach Einbruch der Dunkelheit kam er zurück aus Birmingham und versteckte seine Umhängetasche, die mit Taschenlampe, Pistole, Dynamit, Draht, Sprengkapseln, Feldflasche, Handschuhen, Proviant und einigen Aufputschpillen vollgepackt war. Er fuhr den Wagen zurück in die Stadt und marschierte dann die acht Meilen bis zu der Scheune.

Während des frühen Morgens stellte er fest, dass der Hund keine große Bedrohung darstellte. Er bellte ständig, und es gab genügend Stinktiere und Beutelratten, um ihn zu verwirren.

Außerdem hatte Talbot seine Waffe, und er war bereit, sich mit dem Mann zu schießen.

Kurz vor Morgengrauen ging das Küchenlicht aus. Slage kam auf die Veranda und rief nach dem Hund. Er löste die Kette und ging mit ihm auf die Scheune zu. Er hatte eine Art Stock bei sich, in dem Talbot ganz richtig eine Büchse vermutete.

Talbot folgte ihm in der Düsterheit mit dem Feldstecher. Slage band den Hund am Aborthäuschen an, griff nach unten, zog etwas Papier unter der Plane hervor und ging dann hinein. Er machte den Hund wieder los, als er aus dem Abort kam, und ging hinunter zur Scheune, wo er aus Talbots Blickfeld verschwand. Fünf Minuten später kam er durch die rückwärtige Tür in den Schweinekoben, diesmal mit einer Schubkarre, in der etwas aufgehäuft war. Die Schweine waren inzwischen aufgewacht und wackelten drängelnd und schiebend auf die Schubkarre zu; noch ehe er die Ladung in den Trog kippen konnte, rüsselten sie quiekend danach. Talbot machte fünf Fahrten mit der Karre.

Er ging wieder zurück zum Haus, kettete den Hund an, dann fuhr er weg.

Talbot setzte alles auf eine Karte und stürzte den Hügel hinab auf die Scheune zu, um sich umzusehen. Vom Haus aus nicht zu sehen, setzte er über den Zaun und schlüpfte durch die Schweinetür, hinter der er zu seinem Erstaunen auf eine tiefe Betongrube von etwa drei Meter Breite stieß, die mit einer Tonne kleinem, noch in Papier gewickeltem Gebäck gefüllt war — Moon Pies, Twinkies, Snow Balls, Jelly Rolls, Napfkuchen mit Schokoguss und Pekantörtchen.

Talbot vermutete, dass Slage sie bei Geschäften und Bäckereien aufkaufte, nachdem das Ablaufdatum überschritten war. Dem Geschmatze und Gegrunze der Schweine nach zu urteilen, schmeckte ihnen das Zeug, und Slage konnte zu Weihnachten mit seinen besonders süßen Schinken prahlen. Die Kühe weideten weit genug weg von der Scheune, sodass sie bei der Explosion wahrscheinlich nichts abbekamen, aber womöglich würden einige der Schweine dran glauben müssen. Er machte sich Gedanken darüber, ob den Schweinen wohl etwas passierte oder den Schwalben, die sich in der Dunkelheit über die rauchenden Trümmer des Schuppens verirrten.

Talbot markierte die Stelle, wo er die Ladung anbringen wollte, dann ging er wieder hinauf in die Scheune und schlief den ganzen Vormittag hindurch und bis in den frühen Nachmittag. Nach Mitternacht dann trug er die in Paraffinpapier gewickelten Dynamitstangen den Hügel hinab, stach ein Loch für die elektrische Sprengkapsel in eine davon, wickelte die Stangen mit Klebeband zusammen und versteckte sie unter dem Riesenhaufen von süßem Gebäck. Er tarnte den isolierten Draht mit Stroh und führte ihn den Hügel hinauf bis zu der Zündmaschine in der Scheune.

Dann wartete er.

Bis zur Dämmerung war es noch eine Stunde, als den Hügel herauf scharfe Laute an sein Ohr zu dringen begannen, so schwach, dass sie kaum zu hören waren. Zuerst hielt Talbot sie für das Knistern eines Lagerfeuers. Er wandte langsam den Kopf, mit jedem Ruck einige Grade, um die Richtung auszumachen. Vorsichtig stand er auf und starrte durch die letzten Scherben eines zerbrochenen Scheunenfensters hinaus. Es kam vom Schuppen. Knister. Knister. Knister.

Er hatte keine Schritte gehört. Der Hund hatte nicht gebellt. Die Küchenfenster waren dunkel. Die Laute ließen nicht nach.

Sollte er sprengen? Seine Hand zitterte; eine Hand über dem Glas der Taschenlampe, tastete er mit der anderen nach dem Kolben. Er war unschlüssig. Er zögerte.

Talbot ging den Hügel hinab, um durch die Ritzen in den grauen Brettern zu spähen. Drinnen sah er, im Schein einer Laterne, den flachsköpfigen Jungen neben dem Haufen weichen Gebäcks — fast direkt über dem Bündel Dynamit.

Er packte die kleinen Napfkuchen aus, warf die Papierhüllen in ein Fass und das Gebäck in die Grube. Talbot drückte ein Auge gegen den Schlitz im dunklen, trockenen Holz der Scheune, als der Junge eine Moon Pie probierte, ein rundes gelbes Konfekt mit einer weißen Cremefüllung. Der Junge spuckte den Bissen in die Kuhle mit dem Rest des klebrigen Zeugs.

Talbot öffnete den Riegel an der Tür und trat ein. Die Augen des Jungen wurden groß vor Angst, als er vor sich etwas sah, von dem man ihm zeitlebens beigebracht hatte, es käme unter allen Gefahren der Schöpfung gleich nach dem Teufel — ein großer, muskulöser Schwarzer mit einer Waffe. Talbot legte den Finger an die Lippen — schhhh! »Nicht schreien. Dir passiert nichts. Ich will nur eines — dass du mir deinen Namen sagst.«

»Johnny Ray Slage.«

Talbot sprach langsam und eindringlich. »Ich möchte nicht, dass zu zum Klan gehst, wenn du groß wirst. Hörst du? Du musst dieses Gift loswerden. Ich werde dir dabei helfen. Ich werde dir Sachen schicken, mit der Post. Wie ist denn eure Adresse hier? Habt ihr eine Hausnummer?«

Der Junge sagte sie ihm.

»Du brauchst einen Lehrer. Und ich werde das übernehmen.« Talbot grub in dem Kuchenhaufen und zwickte die Drähte ab, die zum Dynamit führten. Mit behandschuhten Fingern holte er das Bündel heraus, zog die Sprengkapsel ab, verabschiedete sich und lief dann im Trab über den Hof und dann den Hügel hinauf. Er fragte sich, ob Johnny Ray wohl nach seinem Paps schreien würde. Es blieb still.

Er blieb stehen und blickte zurück auf das Haus. Nichts rührte sich. Er reagierte ganz instinktiv. Er änderte die Richtung und stürzte auf das Haus zu, sprang über den Zaun, wich den Reifenstapeln und Farmwerkzeugen aus wie ein Querfeldeinläufer; sein kaputtes Knie erinnerte ihn daran, dass Slage es ihm auf einem Busbahnhof mit einem Rohr zerschlagen hatte. Er lief auf den Abort zu, wo er die Plane wegzog und sich eine Handvoll der Flugblätter mit den Hassparolen schnappte, die er zu Hause an der Lower East Side Sam Thomas geben wollte.

Dann ging es wieder zurück zu der Scheune im Wald, wo er sicher war. Im Schein der Taschenlampe überquerte Talbot den bewaldeten Grat und kletterte dann ein trockenes Bachbett hinab ins nächste Tal, wo er den Sprengstoff und die Waffe so vergrub, dass er sie später wiederfinden würde, falls ihm danach war.

Er stieg abermals hinauf auf den Grat des Hügels und folgte ihm zirka eine Meile, bis er den Laubwald Alabamas mit einem scharfen Schwenk hinter sich ließ und neben der Straße nach Birmingham lief.

A LS LEBE MAN MIT EINEM MONGOLEN

Bei schönem Wetter trafen sie sich jeden Vormittag gegen zehn zum Erfahrungsaustausch, ein Kern von sechs jungen Müttern, der an manchen Tagen auf zehn oder zwölf anwuchs, ihren Nachwuchs im Kinderwagen oder auch an der Hand. Die älteren Kinder spielten im Sandkasten oder turnten an Kletterringen gleich in der Nähe, während sich die Mütter unterhielten.

Schauplatz dieser Zusammenkünfte war der Tompkins Square Park, benannt nach Gouverneur Daniel Tompkins, der 1827 den Kampf gegen die Sklaverei im Staat New York angeführt hatte. Begrenzt wird der Park von den Avenues A und B im Westen und im Osten und von der Zehnten und der Siebten Straße im Norden und im Süden. Ein massiver schwarzer Schmiedeeisenzaun mit Eingängen an einigen der Straßenmündungen verleiht ihm eine gewisse Intimität. Auf der Seite der Avenue B in der Nähe der Neunten Straße gab es damals ein Fleckchen, so abgelegen, wie es eine solche Anlage nur zulässt, ohne dass man von den Bänken, auf denen sie die Köpfe zusammensteckten, den Blick auf den Spielplatz verlor.

Die Mehrheit der Frauen waren Schriftstellerinnen oder Künstlerinnen und eine wie die andere lebten sie mit Schriftstellern, Malern oder Musikern. Einige hatten ihre eigene Kunst auf Eis gelegt aus Rücksicht auf den Neid und die mangelnde Selbstsicherheit ihrer Partner. Nicht alle Frauen verfügten über dasselbe Maß an Energie, aber im Großen und Ganzen war eine wie die andere quicklebendig, idealistisch und voller Schwung. Der Slum hatte sie noch nicht aufgerieben und sie waren bereit, die Regeln zu lernen und falls nötig einige neue aufzustellen. Die meisten waren in der Tradition der Nachkriegsvierziger und der Fünfziger McCarthys erzogen und rebellierten dagegen, weigerten sich mit anderen Worten, farblos, blond und blind zu sein. Es war nicht einfach, in den Wirren sich jagender Veränderungen wirklich stimmig die Probleme der Befreiung zu formulieren, die erst fünf Jahre später voll und ganz erläutert waren. Aber sie hatten eine Nase dafür.

Die Ehen und Beziehungen dieser Frauen gingen regelmäßig in die Brüche, wenn auch wahrscheinlich nicht öfter als unter den Spießern, nur womöglich etwas lebhafter, da ihre Persönlichkeiten darauf programmiert waren, sich mit dem homo erectus beatnicus zu paaren. Ihre Ehegatten oder Liebhaber hielten es nämlich mit einer berauschenden Tradition: der Lebensweise nebst dem Wahnsinn von Schriftstellern und Künstlern wie Charlie Parker, Hemingway, Fitzgerald, Baudelaire, Nerval, Kerouac, Jackson Pollock, Modigliani, Hart Crane, Vachel Lindsay, Van Gogh ... Es gab da einen Berg von Irrsinn, und der wollte bestiegen sein!

Infolgedessen neigte ein gut Teil dieser Männer zur Egomanie, mit anderen Worten: zu Rücksichtslosigkeit, Obsessionen und Drogenmissbrauch; sie waren manisch-depressiv, despotisch, anmaßend und maßlos erotisiert, auf der anderen Seite jedoch unentschlossen und ohne Selbstvertrauen. Die meisten der Frauen im Park liebten ihre Kerle über alles, aber so schwache Menschen mit derartigen Fehlern zu lieben war alles andere als einfach, wo sie selbst schwach und fehlerhaft und beide Seiten in Verwirrung, Armut und widersprüchlichen Trieben gefangen waren. Einige der Frauen waren dem Abenteuer nicht abgeneigt, und als ihre Partner fremdgegangen waren, so erzählten sie den anderen, hatten sie es selbst versucht. Einige fanden Gefallen daran, andere nicht, wieder andere wussten nicht so recht.

Sie hatten nicht eigentlich einen Namen für ihre Gruppe, abgesehen von einem, der als Scherz zustande gekommen war. Marie Colson hatte von einem Streich erzählt, den ihr Gatte sich jüngst geleistet hatte, und mittendrin ausgerufen: »Es ist, als lebe man mit einem Mongolen!«

Als lebe man mit einem Mongolen — lachend schlug man sich auf die Schenkel. Von dem Tag an waren sie der Mongolenausschuss. Selbstredend, dass sich die Bemerkung auf die Mongolen des Dreizehnten Jahrhunderts bezog und nicht etwa auf die guten Leute der modernen Volksrepublik. Maries Gatte wurde der Archetyp. So stammte etwa die Technik des Mongolen beim Abwasch geradewegs aus dem Pleistozän. Spülmittel und Topfkratzer meidend, ging er mit den Fingernägeln zu Werke, kratzte und stocherte auf Spaghettihöcker in Töpfen ein wie ein Opossum, das sich durch eine Tür zu nagen versucht. Natürlich hatte diese Technik für ihn einen spirituellen Hintergrund; enthüllt hatte sie ihm — wie ein Zen-Koan — ein Typ, der als Beatnik-Tony bekannt war. Sie half dem Mongolen, die Oleophobie oder Angst vor dem haptischen Kontakt mit Speiseresten und öligen Oberflächen zu überwinden, die er aus dem Mittelwesten mitgebracht hatte.

Der Mongole war ein archetypisches Ferkel. Seine Genitalien waren buchstäblich schmierig und grau. Seine Seite des Betts glich einem Krähennest: Büroklammern, getrocknete Pasta, Fusseln, beschriebene Zettel (und auch schon mal beschriebene Laken), Kaffeeflecken, Samenflecken, Haschkrümel, Magazine, lose Heftklammern (gefürchtet, weil Marie sich daran ständig schnitt) und weiß der Teufel was sonst. Die Vorstellung des Mongolen vom Bettenmachen beschränkte sich darauf, eine Madrasdecke über das eben geschilderte Chaos zu werfen und dann schleunigst von dannen zu ziehen. Marie versuchte es ihm beizubringen, aber das Ergebnis war ausnahmslos ein klumpiges Faltenterrain, das arg nach Marcel Duchamps dadaistischer Fotomontage Dust Breeding aussah.

Der Mongolenausschuss taugte, wenn schon sonst zu nicht sonderlich viel, immerhin dazu, seinen Mitgliedern Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch zu geben. So konnten sie zum Beispiel die Ausreden ihrer Partner vergleichen, wenn sie wieder mal nicht nach Hause gekommen waren, und feststellen, dass sie alle gleich waren:

1. überfallen und bewusstlos auf der Straße liegen gelassen,

2. bei Nelson nach einem irrsinnigen Roten Libanesen aus den Latschen gekippt,

3. verhaftet und durfte nicht raustelefonieren,

4. auf Past Blasts Party nach einem Yohimbin-Meskalin-Magic-Mushroom-Tequila-Punsch umgekippt — kein Telefon.

Der Mongolenausschuss kannte sie alle in- und auswendig.

Ihre Stärke kam aus der Fähigkeit zu teilen, schließlich hatten sie von offizieller Seite praktisch keine Unterstützung: keine Tagesstätten, kein Mietzuschuss, keinerlei Kommunaleinrichtungen seitens der Stadt. Die East Side hätte ein Sozialzentrum vertragen, das mit den Sitten und Gebräuchen der Beat-Ära vertraut war. Es gab zwar eine Klinik, oder jedenfalls nannte sie sich so, aber selbst die war ein gutes Stück zu Fuß, und dann gab es natürlich die Wohlfahrt, die aber schon in jenen Tagen – so wie heute — Familien eher zerstörte, als dass sie ihnen half. Also trafen sie sich vormittags, tauschten sich über ihre Probleme aus, die Krankheiten ihrer Kinder, die kleinen Schwächen ihrer Partner, die kleinen Schwächen der Zeit. Einige zögerten anfangs, die Details ihres Privatlebens schonungslos offen zu legen, vor allem, wenn es unappetitlich zu werden begann.

Ihre erste Entscheidung als Gruppe bestand darin, bei sich zu Hause ein totales Verbot von Gewalt und deren Androhung anzustreben. Dies führte zu beträchtlicher Verlegenheit, ja zu Animositäten seitens der Männer — es kam zu Ausrufen wie: »Wer, ich? Was redest du denn? So was mach ich doch nicht! Na das eine Mal, da hast du mich provoziert.« Und zu weiteren Feindseligkeiten kam es, als sie einige Frauen vor Ehemännern versteckten, denen öfter mal die Hand ausrutschte und die dann drohend oder wimmernd die Wohnungen abklapperten, in denen man ihren Frauen Schutz gewährt haben konnte.

Der Ausschuss organisierte Streiks gegen besonders schleimige Vermieter, wie etwa gegen den berüchtigten Slumlord Two Car Louis, der in einer Rostlaube in die Lower East Side fuhr, um die Miete zu kassieren, nachdem er seinen Cadillac an der 59th-Street-Bridge geparkt hatte, und dessen Häuser nur deshalb nicht als Hütten zu bezeichnen waren, weil die Bauherren zweihundert Jahre zuvor Mörtel und Steine benutzt hatten anstatt Holz.

Sie gaben ihren Kindern Namen, die in der Beat-Generation Tradition hatten, wie Nathaniel, Sebastian, Katherine, Django, und einige mit afrikanischen Wurzeln wie Damjeela und Onghi. Zu den Flowerpower-Namen waren es noch einige Jahre hin. Noch hörte man nirgendwo: »Sequoia! Bringst du mal deine Batikfarben her?«, oder: »Mondfuchs, wir bewerfen Mountain aber nicht mit Sand, ja?« Es gab allerdings ein paar Kinder von Protohippies rund um den Sandkasten, die hießen Rainbow und Bountiful, und ein charmanter kleiner Junge namens Mulligan hörte gar auf den Vornamen On the Road.

Die meisten der Frauen arbeiteten nicht, und selbst wenn sie sich Babysitter hätten leisten können, sahen ihre verklemmten Gatten sie in der Regel lieber in ihrer alternativen Küche. Derlei ökonomische Arrangements funktionierten, weil die Ausgaben fürs tägliche Leben so verlockend gering waren — man konnte sich einige Wochen in ein kreatives Projekt stürzen, dann ein paar Tage auftauchen, um Geld für Miete und Stadtwerke zusammenzukratzen, und wenn man die beisammenhatte, stürzte man sich wieder in seine Kunst.

Erst wenn es zum gesundheitlichen Krisenfall kam oder Telefon und Strom abgestellt wurden und aus der Schüssel fürs Nudel- oder Kerzengeld keine Münzen mehr hervorkommen wollten, krachte der geballte Terror des New Yorker Lebens wie Hesiods Amboss in Ehe, Leben und Kunst — und der Ausschuss trat in Aktion. Man ging ans Eingemachte, brach Ersparnisse für Geburtstage und Weihnachten an und teilte sie mit den anderen. Man gab die eine oder andere Telefonnummer weiter, die rasch problemlose Kohle für den Notfall garantierte, sei es durch Modellstehen für Künstlerklassen am Cooper Union College oder der Universität von New York, durch Kellnern im Village oder im House of Nothingness oder eine Fülle anderer Möglichkeiten im Lichterdschungel von uptown New York.

Die Zeit ging ins Land, und das Leben derer, die sich vormittags im Park versammelten, war zwar nicht weniger chaotisch, aber glücklicher als zuvor. Die Autorinnen unter ihnen hatten angefangen, ein hektografiertes Magazin herauszugeben, und die Malerinnen teilten sich die Kosten für Modelle und gemeinsames Babysitting.

Zur Feier seines zweiten Jahrestags veranstaltete der Ausschuss ein Picknick am Sandkasten mit Essen und Wein, und eine von ihnen brachte sogar ein paar Speed-Pillen mit für alle, denen danach war, und reichte sie in Schokoladenpapier herum. Mehr als ein Dutzend Frauen kam, darunter auch ehemalige, die von der Lower East Side weggezogen waren. Es war ein schöner Vormittag, und Kinder wie Mütter hatten sich in Schale geworfen — Beatnik-Schick. Jenes flüchtige Phantom namens Glück hielt tanzend Einzug im Park.

Und die Moresca tanzte das Phantom, als Carol Mulligan mit ihrem Sohn On the Road kam. Carol war die Erste und Einzige von ihnen gewesen, die buchstäblich ausgeflippt war. Und jetzt war sie wieder da! Sie hatte etwas zugenommen, was nur gut war, so beängstigend mager, wie sie während ihrer schlimmen Zeit gewesen war.

Ihr Mann Bart war ein »apokalyptischer Bop-Prosa-Spontaneitäts-Avatar«, mit anderen Worten ein Romancier und Dichter, der in der postkerouacschen Tradition schrieb: so schnell und so viel wie möglich, nach der Maxime: Der erste Gedanke ist auch der beste. Bart hatte einige Zeit davor eine Lyrikertagung in Kalifornien besucht und war mit einer Frau namens Ocea the Other — oder schlicht Other — zurückgekehrt. Ocea the Other hatte einige Jahre eifrig Karriere an der Lower East Side gemacht, bevor sie zurück nach Berkeley gegangen war, um ihren Doktor zu absolvieren. Sie war fest entschlossen, als Lyrikerin von der New York School akzeptiert zu werden, und so füllte sie — wie ein Mädchen, das erst mit dem Kopf nickt, bevor es beim Seilhüpfen ins Doppelseil springt — ihren Rucksack mit den richtigen, sprich: angesagten Büchern und machte sich, um mitspielen zu können, mit der ganzen Skala der Themen vertraut.

Familie Mulligan hatte vor dem Flug nach Kalifornien auf dem Drahtseil der Wohlfahrt getanzt. Als Bart zurückkam, bestand das Sozialamt darauf, dass er sich Arbeit suchte, egal welche, und obwohl er das Gelübde abgelegt hatte, »vom Wort zu leben«, als man ihnen die Leistungen zu streichen drohte, kapitulierte er dann doch und die Leute von der Wohlfahrt gaben ihm das Geld für einen Anzug sowie ein Hemd mit Button-down-Kragen nebst Schlips; damit sollte er in den Bürogebäuden uptown auf Jobsuche gehen.

Bart Mulligan fuhr mit dem Geld rüber an die West Side und fand einen waschechten Zoot Suit mit rasantem breitem Revers und ein Hemd mit Entenschwanzkragen, und darin stolzierte er mit Ocea the Other auf dem Kopfsteinpflaster der Lower East Side von Café zu Café — Mann, apokalyptische Pop-Prosa-Spontaneität, echt, Mann, ich meine, mit der nächsten Edna St. Vincent Millay durchs Viertel zu schlendern, Wahnsinn, Mann, irre, echt.

Bei Carol und On the Road ließ er sich immer seltener sehen, und noch seltener sahen sie Geld. Schließlich strich man ihnen die Sozialhilfe, und er versuchte letztendlich mit zwei Frauen zu leben, in zwei Wohnungen, ein Verhältnis so ärmlich wie das andere.

Carol Mulligans Philosophie war die der sofortigen Rache gewesen — Auge um Auge, Fick um Fick. Kaum hatte sie von einer seiner Eskapaden erfahren, hatte sie bei Stanleys oder im House of Nothingness einen Kerl aufgegabelt und ihn gebumst. Dieses Mal war es anders. Sie war am Boden zerstört. Carols Markenzeichen waren lange schwarze T-Shirts, die die Garben ihrer langen, glatten, hellblonden Haare besonders zur Geltung brachten. Ihre Wangen waren dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr gerötet, und ihre hellgrauen Augen schienen stets feucht; wenn sie aufgeregt war, flatterten ihre Lider. Zu Abend aß sie mit den Alkoholikern in der Suppenküche des Catholic Worker.

Obwohl der Mongolenausschuss half, wo immer es möglich war, musste Carol fast alles verkaufen; das ging so weit, dass sie zu ihrer Demütigung einen Karton voll Kram wie Besteck und Salzstreuer ins Treppenhaus stellte, in der Hoffnung, einer der anderer Mieter würde etwas kaufen.

Schließlich wurde es ihr einfach zu viel — ihre Augen hatten Ringe von fauvistischem Rot, und sie hatte sich in eine Art Stupor geweint. Eines Abends hatte Bart versprochen, Lebensmittel und Geld zu bringen, aber um Mitternacht war er noch immer nicht da. Das reichte. Carol Mulligan öffnete die Schranktür, ging in die Hocke, lehnte sich mit dem Rücken gegen die hintere Wand, seufzte zum Abschied leise und versank dann Zentimeter für Zentimeter in dem Chaos aus Sandalen, Schuhspannern, Büchern und Hukaschläuchen auf dem Schrankboden, das eines Duchamp würdig war. Dort blieb sie sitzen, bei geschlossener Tür, und On the Road brachte ihr einige Tage lang Brot und Wasser, bis Bart ganz zufällig die Schranktür öffnete und sie dasitzen sah.

Bart fand die Geschichte mit dem Schrank gar nicht komisch, ebenso wenig wie Ocea the Other. Carol hatte die Augen fest geschlossen und schien bewusstlos zu sein. Schließlich rief ihr Gatte in der Klapse an, und die schickten die Weißkittel los. Der Ausschuss setzte sich mit ihrer Familie in Idaho in Verbindung, und sie flog nach Hause. On the Road blieb bei Marie Colson.

Am Abend vor dem Picknick waren Carol und On the Road wieder vereint und jetzt hielten sie triumphierend auf dem Spielplatz Einmarsch, unter Applaus.

On the Road, das Gescheiteste der Kinder, hatte einen Arm voll Publikationen dabei — Der Niedergang der Ehe meiner Eltern, eine Novelle, die er geschrieben hatte und die einige wirklich gute Schilderungen von Ehestreitigkeiten unter Beatniks enthielt. Während seine Mama sich in Idaho ausgeruht hatte, ließ On the Road sich von Marie Colson mit dem Manuskript zum Peace Eye Bookstore bringen. Marie und ich tippten die Matrizen und zogen sie ab, die Zeichnung auf dem Cover klaute er aus einer Mappe seiner Mutter, und damit war On the Road im Alter von sechs Jahren gedruckt.

Er war ein ausgesprochen frühreifes Kind. Hätte man ihm gesagt: »Komm her, On The Road, jetzt lernen wir ein bisschen Akkadisch«, er hätte nach ein paar Tagen in feuchten Lehm mit einem Griffel in Keilschrift geschreieben.

Später brachte er sein Buch im Eighth Street Bookshop und im Gotham Book Mart an den Mann, und schließlich wurde On the Road geradezu eine Sensation. Die Village Voice brachte einen Artikel über das literarische Wunderkind, und es kamen Anfragen von Verlagen aus der uptown, sehr zum Verdruss und zur Besorgnis seines Vaters.

Während des Picknicks verkaufte On the Road das Buch an Passanten. Taktvoll warb er dafür: »Mein Papa ist bis ganz nach Kalifornien getrampt, und ich habe ein Buch darüber geschrieben! Nur fünfzig Cent!« In einer halben Stunde verkaufte er an die fünfundzwanzig Stück. On the Road würde es noch weit bringen.

Die Stimmung im Park näherte sich an jenem Vormittag einem »Unmaß an Frohsinn«, wie Samuel Pepys es ausgedrückt hat. Gedämpft wurde dieser Frohsinn jedoch durch die Ankunft von Marianne Bonfiglie, die sich die Nacht auf der Suche nach ihrem Freund Llaso um die Ohren geschlagen hatte, der sang- und klanglos verschwunden war und dabei ihren Fernseher, den Plattenspieler, Schmuck und Geld hatte mitgehen lassen, von ihrem heiß geliebten Büffelhaut-Tomtom ganz zu schweigen. Sie erzählte die Geschichte und meinte dann lachend: »Meine Mutter hat’s mir prophezeit.« Eine andere, angesäuselt von Aufputschpillen und Wein, sagte zu Marie, Marianne hätte sich das ja vielleicht selbst denken können, schließlich hieß Llasos bekannteste Gedichtfolge Ich bin ein Soziopath.

Am meisten ärgerte Marianne der Verlust ihrer Trommel, da sie in einer merkwürdigen Personalunion Dichterin, Schauspielerin und Trommlerin war. Schlagzeugerinnen waren in der ersten Hälfte der Sechziger eher dünn gesät — Marianne Bonfiglie wurde später bekannt, als sie bei Velvet Underground vorspielte und beinahe genommen wurde. Die Miete verdiente sie sich mit Nacktfilmen. Manchmal stand sie mit Llaso in den Skizzensitzungen des Mongolenausschusses Modell. Die beiden hatten passende Muttermale, seines auf dem Penis, ihres über der rechten Brust. Während der heißen Monate ihrer gemeinsamen Zeit hatten sie in ihnen Vermählungszeichen gesehen.

Marianne verließ die Party schließlich, um ihre Suche fortzusetzen, und einige Augenblicke später kam On the Road Mulligan angelaufen und berichtete, er habe Llaso beim Entladen eines Taxis gesehen; er schleppe allen möglichen Kram in den Laden von Fence Lady an der Ecke Tenth und B. Fence Lady hatte einen jener Läden für Antiquitäten, Schmuck und Haushaltskram, wo Junkies geklautes Zeug verhökern konnten. Sie nahm auch Bestellungen entgegen. So konnte man zum Beispiel eine IBM-Schreibmaschine ordern, und Llaso oder Andrew Kliver brachen dann in der Universität oder irgendeinem Büro ein, um eine zu klauen. Berühmt war der Duft des Ladens: Fence Lady rauchte Asthmazigaretten auf Belladonnabasis um den Geruch des Grases zu kaschieren, das die Jungs aus der Nachbarschaft manchmal bei ihr durchzogen.

Eine der Frauen blieb bei den Kindern, und die anderen elf liefen aus dem Park, um Llaso zu stellen. Der trug den Aufzug, in dem er seine offiziellen Geschäfte tätigte: ein großes Silberkreuz an einem Band und eine Art Klerikerkragen, enge schwarze Levi’s, die eine Handbreit zu kurz waren, um seine auf Hochglanz polierten schmalen, spitzen Stiefel zur Geltung zu bringen, dazu ein schwarzes Jackett, das man ihm in der Bowery geschenkt hatte. Llaso war hochgewachsen und hatte ein schmales Gesicht mit finnugrischen Augen, die durch die Flaschenböden seiner Brille vergrößert waren. Er war auf dem Sprung nach England, um dort ganz legal Junkie zu werden.

Llaso war eher der heimliche Junkie, ganz im Gegensatz zu seinem Freund Andrew Kliver, der sich einmal mitten in einer Vernissage einen Schuss gesetzt hatte. Llaso war auf der einen Seite stolz auf seine Sucht, auf der anderen schämte er sich. Manchmal gab er bekannt, er sei seinen Affen wieder los, aber das war reiner Schnee. Zuweilen schrieb er Gedichte, die Heroin als Boten des Pazifismus priesen. England hin oder her, Llaso sollte sich bald eine Nadelhepatitis einfangen, die ihn zwanzig Jahre später an Leberkrebs sterben ließ.

In seinen Notizbüchern fand sich ab und zu ein Gedicht über die Angst vor seiner Grausamkeit gegenüber seinen Frauen, und als seine Flaschenbodenaugen die Schar aus dem Mongolenausschuss erblickten, stellte er sich, Mariannes Fernseher in der Hand, zitternd den Frauen. Fence Lady peilte die Lage und verschloss die Tür.

Die Frauen umzingelten ihn. On the Road erkannte eine gute Geschichte, wenn er eine sah; er schlug seinen Notizblock auf und schrieb rasend drauflos. »Schnappt euch seine Taschen!«, schrie Carol Mulligan. Jemand langte ins Taxi und holte die Umhängetasche heraus, in der sich sein Pass befand. Währenddessen trat der Autor des Gedichtzyklus Ich bin ein Soziopath mit einem schwarzen Stiefel gegen das Schutzgitter an Fence Ladys Tür; dann schickte er sich wie ein guter Soziopath ins Unvermeidliche. Er händigte ihnen den Fernseher aus und bekreuzigte sich zweifellos in Erinnerung an all die Male, in denen er in der Redaktion der Zeitung des Catholic Worker herumgehangen war.

»Sagt Marianne bitte, dass es mir leidtut«, sagte er, dann schlug er die Taxitür zu und zischte die Avenue B hinauf in Richtung London und seiner Lotophagenkolonie. Carol einigte sich mit Fence Lady darauf, den Kram bei ihr unterzustellen, bis sie Marianne aufgespürt hätten. Dann gingen sie alle zurück in den Park, um für den Rest des Picknicks das volle Unmaß an Frohsinn zu genießen. Carol stand noch eine Weile mit On the Road vor Fence Ladys Laden; dann hatte er die nächste Story skizziert.

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