Kitabı oxu: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 158»

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Impressum

© 1976/2015 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-482-1

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Man schrieb den 2. August des Jahres 1588.

Der Ostwind blies unangenehm kalt über die See und ließ den Lordadmiral, Charles Lord Howard von Effingham, frösteln.

Der betagte alte Herr mit dem weißen Spitzbart, dem hageren Gesicht und der großen, schmalen und leicht gebogenen Nase blickte aus engen Augen auf die riesige Formation spanischer, portugiesischer und anderer Schiffe, die in Sichelform schwerfällig und langsam gegen den Ostwind kreuzte.

Das riesige Aufgebot bestand aus mehr als hundert Schiffen aller Größen und Klassen und wurde vom spanischen Generalkapitän der Ozeanischen Meere, Don Alonso de Guzman el Bueno, dem Herzog von Medina Sidonia, befehligt.

Der Anblick dieser gewaltigen Streitmacht zur See ist schaurigschön und schrecklich zugleich, dachte der Lordadmiral. Mit diesem großen Aufgebot würden die Engländer ihre liebe Not haben, und mit Sicherheit würde dieser Aufmarsch in die Geschichte eingehen, wie immer es auch ausgehen mochte.

Lord Howard ließ sich das Spektiv reichen, fuhr mit der Hand bedächtig über seinen gestutzten Bart, lehnte sich leicht gegen die Schmuckbalustrade des Flaggschiffes und setzte das Spektiv dann an das rechte Auge. Lange Zeit sprach er kein Wort, sah nur immer wieder starr auf die gewaltige Armada und wandte sich endlich an seinen ersten Offizier. Seine Stimme war ruhig wie immer, nichts schien den Lordadmiral zu erschüttern.

„Es hat den Anschein, als beabsichtige Medina Sidonia Weymouth anzugreifen, Mister Gardiner. Vermutlich will er dort landen. Die Spanier sind uns gegenüber eindeutig im Vorteil, denn sie haben die Luvposition.“

„Richtig, My’lord, bis auf einige wenige.“

Die einigen wenigen, wie Gardiner sagte, strichen wie hungrige Wölfe um die Armada, bereit zum Zupakken, um sich auf einen der Spanier zu stürzen. Aber bisher war noch nichts passiert, die Gegner belauerten sich, warteten auf eine Schwäche des anderen und ließen sich vorerst noch nicht in Gefechte verwickeln.

Da war Admiral Frobisher mit der gewaltigen „Triumph“, einer der größten englischen Kriegsgaleonen, eintausendeinhundert Tonnen groß und armiert mit vierundvierzig Kanonen schwersten Kalibers.

Die begehrte Luvposition hatten außerdem drei bewaffnete englische Handelsfahrer, dann die „Le Vengeur“ unter dem ehemaligen Karibik-Piraten Jean Ribault und schließlich die „Isabella VIII.“, das Schiff des Seewolfs Philip Hasard Killigrew, eine schlanke Galeone mit flachen Aufbauten, überlangen Masten und Culverinen, die wesentlich weiter feuern konnten als die anderen Schiffe.

Unter dem Oberbefehl Lord Howards fuhren außerdem Admiral Sir John Hawkins, der das Flaggschiff „Victory“ befehligte, und Admiral Sir Francis Drake auf der „Revenge.“

Das Gros der englischen Flotte befand sich zu diesem Zeitpunkt leewärts, hinter der gigantischen Sichelformation der Spanier, größtenteils hinter ihrem rechten Flügel.

Die Spitze der Armada stand jetzt vor der Landzunge von Portland Bill, dem südlichsten Punkt der Insel Portland, Weymouth noch vorgelagert, als Lord Howard seine Bedenken äußerte. Noch immer war er der Ansicht, daß die Spanier Weymouth angreifen würden und ihnen eine Landung gelingen konnte. Lord Howards Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf die anderen Schiffe, auf diese gewaltige Massierung von wuchtigen oder schlanken Schiffsrümpfen, Masten, Segeln, Seesoldaten. Er versuchte, sich in die Gedankengänge eines Medina Sidonia zu versetzen.

Es gelang ihm nur sehr schlecht, denn der Generalkapitän dachte nicht daran und hatte auch nicht die Absicht, Weymouth anzugreifen, geschweige denn dort zu landen. Die eigentliche Absicht der Spanier war, sich mit Parmas Truppen in den Niederlanden zu vereinigen und erst dann den großen Schlag gegen England zu führen.

Der Ostwind war fast eisig, der jetzt über das Achterkastell der Kriegsgaleone „Arc Royal“ aus Osten heranfegte.

Lord Howard zog das Genick ein, rieb sich nachdenklich über seinen sauber gestutzten Bart und ließ kein Auge von der spanischen Formation, die, auf Backbordbug liegend, Nordkurs steuerte.

Howards Blickrichtung wechselte. Er schaute in die harten grauen Augen des ersten Offiziers, der die Luft angehalten hatte und sie erst nach einer Weile hörbar wieder ausstieß.

Da begann Lord Howard sekundenlang sanft zu lächeln.

„Ganz richtig, Mister Gardiner“, sagte er bedächtig, „Medina wird mit diesem Schlag leewärts von Portland Bill stehen, und das wird er sich jetzt selbstverständlich ausgerechnet haben. Es sieht so aus, als hätten wir eine Chance, in die spanische Herde einzubrechen, sobald er auf den anderen Bug geht.“

„Ja, My’lord, die Formation muß sich dann in die Länge ziehen“, antwortete Gardiner. „Aber wer weiß, vielleicht tut er es nicht.“

„Medina ist kein überragender Seemann, Mister Gardiner. Ich muß allerdings hinzufügen, daß auch ich keine besonderen seemännischen Qualitäten aufzuweisen habe. Dennoch …“

„Aber My’lord“, protestierte der Erste. „Sie sind ein hervorragender Könner, Sie verstehen es meisterhaft, die Flotte taktisch einzusetzen, und Ihre Admirale haben genügend Handlungsfreiheit und Spielraum. Man sagt Ihnen Intuition nach, My’lord, und das haben Sie gerade eben wieder bewiesen. Sie ahnen die Bewegungen des Gegners im voraus.“

Der alte Herr lächelte immer noch und neigte den Kopf, als wolle er in sich hineinlauschen.

Nein, er paßte nicht so richtig auf das Achterkastell eines Flaggschiffes. Ein Frobisher, Drake oder Hawkins paßte sicher besser hierher. Das waren Männer, die sich täglich im Kampf auf See bewährt hatten, die ihren Ruhm auf den Meeren erworben hatten, im Gegensatz zu ihm. Er war von erlauchter Herkunft. Bereits drei Mitglieder seines Hauses hatten den Tudors als Lordadmirale gedient. Aber das mit der Intuition und Taktik mochte stimmen, überlegte er. Er hatte das, was man den „richtigen Riecher“ bei der Flotte nannte, und das war ein unschätzbarer Vorteil.

Lord Howard wog immer sorgfältig ab, er war keiner der Heißsporne wie Drake, die auf Biegen oder Brechen drauflossegelten, wie Wölfe in die Herde der Spanier einbrachen und mitunter in ihr eigenes Mißgeschick gestolpert waren.

Ihm war das noch nie passiert, aber das mochte wohl an seiner Abgeklärtheit liegen, an seiner Ruhe und dem sinnvollen Planen.

Er war keineswegs in tiefe Gedanken versunken, wenn es auch den Anschein erwecken mochte. Seine wachen Augen waren überall, und so entging ihm auch nicht, daß an der spanischen Sichelformation die erste Veränderung eintrat – genauso, wie er es vorausgeahnt hatte.

Damit wollte er Medina Sidonia keinesfalls abwerten, denn der Mann verstand sein Handwerk sicher ebensogut wie er selbst. Sidonia war aber kein Seemann, wie Howard gehört hatte. Der König von Spanien hatte ihm den Posten eines Generalkapitäns angehängt, und Sidonia hatte sich in diese Rolle gefügt. Darin mochte er sich wahrscheinlich todunglücklich fühlen. Bisher hatte er die Armada jedenfalls vorzüglich geführt, das erkannte Howard neidlos an.

Soviel Howard wußte, sollte Medina Sidonia sogar den Anstand gehabt haben, sich vor dem König als ungeeignet für den Posten des Generalkapitäns zu bezeichnen.

„Die Sichel der Formation beginnt, eine Wende zu fahren, My’lord“, hörte er neben sich die Stimme des Ersten. „Welche Befehle haben Sie?“

„Zunächst einmal abwarten“, entgegnete Lord Howard gelassen. „Wir bleiben auf Backbordbug bis vor Portland Bill. So Gott will, wird es uns dann gelingen, in die Lücke zu stoßen.“

„Aye, aye“, sagte Gardiner bewundernd.

Die ersten Spanier fuhren eine Wende und gingen auf Steuerbordbug. Damit hielten sie von Portland ab und mußten einen Schlag seewärts steuern. Es dauerte eine geraume Zeit, bis das Manöver beendet war. Manche der Schiffe reagierten nur sehr schwerfällig und wälzten sich buchstäblich mühsam auf den anderen Bug wie dicke überfressene Kühe, behäbig und faul.

Auf Lord Howards Gesicht erschien wieder das feine wissende Lächeln.

Diesen Entschluß der Spanier gedachte der Lordadmiral gründlich zu nutzen.

Sie blieben immer noch hart am Wind und auf nördlichem Kurs.

Admiral Sir John Frobisher, der das Flaggschiff „Triumph“ befehligte, winkte einen vorläufig letzten Gruß zur „Isabella VIII.“ hinüber und änderte den Kurs.

„Ein Satansbraten, dieser Killigrew“, sagte er andächtig zu seinem ersten Offizier, der neben ihm auf dem Achterkastell stand. „Woher nimmt dieser Mann nur immer so vortreffliche Ideen? Hm, er denkt anscheinend weiter als wir alle zusammen.“

Lieutenant O’Connor nickte zustimmend und blickte sich nach der „Isabella“ um, die jetzt im Kielwasser der „Triumph“ zurückblieb. Ein weiteres Schiff, die „Le Vengeur“, blieb ebenfalls zurück.

Frobisher wußte nicht genau, was die beiden Männer planten, aber er ahnte es ungefähr.

Jedenfalls hatte der Seewolf ihn auf diese verwegene Idee gebracht, und Frobisher gedachte, sie so schnell wie möglich in die Tat umzusetzen.

Das, was der Seewolf ihm vorgeschlagen hatte, hörte sich im Grunde genommen ganz einfach an. Es war aber äußerst kompliziert und nicht ungefährlich.

Ein paar Seemeilen östlich von Portland Bill gab es eine lange flache Muschelbank, die unregelmäßig zum Wasserspiegel von Südwest nach Nordost aufstieg. Shambles nannte man diese tückische Muschelbank. Von der Landspitze Portland Bill lief der Gezeitenstrom mit fast vier Knoten auf die Shambles zu. Bei ablaufendem Wasser nun – so die Überlegung des Seewolfs – wird die Ebbe zwischen der Ostküste Portland und den Shambles wie durch einen Schlauch gepreßt. Eine vorzügliche Falle! Vorausgesetzt, man dachte in den Regionen eines Seewolfs.

Bei Einsetzen der Ebbe wollte Frobisher möglichst dicht unter Land auf der südlichen Ostseite der Insel vor Anker gehen und einen Ruderschaden vortäuschen.

Das mußte die Spanier geradezu anlocken und sie zum Angriff auf die „Triumph“ verleiten. Damit aber, so hatte es sich der Seewolf ausgerechnet, war das Schicksal der angreifenden Schiffe so gut wie besiegelt, denn der Ebbstrom würde sie unbarmherzig auf die Muschelbänke treiben. Selbst wenn der Angreifer Glück hatte, würde er zumindest im Ebbstrom herumzappeln, ohne etwas unternehmen zu können.

Frobisher holte mit der rechten Faust aus und schlug sie in seine linke Handfläche. Der Knall ließ O’Connor zusammenzucken.

Ja, das gefällt dem alten Kämpen, dachte der Lieutenant, das möbelt ihn auf und läßt ihn immer wieder anerkennend in Richtung der Seewolfs-Galeone nicken.

„Lassen Sie die Leute unterrichten“, sagte Frobisher, und in seinen kühlen grauen Augen tanzten kleine Funken. „Wir laufen in einer halben Stunde von Nordosten her zwischen Shambles und der Portland Ostküste hindurch. Etwas weiter nördlich gehen wir dann vor Anker.“

„Aye, Sir, ich gebe aber zu bedenken, daß wir starken auflandigen Ostwind haben.“

„Na und?“ polterte Frobisher los. „Das soll mich den Teufel scheren. Der Wind hat sich gefälligst nach uns zu richten!“

O’Connor blickte auf Frobishers fleischige Nase, auf den Knebelbart des Admirals und seufzte ergeben.

Na schön, dachte er, dann soll der Alte das dem Wind gefälligst selber sagen, vielleicht hörte der sogar auf ihn.

Frobisher war nicht mehr zu bremsen. Er war von dieser tollkühnen Idee geradezu besessen, und nichts würde ihn jetzt mehr davon abhalten, die Dons in die Falle zu lokken. Für die Spanier mußte dieser mehr als tausend Tonnen große Riesenköder so verlockend wirken, daß sie blindlings auf ihn hereinfielen.

O’Connor gab den Befehl weiter, und innerhalb kürzester Zeit wußte jedermann an Bord, um was es ging. Das brachte die Kerle richtig hoch, und auf ihren Gesichtern lag ein impertinentes Grinsen, das nicht mehr verschwinden wollte.

Wartet nur, ihr lausigen Dons, hieß dieses Grinsen, euch werden wir es schon zeigen!

Frobisher scherte sich jetzt nicht mehr um die Formation der Dons, die den Kurs geändert hatten. Er konzentrierte sich voll und ganz auf sein Vorhaben und nahm den Rudergänger des Flaggschiffes höchstpersönlich ins Gebet.

„Sie werden jetzt so segeln, Mister Paine, wie Sie noch nie in Ihrem Leben gesegelt sind, verstanden? Ein einziger Fehler, und wir sitzen auf Land. Dann haben die Dons allen Grund, sich zu freuen. Geben Sie also Ihr Bestes, Mann!“

Das Gesicht des Rudergängers war maskenhaft starr. Er wußte, daß es ein Problem war, bei diesem auflandigen Wind zwischen den Shambles und der Ostküste hindurch zu steuern. Genau gesagt, war es ein verteufeltes Risiko, und wenn er etwas vermurkste, dann würde ihn der Admiral eigenhändig über Bord werfen.

So nickte er hastig, preßte ein gemurmeltes „Aye, aye, Sir“ durch die Zähne und konzentrierte sich auf die Führung des großen Schiffes.

Der Wind blies immer noch mit gleicher Stärke. Über die kabbelige See tanzten kleine Schaumkronen. Der Himmel war grau und wolkenverhangen.

Es war kurz vor neun Uhr morgens, als Frobishers Flaggschiff „Triumph“ noch bei Flut unendlich vorsichtig zwischen den Shambles und der Ostküste hindurchsegelte. Sie lief jetzt, von Nordosten kommend, Südwestkurs, und Frobisher warf vom Achterkastell aus einen nachdenklichen Blick auf jene kritische Stelle, die sich unter Wasser verbarg und ein Schiff vom Bug bis zum Heck der Länge nach mühelos aufschlitzen konnte. Die Engländer kannten diese Stelle genau, und die Spanier würden die Muschelbank erst bemerken, wenn es für sie zu spät war.

Frobisher warf einen Blick auf die Sanduhr, die jeweils die halbe Stunde anzeigte und dann wieder umgedreht werden mußte. In einer Stunde würde der Ebbstrom einsetzen, bis dahin mußte die „Triumph“ auf der südlichen Ostseite der Insel bereits vor Anker liegen.

Eine bange halbe Stunde verging, der auflandige Ostwind schob das große Schiff näher zum Land. Der Rudergänger fluchte verhalten, während Admiral Frobisher unruhig auf dem Achterkastell von Backbord nach Steuerbord wanderte.

Dann hatten sie es geschafft. Der Anker fiel und faßte Grund. Das große Schiff wurde in eine schwimmende Festung verwandelt, ohne daß die Spanier etwas davon ahnten.

Frobisher ließ einen Teil der Besatzung am Heck versammeln, und gleich darauf herrschte dort eine emsige Aktivität. Zahlreiche Männer benahmen sich wie die Verrückten, fummelten am Ruderschaft herum und brüllten sich gegenseitig an.

Die Falle war aufgebaut, perfekt, wie es schien. Der Admiral war zufrieden, er brauchte jetzt nur noch abzuwarten, bis die ersten Dons in die Falle gingen.

Etwas später sah der Admiral, wie die „Isabella“ und die „Le Vengeur“ ihrem Kurs folgten, an dem Flaggschiff mit einer Kabellänge Abstand vorbeiliefen und Portland Bill rundeten. Dort wollten sie in Lee die Entwicklung der Dinge abwarten.

Der Seewolf und Jean Ribault lagen auf der Lauer. Sie warteten auf jene Spanier, die es vielleicht noch schafften, zwischen den Shambles und Portland Bill hindurchzuschlüpfen. Die wollten sie schnappen und abfangen.

2.

Medina Sidonia spürte nicht den rauhen Wind, er nahm auch die unruhige See nicht wahr, die sein Flaggschiff, die „San Martin“, sanft hob und senkte.

Eine ungeheure Aufregung hatte sich seiner bemächtigt, denn jetzt stand die Konfrontation zwischen Engländern und Spaniern unmittelbar bevor. Er fühlte sich auf seinem Posten deplaciert und spürte, wie die Verantwortung an seinen Nerven zerrte.

Aber zum Wohle Spaniens und Philipp II. wollte er sein Bestes geben, auch wenn es seinen Tod bedeutete.

Medina Sidonia hoffte insgeheim, daß Enterkämpfe stattfinden würden, denn nur dann konnten die Spanier ihre Überlegenheit beweisen, darauf waren sie eingestellt mit der Masse ihrer Soldaten.

Aber schon seit einer Weile hatte Sidonia diese Hoffnung begraben müssen, wenn er die starke Armierung der Engländer sah. Die würden sich nicht auf Enterkämpfe einlassen, die vertrauten lieber ihren weitreichenden Kanonen.

Sidonia waf einen schnellen Blick zurück. Hinter ihm lief die gigantische Flotte, aufgeteilt in sechs Geschwader nach den einzelnen Provinzen wie Portugal, Biscaya, Andalusien, Kastilien, Guipuzcoa und der Levante. Eine Flottille leichterer Segler begleiteten diesen gewaltigen Aufmarsch als Kundschafter.

Auf der Backbordseite, schräg nach achtern versetzt, segelte das kastilische Geschwader unter Diego Flores de Valdes. Auf Steuerbord befanden sich die portugiesischen Schiffe, Medina Sidonia direkt unterstellt, während achterlich direkt hinter der „San Martin“ die vier Galeassen aus Neapel unter dem Kommando Hugo de Moncadas folgten. Diese Galeassen waren mit je fünfzig Kanonen bestückt und trugen außer den Ruderern noch weit über dreihundert Mann Besatzung. Zwischen dem kastilischen und dem portugiesischen Geschwader, ebenfalls hinter dem Flaggschiff Sidonias, segelte unter dem Kommando Don Antonia de Mendozas ein großer Pulk kleiner Ein- und Zweimaster, denen das Transportgeschwader, die „Urcas“, folgte. Sie bestanden aus Frachtern, Hulks und Proviantschiffen. Die Spanier transportierten darauf Maultiere, Wagen, Pferde, Ausrüstungen und Soldaten. Für im Kampf Verwundete standen zwei Lazarettschiffe bereit. Das Kommando über dieses Transportgeschwader hatte Juan Gomez de Medina.

Den linken hinteren Teil der Sichelformation bildeten von außen nach innen die Geschwader von Juan Martinez de Recalde und Pedro de Valdes.

Aber das war noch nicht alles.

Auf der Steuerbordseite des Sichelhorns, wieder von außen nach innen, segelte das Levantegeschwader unter Martin de Bertendona sowie das Guipuzcoageschwader unter Miguel de Oquendo.

Die vier letzten Geschwader von jeweils zehn Schiffen bestanden aus großen Kauffahrteiseglern, die ziemlich schwer armiert waren.

Wenn Medina Sidonia diese gewaltige Streitmacht zur See überblickte, erfüllte ihn sekundenlang tiefe Ruhe. Er wußte erfahrene und draufgängerische Männer hinter sich wie de Recalde oder de Leiva, kampferfahrene Burschen, die den Teufel am Schwanz zogen, wenn es darauf ankam.

De Leiva war Generalkapitän der Mailänder Kavallerie und dazu ausersehen, den Oberbefehl über die Landtruppen zu übernehmen.

Von de Recalde wußte er, daß er ein Draufgänger und guter Seemann war. Sidonia hätte ihn am liebsten als Generalkapitän gesehen, denn der Mann war vom Fach. Wind und Wellen waren sein Metier, und liebend gern hätte er sich ihm untergeordnet.

So aber blieb alles an ihm hängen, und er stieß einen entsagungsvollen Seufzer aus.

Er wandte sich an den Capitan Jose Santraz, einen ruhigen, unerschütterlichen Mann mit grauen Haaren, bartlos und wasserhellen Augen, der auf dem Achterkastell stand und ebenfalls seit geraumer Weile auf die vielen Schiffe blickte.

Medinas Stimme klang ruhig. Feingliedrig und mittelgroß, war er mehr als einen Kopf kleiner als der Capitan, und trotz aller Sorgen strahlte eine gewisse Ruhe von ihm aus.

„Die Engländer bleiben auf Backbordbug“, sagte er nachdenklich. „Das heißt also, der Befehlshaber des Flaggschiffes wird versuchen, zwischen uns und dieser Insel durch die Lücke zu schlüpfen, um auf diese Weise in die Luvposition zu gelangen.“

„Das wird er mit Sicherheit versuchen, Don Alonso“, entgegnete der Capitan zurückhaltend. Er sah Medina fragend an, der mehrmals vor sich hin nickte.

„Gut“, entschied Medina nach kurzer Überlegung, „dann veranlassen Sie, daß die Formation wieder auf den nördlichen Kurs geht, den nordöstlichen Kurs natürlich“, verbesserte er sich sofort.

Genau diese Entscheidung hatte der Capitan erwartet, und Medina sah ihm die Erleichterung an, als er den Befehl weitergab.

Etwas später lag die Armada wieder auf Backbordbug, und der Generalkapitän beobachtete weiter.

„Ich befürchte, daß es nicht mehr lange dauert, bis die Engländer angreifen, Capitan Santraz. Das Flaggschiff wechselt erneut den Kurs. Vermutlich nehmen diese Leute an, wir wollen Weymouth anliegen, und das möchten sie jetzt gern verhindern.“

Santraz schien es, als wolle Medina noch etwas hinzufügen, doch der Generalkapitän schwieg und starrte wieder verbissen durch das Spektiv. Als er es absetzte, schüttelte er den Kopf.

„Sie sollten sich das einmal ansehen“, sagte er leise, „da scheint sich einer dieser übereifrigen Kerle das Ruder gebrochen zu haben, wenn mich nicht alles täuscht.“

Auch von der Backbordseite erfolgte jetzt ein Signal, um Medina auf den Vorfall hinzuweisen. Etliche Männer standen am Schanzkleid und blickten zu dem Riesenschiff hinüber.

„Es ist die „Triumph“, sagte Capitan Santraz, „ein ganz beachtlicher Brokken. Tatsächlich scheint er aus irgendeinem Grund manövrierunfähig zu sein. Wenn wir an den herangelangen und ihn entern könnten, das wäre ein Erfolg!“

Medina Sidonia war weder ehrgeizig noch hartnäckig, aber als er jetzt den englischen Brocken sah, packte es ihn doch, das Jagdfieber, das auch in ihm tief verborgen schlummerte.

Sein Blick war zwar noch milde und liebenswürdig, doch seine Augen begannen zu funkeln. Dann erschien ein triumphierendes Grinsen auf seinem Gesicht.

Entern, dachte er, ja, wenn das gelänge, und es hatte ganz den Anschein, als stünde dem nichts im Wege, dann konnten sie den verhaßten Engländern eine empfindliche Beule schlagen und sie durch den Verlust dieses Brockens schwer demoralisieren.

Das wäre ein beachtlicher Anfangserfolg, den sie sich nicht entgehen lassen durften.

Hektische Flecken erschienen plötzlich im Gesicht des Spaniers, und wieder griff er zum Spektiv.

Jetzt sah er es schon deutlicher. Auf dem Heck des großen Schiffes tummelten sich viele Männer, die wie Ameisen durcheinanderrannten und immer wieder am Ruderschaft hantierten. Mindestens zwanzig Leute schienen sich in heller Aufregung zu befinden.

„Vermutlich ist ihnen der Ruderschaft gebrochen“, sagte Medina. „Aus diesem Grund hat er auch Anker gesetzt. Ich finde es nur merkwürdig, daß ihm kein anderer zu Hilfe eilt.“

Es war kein Mißtrauen, es war nur eine Feststellung, bei der sich auch Capitan Santraz nicht viel dachte.

„Die Engländer haben genug mit sich selbst zu tun. Sie rechnen ganz sicher damit, daß wir das Schiff nicht angreifen“, sagte er deshalb.

Wieder nickte Sidonia zustimmend. Dann, Santraz glaubte seinen Augen nicht zu trauen, rieb sich der Generalkapitän zufrieden die Hände und lachte stoßartig auf.

„Signalisieren Sie an Capitan de Moncada, daß er sich mit den vier Kriegs-Galeassen den Brocken schnappt“, befahl Sidonia. „Kurs Nordwest, und dann nichts wie drauf, Capitan!“

Santraz salutierte korrekt, konnte sich aber das schadenfrohe Grinsen auf seinem Gesicht nicht verkneifen. Todos Santos, dachte er, das wird diesen Engländern sauer aufstoßen. Damit rechnen sie nicht, die haben genug mit ihrem gebrochenen Ruderschaft zu tun.

„Moncada soll versuchen, in jedem Fall das Schiff zu entern“, setzte Sidonia nachdrücklich hinzu.

Der Befehl wurde an Moncadas Flaggschiff, die „San Lorenzo“, weitergegeben, wo man den Brocken schon früher erspäht hatte als Sidonia. Moncada lauerte bereits auf den Einsatz und gab dem scheinbar hilflosen Engländer kaum eine Chance, wenn er mit vier Galeassen angriff.

Die „San Lorenzo“ scherte aus dem schwerfällig segelnden Pulk aus und ging auf Nordwestkurs. Moncada ließ die Schlagzahl erhöhen. Dreihundert Rudersklaven legten sich in die Riemen und trieben das Schiff, halb Galeone und halb Galeere, schnell vorwärts. Auch die Segel waren alle gesetzt.

Der Galeasse folgten die „Zuniga“, die „Patrona“ und als vierte und letzte die „Girona“. Auf Nordwest umliefen sie die englischen Schiffe und hielten auf Frobishers „Triumph“ zu.

Keiner der Spanier ahnte, daß Admiral Sir John Frobisher sich bereits die Hände rieb und den Gegner freudestrahlend erwartete.

Hugo de Moncada sah vom Achterdeck seines Flaggschiffes jetzt ganz deutlich, daß dem mächtigen Engländer etwas fehlte und er offenbar hilflos in der Klemme saß.

Fünfzig Kanonen waren geladen, mehr als dreihundert Männer brannten darauf, den „verdammten Engländer“ auseinanderzunehmen.

In Kiellinie segelten die vier Galeassen ihren Nordwestkurs weiter, unterstützt von den Ruderern.

Inzwischen hatte der Ebbstrom eingesetzt, doch von der Besatzung des Flaggschiffes schien das niemand zu merken. Sie sahen auch nicht das Kabbelwasser Backbord voraus, das die unheilvollen Shambles verriet. Moncada sah nur noch die Beute vor sich und konnte es kaum erwarten, sich darauf zu stürzen.

Außerdem wurde er von einem rollenden Donner abgelenkt und warf einen Blick achteraus.

„Das Gefecht ist eröffnet“, sagte er zu seinem Ersten. „Ich hatte gedacht, wir würden den ersten Schuß abgeben, aber jetzt haben die Engländer offenbar Angst, daß Sidonia die lausige Stadt angreifen will.“

Howard hatte indessen tatsächlich das Feuer von seinem Flaggschiff aus eröffnen lassen, in der Befürchtung, Sidonia wolle die Stadt angreifen. Er verwickelte die Spanier in Einzelgefechte, hielt aber immer noch eine gewisse Distanz und verließ sich dabei auf seine überlangen Culverinen.

Auch von einem zweiten und dritten Schiff blitzte es auf, und gleich darauf rollte der Donner grummelnd über die See. Vor den Schiffswänden erschienen dunkle Qualmwolken.

„Die lassen sich nicht auf Enterkämpfe ein“, schimpfte der Erste.

„Klar, weil sie wissen, daß sie dann unterlegen sind. Aber dem Himmelbund dort drüben wird nichts anderes übrigbleiben, als sich entern zu lassen, die haben sogar noch ihre Stückpforten geschlossen“, sagte Moncada verächtlich. „Die Kerle sehen nur noch ihr Ruder, und bevor sie feuern, ist es zu spät.“

Er blickte ins Wasser und runzelte die Stirn.

„Madre Dios!“ stieß er gleich darauf hervor. „Wir sind schneller als der Teufel. Die Kerle rudern, als hätte ich ihnen eine Extra-Ration versprochen.“

Gleich darauf aber wurde sein Blick wieder von der Wasserfläche abgelenkt und konzentrierte sich auf die „Triumph“, auf der immer noch mehr als zwanzig Leute am Ruderschaft beschäftigt waren. Die anderen sah Moncada nicht, die hatten sich hinter dem Schanzkleid versteckt und waren bereit, auf Frobishers Befehl sofort die Stückpforten zu öffnen und die Kanonen auszurammen. Das mußte in Sekundenschnelle geschehen.

Kopfschüttelnd sah Moncada, daß sich der große schwere Engländer überhaupt nicht um sie kümmerte.

„Pennen die Kerle denn?“ fragte er immer wieder. „Oder halten die uns für harmlose Idioten?“

Darauf wußte auch der Erste keine Antwort, aber er empfand aus irgendeinem Grund ein flaues Gefühl in der Magengegend, so, als ob etwas nicht stimme. Er hütete sich jedoch, bei dem zuversichtlichen Moncada seine Zweifel anzumelden.

Die Geschwindigkeit des Flaggschiffes nahm zu, auch die der drei anderen Galeassen. Der Ebbstrom jagte sie unaufhaltsam weiter – in Richtung der Muschelbänke.

Einem einzelnen Mann auf der Back fiel auf, daß das Schiff mit wahnwitziger Fahrt dahinschoß, als sei es in einen Mahlstrom geraten, und als er zur Backbordseite ging und von dort aus ins Wasser sah, staunte er, daß die Kerle im Bauch der Galeasse wie die Verrückten pullten. Aber trotzdem hätten sie niemals diese Geschwindigkeit erreichen können.

Dann sah er das Kabbelwasser, blickte mit schreckgeweiteten Augen in die See, die auf Backbord zu kochen schien, und erkannte in diesem Augenblick dicht unter der Wasseroberfläche eine Art langgestrecktes Gebirge, auf das die Galeasse mit mörderischer Fahrt zuraste.

Zu spät, dachte er, zu spät. Da blieb nicht mal die Zeit, um einen Warnschrei auszustoßen. Keine Macht der Welt hätte das schnelle Schiff jetzt noch stoppen können.

Er war nahe daran, sich vor Schreck zu übergeben, hob die Hand und wies nach achtern, wo Moncada stand. Aber der sah die Bewegung nicht und hörte auch nicht den unartikulierten Schrei des Mannes, er blickte stur zu dem englischen Riesen hinüber und glühte vor Eifer, ihn zu entern.

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