Kitabı oxu: «Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe»

Şrift:
Korrespondenz in den Jahren 1794 bis 1805

Books

– Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -

musaicumbooks@okpublishing.info

2017 OK Publishing


ISBN 978-80-272-1173-9

Erster Band

An Seine Majestät den König von Bayern.

Allerdurchlauchtigster,

Allergnädigst regierender König und Herr,

In Bezug auf die von Ew. Königl. Majestät zu meinem unvergeßlichen Freunde gnädigst gefaßte Neigung mußte mir gar oft, bei abschließlicher Durchsicht des mit ihm vieljährig gepflogenen Briefwechsels, die Ueberzeugung beigehen: wie sehr demselben das Glück, Ew. Majestät anzugehören, wäre zu wünschen gewesen. Jetzt da ich nach beendigter Arbeit von ihm abermals zu scheiden genöthigt bin, beschäftigen mich ganz eigene, jedoch dieser Lage nicht ungemäße Gedanken.

In Zeiten, wenn uns eine wichtige, auf unser Leben einflußreiche Person verläßt, pflegen wir auf unser eigenes Selbst zurückzukehren, gewohnt nur dasjenige schmerzlich zu empfinden, was wir persönlich für die Folge zu entbehren haben. In meiner Lage war dieß von der größten Bedeutung: denn mir fehlte nunmehr eine innig vertraute Theilnahme, ich vermißte eine geistreiche Anregung und was nur einen löblichen Wetteifer befördern konnte. Dieß empfand ich damals auf’s schmerzlichste; aber der Gedanke, wie viel auch Er von Glück und Genuß verloren, drang sich mir erst lebhaft auf, seit ich Ew. Majestät höchster Gunst und Gnade, Theilnahme und Mittheilung, Auszeichnung und Bereicherung, wodurch ich frische Anmuth über meine hohen Jahre verbreitet sah, mich zu erfreuen hatte.

Nun ward ich zu dem Gedanken und der Vorstellung geführt, daß auf Ew. Majestät ausgesprochene Gesinnungen dieses alles dem Freunde in hohem Maße wiederfahren wäre; um so erwünschter und förderlicher, als er das Glück in frischen vermögsamen Jahren hätte genießen können. Durch allerhöchste Gunst wäre sein Daseyn durchaus erleichtert, häusliche Sorgen entfernt, seine Umgebung erweitert, derselbe auch wohl in ein heilsameres besseres Klima versetzt worden, seine Arbeiten hätte man dadurch belebt und beschleunigt gesehen, dem höchsten Gönner selbst zu fortwährender Freude, und der Welt zu dauernder Erbauung.

Wäre nun das Leben des Dichters auf diese Weise Ew. Majestät gewidmet gewesen, so dürfen wohl auch diese Briefe, die einen wichtigen Theil des strebsamsten Daseyns darstellen, Allerhöchstdenenselben bescheiden vorgelegt werden. Sie geben ein treues unmittelbares Bild, und lassen erfreulich sehen: wie in Freundschaft und Einigkeit mit manchen untereinander Wohlgesinnten, besonders auch mit mir, er unablässig gestrebt und gewirkt, und, wenn auch körperlich leidend, im Geistigen doch immer sich gleich und über alles Gemeine und Mittlere stets erhaben gewesen.

Seyen also diese sorgfältig erhaltenen Erinnerungen hiemit zur rechten Stelle gebracht, in der Ueberzeugung, Ew. Majestät werden gegen den Ueberbliebenen, sowohl aus eigner höchster Bewegung, als auch um des abgeschiedenen Freundes willen, die bisher zugewandte Gnade fernerhin bewahren, damit, wenn es mir auch nicht verliehen war, in jene ausgebreitete königliche Thätigkeit eingeordnet mitzuwirken, mir doch das erhebende Gefühl fortdaure, mit dankbarem Herzen die großen Unternehmungen segnend, dem Geleisteten und dessen weitausgreifendem Einfluß nicht fremd geblieben zu seyn.

In reinster Verehrung mit unverbrüchlicher Dankbarkeit lebenswierig verharrend

Weimar den 18. October 1829.

Ew. Königl. Majestät

allerunterthänigster Diener

Johann Wolfgang von Goethe.

1794

1. An Goethe.

Hochwohlgeborner Herr,

Hochzuverehrender Herr Geheimer Rath!

Beiliegendes Blatt enthält den Wunsch einer, Sie unbegrenzt hochschätzenden, Gesellschaft, die Zeitschrift, von der die Rede ist, mit Ihren Beiträgen zu beehren, über deren Rang und Werth nur Eine Stimme unter uns sein kann. Der Entschluß Euer Hochwohlgeboren, diese Unternehmung durch Ihren Beitritt zu unterstützen, wird für den glücklichen Erfolg derselben entscheidend sein, und mit größter Bereitwilligkeit unterwerfen wir uns allen Bedingungen, unter welchen Sie uns denselben zusagen wollen.

Hier in Jena haben sich die H. H. Fichte, Woltmann und von Humboldt zur Herausgabe dieser Zeitschrift mit mir vereinigt, und da, einer nothwendigen Einrichtung gemäß, über alle einlaufenden Manuscripte die Urtheile eines engern Ausschusses eingeholt werden sollen, so würden Ew. Hochwohlgeboren uns unendlich verpflichten, wenn Sie erlauben wollten, daß Ihnen zu Zeiten eins der eingesandten Manuskripte dürfte zur Beurtheilung vorgelegt werden. Je größer und näher der Antheil ist, dessen Sie unsre Unternehmung würdigen, desto mehr wird der Werth derselben bei demjenigen Publicum steigen, dessen Beifall uns der wichtigste ist. Hochachtungsvoll verharre ich

Euer Hochwohlgeboren

gehorsamster Diener und aufrichtigster Verehrer

Jena 13. Juni 1794.

F. Schiller.

Die Horen.

Unter diesem Titel wird mit dem Anfang des Jahrs 1795 eine Monatsschrift erscheinen, zu deren Verfertigung eine Gesellschaft bekannter Gelehrten sich vereinigt hat. Sie wird sich über alles verbreiten, was mit Geschmack und philosophischem Geiste behandelt werden kann, und also sowohl philosophischen Untersuchungen, als historischen und poetischen Darstellungen offen stehen. Alles, was entweder bloß den gelehrten Leser interessiren, oder was bloß den nichtgelehrten befriedigen kann, wird davon ausgeschlossen sein; vorzüglich aber und unbedingt wird sie sich alles verbieten, was sich auf Staatsreligion und politische Verfassung bezieht. Man widmet sie der schönen Welt zum Unterricht und zur Bildung, und der gelehrten zu einer freien Forschung der Wahrheit und zu einem fruchtbaren Umtausch der Ideen; und indem man bemüht sein wird, die Wissenschaft selbst, durch den innern Gehalt, zu bereichern, hofft man zugleich den Kreis der Leser durch die Form zu erweitern.

Unter der großen Menge von Zeitschriften ähnlichen Inhalts dürfte es vielleicht schwer sein, Gehör zu finden, und, nach so vielen verunglückten Versuchen in dieser Art, noch schwerer, sich Glauben zu verschaffen. Ob die Herausgeber der gegenwärtigen Monatsfrist gegründetere Hoffnungen haben, wird sich am besten aus den Mitteln abnehmen lassen, die man zu Erreichung jenes Zweckes eingeschlagen hat.

Nur der innere Werth einer literarischen Unternehmung ist es, der ihr ein dauerndes Glück bei dem Publicum versichern kann; auf der andern Seite aber ist es nur dieses Glück, welches ihrem Urheber den Muth und die Kräfte gibt, etwas beträchtliches auf ihren Werth zu verwenden. Die große Schwierigkeit also ist, daß der Erfolg gewissermaßen schon realisirt sein müßte , um den Aufwand, durch den allein er zu realisiren ist, möglich zu machen. Aus diesem Zirkel ist kein anderer Ausweg, als daß ein unternehmender Mann an jenen problematischen Erfolg so viel wage, als etwa nöthig sein dürfte, ihn gewiß zu machen.

Für Zeitschriften dieses Inhalts fehlt es gar nicht an einem zahlreichen Publicum, aber in dieses Publicum theilen sich zu viele einzelne Journale. Würde man die Käufer aller hieher gehörigen Journale zusammenzählen, so würde sich eine Anzahl entdecken lassen, welche hinreichend wäre, auch die kostbarste Unternehmung im Gange zu erhalten. Diese ganze Anzahl nun steht derjenigen Zeitschrift zu Gebot, die alle die Vortheile in sich vereinigt, wodurch jene Schriften im einzelnen bestehn, ohne den Kaufpreis einer einzelnen unter denselben beträchtlich zu übersteigen.

Jeder Schriftsteller von Verdienst hat in der lesenden Welt seinen eigenen Kreis, und selbst der am meisten gelesene hat nur einen größern Kreis in derselben. So weit ist es noch nicht mit der Cultur der Deutschen gekommen, daß sich das, was den Besten gefällt, in Jedermanns Händen finden sollte. Treten nun die vorzüglichsten Schriftsteller der Nation in eine literarische Association zusammen, so verewigen sie eben durch das vorher getheilt gewesene Publicum, und das Werk an welchem alle Antheil nehmen, wird die ganze lesende Welt zu seinem Publicum haben. Dadurch aber ist man im Stande, jedem Einzelnen alle die Vortheile anzubieten, die der allerweiteste Kreis der Leser und Käufer einem Autor nur immer verschaffen kann.

Ein Verleger der diesem Unternehmen in jeder Rücksicht gewachsen ist, hat sich bereits in dem Buchhändler Cotta von Tübingen gefunden, und ist bereit, sie ins Werk zu richten, sobald die erforderliche Anzahl von Mitarbeitern sich zusammengefunden haben wird. Jeder Schriftsteller, an den man diese Anzeige sendet, wird also um Beitritt an dieser Societät eingeladen, und man hofft dafür gesorgt zu haben, daß er in keiner Gesellschaft, die seiner unwürdig wäre, vor dem Publicum auftreten soll. Da aber die ganze Unternehmung nur unter der Bedingung einer gehörigen Anzahl von Theilnehmern möglich ist, so kann man keinem der eingeladenen Schriftsteller zugestehn, seinen Beitritt bis nach Erscheinung des Journals aufzuschieben, weil man schon vorläufig wissen muß, auf wen man zu rechnen hat, um an die Ausführung auch nur denken zu können. Sobald aber die erforderliche Anzahl sich zusammengefunden hat, wird solches jedem Theilnehmer an der Zeitschrift unverzüglich bekannt gemacht werden.

Jeden Monat ist man übereingekommen, ein Stück von 9 Bogen in Median zu liefern; der gedruckte Bogen wird mit sechs Louisd’ors in Golde bezahlt. Dafür verspricht der Verfasser, von diesen einmal abgedruckten Aufsätzen drei Jahre nach ihrer Erscheinung keinen andern öffentlichen Gebrauch zu machen, es sei denn, daß beträchtliche Veränderungen damit vorgenommen worden wären.

Obgleich von denjenigen Gelehrten, deren Beiträge man sich ausbittet, nichts, was ihrer selbst und einer solchen Zeitschrift nicht ganz würdig wäre, zu befürchten ist, so hat man doch, aus leicht begreiflichen Gründen, die Verfügung getroffen, daß kein Manuscript eher dem Druck übergeben werde, als bis es einer dazu bestimmten Anzahl von Mitgliedern zur Beurtheilung vorgelegt worden ist. Dieser Convention werden sich die H. H. Theilnehmer um so eher unterwerfen, als sie versichert sein können, daß höchstens nur die relative Zweckmäßigkeit ihrer Beiträge in Rücksicht auf den Plan und das Interesse des Journals zur Frage kommen kann. Eigenmächtige Abänderungen wird weder der Redacteur noch der Ausschuß sich in den Manuscripten erlauben. Sollten welche nöthig sein, so versteht es sich von selbst, daß man den Verfasser ersuchen wird, sie selbst vorzunehmen. Der Abdruck der Manuscripte wird sich nach der Ordnung richten, in der sie eingesandt werden, soweit dieses mit der nöthigen Mannigfaltigkeit des Inhalts in den einzelnen Monatsstücken bestehen kann. Eben diese Mannigfaltigkeit macht die Verfügung nothwendig, daß kein Beitrag durch mehr als drei Stücke fortgesetzt werde, und in keinem einzelnen Stück mehr als sechzig Seiten einnehme.

Briefe und Manuscripte sendet man an den Redacteur dieser Monatsschrift, der den Hn. Hn. Verfassern für ihre eingesandten Beiträge steht, und bereit ist, jedem, sobald es verlangt wird, Rechnung davon abzulegen.

Daß von dieser Anzeige kein öffentlicher Gebrauch zu machen sei, wird kaum nöthig sein zu erinnern.

Jena am 13. Juni 1794.

Friedrich Schiller,

Hofrath und Professor zu Jena.

2. An Schiller.

Ew. Wohlgeboren

eröffnen mir eine doppelt angenehme Aussicht, sowohl auf die Zeitschrift welche Sie herauszugeben gedenken, als auf die Theilnahme zu der Sie mich einladen. Ich werde mit Freuden und von ganzem Herzen von der Gesellschaft sein.

Sollte unter meinen ungedruckten Sachen sich etwas finden das zu einer solchen Sammlung zweckmäßig wäre, so theile ich es gerne mit; gewiß aber wird eine nähere Verbindung mit so wackern Männern, als die Unternehmer sind, manches, das bei mir ins Stocken gerathen ist, wieder in einen lebhaften Gang bringen.

Schon eine sehr interessante Unterhaltung wird es werden, sich über die Grundsätze zu vereinigen, nach welchen man die eingesendeten Schriften zu prüfen hat, wie über Gehalt und Form zu wachen, um diese Zeitschrift vor andern auszuzeichnen und sie bei ihren Vorzügen wenigstens eine Reihe von Jahren zu erhalten.

Ich hoffe bald mündlich hierüber zu sprechen und empfehle mich Ihnen und Ihren geschätzten Mitarbeitern aufs beste.

Weimar 24. Juni 1794.

Goethe.

3. An Schiller.

Sie erhalten hierbei die Schocherische Abhandlung mit Danke zurück; das was ich davon verstehe, gefällt mir recht wohl, das übrige wird er mit der Zeit ja wohl aufklären.

Zugleich sende Diderot und Moritz und hoffe dadurch meine Sendung nützlich und angenehm zu machen.

Erhalten Sie mir ein freundschaftliches Andenken und sein Sie versichert, daß ich mich auf eine öftere Auswechslung der Ideen mit Ihnen recht lebhaft freue. Empfehlen Sie mich in Ihrem Zirkel. Unvermuthet wird es mir zur Pflicht, mit nach Dessau zu gehen, und ich entbehre dadurch ein baldiges Wiedersehen meiner Jenaischen Freunde.

Weimar den 25. Juli 1794.

Goethe.

4. An Goethe.

Jena den 23. August 1794.

Man brachte mir gestern die angenehme Nachricht, daß Sie von Ihrer Reise wieder zurückgekommen seien. Wir haben also wieder Hoffnung, Sie vielleicht bald einmal bei uns zu sehen, welches ich an meinem Theil herzlich wünsche. Die neulichen Unterhaltungen mit Ihnen haben meine ganze Ideenmasse in Bewegung gebracht, denn sie betrafen einen Gegenstand, der mich seit etlichen Jahren lebhaft beschäftigt. Ueber so manches, worüber ich mit mir selbst nicht recht einig werden konnte, hat die Anschauung Ihres Geistes (denn so muß ich den Totaleindruck Ihrer Ideen auf mich nennen) ein unerwartetes Licht in mir angesteckt. Mir fehlte das Object, der Körper, zu mehreren speculativischen Ideen, und Sie brachten mich auf die Spur davon. Ihr beobachtender Blick, der so still und rein auf den Dingen ruht, setzt Sie nie in Gefahr, auf den Abweg zu gerathen, in den sowohl die Speculation als die willkürliche und bloß sich selbst gehorchende Einbildungskraft sich so leicht verirrt. In Ihrer richtigen Intuition liegt alles und weit vollständiger, was die Analysis mühsam sucht, und nur weil es als ein Ganzes in Ihnen liegt, ist Ihnen Ihr eigener Reichthum verborgen: denn leider wissen wir nur das, was wir scheiden. Geister Ihrer Art wissen daher selten, wie weit sie gedrungen sind, und wie wenig Ursache sie haben, von der Philosophie zu borgen, die nur von ihnen lernen kann. Diese kann bloß zergliedern, was ihr gegeben wird, aber das Gehen selbst ist nicht die Sache des Analytikers, sondern des Genies, welches unter dem dunkeln, aber sichern Einfluß reiner Vernunft nach objectiven Gesetzen verbindet.

Lange schon habe ich, obgleich aus ziemlicher Ferne, dem Gang Ihres Geistes zugesehen, und den Weg, den Sie sich vorgezeichnet haben, mit immer erneuerter Bewunderung bemerkt. Sie suchen das Notwendige der Natur, aber Sie suchen es auf dem schweresten Wege, vor welchem jede schwächere Kraft sich wohl hüten wird. Sie nehmen die ganze Natur zusammen, um über das Einzelne Licht zu bekommen; in der Allheit ihrer Erscheinungsarten suchen Sie den Erklärungsgrund für das Individuum auf. Von der einfachen Organisation steigen Sie, Schritt vor Schritt, zu der mehr verwickelten hinauf, um endlich die verwickeltste von allen, den Menschen, genetisch aus den Materialien des ganzen Naturgebäudes zu erbauen. Dadurch, daß Sie ihn der Natur gleichsam nacherschaffen, suchen Sie in seine verborgene Technik einzudringen. Eine große und wahrhaft heldenmäßige Idee, die zur Genüge zeigt, wie sehr Ihr Geist das reiche Ganze seiner Vorstellungen in einer schönen Einheit zusammenhält. Sie können niemals gehofft haben, daß Ihr Leben zu einem solchen Ziele zureichen werde, aber einen solchen Weg auch nur einzuschlagen, ist mehr werth, als jeden andern zu endigen, – und Sie haben gewählt, wie Achill in der Ilias zwischen Phthia und der Unsterblichkeit. Wären Sie als ein Grieche, ja nur als ein Italiener geboren worden, und hätte schon von der Wiege an eine auserlesene Natur und eine idealisirende Kunst Sie umgeben, so wäre Ihr Weg unendlich verkürzt, vielleicht ganz überflüssig gemacht worden. Schon in die erste Anschauung der Dinge hätten Sie dann die Form des Nothwendigen aufgenommen, und mit Ihren ersten Erfahrungen hätte sich der große Styl in Ihnen entwickelt. Nun, da Sie ein Deutscher geboren sind, da Ihr griechischer Geist in diese nordische Schöpfung geworfen wurde, so blieb Ihnen keine andere Wahl, als entweder selbst zum nordischen Künstler zu werden, oder Ihrer Imagination das, was ihr die Wirklichkeit vorenthielt, durch Nachhülfe der Denkkraft zu ersetzen, und so gleichsam von innen heraus und auf einem rationalen Wege ein Griechenland zu gebären. In derjenigen Lebensepoche, wo die Seele sich aus der äußern Welt ihre innere bildet, von mangelhaften Gestalten umringt, hatten Sie schon eine wilde und nordische Natur in sich aufgenommen, als Ihr siegendes, seinem Material überlegenes Genie diesen Mangel von innen entdeckte, und von außen her durch die Bekanntschaft mit der griechischen Natur davon vergewissert wurde. Jetzt mußten Sie die alte, Ihrer Einbildungskraft schon aufgedrungene schlechtere Natur nach dem besseren Muster, das Ihr bildender Geist sich erschuf, corrigiren, und das kann nun freilich nicht anders als nach leitenden Begriffen von Statten gehen. Aber diese logische Richtung, welche der Geist bei der Reflexion zu nehmen genöthigt ist, verträgt sich nicht wohl mit der ästhetischen, durch welche allein er bildet. Sie hatten also eine Arbeit mehr: denn so wie Sie von der Anschauung zur Abstraction übergingen, so mußten Sie nun rückwärts Begriffe wieder in Intuitionen umsetzen , und Gedanken in Gefühle verwandeln, weil nur durch diese das Genie hervorbringen kann.

So ungefähr beurtheile ich den Gang Ihres Geistes, und ob ich Recht habe, werden Sie selbst am besten wissen. Was Sie aber schwerlich wissen können (weil das Genie sich immer selbst das größte Geheimniß ist ), ist die schöne Uebereinstimmung Ihres philosophischen Instinctes mit den reinsten Resultaten der speculirenden Vernunft. Beim ersten Anblicke zwar scheint es, als könnte es keine größeren Opposita geben, als den speculativen Geist, der von der Einheit, und den intuitiven, der von der Mannigfaltigkeit ausgeht. Sucht aber der erste mit keuschem und treuem Sinn die Erfahrung, und sucht der letzte mit selbstthätiger freier Denkkraft das Gesetz, so kann es gar nicht fehlen, daß nicht beide einander auf halbem Wege begegnen werden. Zwar hat der intuitive Geist nur mit Individuen und der speculative nur mit Gattungen zu thun. Ist aber der intuitive genialisch, und sucht er in dem Empirischen den Charakter der Nothwendigkeit auf, so wird er zwar immer Individuen, aber mit dem Charakter der Gattung erzeugen: und ist der speculative Geist genialisch, und verliert er, indem er sich darüber erhebt, die Erfahrung nicht, so wird er zwar immer nur Gattungen, aber mit der Möglichkeit des Lebens und mit gegründeter Beziehung auf wirkliche Objecte erzeugen.

Aber ich bemerke, daß ich anstatt eines Briefes eine Abhandlung zu schreiben im Begriff bin – verzeihen Sie es dem lebhaften Interesse, womit dieser Gegenstand mich erfüllt hat; und sollten Sie Ihr Bild in diesem Spiegel nicht erkennen, so bitte ich sehr, fliehen Sie ihn darum nicht.

Die kleine Schrift von Moritz, die Herr v. Humboldt sich noch auf einige Tage ausbittet, habe ich mit großem Interesse gelesen, und danke derselben einige sehr wichtige Belehrungen. Es ist eine wahre Freude, sich von einem instinctartigen Verfahren, welches auch gar leicht irre führen kann, eine deutliche Rechenschaft zu geben, und so Gefühle durch Gesetze zu berichtigen. Wenn man die Moritzischen Ideen verfolgt, so sieht man nach und nach in die Anarchie der Sprache eine gar schöne Ordnung kommen, und entdeckt sich bei dieser Gelegenheit gleich der Mangel und die Grenze unserer Sprache sehr, so erfährt man doch auch ihre Stärke, und weiß nun, wie und wozu man sie zu brauchen hat.

Das Product von Diderot, besonders der erste Theil, ist sehr unterhaltend, und für einen solchen Gegenstand auch mit einer recht erbaulichen Decenz behandelt. Auch diese Schrift bitte ich noch einige Tage hier behalten zu dürfen.

Es wäre nun doch gut, wenn man das neue Journal bald in Gang bringen könnte, und da es Ihnen vielleicht gefällt, gleich das erste Stück desselben zu eröffnen, so nehme ich mir die Freiheit, bei Ihnen anzufragen, ob Sie Ihren Roman nicht nach und nach darin erscheinen lassen wollen? Ob und wie bald Sie ihn aber auch für unser Journal bestimmen, so würden Sie mir durch Mittheilung desselben eine sehr große Gunst erzeigen. Meine Freunde so wie meine Frau empfehlen sich Ihrem gütigen Andenken, und ich verharre hochachtungsvoll

Ihr

gehorsamster Diener

F. Schiller.

Yaş həddi:
18+
Litresdə buraxılış tarixi:
13 noyabr 2024
Həcm:
1121 səh. 2 illustrasiyalar
ISBN:
9788027211739
Müəllif hüququ sahibi:
Bookwire
Yükləmə formatı:
Mətn
Orta reytinq 5, 1 qiymətləndirmə əsasında
Mətn PDF
Orta reytinq 0, 0 qiymətləndirmə əsasında
Mətn PDF
Orta reytinq 5, 1 qiymətləndirmə əsasında
Mətn
Orta reytinq 0, 0 qiymətləndirmə əsasında
Mətn PDF
Orta reytinq 0, 0 qiymətləndirmə əsasında
Mətn
Orta reytinq 0, 0 qiymətləndirmə əsasında
Mətn
Orta reytinq 0, 0 qiymətləndirmə əsasında
Mətn
Orta reytinq 0, 0 qiymətləndirmə əsasında
Mətn
Orta reytinq 0, 0 qiymətləndirmə əsasında
Mətn
Orta reytinq 0, 0 qiymətləndirmə əsasında
Mətn
Orta reytinq 0, 0 qiymətləndirmə əsasında
Mətn
Orta reytinq 0, 0 qiymətləndirmə əsasında
Mətn
Orta reytinq 0, 0 qiymətləndirmə əsasında
Mətn
Orta reytinq 0, 0 qiymətləndirmə əsasında
Mətn, audio format mövcuddur
Orta reytinq 0, 0 qiymətləndirmə əsasında