On the Road

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Dann geht Kerouac mit dem Paar aus. Jack flirtet mit ihr, und es geschieht das, was Nicosia, einer von Jacks Biographen, einen Wettkampf zwischen einem Pfau und einem Landstreicher nennt. Cru ist in seiner Marineuniform erschienen, Jack trägt einen alten Pullover. Frankie weiß Crus perfekte Umgangsformen zu schätzen, aber sie weiß auch, dass Cru noch andere Freundinnen hat. Außerdem schmeicheln ihr Jacks Komplimente.

Die Sommerferien verbringt Jack wieder in Lowell. Manchmal trampt er nach Boston, wo sein Freund Sammy Sampas im Park antifaschistische Reden hält. In diesem Sommer überfällt Hitler die Sowjetunion. In Amerika laufen die Kriegsvorbereitungen an. In Hollywood beschäftigen sich die Walt-Disney-Studios damit, militärische Insignien zu entwerfen.

Jacks Vater Leo, der lange Zeit als Drucker mal hier und mal dort gearbeitet hat, bekommt endlich eine feste Stelle als Linotypesetzer in New York, und die Eltern mieten ein Haus am Sund von Long Island, nahe New Haven.

In Columbia werden brauchbare Footballspieler rar. Lou Littles Quarterback hat sich freiwillig zur Marine gemeldet. Aber dann füllt Little das Hinterfeld mit älteren Semestern auf, und Jack sieht wieder einmal eine Saison vor sich, die er vorwiegend auf der Bank verbringen wird. Aus den Spannungen zwischen dem Trainer und ihm ist eine mehr oder minder offene Feindschaft geworden. Jack nimmt es Little übel, dass dieser seine italienische Abstammung verleugnet. Außerdem will der Trainer nicht mehr von seinem Versprechen wissen, Leo Kerouac einen Job in New York zu besorgen. Zu allem kommt, dass Jack genug vom American Football gesehen hat, um ernüchtert zu sein. Sport hat lange für ihn etwas mit bestimmten Idealen wie Fairness, Tapferkeit, Mut zu tun gehabt. Damit ist es vorbei. Das Schreiben wird immer wichtiger für ihn. Immerhin lädt er Frankie noch dazu ein, ihm beim Training auf Baker Field zuzuschauen. Als er sie nachts in der Wohnung ihrer schwerhörigen Großmutter besucht, vertraut er ihr seinen Frust über die -wie er findet - ungerechte Behandlung durch Lou Little an, und als der Trainer einige Tage später wieder an seiner Statur herummäkelt, hat sich sein Zorn so gesteigert, dass er von einem Augenblick zum andern alles hinwirft und die Universität fluchtartig verlässt.

In Brooklyn stellt er bei seinen Verwandten seine wenigen Habseligkeiten ab, dann fährt er zur Greyhound Station, kauft sich eine Fahrkarte und taucht ein in die amerikanische Nacht. Angeregt von der Lektüre Thomas Wolfes, hat Jack beschlossen, ehe er anfangen könne zu schreiben, müsse er Amerika erkunden. Das Geld geht ihm aus. Er fährt zu seinen Eltern nach New Haven. Vor allem Leo ist bitter enttäuscht, dass sein Sohn das Studium aufgegeben hat. Ein Bekannter besorgt Jack eine Stelle als Sportjournalist bei der Sun. Da er sich aber herzlich wenig um die Sportereignisse kümmert, über die er berichten soll, und sich statt dessen ausführlich mit den Romanen und der Erzähltechnik des inneren Monologs bei James Joyce beschäftigt, steht er bald wieder auf der Straße.

Dann kommt im Dezember die Nachricht vom japanischen Überfall auf Pearl Harbor. Jack ist an diesem Abend gerade im Kino gewesen und hat sich Citizen Kane von und mit Orson Welles angesehen.

Während sich die USA rasch in eine gewaltige Kriegsmaschinerie verwandeln, tritt Jack den Rückzug nach innen an. Stundenlang schmökert er in der öffentlichen Bücherei in Goethes Faust und in den Romanen Dostojewskis.

Das Werk des russischen Autors bleibt seine bevorzugte Lektüre während der nächsten Jahre. Jack imponiert der Gedanke, Leiden sei eine Voraussetzung für ein geschärftes Bewusstsein.

In einer Zeit, in der die meisten Amerikaner ihr neues Selbstvertrauen aus einem Krieg beziehen, legt Dostojewskij ihm nahe, dass der zivilisatorische Fortschritt nicht das A und O menschlicher Existenz sein könne. Wünsche, so liest Kerouac bei dem russischen Wahrheitssucher, seien stärker als die Einsichten des Verstandes. Wenn wir unseren Wünschen folgten, könnten wir unter Umständen in die Hölle geraten, aber immerhin würden wir dabei unsere Lebendigkeit spüren, spüren, dass wir leben. Der freie Wille des Individuums sei das vielleicht einzige Prinzip, das das Leben in einer blutrünstigen, nur angeblich zivilisierten, tatsächlich aber absurden Gesellschaft noch lebenswert mache.

Bis März 1941 ist Jack die ewigen Streitigkeiten mit Leo so leid, dass er nach Washington trampt, wo ein anderer Jugendfreund, G. J. Apostolakis, auf der Baustelle des Pentagon arbeitet. Er hat vorgeschlagen, Jack dort unterzubringen.

Für die Tätigkeit bei einer Firma für Stahlverkleidungen besitzt Jack keinerlei Erfahrungen. Häufig ist er während der Arbeitszeit betrunken. Manchmal verschwindet er für Stunden: das eine Mal, um zu schlafen, ein andermal, um Schwarzen beim Singen zuzuhören. Nach einigen dubiosen Abenteuern mit Frauen, von denen er sich aushalten lässt, kehrt er wieder nach Lowell zurück, deprimiert und entschlossen, sich in den Krieg zu stürzen. Seinem Freund Sammy Sampas muss er versprechen, keine Dummheiten zu machen. Aber dann trampen sie beide nach Boston, zechen, und Jack, der darüber vergisst, dass er sich schön zur Kriegsmarine gemeldet hat, lässt sich bei der Küstenwache einschreiben.

Bei einer Sauftour trifft er auf eine Gruppe von Matrosen der Handelsmarine, und am nächsten Morgen findet er sich als Küchenhilfe auf der S. S. Dorchester wieder.

Für diese Tätigkeit werden bei einem Acht-Stunden-Arbeitstag hundert Dollar im Monat bezahlt. Weitere hundert Dollar kommen als Kriegs- und Gefahrenbonus dazu.

Am 22. Juli 1942 läuft die Dorchester mit Geleitschutz nach Grönland aus. Sie bringt fünfhundert Bauarbeiter des Verteidigungsministeriums in die Arktis, hat aber auch größere Mengen Sprengstoff an Bord.

In Briefen an Freunde gibt Jack vor, das Leben auf hoher See wecke in ihm den von seinen bretonischen Vorfahren ererbten Seefahrerinstinkt. In Wahrheit lehren ihn die Torpedoangriffe deutscher U-Boote das Fürchten.

Ein andermal wird ein deutsches U-Boot mit Wasserbomben versenkt, und Jack versucht, sich in die Rolle des Küchenjungen auf dem Schiff des Feindes zu versetzen.

Natürlich ist er auch auf der Dorchester ein Außenseiter, zumal er viel liest und schreibt.

Messerstechereien unter der Besatzung jagen ihm Schrecken ein. Später wird er schreiben, auf der Dorchester sei er zum Pazifisten geworden. Kriege seien Wahnsinn, würden nur ausgetragen, damit einige wenige daran verdienten.

Im einzelnen sind die Erlebnisse auf dieser Fahrt in seinem letzten Roman Die Verblendung des Duluoz nachzulesen. Dort heißt es auch, er habe sich während der ganzen Fahrt äußerst elend gefühlt, wie ein Sklave auf einem Gefängnisschiff. Und im Traumtagebuch räumt er ein, ›dass die rauen Seeleute meine Kinderseele in dem Körper eines Erwachsenen sahen und meinen Geist brachen.‹19

In Kneipengesprächen wird er später erzählen, er sei von einem brutalen Maat sexuell missbraucht worden.

Als das Schiff seinen Bestimmungsort erreicht hat, dauert es lange, bis die Geräte, die zum Bau eines Flugplatzes bestimmt sind, ausgeladen sind.

Zusammen mit einem anderen Matrosen ersteigt Jack einen 3.000 Meter hohen Berg. Beim Abstieg lösen die beiden einen Erdrutsch aus. Sie können sich nur mit knapper Not davor retten, von den Geröllmassen in die Tiefe mitgerissen zu werden.

Ehe sie die Rückreise antreten, kommt die Nachricht, dass ein Schwesterschiff von den Deutschen versenkt worden ist.

Die Herbststürme lassen die unbeladene Dorchester wie einen Korken auf den Wellen tanzen.

Im Oktober 1942 läuft das Schiff wieder in den Hafen von Boston ein. Zwei Freunde - G.J. Apostolakis, der bei der Küstenwache untergekommen ist, und Sammy Sampas - warten auf Jack am Kai.

In Lowell findet er ein Telegramm von Lou Little vor. Es lautet: ›Du kannst in die Mannschaft zurückkommen, falls Du bereit bist, den Bullen bei den Hörnern zu packen.‹20

Kaum drei Tage von Bord, ist Jack schon wieder in Columbia, verdient sich sein Taschengeld mit Tellerwaschen, liest Hamlet und bereitet sich auf das große Spiel der Saison gegen Westpoint vor.

Mit einem Spieler der gegnerischen Mannschaft hat Jack noch eine private Rechnung zu begleichen. Auch deswegen liegt ihm viel daran, für dieses Spiel aufgestellt zu werden. Aber schon erhebt Little wieder Einwände: ›Du hast zu viel Gewicht verloren bei der Marine.‹

Zähneknirschend muss Jack sich das große Spiel von der Bank aus ansehen. Einige Tage später sitzt er in Gedanken versunken in seiner Studentenbude. Im Radio wird ein Beethoven-Konzert übertragen. Draußen schneit es. Von einem Augenblick zum anderen fasst er einen Entschluss. ›Unsinn‹, ruft er sich selbst zu, ›ich bin gar kein Football-Spieler. Ich bin ein Künstler.‹ Er wird danach nie mehr Football spielen.

Im Februar 1943 wird er zur Marine einberufen. Die Grundausbildung in Newport, Rhode Island, erscheint ihm als eine Zeit in der Hölle. Er macht sich über sinnlose Befehle lustig. Wache zu schieben findet er stupide, das Rauchverbot erscheint ihm als reine Schikane. Einmal, als seine nicht hinreichend auf Hochglanz polierten Stiefel beim Appell beanstandet werden, ruft er: ›Wer ist dieser Gentleman, der es wagt, mir zu befehlen, einen Fleck von meiner Schuhspitze abzuwischen? Ich bin von uraltem Adel. Meine Vorfahren haben am Hofe König Arthurs gesessen, und niemand hat gewagt, sie wegen mangelnder Sauberkeit zu rügen.‹21

Bald landet er in der Abteilung für Geisteskranke des Marinekrankenhauses Bethesda. Ein Offizier der Abwehr kommt zu seiner Vernehmung. Psychiater rätseln unterdessen über dem Manuskript seines Romans Die See ist mein Bruder und versuchen, anhand dessen seinen Geisteszustand zu analysieren.

 

Leo kommt seinen Sohn besuchen und ergeht sich vor den Ärzten in Tiraden über eine jüdisch-marxistische Weltverschwörung. ›Die Deutschen sind nicht unsere Feinde, sondern unsere Verbündeten,‹22 gibt er zum besten, eine Bemerkung, die gewiss nicht dazu beiträgt, die Ärzte davon zu überzeugen, dass die Äußerungen und Aktionen seines Sohnes nichts als die practical jokes eines harmlosen Spinners sind.

Jack behauptet inzwischen, er sei ab und zu der Engländer Samuel Johnson, er habe zu viel Verstand für einen Soldaten... sei zu sehr der Typ des Gelehrten, um es bei der Marine auszuhalten.

Im Mai 1943 erhält er endlich seinen ehrenvollen Abschied, nachdem sich die Psychiater darauf geeinigt haben, ihm Dementia praecox zu bescheinigen. Noch lange plagen ihn die Angstträume, in denen er sich im Irrenhaus eingesperrt sieht.

Daheim bei den Eltern ist die Lage im Frühsommer 1943 alles andere als rosig. Leo hat zwar Arbeit in einer Druckerei in der Canal Street in Manhattan gefunden, frönt aber wieder glücklos seiner Leidenschaft für Pferdewetten. Gabrielle kann froh sein, dass sie ihren Job als Lederzuschneiderin in einer Schuhfabrik hat.

Jacks neuen Freunden und Bekannten aus der New Yorker Boheme stehen die Eltern misstrauisch bis schroff ablehnend gegenüber. Leo lässt seinen Vorurteilen gegenüber Juden immer ungezwungener freien Lauf. Einmal, bei einem Spaziergang mit Gabrielle durch die Bowery, schlägt er auf einen Rabbiner ein und stößt ihn in den Rinnstein.

Jack spürt Frankie Parker, die sich neuerdings Edie (von Edith) nennt, auf dem Sommersitz ihrer Familie, einer vierstöckigen Villa in New Jersey, auf. Er macht einen guten Eindruck auf ihre Großmutter. Edie hat Sonnenbrand. Aber sie freut sich, ihn zu sehen. Bei einem Spaziergang auf der Uferpromenade geht Jack in einen Drugstore und kauft eine Hautcreme und Kondome. Edie geht mit ihm zum Strand, wo sie sich lieben. Sie wird wütend, als sie hört, dass er in einer Woche zur See fahren will.

Er verspricht ihr, nach seiner Rückkehr sofort zu ihr in ihre Wohnung nach New York zu kommen, die sie zusammen mit einer Freundin, der achtzehnjährigen Joan Vollmer Adams, gemietet hat.

Jack geht an Bord der S. S. George Weems, die mit einer roten Flagge am Mast nach Liverpool in See sticht. Während der Fahrt ist es ihm gestattet, die Schreibmaschine des Zahlmeisters zu benutzen. Er arbeitet weiter an dem Manuskript Die See ist mein Bruder.

Die Lektüre von Galsworthys Forsyte Saga hat ihn auf die Idee gebracht, eine Serie von Romanen zu schreiben, die sein gesamtes Leben erzählen sollen.

Der Stil scheint ihm dabei eher nebensächlich zu sein. Wichtig ist es ihm, die Ereignisse und Gedanken, die sich seinem Bewusstsein eingeprägt haben, mit absoluter Ehrlichkeit wiederzugeben. Das Eingeständnis aller Wünsche, Träume und Vorstellungen - auch der von der Gesellschaft tabuisierten - ist ein weiteres Stichwort, das auf das erst viel später ausformulierte Programm der Beat Generation hinweist.

Im Vorwort zu seinem Roman Big Sur schreibt Kerouac über den auf dieser Reise entwickelten Plan: ›Mein Werk umfasst eine immens lange Geschichte wie die von Proust. Der Unterschied besteht nur darin, dass meine Erinnerungen fortlaufend niedergeschrieben wurden und nicht im nachhinein auf einem Krankenbett. Da die Verleger meiner früheren Bücher Einwände erhoben haben, war es mir nicht gestattet, in allen Büchern dieselben Namen für die Romanfiguren zu verwenden.‹23 Er selbst hingegen, fährt Kerouac fort, betrachte die einzelnen Bücher als Kapitel des gesamten Werkes, das er The Duluoz Legend nennen werde. ›Ich beabsichtige, im Alter meine gesamte Arbeit durchzusehen und mein Pantheon an einheitlichen Namen wieder einzusetzen und glücklich zu sterben. Das Ganze fügt sich zu einer großen Komödie zusammen, die durch die Augen des armen Ti (ich) gesehen wird, im übrigen auch als Jack Duluoz bekannt. Die Komödie dreht sich um die Welt rasender Aktion, um die Verrücktheiten und auch um die zarte Süße, wie sie durch das Schlüsselloch meines Auges gesehen wird.‹24

An rasanten Aktionen mangelt es auch auf dieser Reise nicht. Kerouac ist nicht länger Küchenhelfer, sondern regulärer Matrose. Einmal sichtet er auf Wache eine Treibmine, aber man will ihm seine Beobachtung zunächst nicht glauben, weil man ihn für einen Spinner, hält. Er macht sich den Ersten Maat zum Feind. Der schikaniert ihn, wo er kann, scheucht ihn bei Sturm ins Krähennest oder befiehlt ihm ein andermal, in eines der ausgeschwenkten Rettungsboote zu springen. Auch einen Angriff deutscher Unterseeboote erlebt Jack während dieser Fahrt nach England. Er ist inzwischen gegenüber solchen Gefahren ziemlich stoisch geworden, da er weiß, dass ein Torpedo das Schiff mit seiner Bombenladung wie ein Feuerwerk hochgehen lassen würde.

Bei der Einfahrt in den Hafen von Liverpool ist der Kapitän betrunken, und das Schiff rammt ein Schwimmdock.

Zwei Tage Landurlaub nutzt Kerouac zu einer Fahrt nach London. Er trägt eine schwarze Lederjacke und einen Helm der Handelsmarine und dürfte in diesem Aufzug bei den Engländern einige Verwunderung, hervorgerufen haben. Angesichts des Hyde Parks fällt ihm Dr. Jekyll ein. In der Royal Albert Hall hört er ein Tschaikowsky-Konzert mit Barbirolli als Dirigenten.

Nach dem Konzert stolpert er in das verdunkelte London davon, auf der Suche nach einer Bar in Soho, und bandelt mit einer Prostituierten im Pelzmantel an, die ihn, während sie ihn bedient, gleich noch um seine Brieftasche erleichtert, so dass er sich das Geld für die Rückreise nach Liverpool leihen muss. Dort sucht er sich abermals eine Prostituierte und nimmt sie unter freiem Himmel, an ein Denkmal gelehnt.

In der Stadt hat er erzählen gehört, dass die Engländer sich unter anderem von Würsten ernährten, die aus Sägemehl und Kohlenstaub in der Badewanne hergestellt würden.

Nach einer stürmischen Rückreise über den Atlantik überkommt ihn ein Freudentaumel, als er die Skyline von Manhattan vor sich sieht. Mit der Lohntüte in der einen Hand und einem Bierglas in der anderen setzt er seine Kameraden noch mit einer feurigen Rede in Erstaunen.

Von einer U-Bahn-Station am Broadway läuft er bei strömendem Regen über den Campus von Columbia bis zu dem Haus an der 118th Street West, in dem Edie Parker und Joan Vollmer das Apartment 15 bewohnen.

Edie ist erstaunt, Jack wiederzusehen. So ganz hatte sie seinem Schwur vor der Abfahrt nicht getraut. Nun bereitet sie ihm seinen Lieblingssnack, Spargel mit Oliven in Mayonnaise. Danach lassen die beiden die Jalousien vor dem Fenster herunter und springen ins Bett.

Den Winter 1943 und 1944 lebt Jack fast ständig in der Wohnung von Edie Parker. Sie erinnert sich später: ›Wir nahmen die Hexenprozesse von Salem in unseren Gesprächen miteinander durch. Wir lasen Finnegans Wake zusammen. Jack versuchte ständig, in der Zeitung gewinnträchtige Pferde auszumachen. Er tat das fast jeden Tag - eines seiner vielen Spiele. Nie setzte er Geld auf Pferde, im Unterschied zu seinem Vater Leo, der immer verlor. Jacks Pferde gewannen, aber das wusste Leo nicht.‹25

Nur Liebesidylle eines abgemusterten Seemanns und einer Kunststudentin ist das Leben in diesen Monaten nun auch nicht. Von Henry Cru erfährt Jack, dass Edie in seiner Abwesenheit eine Abtreibung hat vornehmen lassen. Sie wusste nicht, ob Cru oder Jack der Vater des Kindes war, und als sie im vierten Monat war, hat sie schließlich mit ihrer Großmutter gesprochen, die ihr das Geld gegeben hat. Bei dem fortgeschrittenem Stadium der Schwangerschaft war es eine schwierige Operation. Man hat Edie gesagt, dass es der Fötus eines männlichen Kindes gewesen ist.

Jack ist entsetzt und wütend, als er von der Abtreibung erfährt. Er sagt, er hätte sich über ein Kind gefreut. Edie hält ihm vor, er habe ihr von unterwegs nicht einmal geschrieben. Außerdem schätze er die Schwierigkeiten, ein Kind großzuziehen, nicht realistisch ein. Als ob sie nicht genügend Geld von ihren Eltern erben würde, mault Jack, worauf sie seinen Wunsch nach einem Kind als das Verlangen nach narzisstischer Selbstbestätigung diagnostiziert.

Anfang 1944 erfährt Kerouac, dass Sammy Sampas in Enzio an der italienischen Front verwundet worden und kurz darauf in einem Lazarett in Nordafrika gestorben ist - derjenige unter seinen Jugendfreunden, der ihm in seinem unschuldigen Idealismus am nächsten gestanden und der am meisten zu seiner Entwicklung beigetragen hat.

Während Jacks Abwesenheit hat Edie Lucien Carr in einer Bar im West End kennengelernt. Ein blonder, wunderschöner Junge, der wie Rimbaud redet, schwärmt sie Jack vor. Carr hat eine schöne und ebenfalls auffällig blonde Freundin, Celine Young. Die beiden treffen sich häufig in Edies Apartment: zu einem Liebesstündchen. Edie erzählt Jack auch von Carrs sonderbarer Beziehung zu dem rotbärtigen David Kammerer. Sie vermutet, dass Carr mit seiner Freundin deshalb zu ihr kommt, um nicht Kammerers Eifersucht zu erregen. Jacks erster Eindruck, nachdem er Carr getroffen hat: ›Eine bösartige kleine Giftspritze.‹26

Über Carr lernt Jack William Burroughs und Allen Ginsberg kennen.

Wie Jack ist Edie an ungewöhnlichen Menschen interessiert und teilt Jacks Begeisterung für Musik. In einem Club in Harlem hören sie Billie Holiday und unterhalten sich auch ein paarmal mit der Sängerin. Ins Minton oder in den Cotton Club begleitet sie Jacks Klassenkamerad aus dem Vorkurs.

Jack fährt inzwischen voll und ganz auf Bebop ab. Im Three Deuces hören sie Parker, Gillespie und Slam Steward. Jack schlägt zur Musik einen unsichtbaren Bass und dudelt manchmal in einem Scat-Gesang mit. Er macht Edie auf den Pianisten Art Tatum aufmerksam, aber sie hören auch Leadbelly mit seinen ländlichen Blues und seinen Worksongs.

Immer intensiver werden Jacks Beziehungen zur Jazzmusik und sein Wunsch, so zu schreiben, wie diese Musiker, spielen, wird wohl in diesen Monaten entstanden sein. Gerard Nicosia schreibt dazu: ›Obwohl Bop ein Herzschrei war, konnte er nur von Musikern mit großer technischer Virtuosität gespielt werden. Mit Wyses Hilfe lernte Jack die Feinheiten dessen begreifen, was diese Musiker ausdrücken wollten. Das Ergebnis war, dass er ein eigenes Bop-Gehör für die einzigartigen Töne in seinem Kopf entwickelte. Es sollte noch Jahre dauern, ehe er lernte, seine ganz persönliche Musik zu spielen - das heißt, sie zu Papier zu bringen, so dass auch andere sie hören konnten.‹27

Edie würde Jack gern heiraten, aber immer, wenn sie auf dieses Thema zu sprechen kommt, stellt er sich taub. Hin und wieder fährt er zu seinen Eltern, bei denen er es aber nie lange aushält, und kommt jedesmal in Edies Wohnung nach New York zurück.

Mit Edie besucht er schließlich ihren verwitweten Vater und ihre Tante in Grosse Pointe. Zum ersten Malunter die Superreichen versetzt, stellt er fest, dass sie keineswegs ein Leben führen, wie er es sich wünscht. Im Mai kehrt er allein in den Osten zurück. Unterwegs legt er in Ashville, dem Geburtsort von Thomas Wolfe, einen Aufenthalt ein und trinkt einen Abend lang mit dessen älterem Bruder. Der Plan, in New Orleans ein Schiff zu finden und als Matrose anzu heuem, zerschlägt sich. Als er nach Manhattan in die 118th Street zu Edie kommt, wird er mit offenen Armen aufgenommen.

Edie ist gerade dabei, sich von ihrer reichen Verwandtschaft abzunabeln. Sie arbeitet im Hafen von New York, fährt dort einen Gabelstapler.

Unter den Männern, die Jack durch Lucien Carr kennenlernt und die er als ›vorsätzlich pervers‹28 bezeichnet - Männer die ihn verstandesmäßig abstoßen, emotional aber faszinieren, kommt die Angewohnheit auf, sich in literarischen Anspielungen zu unterhalten und sich die Namen von Gestalten aus Gedichten und Romanen zu geben. Lucien Carr nennen sie ›das Kind des Regenbogens‹, einen zweiten Rimbaud; seine Freundin wird zu Hans Castorps russischer Geliebter aus dem Zauberberg, der katzenäugigen Madame Chauchat, Edie zu Nastasja aus Dostojewskijs Idiot, jener Kurtisane, über deren Untreue Fürst Myschkin dem Wahnsinn verfällt. Voller Misstrauen, wie es in jedem Canuck steckt, fragt sich Kerouac, was dieser Burroughs, was Carr und Kammerer und der junge Ginsberg, ›diese böse und intelligente Handvoll Bastarde und Scheiße‹29, wie er sie später einmal wütend nennen wird, in ihm sehen. Die Antwort ist einfacher und schmeichelhafter, als er denkt: Sie wittern seine literarische Begabung. Außerdem sind sie wohl wissend um ihre eigene Gebrochenheit - von seiner lebensoffenen Naivität und seiner Neugier angetan. Und da die meisten homosexuell sind, ist nicht selten eine gewisse erotische Schwärmerei für den gutaussehenden und wagemutigen jungen Mann im Spiel.

 

Edie leidet unter Jacks Rastlosigkeit. Überhaupt ist ihre Beziehung nicht so glücklich, wie sie sich selbst und andere glauben zu machen versuchen. Wenn sie Musik hören gehen, trinkt Jack zu viel und raucht neuerdings Marihuana. Er hat immer noch Zweifel, ob er sich fest binden soll... und dann auch noch ein Mädchen aus einer Familie mit so viel Geld. Es ist ihm unangenehm, dass er sich von Edie aushalten lassen muss. Jobs hat er bestenfalls auf kurze Zeit. Die Beziehungen zwischen seinen Eltern und Edie sind spannungsreich. Leo beleidigt Edie, nennt sie eine Schlampe, Gabrielle beklagt sich über Edies unkeusche Ausdrucksweise und hält ihrem Sohn vor, das Mädchen sei zu wild, um ihm je eine treue Ehefrau zu sein. Jack geht das alles auf die Nerven.

Noch immer steht er der Welt seiner Boheme-Freunde mit einer gewissen Skepsis und abwartender Distanz gegenüber. Äußere Ereignisse werden ihm schließlich die Entscheidung abnehmen. Im schwülen Sommer des Jahres 1944 wird er endgültig zu einem Teil jener Gruppe der ›Unterirdischen‹, die sich in Manhattan zwischen Columbia und dem Times Square zusammengefunden hat.

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