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Stufe II Abschlussjahr vor der Hochschulreife

Hier werden die wissenschaftspropädeutischen Aspekte der Metapher erschlossen («Metaphern in der Wissenschaft»). Dieser Zugang kann direkt erfolgen, indem man die Grundlagen der Metaphernreflexion rasch durchläuft und zur Behandlung der wissenschaftlichen Metaphern hinführt. Es ist aber auch möglich, die Grundlagen der gedankenleitenden Wirkung der Metapher früher einzuführen und die wissenschaftspropädeutische Ausweitung im 12. Schuljahr anzuschliessen.

Metaphern:

 Stammbaum und Darwinismus

 Genetik

 Gedächtnis

 Geschlechtsmetaphern

 Ökologie

 Metaphernreflexion wirkt am stärksten, wenn die Lernenden das Sachgebiet, aus dem die Metaphern stammen, aus dem Sachunterricht schon kennen. Sprachunterricht soll also nicht biologischen Stoff wie Darwinismus, Ökologie oder Genetik (in sachlich inkompetenter Weise) vermitteln, um ihn dann noch sprachlich zu reflektieren.

 Der thematisch gebundene Einsatz in den Themen Ökologie, Darwinismus oder Ökonomie macht auch die punktuelle Zusammenarbeit mit einer Lehrperson aus den Fächern Biologie, Geschichte oder Wirtschaft möglich, die in Zweifelsfällen Sachwissen beisteuern kann. Das ausführliche Material zu diesen Themen lädt aber auch zu einem Einsatz in einem fächerübergreifenden Themenkurs, einer Studienwoche o. Ä. ein.

 Bei der Auswahl der Metaphern wurde darauf geachtet, dass sie aus der Erfahrungswelt der Lernenden oder aus dem Wissenskanon der Sekundarstufe II stammen. Besonderes Gewicht wurde auf Metaphern gelegt, die eine Bedeutung für die Mensch-Umwelt-Beziehung besitzen.

Fächerübergreifendes Denken durch Metaphernreflexion: Einleitendes zur Methode
1. Metaphernreflexion im gymnasialen Deutschunterricht

Liest man Lehrbücher des Sachunterrichts mit sprachkritischem Blick, so tritt man in eine Welt der Metaphern ein: Da finden wir etwa in der Biologie «Stoffkreisläufe» und «Energieflüsse», «Nahrungsketten», ökologische «Nischen» und «Netze». Zellen sind «Grundbausteine», Gene «Texte», und die Geschichte des Lebens wird im Bild des Stammbaumes dargestellt. Im Wirtschaftslehrbuch stösst man auf Metaphern wie «Wachstum» und «Strategie», «Marktanteile», «Geldflüsse» und «Steuerfüsse»; Unternehmen sind «Schiffe», «Pflanzen» oder «Maschinen». Auch die Informatik baut ihre zentralen Begriffe auf Metaphern. Man denke nur an ihre «Netze», «Speicher» und «Viren».

Metaphernblindheit im Sachunterricht

Die Fähigkeit der Metapher, Ungegenständlichem plastische Gestalt zu verleihen, macht sie in allen abstrakten Sinnbereichen unverzichtbar. Beim Lesen von Sachtexten aber erweisen sich Lernende (und nicht nur sie!) als weitgehend blind für Metaphern. Durch häufigen Gebrauch verblassen Metaphern und geben einen trügerisch direkten Blick frei auf die Dinge. Diese Metaphernblindheit im Sachunterricht widerspiegelt die traditionelle Ausrichtung der schulischen Sprachbetrachtung. Der Deutschunterricht beschränkt sich meist auf die literarischen Aspekte der Metapher. Seltener gelangt auch die manipulative Funktion metaphorischer Rede, etwa in der politischen Rhetorik oder der Werbung, ins Blickfeld der Sprachbetrachtung.

Metaphernreflexion als Zugang zum fächer­übergreifenden Denken

Dieses Lehrmittel geht über diese angestammte Wertung der Metapher hinaus. Es macht Lernende mit ihrer kognitiven, Erkenntnis schaffenden und lenkenden Funktion vertraut, wie sie in der Alltagssprache und in der Wissenschaft wirkt. Fachsprachenforschung, Wissenschaftsphilosophie und -soziologie der letzten Jahrzehnte haben der Einsicht Geltung verschafft, dass Metaphern für den Aufbau und die Vermittlung von Wissen unverzichtbar sind (Blumenberg 1971, Bono 1990, Danneberg 1995, Debatin 1996, Hesse 1995, Niederhauser 1995, Maasen u. Weingart 2000, Liebert 2002). Metaphernreflexion, wie sie dieses Lehrmittel vorschlägt, schliesst an diese Erkenntnisse an. Sie richtet sich auf nicht-literarische Metaphern und betrachtet diese, als ob sie literarische, also deutungsbedürftige rhetorische Figuren wären (z.B. Gedächtnis als Speicher, Gen als Text). Indirekt eröffnet sie damit auch einen Zugang zum fächerübergreifenden Denken.

Sprachkritik als Ideologie­kritik und als Hermeneutik der Fachsprachen

Metaphernreflexion dieser Art hat ihren Ort im Deutsch- oder Philosophieunterricht. Sie verfährt interdisziplinär, indem sie die geisteswissenschaftliche Methode der Sprachbetrachtung (Hermeneutik) auf Sachtexte und Alltagsfelder ausdehnt, die gewöhnlich von sprach- und ideologiekritischer Betrachtung ausgeschlossen bleiben.

Diese Ausweitung der Zuständigkeit des Fachs Deutsch (und Philosophie) kann bei Lernenden zunächst Irritation und Widerstand auslösen, der kulturell eingespielte Wahrnehmungsgewohnheiten zum Ausdruck bringt («Was haben Sachtexte im Sprachfach zu suchen?»). Ihre Überwindung aber gewinnt in der Metaphernreflexion ein Verfahren, das auf alle Fachsprachen übertragbar ist. Im Unterschied zu anderen Formen des fächerübergreifenden Unterrichts, etwa dem Projektunterricht oder dem Teamteaching, bedarf Metaphernreflexion keiner besonderen schulischen Organisationsformen (obwohl Teamteaching von Fall zu Fall als Ergänzung möglich ist). Ihre Interdisziplinarität ist vorab Interdisziplinarität «im Kopf».

2. Metaphern schlagen Brücken und erhellen das Disziplinendenken
a. Analogien erkennen

Metaphern sind diskursübergreifend

Metaphern schlagen Brücken zwischen Gegenstandsbereichen, die im gewohnten Sprachgebrauch getrennten Kategorien angehören, aber durch Ähnlichkeits- oder Analogiebezüge verbunden sind. Beispiele: «Das Vermögen wächst» verbindet Geld mit der Welt der Pflanzen, die Standardmetapher «Der Mensch ist ein Wolf» schlägt eine Brücke zwischen Mensch und Tier. Metaphernreflexion folgt der Übertragungsfunktion, die der Metapher ihren Namen verleiht (metaphorá geht zurück auf: metá=herüber und phérein=tragen). Der bewusste Umgang mit Metaphern leitet Lernende dazu an, Analogien zwischen getrennten Wissensgebieten zu erkennen, aber auch die Unterschiede zwischen ihnen (Dysanalogien) wahrzunehmen.

Metaphernreflexion eröffnet einen anderen Umgang mit Begriffen, als ihn die auf Aristoteles zurückgehende Begriffslogik vorgibt, die für die neuzeitliche Wissensform bestimmend ist (Satz der Identität, Satz des auszuschliessenden Widerspruchs und Satz vom ausgeschlossenen Dritten). Während die neuzeitliche Wissenschaft distinkte Gegenstände festhält (z.B. Tiere, Pflanzen, Menschen, Steine) und sie nach Gattungen, Arten, Unterarten etc. ordnet – und damit auch für die Ausbildung von Disziplinen verantwortlich ist – vollzieht das Analogiedenken die Zuordnung quer durch die Gattungen bzw. Arten, indem sie ihre Ähnlichkeiten festhält. Analogiedenken ist heute nicht nur in der Sprachform der Metapher präsent, es hat sich in den letzten Jahrzehnten auch in der Theorie der fuzzy logic (Mengenlehre) und der Selbstähnlichkeit (Fraktale in der Mathematik und Physik) etabliert, ebenso wie in der Mehrweltentheorie der Quantenphysik (Licht besitzt sowohl Teilchen- als auch Wellennatur) (Gloy 2001).

Anleitung zum «analogen und vernetzten Denken»

Schulische Sprachreflexion bietet eine Chance, die «kalkulierte Absurdität» der Metapher zu durchschauen und eine «geregelte Identifikation von Verschiedenem» zu erlernen (Gloy 2001, S. 323). Sie nimmt damit die Ansprüche des heutigen Bildungswesens auf, die, wie z.B. das Schweizerische Maturitätsreglement (MAR 5.2.), eine Schulung des «analogen und vernetzen Denkens» fordern.

b. Wissenschaftspropädeutik

Der gedankliche Vollzug der Metapher setzt eine diskursübergreifende Denkbewegung in Gang, die man – wenn man sie sich bewusst macht – auch zum Erlernen fächerübergreifenden Denkens nützen kann. Der Weg dazu führt über eine stufengerechte Form der Wissenschaftspropädeutik.

Wissenschaftspropädeutik als Anleitung zum fächer­übergreifenden Denken

Die erste Einübung in die Grundbegriffe und Methoden spezialisierter Fachwissenschaft (wenn auch nicht in die wissenschaftliche Forschung) erfolgt auf der Sekundarstufe II meist über faktenorientierte Hand- und Schulbücher und zumeist ohne erkenntniskritische Reflexion der fachspezifischen Theorien und der sie begleitenden Metaphern und Bilder. Die Bildungsforschung ist sich weitgehend einig, dass diese wissenschaftspropädeutischen Grundlagen nicht erst im Universitätsstudium, sondern parallel zum Aufbau disziplinärer Kompetenz vermittelt werden sollten (Defila, Di Guilio 1996, 131; Schneider 1988 und 1993; Lepenies 1991, 157; Habel 1990).

Die Methode dieses Lehrmittels geht von der Annahme aus, dass auch begrifflich verfestigte, «verblasste» oder «tote» Metaphern einen Teil ihrer Metaphorizität bewahren (vgl. Körper«bau» oder Nahrungs«kette»). Das Mittel zu ihrer «Wiederbelebung» ist die Reflexion der Analogiebezüge, die der Metapher zu Grunde liegen. Diese Reflexion zielt darauf ab, die metaphorischen Implikationen, die im Fachbegriff wirken, ohne aber bewusst kontrolliert zu werden, ins Bewusstsein zu rufen. Gelingt dies, so erreicht man eine Selbsterhellung der Wissenschaft, welche die Reichweite und Grenzen wissenschaftlicher Begriffe sichtbar macht. Beispiele: Die Kennzeichnung der Zelle als «Grundbaustein» hebt die Bauweise des Organismus hervor, blendet aber z.B. seine Schmerzfähigkeit aus. Die Speichermetapher der Neurologie lenkt die Aufmerksamkeit auf die Memorierkapazität des Gehirns, übersieht aber, warum welche Inhalte gespeichert werden.

 

Die pädagogische Relevanz der Metaphernreflexion liegt darin, dass sie Lernenden auf einer frühen Stufe disziplinärer Prägung den Zusammenhang zwischen Sprache (als Mittel der Wirklichkeitskonstruktion) und Wissenschaft anschaulich macht. Sie liefert einen Beitrag zur Allgemeinbildung, indem sie die impliziten Annahmen wissenschaftlicher Fragestellungen (hidden assumptions) freilegt, Grundbegriffe (in ihrer intra- und extradisziplinären Bedeutung) beleuchtet, Problemdefinitionen (und die Problemausblendungen) und die daraus folgende Aspekthaftigkeit des Wissens ins Bewusstsein der Lernenden ruft.

c. Ideologiekritik

Metaphernreflexion als Aufklärung und Ideologiekritik

Metaphernreflexion dieser Ausrichtung macht die Perspektivität und Relativität des disziplinären Zugangs bewusst und hebt den «Denkzwang» der Metapher zumindest teilweise auf. Sie lässt sich deshalb mit Gewinn auch auf Metaphern ausdehnen, die nicht zu Fachbegriffen im strengen Sinn geworden sind, aber dennoch Irrtümer und Mythen mitführen können. Man denke etwa an Körper- und Gesundheitsmetaphern (wie Maschine oder Gleichgewicht), an Unternehmensmetaphern (wie Organismus oder Familie) oder die sog. absoluten Metaphern für Sinnbereiche wie Natur oder Zeit (z.B. Zeit als Geld, Fluss oder Baum), die in diesem Lehrmittel behandelt werden. Metaphernreflexion dieser Art ist Aufklärung über Sprache und Ideologiekritik zugleich.

Ein solches Postulat der Metaphernreflexion im gymnasialen Sprachunterricht verlangt zunächst nach einer genaueren Differenzierung des Metaphernbegriffs. Genauere Hinweise zur Funktion der Metapher in der Wissenschaft und für das interdisziplinäre Denken folgen in den Abschnitten 4 und 5 dieser Einführung.

3. Die wichtigsten Metapherntheorien im Überblick

Seit über Metaphern nachgedacht wird, wird auch über sie gestritten. Der Ansatz dieses Lehrmittels nimmt Elemente verschiedener Theorien auf. Ihre Bedeutung für die Metaphernreflexion im Sprachunterricht wird im Folgenden kurz vorgestellt.

a. Die Substitutions- und Vergleichstheorie

Artistoteles, der Begründer der Substitutionstheorie, nennt die Metapher «die Übertragung eines fremden Nomens». Er versteht darunter die Übertragung eines Wortes, das «eigentlich» an eine andere lexikalische Stelle gehört. Ein Beispiel: «Das Alter, der Abend des Lebens». Die metaphorische Übertragung folgt Analogie- oder Ähnlichkeitsrelationen: So wie sich das Alter zum Leben verhält, so verhält sich der Abend zum Tag.

Metapher als Störung der sprachlichen ­Ordnung

Nach Aristoteles drückt die Metapher eine «Störung der sprachlichen Ordnung» aus. In dieser Störung aber bringt sie die Erkenntnis einer Verwandtschaft der Dinge zum Ausdruck (Kurz 1988, S. 11). Aristoteles unterstellt, dass das, was die Metapher sagt, auch direkt gesagt werden könne, die metaphorische Aussage also ohne Verlust paraphrasierbar sei. Beispiel: «Achill ist ein Löwe». Der Lüge und dem Spiel verwandt, gilt die Metapher vor allem als Mittel der poetischen und persuasiven Rede.

Metapher als verkürzter Vergleich

Bei Quintilian finden wir die Metapher als verkürzten Vergleich. Anders als in einem ausformulierten Vergleich fehlt hier die Angabe des Tertium comparationis, dessen, was den verschiedenen Gegenständen gemeinsam sein soll. Die Metapher «Der Mensch ist ein Wolf» ergibt dann einen Sinn, wenn gemeinsame Merkmale von Mensch und Wolf wie Bösartigkeit und Hinterlist erkannt werden. Die Ähnlichkeitsrelation bleibt aber in der Metapher implizit, ihr Erkennen dem subjektiven Verstehensakt überlassen. Die Vergleichstheorie ist insofern ein Sonderfall der Substitutionstheorie, als sie suggeriert, dass die metaphorische Aussage durch einen wörtlichen Vergleich ersetzt werden könne.

 Die aristotelische Substitutionstheorie begründet eine bis heute wirksame Tradition, wonach Metaphern vor allem dem ästhetischen oder persuasiven Gebrauch angehören. In der Substitutionstheorie sind Wörter Etiketten für Dinge, deren Unterscheidung in einer vorsprachlichen Ordnung begründet liegt. Dieser alltagslogische Realismus ist bei Lernenden verbreitet. Metaphernreflexion kann (und soll) ihn hinterfragen und Lernenden die Sprache als Denk- und Erkenntnismittel erschliessen.

 Die Substitutionstheorie unterscheidet zwischen wörtlichem und metaphorischem Sprachgebrauch. (Beispiel: «Achill ist ein Löwe» = metaphorisch; «Achill ist mutig» = wörtlich.) Diese Unterscheidung ist auch im didaktischen Zusammenhang möglich. Die «wörtliche» Bedeutung der Begriffe ist aber nach heutigem Verständnis nicht wie bei Aristoteles in einer vorsprachlichen Ordnung begründet. Seit Saussure werden sprachliche Zeichen als arbiträr und konventionell beschrieben. Die «wörtliche» Bedeutung ist durch den Gebrauch in der Sprachgemeinschaft festgelegt und im Lexikon fixiert.

b. Semantische Theorien der Metapher
Die Interaktionstheorie

Die heutigen Diskussionen der Metapher gehen im Allgemeinen zurück auf Max Blacks Interaktionstheorie (Black 1954). Nach Black wird in der Metapher das sog. Fokus-Wort auf den sog. Rahmen, den Aussagezusammenhang, übertragen. (Weinrich hat später für diese Unterscheidung die anschaulicheren Begriffe «Bildspender» und «Bildempfänger» eingeführt, die im Folgenden verwendet werden.) Durch die Übertragung wird die wörtliche Bedeutung des Bildempfängers verändert. In der Metapher «Der Mensch ist ein Wolf» erhält der Mensch Züge eines Wolfes. Gleichzeitig wirkt dieser neue Verwendungszusammenhang aber auf den Bildspender zurück. (Der Wolf erhält menschliche Züge.) Der Sinn metaphorischen Redens ist es aber nicht, stabile Bedeutung zu schaffen, sondern kontextabhängige Bedeutungseffekte zu erzeugen, die zum Nachvollzug auffordern. Eine Metapher wird verstanden, wenn es gelingt, ein «System von miteinander assoziierten Gemeinplätzen», die mit der wörtlichen Bedeutung des Bildspenders (des Wolfes) einhergehen, auf den Bildempfänger (den Menschen) zu beziehen. Geheimnis und Rätsel der

Metapher als ­Wahrnehmungslenkung

Metapher liegen in der «Resonanz» (Black 1977, S. 389), die im Zusammenwirken der beiden Bedeutungsfelder entsteht. Die durch die Metapher erzeugten Bedeutungseffekte sind kreativ und unabsehbar, da die gesamten Implikationen der beteiligten Begriffe interagieren.

Die gedankenleitende Wirkung der Metapher

Mit dem Verstehen einer Metapher geht eine Wahrnehmungslenkung einher, die im Rahmen dieses Lehrmittels als die gedankenleitende Wirkung der Metapher bezeichnet wird. Black vergleicht den Bildspender der Metapher mit einem Filter, die mit ihm assoziierten Gemeinplätze als die Linien, die den Durchblick auf den Bildempfänger eröffnen. Metaphern heben Einzelaspekte einer Sache hervor und blenden andere aus. Im Beispiel «Der Mensch ist ein Wolf» werden alle jene Eigenschaften des Menschen hervorgehoben, über die sich in der «Wolf-Sprache» reden lässt – das heisst das Wilde, Raubtierhafte und Verräterische – während diejenigen, für die das nicht möglich ist – sie umfassen alles Zivilisierte am Menschen – in den Hintergrund treten. Black bezeichnet diesen Vorgang als «Gesetz der Projektion» (Black 1954, 72).

Im Gegensatz zur Substitutions- und Vergleichstheorie schreibt Black der Metapher eine kognitive Funktion zu. Die Interaktionstheorie macht deutlich, warum Metaphern in vielen Fällen nicht ohne Verlust durch wörtliche Ausdrücke ersetzbar sind. Erläutern kann man Metaphern ebenso schlecht wie den Witz eines Witzes. Ihr Gebrauch zielt auf eine Wahrnehmungsänderung und kann neue Sichtweisen eröffnen.

Kognitive Metapherntheorie

Verbreitete Anerkennung geniesst heute auch die kognitive Metapherntheorie (Lakoff und Johnson 1980, Lakoff 1987, Liebert 1992). Nach diesem Ansatz ist unser gesamtes Denken in Alltag und Wissenschaft von metaphorischen Konzepten geprägt. Hinter der in der Einzeläusserung fassbaren Lexemmetapher machen Lakoff und Johnson abstrakte Konzepte, sog. Bereichsmetaphern, aus, die unbewusst unsere Wahrnehmung lenken und bestimmte Denkbahnen festlegen. Beispiel: Lexemmetaphern wie «Zeit sparen», «Zeit einsetzen», «Zeit gewinnen» verweisen auf die Bereichsmetapher «Zeit ist Geld», die im Hintergrund die Wahrnehmung und das Handeln steuert.

Textsemantischer Ansatz nach Weinrich

Metapher als Konterdetermination

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass die Metapher nicht als einfaches Wort, sondern immer erst in Verbindung mit dem Text verstanden werden kann. Harald Weinrichs textsemantischer Ansatz (1967) trägt der Beobachtung Rechnung, dass jedes Wort seine präzise Bedeutung erst im Kontext seiner Verwendung gewinnt. Nach Weinrich führt jeder Begriff eine Determinationserwartung mit sich, die durch den Kontext bestimmt wird. Der weit gespannte Begriff «Landschaft», zum Beispiel, eröffnet im Verwendungszusammenhang «Skandinavien» eine eingeschränkte Erwartungshaltung (man denkt z.B. an Nadelwälder und Seen), die sich von jener im Verwendungskontext «Nordafrika» unterscheidet (man denkt z.B. an eine Sandwüste). Erscheint nun das Wort «Landschaft» metaphorisch im Zusammenhang mit dem Wort «Seele» wie etwa in einem Gedicht von Verlaine: «Votre âme est un paysage», so entsteht nach Weinrich eine Konterdetermination, «weil die tatsächliche Determination des Kontextes gegen die Determinationserwartung des Wortes gerichtet ist.»(Weinrich 1967) Die Metapher wird demnach bestimmt als ein Wort in einem konterdeterminierenden Kontext.

Von der Metapher zum Begriff

Metaphern lassen sich semantisch nach dem Grad ihrer Usualität unterscheiden.

Neue Metaphern gelten im Allgemeinen als lebendig, frisch, kreativ, poetisch oder originell. Beispiele: «Der Schüler ist eine Trommel»; «Die Seele klonen».

Durch häufigen Gebrauch kommt der metaphorische Übertragungseffekt zur Ruhe und Metaphern gehen als Zweitbedeutungen in den Wortschatz ein. Sie werden lexikalisiert. Auf diese Weise bringen Metaphern Polysemien hervor. Meist kann dann nur noch die Etymologie an den Ursprung des lexikalisierten Wortes erinnern, wie zum Beispiel im Wort «Schloss», denn sowohl Schloss als Gebäude als auch Schloss als Türverriegelung haben etymologisch mit Verschliessen zu tun, Verschliessen der Tür und Verschliessen des Tals.

Derselbe Effekt tritt auch ein bei der Katachrese. Man hat kein Wort für einen Gegenstand und holt dann aus einem anderen Bereich ein Wort, das nun diese Funktion übernimmt, so zum Beispiel Motor«haube», Computer«maus», Berg«sattel». Konventionelle Metaphern werden meist als tot, schlafend oder erstarrt bezeichnet.

Lebende und tote Metaphern

Die Grenze zwischen konventionellen und neuen Metaphern ist fliessend. Tote Metaphern sind keine Metaphern mehr, sondern normale Wörter bzw. Begriffe.

«Begriff» wird in diesem Lehrmittel im Rahmen eines dreiseitigen Modells verstanden, wie es von Ogden und Richards 1923 im semiotischen Dreieck entworfen wurde.

Vom Zeichen, dem Laut- bzw. Schriftbild, führt kein direkter Weg zum Gegenstand. Diese Beziehung ist durch den Begriff vermittelt. Er bezeichnet die durch Merkmale ausdifferenzierte Vorstellung, die sich der Sprechende bzw. die Sprachgemeinschaft vom Bezugsobjekt macht. Das äussere Zeichen verweist auf den Begriff, der den reichen Bedeutungsraum von Denotation, Konnotationen und Assoziationen aufspannt, also auch Eigenschaften wie Vagheit und Polysemie einschliesst. Die Merkmale eines Begriffs werden im Sprachbenutzer bzw. der Sprachbenutzerin seit frühester Kindheit als Folge zahlloser Akte gelingender Kommunikation ausdifferenziert. Dies gilt vor allem für die Alltagsbegriffe. Fachbegriffe dagegen sind im Rahmen einer Terminologie durch ausdrückliche Definition normiert.


Begriffe sind klassenbildend

Vom Zeichen her gesehen ist der Begriff Träger einer Bedeutung (also Gegenstand der Semantik), vom konkreten Gegenstand her dagegen Träger einer Deutung (also Gegenstand der Onomasiologie). Begriffe sind sowohl verallgemeinernd (d.h. klassenbildend) als auch abstraktiv, indem sie nicht-klassenbildende Merkmale ausblenden. Beispiel: Der Wal gehört zur Klasse der Säuger, seine Fischmerkmale werden ausgeblendet. Begriffe widerspiegeln zudem die in einer Sprachgemeinschaft gültige Welteinteilung, die ihrerseits kulturelle Bedürfnisse und Handlungskontexte zum Ausdruck bringt. Beispiele sind Unterscheidungen wie «Kraut» – «Unkraut»; «Haustier» – «Schädling». Wenn Metaphern «sterben», kann eine «Ummöblierung» dieser Begriffsordnung stattfinden. Beispiele: «Maus» (Tier und Computerteil), «surfen» (Wassersport und Suche im Internet). Unser Lexikonwortschatz besteht zu einem beträchtlichen Teil aus «toten» Metaphern.

 

 Semantische Theorien können erklären, wie Metaphern durch Bedeutungserweiterung alter Wörter neue Sichtweisen auf die Wirklichkeit eröffnen. Sie machen verständlich, dass Metaphern (zwischen Aktiv- und Erloschensein) verschiedene Stufen semantischer Stabilisierung durchlaufen. Indem sie die in der Metapher wirksamen Vorgänge von Filterung und Projektion und damit die kognitive Wirkung von Metaphern beleuchten, können semantische Theorien die gedankenleitende Wirkung der Metapher beschreiben.

Im didaktischen Zusammenhang ist es fruchtbar, die von Black angesprochene «Resonanz» der Metapher semantisch durch das Zusammenwirken von Denotation, Konnotation und Assoziation von Begriffen bzw. Wörtern einzuführen.

Denotation entspricht der lexikalischen Bedeutung oder Hauptbedeutung, Konnotationen umfassen die allen Sprachbenutzenden normalerweise bekannten Nebenbedeutungen, Assoziationen individuelle Konnotationen (vgl. Löffler 1998, S. 60). Die beiden Letzteren kann man als «Implikationen» zusammenfassen.

Beispiel: «Strasse»: Denotation = «von Menschen angelegte Fahrbahn»

Konnotationen = «Lärm», «Öffentlichkeit», «Gestank»

Assoziationen = «Ameisen», «Fluss», «frieren»