Kitabı oxu: «Novemberzauber 1989»

Şrift:

Inga Droemer

Novemberzauber 1989

Was eine Erinnerung hinterlässt, ist nicht umsonst geschehen

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Klappentext

Was eine Erinnerung hinterlässt, ist nicht umsonst geschehen

Wieder mal Schwein gehabt-Sommerurlaub 89

Die Nacht der Nächte-Der 09. November 1989

Zeit der neuen Erfahrungen-DieWendezeit

Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. ODER: Das allererste mal

Nur ein Stück Draht

Völlig aus dem Häuschen-Silvester 89

In der Patsche sitzen---Februar 1990

Gedanken zu der Zeit, in der wir heute leben

Besuch von drüben kommt– Erinnerungen zu tiefsten DDR – Zeiten

Wir waren uns doch nie egal! Oder doch?

April, April, und das im Oktober

„Schade, dass ihr uns nicht besuchen könnt!“ – „Ach wirklich?“

Träumen darf man doch

Die Autorin

Impressum neobooks

Klappentext

Wohin die Reise geht, weiß wohl niemand zu dieser Zeit. Jeden Moment beginnen im Fernseher die 20Uhr Nachrichten, die Marie auf gar keinen Fall verpassen will. Als Mutter von drei kleinen Kindern muss sie sich deshalb mehr als sonst bei ihrer abendlichen Hausarbeit beeilen. Sie dreht sich unentwegt im Kreis, ist in Gedanken, um nichts der 1000 kleinen Dinge für den nächsten Tag zu vergessen. Beim wiederholten Blick auf die Küchenuhr lässt sie plötzlich alles stehen und liegen, wirft das blau karierte Geschirrhandtuch in die Ecke, greift nach ihrer Feierabendzigarette und sitzt damit eine Minuten vor acht pünktlich vor dem Fernseher. Schließlich geht es um ihr Land, die DDR. Was hier gerade passiert, ist wohl einzigartig in der Geschichte!

Dabei bekommt die damals Einunddreißigjährige in ihrem Sommerurlaub 89 mit ihrer Familie erst gar nichts mit von der Massenflucht der Menschen. Aufgewühlt ist sie über den Tag des 9. November 1989, über ihre unvergessenen Gefühle und die neue Zeit danach, wie sie lernen muss, täglich mit der westlichen Welt klarzukommen.

Was eine Erinnerung hinterlässt, ist nicht umsonst geschehen

Marie saß in diesen dunklen Novemberabenden tief bewegt und mucksmäuschenstill vor dem Fernseher. Sie duldete keine ständigen Zwischenreden ihres Mannes, wollte sich auch im Jahr 2016 die gewohnten Bilder des Mauerfalls ungestört ansehen. Schon nach kurzer Zeit rollte die erste Träne an ihren Wangen herunter, eine Gänsehaut nach der anderen zog kribbelnd über ihren Rücken. Sie kann sich noch zu gut an diesen besonderen Tag vor 27 Jahren erinnern, ihr einunddreißigster Geburtstag war gerade fünf Monate her. Die Ereignisse schienen sich zu überschlagen an diesem 09. November, die Berichterstattungen wollten den ganzen Tag über kein Ende nehmen, irgendetwas lag in der Luft, irgendetwas bahnte sich ja schon seit langem an. Die anfänglichen Massendemonstrationen mit den Rufen „Wir sind ein Volk!“ in Leipzig im September und davor die Massenflucht der Menschen über Ungarn in den Westen waren die historischen Vorboten für eine Veränderung an diesem besonderen Donnerstag. Aber das es zur Grenzöffnung kommen würde, konnte bis in die frühen Abendstunden hinein noch niemand ahnen.

Sie sah die bewegte, euphorische Menschenlawine im Fernseher, wie sie sich unaufhaltsam und vorsichtig von Ost nach West in die große Freiheit schob. Trabis rollten im Schritttempo und lautem Hupkonzert durch die Nacht in Richtung Grenzübergang Bornholmer Straße, vorbei an aufgewühlten Menschenmengen, die rechts und links am Straßenrand standen. Dieses Ereignis war ein noch nie dagewesenes Wirrwar zich tausender aufgewühlter Zeitgenossen, bei dem zum Glück keiner der DDR-Grenztruppen kopflos reagierte und die Nerven verlor.

Noch niemand konnte zu der Zeit so richtig glauben und begreifen, was da eigentlich gerade passierte. Angetrieben mit dem Sog der Anderen, dem Mut und dem Weichen von Vorsicht und Angst, kamen sich in dieser hundekalten Novembernacht die Menschen aus dem geteilten Berlin immer näher und lagen sich nach fast drei Jahrzehnten weinend vor unfassbarem Glück in den Armen. Sie waren sich nicht fremd, sprachen ja die selbe Sprache, vermischten sich in Windes Eile untereinander, drückten und herzten sich so innig, als wäre es niemals anders gewesen.

Es begann die emotionalste und unbegreiflichste Party in der Geschichte Deutschlands. Sektkorken knallten, die Menschen weinten vor Freude, tanzten ausgelassen auf der Mauer, spürten zum allerersten mal ihre grenzenlose Freiheit und ein Miteinander gleichgesinnter, glücklicher Zeitgenossen. Was für ein

spektakulärer, friedvoller und wunderbarer Augenblick war diese Nacht für Millionen von Menschen in der Geschichte Deutschlands nach mehr als 28 Jahren innerdeutscher Teilung! Tausende von Menschen ließen ihr Leben dafür!

Möge dieser Tag unvergessen in unseren Herzen und in unserem Gedächtnis bleiben, möge er uns schlau bleiben lassen!

Wieder mal Schwein gehabt-Sommerurlaub 89

Ich hatte einen zweiwöchigen Ferienplatz an unserer geliebten Ostsee auf der Insel Rügen in Baabe ergattert, wie in den Jahren davor. Mein Betrieb, die PGH ( Produktionsgenossenschaft des Handwerks) stellte ihren Mitarbeiterinnen dort einen winzigen Bastei-Campingwagen mit Vorzelt zur Verfügung. Es war wie ein Fünfer im Lotto, wenn man dort mit seiner Familie in den Urlaub fahren konnte. Doch jedem war dieses Glück nicht gegönnt, dafür war der Sommer zu kurz und die Zahl der Angestellten zu hoch. Aber meine Chefin mochte mich sowieso und war sehr daran interessiert, das es uns und den Kindern gut gehen sollte, sie wusste um meine Leistung als Mutter von den Dreien und meinem harten Arbeitspensum, gerade als Häuslebauer zu dieser schlechten Zeit, wo es wirklich an allem fehlte.

Und für mich und meinem Mann gab es nichts Schöneres, als gemeinsam mit unseren Sprösslingen, damals drei, sechs und neun Jahre alt, genau dorthin zu fahren. Wir waren noch so jung, gerade elf Jahre verheiratet, hatten über Jahre unser Haus in Eigenleistung gebaut, jeden Abend und jedes Wochenende darin gewerkelt, waren eigentlich pleite und gerade deshalb froh und dankbar über unseren, gerade noch bezahlbaren, Urlaubsplatz.

Ich liebte den Urlaub an der Ostsee, er war so unkompliziert, ein Zigeunerleben ohne jeglichen Luxus und Manieren, einfach einfach. Unser grauer, unscheinbarer Campingwagen stand zwischen den anderen mitten im rauschenden Kiefernwald, nur 100 Meter von den Dünen entfernt. Wir konnten vor dem Zelt gemeinsam unsere Mahlzeiten einnehmen, uns mit den Kindern beschäftigen und uns als Familie genügen. Das Wetter spielte mit, war traumhaft schön, wie in jedem Jahr. Wir besaßen weder Fernseher noch Radio, geschweige noch ein Telefon, waren zeitlos und ahnungslos. Ja wir waren im Tal der Ahnungslosen angekommen und das war wunderbar, nicht funktionieren, nicht strukturieren, organisieren oder planen zu müssen, wir ließen einfach mal alle Viere gerade sein.

Nach der morgendlichen Katzenwäsche im Freien, dem Zähneputzen vor dem Zelt und dem Frühstück an der frischen Luft spazierten wir beizeiten im Gänsemarsch beladen mit bunten Spielsachen, diversen Handtüchern und Bademänteln, Luftmatratze, Eimern, Schippen, Getränken, Äpfeln und Kohlrabi, belegten Brötchen, Keksen, Bonbon und Sonnencreme die Dünen hinauf zum Strand bis zu unserem Strandkorb und am späten Nachmittag marschierten wir geschwächt von der Hitze durch den heißen Ostseesand genauso beladen zurück. Zwischendurch baute mein Mann meist mit den Großen eine Kleckerburg oder schleppte mit dem Eimerchen das Ostseewasser ganz vorsichtig bis zu unserem Strandkorb, um nicht zu viel davon zu verschütten, damit das Jüngste mit seinen Förmchen Sandkuchen backen konnte.

Unsere braun gebrannten fröhlichen Kinder fühlten sich pudelwohl in ihrer Haut, tummelten sich zwischen den anderen Urlaubern und dessen Nachwuchs und flitzten nackig hin und her. Wir dachten uns nichts dabei. Auf solche Ideen wie heute, dass kleine Kinder Lustobjekte sein könnten, kamen wir nicht, dazu waren wir im Osten viel zu rein, naiv und unverdorben. Und so ein Zündstoff wurde damals durch die Medien zum Glück nicht geschürt. Wir waren noch heil zu dieser Zeit.

Doch zurück zu meiner Geschichte.

Ich lag besonders gern auf meiner Decke vor dem Strandkorb im warmen Sand und ließ mir die Sonne auf meinen Bauch scheinen, drehte mich wie ein Schnitzel von einer Seite auf die andere, beobachtete das Treiben aus dieser Position heraus und versorgte meine Familie mit allem, was wir am frühen morgen mitgenommen hatten und was ihre kleinen Herzchen begehrten.

Einer der Kinder wollte beim nachhause gehen immer getragen werden, meistens das Jüngste, stellte sich nörgelnd vor Papa, sah ihn bittend an und drängelte ununterbrochen: „Hoch, hoch!“ Er hatte eigentlich schon genug zum Tragen, schob sich selber durch die abendliche Hitze, aber im Nu stellte er alles ab, hievte den „Quälgeist“ auf seine Schulter, bückte sich nochmals nach all den Dingen und schnaufte die Dünen hinauf bis zu unserem Campingwagen.

Am Abend kochte ich meistens irgendetwas Einfaches auf unserem zweiflammigen, primitiven Gaskocher im Vorzelt. Entweder gab es Quark und Leinöl mit Pellkartoffeln, oder Pellkartoffeln mit Hering, Eierplinse, Nudeln mit Tomatensoße, Milchreis oder belegte Stullen mit Gurke und Tomate. Es war so leicht zu

handhaben, unkompliziert und ohne jegliche Erwartungshaltung. Mit Liebe ging alles!

Schon nach dem Abendessen wären unsere drei Lieblinge am Tisch fast eingeschlafen. Den ganzen Tag draußen an der frischen Luft, das machte sie müde. Sie schliefen tief und fest zu dritt in dem winzigen Bastei-Wohnwagen in der Größe eines Bettlakens und mein Mann und ich kurze Zeit später auf quietschenden Campingliegen zum Ausklappen im Vorzelt, direkt neben dem summenden Kühlschrank und dem Gaskocher und dem Holzregal mit Vorhang, hinter dem diverse Kochtöpfe standen. Wir lebten auf engstem Raum zusammen, aber nichts und niemand engte uns ein.

Bis zum Schlafengehen saßen wir jeden Abend bei Kerzenschein vor unserer Behausung, behüteten den Schlaf unserer Kinder und wachten über sie, erzählten miteinander, bestaunten den Sternenhimmel und lauschten dem Rauschen der Kiefern. Es war so ruhig ohne Radio und ohne Fernseher, so romantisch, wir waren glücklich und frei, konnten in den zwei Wochen faulenzen und uns mit dem Wenigen zufrieden geben.

Am nächstem Morgen, nach dem frühzeitigen Erwachen unserer süßen Rabauken, begannen wir den neuen Tag mit ganz viel Drücken, Kuscheln und Erzählen, während mein Mann in dieser Zeit pflichtbewusst die Brötchen für seine Familie holte. Gemeinsam nahmen wir zufrieden und ausgeruht unser Frühstück ein, bei herrlichstem Wetter, azurblauem Himmel und strahlendem Sonnenschein. Ein Schlaraffenland hatte sich für uns aufgetan an vierzehn unvergessenen, losgelösten Tagen an unserer geliebten Ostsee.

Wir geraten heute noch ins Schwärmen, wenn wir an die gemeinsamen, einfachen Urlaube mit unseren Kindern denken.

Als wir nach diesen zwei Wochen freudestrahlend zu Hause ankamen, wurden wir gar nicht mehr erwartet, im Gegenteil. Unsere Freunde staunten, hatten geglaubt, wir wären auch in den Westen abgehauen, wie so viele andere.

Was? Davon hatten wir bis dahin noch gar nichts mitbekommen? Abhauen? In den Westen? Kurz, aber nur ganz kurz, sprang bei jedem von uns das Kopfkino an und es kamen doch gewisse Gedanken hoch. Aber ging es uns denn so schlecht in unserem Land, um die Heimat, meine liebe Oma Martha und unsere Mutter zu verlassen? Nein, das konnten wir den Beiden nicht antun, dazu war ich viel zu pflichtbewusst und in der Verantwortung für die Beiden. Und gerade waren wir in unser halbfertiges Haus eingezogen und jetzt sollten wir alle Lieben und alles uns Wichtige, unser ganzes bisheriges Leben, im Stich lassen? Niemals!

Aber es lag seit diesen Sommerferien irgendetwas in der Luft, es knisterte und brodelte an allen Ecken und Enden. Bange Fragen stellten sich die Menschen in der DDR zu dieser aufregenden Zeit im Sommer 89, tuschelten hinter vorgehaltener Hand und machten sich so ihre Gedanken. Nicht fremde, nein bekannte, vertraute Gesichter waren plötzlich aus dem Stadtbild verschwunden, kehrten nach Wochen nicht mehr von ihrem Urlaub in Ungarn zurück nach Hause. Leise Vorahnungen bewahrheiteten sich fast ohnmächtig! Sie zählten zu den Tausenden von Flüchtlingen, die gemeinsam mit anderen Landsleuten diese Chance nutzten und über die offenen Grenzen von Ungarn nach Österreich in den Westen geflohen waren, überdrüssig ihrem Leben in der DDR.

Schon vor Antritt ihrer Urlaubsreise planten sie heimlich die Flucht, doch niemand durfte ihnen im Vorfeld ihr waghalsiges Unterfangen anmerken. Sie kehrten ihrer Heimat, ihren Familien und Freunden für immer den Rücken zu, ohne zu wissen, was sie erwarten und für sie auf dem Spiel stehen würde, ob sie womöglich ihr Leben und das ihrer Familien riskierten. Aber am schlimmsten plagte sie ihr schlechtes Gewissen und die allergrößte Angst, ihre Lieben daheim niemals mehr wiederzusehen.

Dabei war die Reisefreiheit zu dieser Zeit schon gelockert worden. Verwandte aus dem Osten konnten ihre Angehörigen im Westen besuchen, aber wie viele von ihnen blieben für immer dort und ließen ihre Familien zurück. Und die, die wieder kamen, sangen ein wunderbares Loblied nach dem anderen auf den goldenen Westen, schürten ein loderndes Feuer in der Bevölkerung mit ihren Lobeshymnen, ihren paradiesischen Erzählungen aus einer makellosen Märchenwelt, nach denen wir uns im Osten so sehr sehnten. Wir hätten nichts anderes hören wollen, waren in einer idyllischen Scheinwelt, wenn es um den goldenen Westen ging.

Die Nacht der Nächte-Der 09. November 1989

Ich hatte zu tun, wie jeden Morgen, meinen drei Kindern das Frühstück zu bereiten, die Schulstullen zu schmieren und pünktlich bei diesem trüben Herbstwetter aus dem Haus zu kommen. Meine beiden Großen gingen ja schon allein zur Schule, nur den Kleinen musste ich mit meinem Fahrrad noch in den Kindergarten bringen. Meine Arbeit begann jeden Morgen pünktlich um sieben, aber schon die erste Kundin hatte mich versetzt und kam nicht zum bestellten Termin.

Aber das war nicht weiter schlimm, die Arbeit schien an diesem Tag sowieso nicht im Vordergrund zu stehen, jeder spürte, das etwas geschehen würde, doch niemand konnte zu dieser frühen Morgenstunde etwas von dem erahnen, was am Abend verkündet werden würde. Ich saß auf meiner Arbeit bewegungslos vor dem Radio und verfolgten gespannt jedes einzelne Wort in den Nachrichten. Sie klangen anders als sonst, von freien Wahlen und Veränderungen war die Rede, immer und immer wieder, von bevorstehenden Erleichterungen bei der Reisefreiheit von Ost nach West. Unbegreiflich schienen die Meldungen der Reporter zu sein, die sich im Minutentakt überschlugen, wahrscheinlich machten sie sich anfangs noch selber keinen Reim darauf.

Am Abend konnte sich niemand satt sehen und satt hören an den Nachrichten. Und plötzlich verkündete Günter Schabowski in den Nachrichten beiläufig fragwürdig, dass die DDR mit sofortiger Wirkung ihre Grenzen öffnete, so dass die Mauer über Nacht durchlässig werden würde. Was? Unsere Freude war grenzenlos, aufgekratzt liefen wir, mein Mann und ich, hinaus auf die Straße in die Arme der Anderen, unseren Freunden, teilten tränenschwer dieses kaum zu glaubende Freiheitsgefühl, unsere unsagbar, nicht zu begreifende, tief empfundene und einmalige Freude über diesen Zauber.

Der 09. November 1989, ein Wintermärchen? Ein Traum? Nein! Ein Wunder! In Frieden war es gelungen, die beiden deutschen Staaten nach fast dreißig Jahren innerdeutscher Teilung wieder zu einem vereinten Deutschland zusammen wachsen zu lassen. Die Grenzen waren geöffnet. Wer das nicht glauben wollte, brauchte nur in die aufgewühlten, strahlenden Gesichter der Menschen zu schauen. Es begann eine neue Zeit, die Wendezeit.

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90 səh. 1 illustrasiya
ISBN:
9783752920857
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