Kitabı oxu: «Slow Slim», səhifə 2
Waffe Nummer 5:
Serotonin
Die nächste Waffe, mit der der Körper droht, um uns jede Diät zu vermiesen, ist das Serotonin. Genauer gesagt, droht er damit, es uns wegzunehmen.
Serotonin ist ein im Gehirn gebildeter Neurotransmitter, der für unsere Stimmung und gute Laune verantwortlich ist. Deshalb nennen wir es auch das Wohlfühl- oder sogar Glückshormon. Es gehört eindeutig zu den Sonnenscheinchen unter den Botenstoffen.
Damit wir im Gehirn Serotonin bilden können, benötigen wir zunächst seinen Vorläufer: das Tryptophan. Es ist eine der essentiellen Aminosäuren, die in unserem Organismus nicht selbst gebildet werden können, und deshalb von außen kommen müssen, also über die Nahrung. Tryptophan muss die Barriere zwischen Blut und Gehirn, die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, überwinden, um zu Serotonin umgebaut zu werden.
Ausschlaggebend dafür ist der Insulinanstieg nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit. Durch ihn wird der Serotonin-Vorläufer Tryptophan viel leichter im Gehirn aufgenommen. Kohlenhydrate steigern also die Bildung und Freisetzung von Serotonin im Gehirn.
Jetzt heißt es aber, dass es sich mit sehr kohlenhydratarmen Diäten sehr schnell abnehmen lässt. Das ist an sich nicht falsch, aber wir dürfen uns nur kurzfristig darüber freuen. In Studien wurde nachgewiesen, dass sich längerfristig keine besseren Ergebnisse zeigen als bei den Diäten, in denen die Kohlenhydrat-Polizei weniger streng ist.
Außerdem haben kohlenhydratarme Diäten die meisten Nebenwirkungen, auch das ist von Studien untermauert. Die Versuchsteilnehmer wurden häufiger depressiv, hatten Stimmungsschwankungen und seelische Tiefs. Man braucht sich nicht lange zu fragen, woher das kommt. Schließlich fehlten ihnen die Kohlenhydrate, die mithelfen sollten, das Tryptophan über die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn zu lotsen.
Wer im Winter abnehmen will, kann leicht in eine weitere Serotonin-Falle stolpern. Sonnenlicht begünstigt nämlich die Bildung des Glückshormons. Bei Lichtmangel fällt die Serotonin-Ausbeute weit bescheidener aus und auch der Transport zwischen den Zellen ist eher zäh. Das erklärt teilweise auch den Blues und die Depression im Winter. Dem Körper ist die Serotonin-Flaute nicht gleichgültig und er versucht, den Lichtmangel auszugleichen. Leider ausgerechnet damit, dass uns das Gehirn Lust auf tryptophanhaltiges Essen macht. Allem voran Schokolade, in der eine Menge Tryptophan enthalten ist, und schon sind wir wieder am Anfang: beim Anstieg von Zucker- und Insulinspiegel im Blut, der die Aufnahme von Tryptophan im Gehirn erleichtert, aus dem dann das Serotonin wird.
Ins Kalorienhaltige übersetzt, pfeif auf die Wintersonne, eine große Tafel Vollmilch-Schokolade ist geradezu ideal, um ordentlich Serotonin zu bilden.
Egal aus welchem Grund das Glückshormon Mangelware ist, die Auswirkungen sind immer dieselben. Wir sind schlecht gelaunt, depressiv, können uns zu nichts aufraffen und haben Heißhunger auf Kohlenhydrate. Die üblichen vier Stationen auf dem direkten Weg in die nächste Fressphase, der kaum etwas entgegenzusetzen ist. Dass der Körper nach Serotonin giert und das Gehirn uns in Solidarität zu ihm von simplen Morgen- zu herzhaften Ganztagsmuffeln macht, bringt uns selten auf gute Gedanken. Im Gegenteil, auch sie verschwören sich gegen uns. Im Bestreben, die üble Stimmung möglichst schnell loszuwerden, fällt ihnen nur noch etwas Süßes ein.
Wer unter diesen Umständen seine Diät durchsteht, ist ein Held. Aber selbst ihm wirft die Natur, die es einst so gut gemeint hat mit uns, noch Knüppel zwischen die Beine. Während oder nach einer Diät werden, auch das ergaben Studien, Enzyme gebildet, die die Umwandlung von Tryptophan zu Serotonin hemmen.
Die Steppschritte zur Schokolade sind uns nun schon hinlänglich bekannt. Aber dieses Wissen nützt uns wenig. Wir tänzeln gegen jede Vernunft auf die Katastrophe zu. Unsere Gedanken kreisen um die Schoko-Regale und das Gehirn kennt nur noch ein Thema: Bei welcher Gelegenheit können wir sie am besten plündern.
Wenn es dann passiert ist, ist das Desaster perfekt. Die 300 Gramm Milchschokolade mit ganzen Haselnüssen ist verputzt, aber das ganze Tryptophan, das wir uns damit einverleibt haben, kann nicht ausreichend zu Serotonin umgewandelt werden, weil die Radikaldiät ja die Enzyme beschädigt hat, die das Tryptophan in Serotonin umwandeln.
Um die Kalorienbombe so richtig platzen zu lassen: Trotz des Hochgenusses aus Nuss-Nougat, Milchschokolade und fetten Haselnüssen bleibt das Serotonin auf einem Tiefstand. Dafür nähert sich die üble Stimmung rapide dem Maximum. Nicht zu reden vom Heißhunger auf neue Süßigkeiten.
Paula braucht man diesen Zustand nicht weiter auszumalen. Sie kennt ihn. Sie hat ihn mir anschaulich beschrieben, bei unserem Treffen im Kaffeehaus. »Ich kann mich nicht wirklich freuen über diese Figur, über mein neues Gewicht. Ich denke ständig an Essen, wie viel besser es mir durch einen Kuchen oder eine kleine Schokolade gehen würde. Dann versuche ich wieder meine Gedanken zu kontrollieren, weil sie mir Angst machen. Es ist, als ob mir etwas fehlen würde. Ich bin gereizt, angespannt und trotzdem irgendwie schlaff.«
Ohne es beim Namen nennen zu können, hat Paula schon gewusst, was ihr fehlte. Ihr fehlte das Glück in der einfachen Form des Hormons Serotonin. Die Steinzeit sitzt uns immer noch in Fleisch und Blut. Damals war es echter Hunger, heute ist es eine Diät, derentwegen der Körper uns mit allen Mitteln dazu bringen will, uns Kalorien zuzuführen.
Der Kreislauf ist absurd. Die Serotoninbildung zu erschweren, damit wir Schokolade essen, um Serotonin zu bilden. Das ist so gut wie ein Giftgasangriff auf unsere Figur.
Waffe Nummer 6:
Veränderung der Muskelfasern
Wenn wir schnell Gewicht reduzieren, baut unser Körper zunächst jene Gewebe ab, die wir am wenigsten zum Überleben brauchen, zum Beispiel die Muskulatur. Das klingt zuerst wie ein Denkfehler, aber es ist keiner. Denn wir benötigen dringend jeden Anteil unseres Gehirns, wir brauchen das Herz, die Leber und die Nieren, um über die Runden zu kommen. Ob wir etwas mehr oder weniger Muskelmasse haben, ist für unser Überleben vollkommen egal.
Beim Abnehmen nimmt sich der Körper also Energie, indem er Muskelfasern abbaut.
Das wirkt sich allerdings in der Folge schlecht auf unseren Grundumsatz aus. Denn ein Körper mit mehr Muskulatur verbraucht mehr Energie als ein Körper mit weniger Muskulatur. Die einfache Rechnung führt zu einem ebenso einfachen, wenn auch für die meisten Übergewichtigen unsympathischen Ergebnis: Muskulösere Menschen dürfen viel mehr schlemmen, ohne gleich zuzunehmen.
Durch jede Radikaldiät reduzieren wir nun unsere Muskelmasse etwas weiter. Jeder schnelle Gewichtsverlust macht uns das Abnehmen beim nächsten Mal schwieriger, und es gibt ein nächstes Mal, da dürfen wir drauf wetten. Unser Körper braucht dann einfach weniger Energie und damit auch weniger Nahrung. Leider ist weniger Nahrung genau das, womit wir unsere Probleme haben.
Neuerdings wurde auch nachgewiesen, dass sich nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität der Muskelfasern ändert. Forscher haben Muskelbiopsien von Versuchsteilnehmern vor, während und nach einer Radikaldiät entnommen. Dabei zeigte sich, dass es nach dem Gewichtsverlust innerhalb der Muskelfasern zu Transformationen, also zu Veränderungen der Struktur und der Zusammensetzung gekommen ist. Die Muskeln haben dadurch nach der Diät bei jeder alltäglichen Aktivität auch zwischen 20 und 25 Prozent weniger Energie verbrannt.
Und schon wieder ist etwas, das uns beim Abnehmen helfen könnte, dahin. Weniger und zum Schlechteren veränderte Muskulatur verbraucht weniger und nicht so effektiv Energie. Das reduziert unseren Grundumsatz deutlich und erschwert das Abnehmen.
Das waren sie also, die sechs Mechanismen, die dem Körper zur Verfügung stehen, um nach einer Radikaldiät wieder das ursprüngliche Gewicht zu erreichen. Fünf davon funktionieren, indem unser Gehirn beeinflusst wird und es in der Folge unsere Gedanken manipuliert.
Wenn wir also noch dicker werden wollen, dann auf zur nächsten Radikaldiät. Bei der wir ständig ans Essen denken, immer hungrig sind und schlechte Laune haben, die uns den Antrieb nimmt und die Muskeln schlaff werden lässt. Das alles geht ganz einfach mit der nächsten Wunder-Diät, dem nächsten Turbo-Trainings-Programm so schnell wie möglich, so viel Gewicht wie möglich zu verlieren und wieder zuzunehmen.
Das Waffenarsenal, das die Natur gegen den Gewichtsverlust eingerichtet hat, sorgt verlässlich dafür. Immerhin konnte sie ja nicht damit rechnen, dass wir dereinst keine Tagesmärsche hinter Mammuts her sein werden, sondern bloß ein paar Schritte von der Couch zum Eiskasten haben, gefüllt mit Essbarem, gegen das ein Mammut nicht mehr als ein zäher Batzen Fleisch ist.
Jedes der sechs Geschütze allein genügt schon, uns auf dem Weg zu einer besseren Figur und einem leichteren Leben scheitern zu lassen. In Summe machen sie die Sache eigentlich unmöglich.
Außer wir suchen uns Unterstützung bei der Zeit. Dem einzigen Gegenmittel, mit dem wir den ausgeklügelten Mechanismen der Natur im menschlichen Körper beikommen können. Die Zeit ist unsere Waffe, um die Natur auszutricksen. Langsamkeit und Geduld sind unsere Verbündeten. Nehmen wir uns ein Jahr Zeit. Nähern wir uns in zwölf Etappen dem Ziel: Kilos zu verlieren, die der Körper zur Abwechslung einmal nicht zurückholen will.
MONAT 1
Level 1
Beobachten und dokumentieren
Nichts ist mehr wie früher, aber alles bleibt beim Alten.
Es gibt Sätze, die jemand, der abnehmen will, auf keinen Fall hören möchte. Zum Beispiel:
»Iss halt einfach nicht so viel.«
Das ist ungefähr so, als würde man einem Choleriker sagen: Jetzt reg dich nicht so auf.
Noch so ein guter Rat:
»Du musst nur deine Ernährung umstellen.«
Das heißt ins Hungernde übersetzt: Ändere dein Leben, sofort und für immer. Noch dazu mit diesem hinterhältigen Wörtchen nur heruntergespielt, als wäre das nichts. In solchen Momenten steht man auf, geht zum Eiskasten und genehmigt sich eine Doppelportion Irgendwas.
So machen wir es also nicht.
Wir sehen Slow Slim als ein Spiel, bei dem wir auf jeden Fall nur gewinnen können. Wie bei einem Computerspiel werden wir unterschiedliche Levels durchschreiten, bis wir bei Level 12, dem Masterlevel, angekommen sind.
Jeder Level dauert genau einen Monat. Einsteigen können wir natürlich jederzeit, nicht nur am Monatsersten.
In jedem Level gibt es ein neues Thema, das wir erlernen und den ganzen Monat lang üben. Nennen wir es Mission.
Danach steigen wir zum nächsten Level auf, behalten aber die Fertigkeiten bei, die wir in den vorherigen Levels schon erlernt haben und üben sie weiter. Wir bauen immer weiter auf.
Am Anfang mag viel neu und vielleicht etwas ungewohnt sein. Aber davon sollten wir uns nicht einschüchtern lassen, das Prinzip kennen wir von den echten Computerspielen. Wir wissen, wenn wir dann einmal in den höheren Levels spielen, sind uns die Levels 1 und 2 schon sehr vertraut und längst in Fleisch und Blut übergegangen. Wir wundern uns, wie sie uns je schwer fallen konnten.
Zum Wundern gibt es bei Level 1 von Slow Slim gar nichts.
Die Mission
Wir starten das Slow Slim-Programm, indem wir diesen ersten Monat lang absichtlich genauso weiter essen wie bisher. Der einzige Unterschied ist: Wir beobachten uns und dokumentieren, was wir sehen.
Die drei großen Fragen, die uns dabei interessieren, sind:
Was essen wir?
Warum essen wir?
Wie essen wir?
Paula hat mir damals im Café ihre Essensprotokolle gezeigt. Sie hat sie auf ihrem Laptop in eine Excel-Datei geschrieben. Das klingt ausgesprochen praktisch.
Meistens kommt der Laptop überall hin mit und auf die Art kann man die Aufzeichnungen genauso gut im Büro wie zu Hause machen.
Ich würde trotzdem empfehlen, sich die Mühe handschriftlich zu machen und sich dafür sogar ein eigenes Heft oder Buch anzuschaffen. Die Computer-Dokumentation hat nämlich tatsächlich einen gravierenden Nachteil.
Das hat jetzt nichts mit einem Retro-Faible oder mit einer Phobie vor der zunehmenden Digitalisierung zu tun. Es hat mit unserem Gehirn zu tun und zwar mit dem vernünftigen Teil davon, also dem präfrontalen Cortex. Handschriftliche Aufzeichnungen werden von ihm intensiver aufgenommen und verarbeitet als Protokolle am Bildschirm oder auf dem Handydisplay.
Die flüchtige Tipperei auf irgendwelchen Tasten ist ihm zu gedankenlos. Er hat es gern, wenn wir uns mit den wirklich wichtigen Dingen genauer beschäftigen, sorgfältiger, aufmerksamer.
Schreiben wir mit der Hand, kommt es zu einer stärkeren Aktivierung des präfrontalen Cortex, der unter anderem für die Planung, Ausführung und Evaluation unserer Handlungen zuständig ist. Je mehr wir uns mit unseren Daten beschäftigen, sie übersichtlich aufschreiben, vergleichen und analysieren, desto mehr aktivieren wir den präfrontalen Cortex.
Soviel einmal zur Theorie. Die Praxis, das lässt sich nicht verschweigen, ist anstrengend.
»Da geht ordentlich viel Zeit drauf, um das ganze Essen mitzuschreiben, wenn man es wirklich genau macht«, hat mir Paula im Kaffeehaus erzählt, und sie hatte Recht. Wenn wir tagsüber mehr essen als eine halbe Schüssel Reis (und das tun wir, sonst würden wir keinen Slow Slim-Plan brauchen), dann werden sich da schon einige Speisen ansammeln, die wir alle erfassen müssen.
Wir können uns also jetzt schon darauf einstellen, jeden Tag ein bisschen Zeit dafür einzuplanen und zwar nicht nur am Stück, sondern sozusagen portionsweise.
Meine Idee wäre es deshalb, sich nicht die ganze Arbeit bis zum Schluss aufzuheben, sondern schon tagsüber ständig mitzuschreiben. Immerhin sind es etliche Punkte, die da auf das Papier sollen: Was, warum und wie wir essen. An manchen Tagen kann da schon einiges zusammenkommen, was wir bis zum Abend gnädig vergessen. Oder auch einfach unter den Tisch fallen lassen.
Am Ende jedes Tages setzen wir uns dann bewusst hin, um diese Liste noch einmal durchzusehen, eventuell zu ergänzen und vor allem zu reflektieren. Wir werten die Dokumentation aus und sehen uns an, was da eigentlich alles so passiert ist im Laufe des Tages. Ganz in Ruhe führen wir uns vor Augen, was wir so essen, was die Ursache für Snacks zwischendurch war und welches Ambiente wir uns bei unseren Mahlzeiten gegönnt haben. Wann genau wir uns diese Stunde der Wahrheit nehmen, muss sich jeder selbst einplanen.
Fest steht nur: Tage auszulassen, ist keine Option. Genau das ist es, was wir auf Level 1 zu lernen haben.
Diesen ganzen ersten Monat haben wir Zeit, unser persönliches Ritual zu entwickeln. Je weiter wir in unserem Slow Slim-Spiel kommen, wird es für uns eine Selbstverständlichkeit werden, am Ende des Tages unser Ernährungsprotokoll durchzusehen.
Haben wir es uns beim Essen am Küchentisch gemütlich gemacht oder sind wir lieber am Sofa, im Fauteuil oder im Pyjama im Bett herumgelümmelt? Haben wir uns gute Musik beim Essen angehört und Kerzen angezündet oder schnell irgendwas im Stehen hinuntergewürgt? Haben wir mit dem Handy zwischen Kopf und Schulter eingeklemmt mit einer Kollegin telefoniert und uns husch-husch den x-ten Kaffee gemacht oder vor dem Anruf bewusst abgewartet und Tee getrunken?
Die tägliche Zeit für den Essensplan sollten wir uns möglichst angenehm gestalten und das ist nicht nur so dahingeschrieben. Es hat seinen Grund. Denn längerfristig ist es ein Vorteil, wenn wir die Auswertung des Essensplans immer mit etwas Positivem in Zusammenhang bringen, weil wir es dann auch weiterhin gerne machen.
Der Tag hat vierundzwanzig Stunden, daran lässt sich nicht rütteln. Wir müssen uns also die zusätzliche Zeit, die ab jetzt für unsere Essenspläne draufgeht, auf irgendeine Art schaffen. Sie uns irgendwo abzwicken. Etwas anderes dafür aufgeben. Auch hier muss jeder für sich entscheiden, ob er lieber kürzer im Internet surft, eine Fernsehserie auslässt oder einfach später die Beine auf den Couchtisch legt.
Sollte jetzt jemand mit seiner Multitasking-Fähigkeit liebäugeln und die Dokumentation nicht zusätzlich, sondern während einer anderen Tätigkeit einplanen, tut er sich nichts Gutes. Gleichzeitig zu telefonieren, sich die jüngste How I met your mother-Folge im Fernsehen anzuschauen oder die Mathematikaufgaben der Kinder zu kontrollieren, funktioniert leider nicht.
Es ist wirklich essentiell, den Plan vollständig geschrieben zu haben und die Zeit und Konzentration aufzubringen, den gesamten Tag noch einmal zu durchdenken. Wir sind gerade dabei, etwas zur Gewohnheit zu machen, das geht nicht nebenbei. Da ist er eigen, der Präfrontale Cortex.
Wie genau wir unsere Essensprotokolle gestalten, kann natürlich jeder für sich entscheiden. Manche schwören auf strukturierte, karierte Hefte. Andere stehen mehr auf weißes, glattes Papier in schönen ledergebundenen Büchern. Manche verwenden am liebsten Blätter und ordnen sie in eine Mappe ein. Andere besorgen sich ein Tagebuch. Manche untergliedern ihre Essenslisten. Andere schreiben Tabellen. Manche machen kleine Zeichnungen dazu. Wir machen, was uns am besten gefällt. Auf keinen Fall kann es schaden, wenn sich dann auch noch etwas Humor zwischen die Zeilen verirrt.
Die Post-it-Methode
Bitte das Ganze jetzt nicht als Buch-Projekt verstehen und keine Wissenschaft aus unseren Essenslisten machen. Es ist natürlich schön, wenn wir uns die Zeit nehmen können, um mit Tinte in ledergebundene Bücher zu kalligrafieren, aber das wird es nicht immer spielen.
Stattdessen werden Tage kommen, in denen wir unterwegs und unter Leuten sind und in der Öffentlichkeit nicht die Möglichkeit haben, etwas in unser Heft zu schreiben oder das auch nicht wollen.
Erste Priorität hat die Vollständigkeit der Listen, nicht wie sie aussehen.
»Die Pariser Künstler am Montmartre haben früher auf Tischservietten gemalt«, erklärte mir Sophie, eine befreundete Ernährungsspezialistin unlängst. »Naja«, sagte sie und lachte, »wichtig ist ja auch das, was sie gemalt oder geschrieben haben, nicht in welcher Form. Ich rate meinen übergewichtigen Patienten, die Ernährungsprotokolle schreiben, immer einen kleinen Block für unterwegs mitzuhaben. Zum Beispiel Post-its. Die kann man nachher auch in das eigentliche Heft einkleben.«
Ich mag Sophies Idee mit den Post-its in der Handtasche, vor allem aber gefällt mir die Assoziation mit den Pariser Künstlern. Ich glaube, wir können uns gleich wie Picasso fühlen, wenn wir unsere Notizen, Zeichnungen und Kritzeleien auf Zettelchen machen. Ein Post-it-Block hat in der kleinsten Clutch Platz und kann entsprechend schnell herausgefischt werden, wenn wir einmal eine Minute Zeit dazwischen haben. Irgendwann muss man ja auch beim steifsten Dinner für kleine Essenslistenschreiber.
Sobald dann etwas mehr Zeit ist, können wir diese Zettelchen oder Picasso-Servietten ja in unser Heft oder Buch einkleben. Nur eines geht nie, nie, nie: dass wir sie vernachlässigen. Nie.
In diesem Sinne können wir jetzt beginnen, kiloweise Papier zu füllen.
Frage Nummer 1: Was essen wir?
Während einer längeren, übergewichtigen Phase probierte ich selbst alles Mögliche aus, um mich beim Abnehmen zu unterstützen. Unter anderem schrieb ich penibel auf, was ich alles so untertags aß.
Theoretisch war das eine gute Übung. Es leuchtete mir ein, mein Verhalten zu dokumentieren, man lügt sich ja so leicht und gern in die eigene Tasche. In der Praxis war diese Schreiberei dann aber sehr deprimierend für mich. Es machte mich einfach fertig, mir ständig meine diversen Ess-Gelage ansehen zu müssen. Es war zermürbend, sämtliche doppelten Portionen Abendessen, alle Schokoladenriegel am Heimweg vom Supermarkt und jedes Walnuss-Eis um Mitternacht im Bett auch noch schwarz auf weiß da stehen zu haben. Oder noch weit Peinlicheres.
Hin und wieder kam es nämlich auch vor, dass ich Freunde zum Abendessen einlud und wir einen wirklich supernetten Abend verbrachten, den ich damit beendete, dass ich beim Einräumen des Geschirrspülers die Bonbonniere auffraß, die sie als Gastgeschenk mitgebracht hatten. Einfach damit sie weg war und nicht am nächsten Tag die Pläne für meine zukünftige Diät durchkreuzen könnte.
Regelmäßig naschte ich schon beim Kochen, weil ich mich einfach nicht mehr beherrschen konnte.
Immer wieder konnte ich meine Finger nicht von der Nutella oder der hausgemachten Marmelade (so gesund, weil Bio-Obst) lassen.
Man kann nicht sagen, dass das glorreiche Momente gewesen wären. Es war schrecklich, sie nicht zu vergessen und zu verdrängen, sondern sie sogar noch niederzuschreiben und festzuhalten. An sehr schlimmen Tagen konnte das zum Beispiel so aussehen: