Kitabı oxu: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 20»

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© 1976/2013 Pabel-Moewig Verlag GmbH,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-203-2

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

1.

Philip Hasard Killigrew – der Seewolf, wie sie ihn nannten – stand neben Kapitän Drake auf dem Achterkastell der „Golden Hind“ und starrte verbissen auf die Küste.

Die „Golden Hind“ war ihnen als einziges von den fünf Schiffen geblieben, mit denen sie vor einem Jahr Plymouth verlassen hatten. Auch er hatte mit seiner Crew die „Isabella II.“ aufgeben müssen. So war er jetzt Lotse bei Francis Drake, sein erster Mann. Francis Drake wußte, warum er diesen harten Mann aus Cornwall mit seinen Leuten, die für den Seewolf durch die Hölle gehen würden, auf die „Golden Hind“ übernommen hatte. Es gab keine besseren Seeleute, keine zuverlässigeren Kerle auf einem Schiff, das für Englands Krone fuhr.

Tagelang waren sie gegen den harten Nordost an der chilenischen Küste entlang nordwärts gesegelt.

„Wird Zeit, daß wir Land sehen“, sagte Hasard.

Doch Kapitän Drake zuckte nur mit den Schultern.

Der Wind war fast abgeflaut und kräuselte nur noch leicht die See. Wie ein großer Schlitten glitten sie in eine kleine Bucht. Das Großsegel hatten sie aufgegeit, das Vormars- und Großmarssegel sowie der Besan standen noch. Die Nachmittagssonne des 4. Dezember 1578 zitterte über dem Wasser.

Auf dem Vorderkastell stand die Ankercrew bereit.

„Fallen Anker!“ Hasards Stimme schallte von achtern.

„Aye, aye.“ Ben Brighton gab das Kommando weiter.

Der Anker klatschte ins Wasser. Die Ankertrosse rauschte durch die Klüse. „Stop!“ Ben Brighton beendete das Manöver.

„Aye, aye“, antwortete Smoky für alle.

„Sieht nicht einladend aus da“, sagte er und zeigte an Land.

Der große Neger Batuti zeigte grinsend seine Zähne. „Gut, gut, viel Essen, viele Dons mit Silber.“

Der pfiffige Donegal Daniel O’Flynn sauste die Wanten vom Ausguck herunter, fast ohne die Webeleinen, die Sprossen dazwischen zu benutzen.

„Geht es nun endlich wieder los?“ Seine Augen strahlten vor Begeisterung.

Es roch nach Land, nach Abwechslung.

Ein schrilles Gekreische ließ ihre Köpfe nach oben fahren. An der Rah über ihnen hing, mit dem Kopf nach unten, sich nur mit dem Schwanz festhaltend, Arwenack, der Schimpansenjunge. Ihn hatten sie mitten im Atlantischen Ozean auf einem verlassenen Schiff gefunden und in die Mannschaft aufgenommen. Klettern konnte er besser als sie alle, doch er wollte einfach nicht lernen, die Segel zu bedienen.

Jetzt zeigte er wieder seine Künste, lief auf der Rah entlang, kletterte bis zur Mastspitze, rutschte wieder herunter und landete auf Batutis Schultern. Dort saß er, als könnte er kein Wässerchen trüben.

Sie hatten ihn Arwenack genannt nach dem Besitz der Killigrews in Cornwall. Aber Arwenack war auch ihr Schlachtruf, wenn sie enterten und drauflosschlugen.

Francis Drake beachtete das Treiben nicht. Sie lagen in der Agujera-Bucht, fünfzehn Seemeilen nördlich vor dem Fischerdorf Valparaiso. Er betrachtete mißmutig den Horizont. Da war keine „Elisabeth“ zu sehen, die doch auch die Stürme im Süden überstanden haben mußte, und erst recht kein Spanier mit einer Gold- oder Silberladung im Schiffsbauch.

Schlecht gelaunt stieg er den Niedergang zur Kuhl hinunter, um die Leute anzutreiben. Sie würden seinen Unmut spüren. Diese Bucht schien ihm günstig, die Segel abzuschlagen und zu wechseln. Sie konnten leichtere anschlagen, denn hier war Sommer auf der südlichen Halbkugel. Schließlich mußte er sparsam sein. Wo sollte er, noch dazu ohne Aussicht auf Beute, neues, schweres Segeltuch herkriegen? Er brauchte das gute Zeug für schlechtes Wetter. Wer wußte, was ihnen nach den wüsten Stürmen unten am Kap noch alles bevorstand!

„Mr. Killigrew?“

Hasard war ihm gefolgt. Sein Gesicht zeigte fast Ablehnung. Was scherte ihn die schlechte Laune seines Kapitäns. Seine Augen folgten jedoch der weisenden Hand Drakes.

Ein Kanu schwabberte auf die „Golden Hind“ zu. Den Insassen konnten sie jedoch noch nicht genau erkennen.

„Mr. Killigrew, der wird wohl kaum zu unserer Begrüßung erschienen sein.“ „Vielleicht hat er hier gefischt.“ Hasard beugte sich über die Reling und rief den Mann an.

Doch der reagierte nicht. Er war damit beschäftigt, aus dem Radius der schwoienden Galeone herauszukommen.

„Das haben wir gleich.“ Hasard nahm eine vom letzten Gefecht zerborstene Planke vom Deck und warf sie dem Kanu genau vor den Bug.

Der Mann paddelte wie wild. Als er sich in ruhigerem Fahrwasser befand, reagierte er endlich. Er hob seine Rechte zum Gruß und beugte seinen ganzen Körper wie zum Gebet. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er den Zweig einer Araukanerpalme in der Hand. Er wandte sein Gesicht den Männern auf dem Schiff entgegen und rief: „Paz, paz! – Frieden, Frieden!“

„Der hält uns für Dons“, sagte Hasard. „Es scheint ein Pechuenche zu sein, ein Fichtenmann, wie die auf der Mocha-Insel.“

Drake rief: „Los, laßt die Jakobsleiter runter! Bringt den Mann an Bord.“ Inzwischen hatte sich die ganze Besatzung eingefunden, lärmte und winkte. Der Mann im Boot schien ihnen ein gutes Omen zu sein. Bald würde ihnen das Glück lachen.

Sogar Carberry, der Profos, beeilte sich und half mit, die Leiter über die Bordwand zu werfen.

Der Araukaner vertäute das Kanu an der Leiter und kletterte gewandt hoch. Noch immer hielt er den Palmenzweig in der Hand. Oben drückte er zur Begrüßung seine Linke an sein Herz. Wie beschwörend sagte er immer wieder: „Paz, paz.“

Francis Drake und Hasard verbeugten sich.

Drake fragte: „Hablas espanol?“

Der Indianer nickte und zeigte seinen kleinen Finger, was wohl bedeuten sollte: etwas.

Drake zeigte auf sich und seine Besatzung: „Somos Ingleses.“

Ungläubig schüttelte der Braune den Kopf: „No, no, Philippos!“

Sie sahen seine Angst.

Er legte den Palmenzweig Drake zu Füßen, zeigte nach Süden, wo die Bucht von Valparaiso lag, und sagte: „Gran valero.“

Hasards blaue Augen leuchteten auf: „Ein großes Schiff? Da liegt ja der Schatz direkt für uns bereit wie in einem großen Schuppen.“

Auch die Leute waren begeistert: „Es geht los, Männer!“

Batuti reckte sich stolz: „Haben gleich gesagt.“

In das Stimmengewirr herrschte Drakes Stimme: „Mac Pellew!“

„Sir?“

„Hol eine Axt.“ Pellew wandte sich zum Gehen.

„Nein!“ rief Drake hinterher. „Hol auch noch ein Messer, ein blankes und scharfes, klar?“

Mac Pellew brummte: „Diesen Wilden Waffen geben? Damit sie uns dann die Kehle durchschneiden?“

„Tu, was ich befehle, los, beeile dich!“

Wenig später hielt Francis Drake Axt und Messer in den Händen, überreichte sie dem Araukaner und sagte nun ebenfalls: „Paz, paz con los ingleses.“

Um das noch zu unterstreichen, ballte Philip Hasard Killigrew die Hand in Richtung Valparaiso: „Diabolos los Philippos!“

Der Indianer grinste. Jetzt hatte er verstanden. Diese Teufel, das war auch seine Meinung.

Drakes schlechte Laune war verflogen. Er ging mit Hasard und dem Indio in die Kapitänskammer.

Stolz betrachtete der Indianer die ihm geschenkten Waffen und fühlte sich als gleichberechtigter Partner.

Francis Dranke wußte um die vielen Klippen und Untiefen an dieser Küste. War es doch auch nicht möglich, weiter als jetzt in die Agujera-Bucht zu segeln. Er war sich der Schwierigkeit bewußt, mit seiner Galeone in die Bucht von Valparaiso zu gelangen. Wenn er keinen Schaden nehmen wollte, brauchte er einen tüchtigen Lotsen. Dieser Mann schien der richtige für diese Aufgabe zu sein.

Sie boten dem Indianer Platz auf einem bequemen Holzstuhl an. Doch er blieb stehen, legte beide Hände auf die Brust und sagte: „Yo Tetso.“

„So, Tetso heißt er also.“ Hasard zeigte auf Drake und dann auf sich: „Capitano Draque und ...“ Ihm wollte nichts Richtiges einfallen. Schließlich sollten die Leute den Namen auch aussprechen können. Doch dann sagte er lächelnd: „Yo ‚Lobo del Mar‘.“ Das heißt auf spanisch schließlich nichts anderes als „Seewolf“. Doch dann wurde er wieder ernst und erklärte dem Indianer:

„Queremos a Valparasio.“

„Si, si“, sagte Tetso.

„Du zeigst uns den Weg?“ Hasard konnte sich gut auf spanisch verständigen. „Si, si“, sagte Tetso immer wieder, „diabolos los Philippos!“

Man nannte die Spanier Philippos nach ihrem König Philipp.

Doch dann kamen Hasard wieder Bedenken. „Wird doch wohl keine Falle sein?“

„Ach was, Mr. Killigrew, warum soll das eine Falle sein. Der Mann ist ehrlich. Alle Indianer hassen die Dons wie die Pest. Wir schlagen uns zwar mit den Dons herum, aber das ist so eine Art Turnier. Doch was die Spanier mit den Araukanern anstellen, ist unmenschlich. Wenn sie sie erwischen, martern sie diese zu Tode. Und alles nur wegen des gelben oder weißen Metalls.“

Hasard grinste.

Tetso hatte voller Staunen die reich ausgestattete Kammer bewundert, wenn er es sich auch nicht anmerken ließ. Jetzt schenkte ihm Hasard ein Glas Wein ein, um mit ihnen anzustoßen auf einen guten Weg nach Valparasio.

Der Indianer bot ihnen noch mehr an. Er sagte: „Ich“, und hielt ihnen zweimal seine beiden Hände entgegen, zweimal zehn Finger, „bringe euch so viele amigos con un Capitan.“ Offenbar konnte er sehr viel Spanisch.

Hasard sagte zu Drake: „Sie haben recht, Sir, die Sache geht klar. Die Brüder wollen auch den Dons an den Kragen. Wir können sie gut gebrauchen, um den Dons das Gold abzunehmen. Denn auf das gelbe Metall legen die Indianer keinen Wert.“

„Si, si, si!“ Alle drei lachten.

Im Morgengrauen tauchten fünf Kanus aus dem Nebel vor der Küste auf. In einem stand ein über sechs Fuß großer Mann, ein schneeweißes Schaffell um die Schultern. Auch er trug einen Palmenzweig in der Hand.

Sie ließen die Jakobsleiter herunter. Hasard, der schnell geweckt worden war, erschien an Deck.

Der Häuptling verbeugte sich. „Ingleses?“

„Si, si.“

Der Häuptling übergab Hasard den Palmenzweig und sagte: „Der große Toqui möge dich beschützen.“

Die Boote schwabberten an der Jakobsleiter. Jetzt erschein auch Totso an Bord, strahlte wie ein alter Bekannter und zeigte auf die Axt und das Messer. Immer mehr Indianer stiegen an Bord, lachten, schwatzten und schleppten große Körbe herauf.

Die Männer konnten es nicht fassen. Alle Körbe waren voller Lebensmittel. Als letzte und größte Gabe wuchteten zwei Indianer einen riesigen Packen die Jakobsleiter hoch. Darin fanden sie ein geschlachtetes Lama.

„Muß ja wohl in Ordnung sein“, meinte Francis Drake, der auch an Deck erschienen war. „Ich habe aber so etwas noch nicht gegessen.“

Doch der Kutscher, der auf der „Golden Hind“ als zweiter Koch in der Kombüse arbeitete, schnalzte mit der Zunge: „Männer, das wird ein Festessen!“

Der Häuptling trat vor: „Ingleses y Pechuenches todos tiempos amigos.“

„Ja, Engländer und Pechuenches sind immer Freunde“, sagte Drake.

Auf dem Vorderkastell begannen sie den Anker zu hieven, nachdem die Araukaner die Boote abgestoßen hatten. Dann schob sich die „Golden Hind“ aus der Agujera-Bucht nach Süden in Richtung Valparaiso.

Die fünf Kanus der Indianer folgten ihnen. Die Araukaner hielten sich dicht unter der Küste, doch weit genug entfernt, um den Klippen zu entgehen. Tetso, der „Lotse“, stand neben dem Rudergänger am Kolderstock. Immer wieder warnte er, indem er auf die gischtige Küste zeigte: „Huecubu!“

Das mußte ein böser Teufel sein.

Gestenreich, mit vielen unbekannten Worten brachte er sie sicher die Küste entlang.

Auf der Höhe von San Juan rauschte wieder die Ankertrosse. Voller Staunen und Freude erblickten sie die große spanische Galeone.

„Verdammt, da liegt ja der Teufelsbraten!“

Hasard rief zu Dan hoch: „He, reiß deine Augen auf! Wie heißt dieser schmucke Kasten?“

Dan O’Flynn, der gerissene Bursche, stammte wie der Seewolf aus Falmouth in Cornwall. Er war kaum erwachsen, hatte aber die schärfste Zunge und auch die schärfsten Augen von allen Männern an Bord.

„ ‚Los Reyos‘ heißt dieser sturmreife Kasten! Denen werden wir es aber zeigen.“

„Halt an dich! Du wirst noch genug zu tun kriegen!“ rief Hasard zu ihm hoch. Dann kümmerte er sich um die Kanus. Er winkte den Araukanern zu, sich an die den Spaniern abgewandte Seite der „Golden Hind“ zu legen. Auf keinen Fall sollten die Spanier die Indianer sehen.

Dabei strich er mit seinen kräftigen braunen Händen durch sein schwarzes Haar. Die tiefen Kerben in seinem Gesicht zeigten seine Entschlossenheit. Die Narbe quer über seine linke Wange, die er einem Indianerpfeil zu verdanken hatte, färbte sich wieder rot. Wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, daß die Narbe auch noch über Augenbraue und Stirn verlief.

„Was ist, Mr. Killigrew?“

„Ach nichts, Sir. Das da ist endlich ein fetter Brocken für uns. Wird Zeit, daß wir so etwas erwischen. Unsere Männer sind auch wild auf einen harten Kampf. Und diese Burschen“, er zeigte auf die fünf Kanus, „haben eine Wut auf die Philippos. Das ist gut für uns.“

„Lassen Sie ihnen ein paar Pinten Whisky in die Boote schicken, damit sie etwas Feuer unter den Hintern kriegen.“

Das war die richtige Aufgabe für Edwin Carberry, dem Profos. Grinsend sagte er auf englisch: „Der große Toqui soll euch schützen.“

Batuti wollte die Spanier wohl überrennen: „Spanier nix viel Bumbum, sonst mit uns aus.“

Aber noch schien alles friedlich.

2.

Die Dons winkten von ihrem Schiff herüber. Sie freuten sich, einem anderen Schiff zu begegnen und mit ihm im selben Hafen zu liegen. Sie konnten sich nicht vorstellen, daß die „Golden Hind“ etwas anderes sein könnte als eben auch ein spanisches Schiff. Vielleicht war die Wache an Bord auch nicht mehr ganz nüchtern?

Francis Drake meinte zynisch: „Warum sollen denn ausgerechnet diese Kerle die ganze Welt beherrschen.“

Killigrew grinste grimmig.

Nur hundert Yards entfernt lag die spanische Galeone und schwoite um ihren Anker – keine Entfernung für seine harten Männer.

Die Spanier auf der „Los Reyos“ wurden immer lebhafter und luden die vermeintlichen Landsleute zu sich ein.

„Una botella de Malaga! Muchas botellas!“ Sie grölten, winkten mit den Flaschen und zeigten auf zwei große Fässer an Deck.

Das konnten Drake und seine Männer auch mit bloßem Auge erkennen.

„Venga! Venga!“ brüllten die Dons wieder und wieder.

Hasard lachte und sagte: „Das könnt ihr haben. Aber nicht wie ihr denkt!“

Er hatte Mühe, die Leute ruhig zu halten.

Am ungeduldigsten war natürlich Dan: „Ich will den Affen da drüben endlich die Helme über die Ohren ziehen, damit sie ihr eigenes Jammern nicht hören.“ Der Kutscher trat lachend aus der Kombüse: „He, Kleiner! Nimm doch lieber noch eine Portion, damit du nicht umfällst.“

„Ein Dan O’Flynn fällt nicht um! Wenn mein Alter mit seinem Holzbein ...“ Da jedoch keiner wissen wollte, was sein Alter mit dem Holzbein angestellt hatte, fiel Dan doch lieber über den Topf mit den Bohnen her.

Hasard war auf das Vorderkastell gegangen und versuchte, die betrunkenen Spanier auf der „Los Reyos“ zu reizen. Er schrie: „Gleich kreuzt euer Comandante auf!“

Sie johlten. „Ach, der ist doch muy lejos – weit weg – in Lima beim Gouverneur!“

„Aber eure Pilotos, die kommen und dann tribunal!“

Gelächter schallte herüber. „No, no! Keine pilotos! Alle muy lejos! Hier nur acht marineros! Venga! Venga! Wollt ihr nicht?“

„Bien! Vamos! Gut, wir kommen!“

Hasard berichtete Francis Drake: „Das kann ja wohl nicht besser sein. Da sind acht Mann an Bord.“

Die Männer rieben sich die Hände – Smoky, Al Conroy, Blacky, Matt Davies, Stenmark und der Kutscher. Ben Brighton sagte: „Ich bin schon richtig scharf darauf, den Dons eins überzubraten.“

Auch Edwin Carberry leckte sich die Lippen und sah im Geist bereits die dicke Beute.

Sie waren alle voller Tatendrang. Diese endlos lange Zeit auf See, die Plackerei an Bord, die Stürme unten am Kap, die nassen Klamotten, alles hatten sie in diesem Augenblick vergessen. Jetzt begann das Abenteuer, zu dem sie ausgezogen waren. Endlich konnten sie mit den Dons kämpfen. Sie würden Reichtümer erbeuten und bewundert auf ihre Insel heimkehren.

Nur John Doughtys Gedanken waren anderer Art. Er schaute sehnsüchtig zum Land hinüber, wo sich neugierig gaffende Weibspersonen eingefunden hatten. Weiberfleisch, was für eine Beute! Wie gern wollte er einmal wieder so etwas unter seinen Fingern haben. Von diesen Wünschen des Mister John Doughty wußte keiner an Bord. Er wollte auch etwas erbeuten: lebendes, weibliches, weiches, spanisches oder sogar Indianerfleisch.

Das gelbe Metall und die anderen Schätze? Darum würden sich die anderen kümmern. Zum Schluß würde alles geteilt werden. Er erhielt sowieso seinen Anteil an der Beute.

Alle überprüften noch einmal die Waffen. Palaver und Gesang ertönten auf den fünf Kanus an der Steuerbordseite. Sie beugten sich über die Reling und lachten. Der Whisky hatte die Araukaner rede- und sangesfreudig werden lassen. Seltsame Töne klangen zu ihnen herauf.

„Hahaa wuha wuh,

iko quiero maku ...“

„Un canto de la guerra“, erklärte ihnen Tetso, „ein Kriegsgesang.“

Tetso schien es an Bord sehr gut zu gefallen, denn er wollte einfach nicht weichen.

Francis Drake ließ an seine Leute ebenfalls Whisky ausgeben: „Aber nur ein Pint pro Kopf. Sonst laufen nachher Kopf und Rumpf getrennt durch die Gegend. Dann seid ihr alle Krüppel und nicht mehr zu gebrauchen. Und was soll ich dann tun?“

Überall an Bord war großes Gelächter. Sie fürchteten sich nicht. Die Dons waren es, die dieses Mal dran glauben mußten.

So drängelten sie sich alle in die Kammer des Kapitäns, als sie dorthin befohlen wurden. Zufrieden sah Drake den Tatendrang seiner Männer, die kaum noch zu bremsen waren.

Francis Drake erklärte, daß die „Los Reyos“ im Handstreich genommen werden solle. Thomas Moone und Hasard mit seinen Leuten sollten mit einer Pinasse dieser betrunkenen Wache einen freundschaftlichen Besuch abstatten. Und zwar solle der Überfall sofort erfolgen, da die Gelegenheit günstig sei.

Voller Eifer eilten alle ans Deck.

Nur der Affe Arwenack schien von der allgemeinen Unruhe nicht angesteckt worden zu sein. Er döste oben im Ausguck. Manchmal hielt er die Hand vor die Augen, wie er es wohl von Dan gesehen hatte.

„He, Dan“, rief Ben Brighton nach oben.

„Hier bin ich!“ erwiderte Dan wütend, weil ihn der Bootsmann mit Arwenack verwechselt hatte.

Francis Fletcher, der Kaplan, stand an diesem 5. Dezember 1578 am Schott, als sie ins Freie traten. Mit der Bibel in der Hand schlug er jeweils ein Kreuz, wenn ein Mann die Gräting passierte: „Gott segne euch, ihr Brüder, bei eurem schweren Gang.“

Unentwegt murmelte er Bibelsprüche.

Dann inspizierte der Profos noch einmal die Männer. Alle mußten ihre Waffen vorzeigen, das Pulver. Denn jetzt kam es darauf an. Das hier war ihre große Chance. Sie dachten daran, daß sie immer arme Schlucker gewesen waren. Sie hatten keine Schule besucht, nur selten satt zu essen gehabt und immer nur harte Arbeit geleistet. Ja, sie wollten reich werden! Sie wollten einmal Frauen in Seidenkleidern haben. Und ihre Kinder sollten niemals Hunger leiden.

Mit großem Getöse wurde die Pinasse außenbords geschwungen. Hasard und Thomas Moone versammelten die Leute um sich.

Der Seewolf sagte: „Mit den acht da drüben sollten wir fertigwerden. Der Kapitän ist nicht an Bord. Dennoch seid vorsichtig. Vielleicht haben sie uns eine Falle gestellt. Denkt daran, daß die Spanier seit unserem Zusammenstoß mit ihnen auf der Mocha-Insel arlamiert sind. Wir können uns keine Ausfälle leisten, verstanden?“

Die Männer nickten.

Vom Land herüber drang ein Geruch von Erde und Oleander, der auf sie wie ein Rausch wirkte.

Eilig kletterten sie hinunter. Pete Ballie, Matt Davies, Batuti, Dan O’Flynn, Stenmark, Blacky, Smoky, Al Conroy, der Kutscher, Gary Andrews, Ben Brighton, Ferris Tucker, Thomas Moone und Hasard stiegen in die Pinasse.

„Legt euch in die Riemen, Männer“, sagte Hasard.

Francis Drake rief hinterher: „Auf einen guten Fang! Das Netz ist voll, ihr braucht es nur herüberzuholen.“

Sie pullten wir die Verrückten.

Schon von weitem sahen sie an der offenen Relingspforte einen Don fröhlich winken.

„Dir wird das Lachen schon noch vergehen“, brummte Matt Davies, der als erster die Jakobsleiter hochkletterte, die die Spanier freundlicherweise für sie hatten hängen lassen.

„Vino, vino!“ schrie der Don wieder und trat zur Seite. Noch bevor die anderen an Deck waren, sprang ihn Matt Davies an und warf ihm eine hanfene Schlinge um den Hals.

„Wo sind deine compadres, du verfluchter Don? Mach dein großes Maul auf! Sonst stirbst du an zuwenig Luft.“

Er schnürte ihm ein bißchen die Luft ab. Doch der Spanier schrie wie ein Besessener und versuchte sogar noch, sein Messer zu ziehen.

„Laß mir den Kerl!“ Thomas Moone schob Matt Davies zur Seite und zog sein breites, machetenähnliches Schwert aus dem Schaft. Ein wohlgezielter Hieb, der Kopf des Dons flog über das Schanzkleid und verschwand mit einem Aufklatschen in der Bucht von Valparaiso.

Dan O’Flynn kicherte: „Was hat unser Kapitän gesagt? Ein Mensch ohne Kopf ist ein Krüppel für sein Leben.“

Hasard stieß ihn an. „Los, da kommen sie!“

Sie schoben sich über das mit Unrat, Wein und jetzt mit Blut bedeckte Deck. Von dem Krach waren die Spanier aus ihrem Dösen erwacht. Nur langsam erkannten sie die Gefahr. Zuvor waren Engländer an dieser Küste gewesen. Sie konnten einfach nicht begreifen, woher diese Ketzer plötzlich aufgetaucht waren. Sie stülpten sich die Helme über und griffen zu ihren Waffen.

„Madre dios!“

„Arwenack!“ brüllte Dan und sprang mitten unter die Spanier. Und „Arwenack!“ Hasards Männer waren nicht mehr zu halten. Philip Hasard Killigrew hatte mit scharfen Augen den Offizier der Gruppe erkannt, der sich gerade vornehm zurückziehen wollte. Hasard zog seinen Kurzsäbel und sprang auf ihn zu.

Doch der Spanier erwies sich als harter Gegner. Vielleicht hatte er nicht so viel getrunken wie die anderen. Oder es war einfach die Angst um sein Leben, die ihn seinen Degen so geschickt gebrauchen ließ. Der Kampf ging hin und her, die Klingen klirrten aufeinander.

Doch dann – schneller als das Auge zu folgen vermochte – hatte Hasards Kurzsäbel sein Ziel erreicht. Aus der nur für einen Sekundenbruchteil ungeschützten Kehle des Dons schoß ein Blutstrahl. Ungläubig blickten seine Augen, als er wie eine Puppe in sich zusammensackte.

Batuti hatte seine Waffen in der Pinasse vergessen und wollte nur mit einem Messer zwischen den Zähnen einem finster aussehenden Herkules an die Gurgel springen. Doch der hielt ihn sich mit einer zwei Yards langen Konquistadorenlanze, die vorn an der Spitze mit ekelhaften Widerhaken versehen war, vom Leibe.

Aber Batuti wollte nicht aufgeben. Mit den bloßen Händen versuchte er, diese scheußliche Waffe dem Spanier zu entreißen. Doch bei einem neuerlichen Hieb stürzte er und fühlte schon die Spitze der Lanze auf seiner Brust.

Da krachte die Muskete Smokys. Unter entsetzlichem Fluchen brach der spanische Herkules zusammen.

Batuti hatte sich bei dem Sturz verletzt.

Thomas Moone befahl: „Hau ab, Batuti! Versteck dich hinter den Weinfässern, bis alles vorbei ist.“

Batuti kroch über das Deck. Aber er war nicht froh. Zu gern hätte er mit seinem Messer diesen schrecklichen Don massakriert. Er schwor sich, beim nächsten Kampf ein ganz langes Messer mitzunehmen.

Daniel O’Flynn hatte einen Gegner, der ihm im Gebrauch seiner Waffen weit überlegen war. Er setzte Dan mit seinem Degen ziemlich zu. Doch der Kleine gebrauchte seinen Säbel, so gut es ging. Dazu spie sein Mund immer neue und schrecklichere Schimpfworte aus – wie eine Kanone, die man nicht nachzuladen braucht.

„Du dreckige Kröte! Du Bastard von einem Don! Du Indianerschinder! Du Silberaffe!“

Doch die meisten gingen unter in dem Geschrei und dem Getümmel ringsum. Dann eilte Al Conroy ihm zu Hilfe. Mit einem Hieb seiner Muskete streckte er den Spanier zu Boden.

Der Rest war eine Kleinigkeit. Drei Spanier hoben die Arme: „Bastante! Genug! Wir ergeben uns.“

Sie bluteten und sahen erbärmlich aus.

Thomas Moone zeigte auf eine saubere Stelle an Deck: „Hier die Waffen her!“ Die Spanier sammelten ohne Widerspruch alle Waffen, auch die der toten Kameraden, ein und brachten sie an die angegebene Stelle.

„Ihr seid Gefangene des Don Franzisco Draque!“

„Lausige, dreckige, stinkende Dons!“ Dan konnte es nicht lassen.

Hasard fluchte, als er bemerkte, daß ein Spanier fehlte. Während des Kampfes mußte er unbemerkt über Bord gesprungen sein.

„Verdammt, der wird den Hafen alamieren!“

Die Araukaner, die ihnen mit ihren Kanus gefolgt waren, stiegen an Bord. Sie waren enttäuscht, daß die Arbeit schon getan war. Sie hatten den Flüchtigen gesehen. Aber auch mit den Kanus hätten sie ihn nicht mehr einholen können. Inzwischen hatten Hasards Männer die Gefangenen gut verschnürt vor den Großmast gelegt und die Leichen über Bord geworfen. Die Indianer stürzten sich auf das eine Weinfaß, kippten es um und hielten ihre Hände darunter. Dann schlürften sie das köstliche Getränk in sich hinein.

Von der „Golden Hind“ hatte man den Kampf beobachten können. Francis Drake stand auf dem Achterkastell in der Nähe des Kolderstocks und ließ die „Los Reyos“ keinen Augenblick aus den Augen.

„Verdammt!“ Er schlug sich auf die Schenkel. „Jetzt haben die Kerle da drüben nicht bemerkt, daß ihnen einer entwischt ist. Das wollen nun meine besten Leute sein!“

Fluchend sprang er auf die Kuhl und kletterte an den Wanten hoch in den Mars.

Von dort sah er den Spanier an Land waten. Der mußte so voller Todesangst sein, daß er sich keine Zeit für eine Pause nahm. Über Steine und Geröll lief er zu den wenigen Fischerhäusern. Denn aus mehr bestand das Fischerdorf Valparaiso nicht. Es war nur ein kleiner Hafen der Provinz Santiago. Die Bevölkerung bestand aus Nachkommen der ersten Konquistadoren und Indianer. Sehr viele Mischlinge lebten dort.

Vor den hohen Bergen der Anden lag nur ein schmaler Landstreifen in der Ebene. Dahinter stieg es sanft an und verlor sich dann in schroffen Felsen.

Die einzige Abwechslung der Dorfbewohner war der Kirchgang. Trotz der Armut der Einwohner beherbergte die Kirche viele Kostbarkeiten, Kelche und Leuchter aus Silber, wertvolle Altardecken und Gemälde. Doch in den Gewölben unter der Kirche, die auf natürlichem Felsen erbaut war, hatte man auch Gold versteckt.

Francis Drake war es nicht sehr wohl unter der Haut. So hatte er den Überfall nicht geplant. An Land sollten die Einwohner nichts davon bemerken.

Der Spanier hatte die erste Hütte erreicht. Drake konnte genau erkennen, wie er wild gestikulierte.

Doch was er dann sah, konnte er kaum glauben. Aus allen Häusern stürzten die Menschen. Die Weiber mit fliegenden Röcken liefen voran, ihre Kinder hinter sich her zerrend, dahinter die Männer, die einen Teil ihrer Habseligkeiten mitschleppten. Anscheinend hatten sie die Absicht, sich in den Bergen in Höhlen zu verstecken, denn sie liefen landeinwärts.

Francis Drake rief alle an Bord zusammen. „Nun seht euch das an! Wenn die Dons erst Bescheid wissen, kriegen wir Zunder. Wir müssen die Zeit nutzen! Sobald unsere Pinasse zurück ist, gehen wir mit den anderen Booten an Land. Holt eure Waffen! Macht die Boote klar!“

Auf der „Los Reyos“ war man indessen nicht untätig. Hasard holte den Kutscher, der nicht nur Koch, sondern auch Feldscher war, und befahl ihm, sich um die Gefangenen zu kümmern. Der Kutscher holte Wasser, lockerte, wenn es sein mußte, die Fesseln und begann die Wunden zu säubern und zu verbinden, Gleichzeitig versuchte Hasard, die Gefangenen auszuhorchen.

Einer von ihnen war vornehmer gekleidet, hatte ein edles Gesicht, und seine Hände sahen aus, als ob sie nicht zuzufassen brauchten.

„Soy tenente – ich bin Leutnant, aus mir kriegst du nichts heraus.“

Die beiden anderen wirkten eingeschüchtert, denn der tenente funkelte sie an, sobald sie nur Luft holten.

So gab Hasard es auf. Er ließ die drei ins Kabelgatt schaffen und stellte Blacky als Posten davor auf.

Dann entdeckten sie Batuti. Er war immer noch hinter den Weinfässern und stöhnte vor Schmerzen. Er hatte sich beim Kampf den Rücken verrenkt. Wieder mußte der Kutscher seine Kunst unter Beweis stellen.

Batuti mußte sich auf den Bauch legen, daß heißt, sie drehten ihn mit drei Mann um, da er sich allein nicht bewegen konnte. Dann tastete der Kutscher die Wirbelsäule ab.

Batuti erhielt von ihm einen Fußtritt ins Kreuz. Es war genau die richtige Stelle. Es knackte, ein fürchterlicher Schrei des Schwarzen. Dann sprang Batuti auf, lachte und klopfte dem Kutscher auf Arme und Schultern.

„Du großer Medizinmann. Du alle machen gesund“, rief er.

Davon war der Kutscher auch überzeugt. Er war ja nicht umsonst Kutscher und Hilfsmann bei dem besten Arzt von Plymouth gewesen, bevor ihn die Preßgang an Bord der „Marygold“ geholt hatte.

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110 səh. 1 illustrasiya
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9783954392032
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