Kitabı oxu: «Snobby und das Geheimnis der weißen Fee: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 7)», səhifə 4

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Die Fallen des Barbaron

Selbst an den dunkelsten Tagen des Winters war der Tempel von Bochea ein hell erleuchteter Ort des Friedens und des Gebets. Alle Wesen, die den Schöpfer verehrten, kamen in der Zeit der Kälte und des Eises in den Tempel der Königin von Bochea. Theodora nahm die vielen Gaben entgegen, die für den Schöpfer als Opfer mitgebracht wurden. Wenn der Abend nahte, leerte sich der Tempel, und die Elfen, Zwerge, Zyklopen und Menschen gingen zurück in ihre Häuser. Dann war die Königin mit ihrem Gefolge und den vielen Wachen allein in dem großen Gebäude. Sie zog sich gern in ihre Gemächer zurück, um mit ihrer Tochter Helena zu speisen. Meist kam der Fürst Silberhand etwas später dazu, denn er kontrollierte am Abend die Wachen.

So war es jeden Winterabend gewesen. Dass der Fürst nicht zum Abendmahl erschien, war deshalb sehr ungewöhnlich. Die beiden Frauen saßen schon seit einer halben Stunde am Tisch und ließen sich das Essen schmecken. Als sie satt waren und der Fürst noch immer nicht erschienen war, beschlossen sie nachzuschauen.

In Begleitung zweier Zyklopenkrieger gingen sie zum großen Saal des Tempels. Dort stand der Feenthron, und dort waren auch die meisten Wachen. Keiner der Wachen salutierte, wie es üblich war, wenn die Königin den großen Saal betrat. Sie lagen überall herum und gaben ein gleichmäßiges Schnarchen von sich. Wütend sah sich die Königin um und das plötzliche Lachen ihrer Tochter vergrößerte ihren Zorn noch mehr.

Helena hatte den Fürsten entdeckt und der Anblick, den er ungewollt darbot, war für sie sehr erheiternd. Der Fürst saß festgebunden auf dem Thron. In seinem Mund steckte ein Stück seines Mantels. Auf seiner rechten Schulter saß Barbaron und auf der linken saß sein Hauptmann. Der Fürst zappelte, als hätte er ein furchtbares Jucken am ganzen Körper. Dabei wollte er sich nur von den Stricken befreien, die ihn am Aufstehen hinderten. Außer einem »Hm … hm …« war von ihm nichts weiter zu hören.

Die Königin war vom Anblick des Fürsten und dem unerwarteten Besuch der Minitrolle so überrascht, dass sie erstaunt den Thron und den Fürsten Silberhand anstarrte. Sie brauchte einen Moment, um die Situation zu begreifen. Langsam machte sich in ihrem Gesicht ein Lächeln breit und sie befreite mit einer Handbewegung und ein wenig Magie den armen Fürsten. Kaum war der auf seinen Beinen, sprangen Barbaron und sein Hauptmann zum Tor, wo sich ihr Volk versammelt hatte. Silberhand stürmte ihnen hinterher, doch er wagte es nicht, die Minitrolle anzugreifen. Barbaron schwebte in der Luft und streckte ihm mit beiden Händen seinen blauen Kristall wie eine Drohung entgegen.

»Es ist genug, Fürst Silberhand!«, rief die Königin. »Lass sie in Ruhe und erkläre mir lieber, was hier geschehen ist.«

Der Fürst stapfte zum Thron und verbeugte sich vor Theodora. »Sie sind hier eingedrungen und haben uns überfallen. Wer weiß, was die hier suchen, diese kleinen Gauner. Vielleicht sind sie ja mit Aramur im Bunde. Dieser bösartige Dieb ist uns vor wenigen Stunden aus dem Kerker entwischt.«

»Das ist doch die Höhe!«, meckerte Barbaron los. »Wir kamen hier mit unserem Trollsprung an und sind gleich von den Wachen angegriffen worden! Mit einem Dieb machen wir keine gemeinsame Sache!«

»Da waren die Krieger wohl ein wenig überrascht gewesen«, versuchte die Königin mit einem bezaubernden Lächeln den kleinen König zu beruhigen.

»Oh ja, dass waren sie«, erklärte Barbaron. »Wir sind als Freunde von hier gegangen, als wir das letzte Mal da waren. Doch kaum statten wir der Stadt Bochea einen erneuten Besuch ab, werden wir wie Feinde behandelt und auch noch als Diebe verdächtigt. Die Wachen, die hier herumliegen und schlafen, die haben uns mit ihren Schwertern und Lanzen angegriffen. Erkennen die uns nicht mehr?«

»Ihr hättet vor der Stadt landen können und …«

»Alles Quatsch!«, unterbrach der Hauptmann den Fürsten. »Das große Stadttor ist längst geschlossen und wir können nicht bis zum nächsten Morgen warten. Wenn wir zu euch kommen, haben wir auch einen wichtigen Grund.«

Theodora rief einige Diener herbei, die sich um die schlafenden Krieger kümmerten. Fackeln wurden gebracht und auf eine große Tafel wurden Speisen und Getränke gestellt. Die Königin forderte das Volk der Minitrolle auf, es sich schmecken zu lassen. Keiner von ihnen ließ sich das zweimal sagen und einen Augenblick später glich die Tafel einem Schlachtfeld. Der Fürst, der bessere Essmanieren gewöhnt war, sah es mit grausen. Doch Theodora und Helena schien der Anblick der Minitrolle zu erheitern.

Barbaron erklärte schließlich, weshalb er mit seinem Volk gekommen war. Die Miene der Königin verfinsterte sich, als sie erfuhr, was Dämonicon und seine Helfer alles planten. Barbaron wischte sich den Mund mit dem Tischtuch ab und flog dann zu Theodora. Er schwebte vor ihr in der Luft und erklärte dann mit absoluter Unschuldsmiene, dass ihm die Wachen leidtäten und er dem Fürsten Silberhand keinen Streich mehr spielen würde.

Die Königin sah dem kleinen König aller Minitrolle in die Augen und sie konnte sich erneut ein Lächeln nicht verwehren. Sie hatte den frechen kleinen Kerl zu sehr in ihr Herz geschlossen, um ihn wirklich böse zu sein.

»Du hast richtig gehandelt, mein kleiner Freund«, hauchte sie Barbaron ihre Worte zu. »Ich lasse die Wachen verstärken, die das Haus der Elflinge bewachen. Die drei Kinder sind schon längst kein Geheimnis mehr. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis einer unserer Feinde auf die Idee kommen würde, die Prophezeiung gegen uns zu verwenden, die ich vor langer Zeit im Schlaf ausgesprochen habe.«

Barbaron setzte sich auf Theodoras Schoss. »Wir sollten uns eine besondere Verteidigung für das Haus der Elflinge ausdenken. Monga, Vagho und Orapius sind verschlagen und zu jeder Schandtat bereit. Sie töten bedenkenlos und sie kennen keine Gnade. Was können wir tun, um sie aufzuhalten?«

»Stellt ihnen doch eine Falle«, mischte sich Helena ein. »Ja, das ist gut«, meinte der Fürst. »Ihr könnt auch mehrere Fallen aufstellen. Wenn eine nicht funktioniert, dann erwischt sie die Nächste.«

Der Hauptmann stellte sich auf die Tafel und rieb sich die Hände. »Denen werden wir es zeigen!«, rief er und er hob seinen Becher in die Höhe. »Wir trinken auf die Königin!«

Vor lauter Begeisterung hielt es Barbaron nicht mehr auf Theodoras Schoss aus. Er schwebte wieder vor ihr, warf ihr eine Kusshand zu und flog dann zur Tafel. Dann ließ er sich von Nummer Acht seinen Becher füllen und hielt ihn in die Höhe. »Auf die Königin«, rief Barbaron und dann trank er den Becher in einem Zug aus.

Der Fürst ging auf die Tafel zu, um dem kleinen König eine Frage zu stellen. Ihm entging nicht, dass die Hände der wachsamen Minitrolle zu ihren Waffen glitten. Ein Lächeln war die Antwort des Fürsten und er stellte Barbaron betont ruhig seine Frage. »Wann werden eure Freunde hier eintreffen?«

Barbaron hielt gerade eine große Gabel mit einem Stück Wildschweinbraten in seinen Händen. Bevor er in das Fleisch biss, gab er dem Fürsten seine Antwort. »Du meinst bestimmt die Nekromanten und die Kobolde. Albanarius, Orbin und Cylor werden kommen. Artur bringt fünf seiner Brüder mit. Nur Snobby fehlt, denn der hat eine andere Aufgabe übernommen. Er ist mit der Fee Aella unterwegs.«

»Sie müssen auf der Insel der Alten etwas sehr Wichtiges erledigen«, fügte der Hauptmann hinzu. Dafür wird ein weißer Elf hier herkommen. Er heißt Gordal und er ist ein verdammt guter Krieger.«

»Gordal …«, flüsterte der Fürst. »Diesen Namen habe ich schon einmal gehört. Doch ich dachte, er wäre schon längst tot. War er nicht der Geliebte der Königin von Penda?«

»Du bist gut informiert, mein lieber Silberhand«, sprach Barbaron und er deutete mit der leeren Gabel zum Fürsten. »Ich erzähle dir später, was wir alles in Penda und Saphira erlebt haben. Wenn wir mit dem Essen fertig sind, sehen wir uns erstmal das Haus der Elflinge an. Danach planen wir, was für Fallen wir dort aufstellen.«

Die Nacht war schon längst hereingebrochen, als Theodora mit Helena, dem Fürsten und ihren Gästen zum Haus der Elflinge ging. Einige Wachen liefen mit Fackeln voran. Das Haus war in der Nähe des Tempels. Von einer hohen Mauer umgeben, waren nur die obersten Etagen und das Dach zu sehen. Ein kleines Tor in der Mauer war der einzige Zugang. Um kein unnötiges Aufsehen zu erregen, standen die Wachen hinter dem verschlossenen Tor. Selbst die Königin musste am Tor anklopfen und ein geheimes Losungswort sagen, sonst würde sie von den Wachen nicht hineingelassen.

Für die Minitrolle war der hohe Schnee, der abseits des Weges lag, ein großes Problem. Sie versanken in ihm, sodass sie überhaupt nicht mehr zu sehen waren. Ein wenig schadenfroh sah sich der Fürst die Sache an.

Die Wachen des Hauses waren über den nächtlichen Besuch sehr überrascht. Sie hatten auf dem kleinen Hof, der hinter dem Eingangstor des Hauses lag, ein Feuer entzündet, um sich zu wärmen. Die große Anzahl der Minitrolle verunsicherte sie und sie schlossen schnell das Tor, nachdem der letzte kleine Gast hindurch war.

Der Anführer der Wachen, ein großer weißer Elfenkrieger, war überhaupt nicht erfreut, als er erfuhr, dass die Elflinge in Gefahr waren. Er zeigte den Minitrollen das gesamte Haus. Nur das Zimmer, in dem die drei Kinder schliefen, blieb verschlossen. Vom Dachboden bis zum Keller sahen sich die Minitrolle alles an. Besonders gut gefiel ihnen die Küche, denn ihre Vorratskammer erwies sich als erfreulich groß. Sie war für den Winter so gut gefüllt, dass die Minitrolle sie bis zum Frühjahr nicht leeren könnten.

Das Haus hatte einen kleinen Saal, den Barbaron sofort für sein Volk beanspruchte. Die Wachen mussten einen Haufen Kerzen herbeischaffen, damit genügend Licht im Saal war. Der Hauptmann besorgte ein großes Tuch von einem der Tische, die im Saal standen. Er breitete es auf dem Boden aus und zeichnete mit einem Stück Holzkohle die Umrisse des Hauses darauf.

Barbaron erklärte der Königin und dem Fürsten, wo sein Volk mit dem Fallenbau beginnen würde. Die Königin und der Fürst Silberhand wussten jedoch nicht genau, was unter einer Bärenkastenfalle oder einer Schweinekopfschlingenfalle zu verstehen war. Helena musste sich das Lachen verkneifen. Sie sah zu, wie die Königin und der Fürst immer wieder zustimmend nickten, wenn Barbaron ihnen seine Fallen erklärte. Er hätte ihnen auch die Herstellung von Brot oder Schmierseife erklären können. Die beiden hatten keine Ahnung, von was der kleine König da redete.

Nachdem Barbaron seinen Plan zum Fallenbau erklärt hatte, sah er die Königin und den Fürsten abwechselnd an. Die beiden lächelten freundlich, und der kleine König begriff, dass sie nichts verstanden hatten.

»Ihr kennt wohl keine Netzfalle für Wildhühner oder eine Köderfalle für Wölfe?« Seine Frage brachte die beiden in Verlegenheit und Theodora erhob beide Hände, so als wollte sie mit ihnen ihr Bedauern ausdrücken.

»Ich gehe niemals auf die Jagd nach wilden Tieren und der Fürst benutzt nur seinen Bogen und seinen Speer«, erklärte die Königin. »Das Fallenstellen ist uns unbekannt und keiner unserer Jäger kennt sich damit aus.«

Barbaron holte tief Luft und stemmte seine Hände in die Hüften. »Du meine Güte, woher soll ich das denn wissen? Ich rede und erkläre hier und ihr versteht nicht ein Stück davon. Doch das wird sich ändern, denn ich werde euch bei bester Gelegenheit eine Lektion in Fallenkunde geben. Das verspreche ich euch und alle meine Minitrolle werden mir dabei helfen.«

»Oh je …«, stöhne der Fürst los. »Hoffentlich muss ich nicht wieder als Opfer herhalten.«

»Warum nicht?«, rief Nummer Zehn. »Ja genau …!«, rief der nächste Minitroll. »Wir haben noch genug von dem langen Strick und …!«

»Ruhe!«, brüllte der Hauptmann los und er sah sich die vorlauten Schreihälse grimmig an. »Ihr habt wohl vergessen, wo wir hier sind. Wir werden uns benehmen und außerdem schlafen die Kinder noch.«

Da war der Hauptmann wohl etwas voreilig. Die große Tür des Saales stand einen Spaltbreit auf. Durch ihn schauten die drei Kinder schon längst herein. Die Wachen, die vor ihrem Schlafgemach standen, hatten sie nicht aufhalten können. Sie waren den beiden Elfenkriegern entwischt.

»Der Kleine da, der mit dem Kohlestück, das ist der Hauptmann«, flüsterte Membi. »Ja, du hast recht«, flüsterte Albi zurück. »Und der daneben, der ist ihr Anführer«, meinte Sambo. »Er heißt Barbaron«, erklärte Membi. »Und er ist ihr König«, flüsterte Albi etwas lauter. »Ja ich weiß«, zischte Sambo los.

Barbaron hatte die drei Kinder gehört, doch er ließ sich nicht gleich etwas anmerken. Er schnippte zweimal mit den Fingern und deutete dann mit seinem Bogen zur Tür. Die Kinder erschraken fürchterlich, als gleich zehn Minitrolle einen Trollsprung machten und hinter ihnen auftauchten.

»Na, so früh schon wach?«, fragte Nummer Zehn mit einem dreisten Grinsen im Gesicht. Mit einem Aufschrei ging die Tür endgültig auf und die Kinder lagen am Boden. Sie sprangen auf ihre Füße und liefen zu ihrer Mutter. Die Königin umarmte sie alle drei und gab jeden einen Kuss.

Da in dieser Nacht an Schlaf nicht mehr zu denken war, beschloss die Königin, im kleinen Saal zu bleiben. Sie ließ sich von den Wachen einen bequemen Sessel an den Kamin stellen, der den Saal mit seinem Feuer erwärmte.

Die Elflinge setzten sich auf einem Bärenfell zu ihren Füßen hin. Helena und der Fürst ließen sich ebenfalls zwei Stühle bringen. »Was für ein Glück, das Luzia nicht in diesem Haus schläft«, brummte er vor sich hin. »Das stimmt«, bestätigte Helena. »Wenn unsere Tochter hier wäre, hätten wir keine Ruhe mehr. Die würde mit den Elflingen durch das Haus toben.«

»Wo ist sie denn?«, fragte Barbaron. »Hütet sie immer noch mit dem Grottenschrat im Tempel das Auge der Zyklopen und den Becher des Schöpfers?«

Bei dem Gedanken an ihre Tochter musste Helena lächeln. »Nein, das muss sie nicht mehr. Die Heiligtümer des Tempels sind wieder sicher. Die Aura der Königin ist stärker als jemals zu vor. Kein Träger der schwarzen Magie kann sich ihnen nähern, ohne Schaden zu nehmen, sobald er seinen schwarzen Zauber ausüben will. Luzia wohnt im Gildehaus der Krieger. Sie findet das überaus spannend und die vielen Krieger, die kommen und gehen, faszinieren sie. Die drei Königskinder, die früher Lumichs genannt wurden, wohnten ebenfalls in dem Gildehaus. Sie sind vor einigen Tagen mit ihren Begleitern nach Banda aufgebrochen um, sich dort die Überreste ihrer alten Heimat anzusehen.«

»Außerdem haben wir einen Lehrer für Luzia gefunden«, erklärte der Fürst. »Der wohnt gleich neben dem Gildehaus und er unterrichtet sie jeden Tag in allen Dingen, die sie wissen muss.«

»So einen Lehrer könnten wir auch ab und zu gebrauchen«, meinte der kleine König. An die Lumichs und die Elfen, die sie begleiteten, hatte er bei den vielen Abenteuern in der letzten Zeit nur selten gedacht. Es war eigentlich schade, dass sie nach Banda aufgebrochen waren. Er sah zu seinem Volk, das sich überall im Saal niedergelassen hatte. Alle Tische und Stühle und selbst der Teppich unter der großen Speisetafel waren von den Minitrollen besetzt worden. Einige saßen sogar auf einem großen Schrank.

Barbaron beantwortete die vielen Fragen, die ihm von Theodora und dem Fürsten noch gestellte wurden. Er berichtete bis zum Morgengrauen von den Kämpfen und der Flucht aus Imperos unterirdischem Reich und er hörte erst auf, als ein Krieger hereinkam und berichtete, dass hoher Besuch im Tempel angekommen sei. Drei Magier wären dabei, außerdem sechs kleine Männer, eine Frau und ein erstaunlich großer Elfenkrieger. Das konnten nur die Freunde sein, die mit ihren Flugschalen nach Bochea fliegen wollten. Theodora erklärte den Wachen, dass sie die Gäste zum Haus bringen sollten. Außerdem sollten die Diener Essen und Wein herbeischaffen.

Nur einen Augenblick später konnte die Königin die halb erfrorenen Gäste begrüßen und ihren Bruder Orbin in die Arme schließen. Das Wiedersehen war überaus herzlich und die Ankömmlinge waren froh, die Wärme des Kamins zu spüren. Die Kälte hatte ihnen beim Flug schmerzhaft zugesetzt. Nachdem sie sich gestärkt hatten und Albanarius sich einen ordentlichen Rülpser nicht verkneifen konnte, berichtete Barbaron, was er sich alles ausgedacht hatte. Er erklärte ausführlich, welche Fallen seiner Meinung nach infrage kamen.

Albanarius strich sich bedächtig über seinen Bart und sah in die Gesichter von Cylor, Orbin und Gordal. Da sie an Barbarons Plan nichts auszusetzen hatten, stimmten sie ihm zu und Albanarius rieb sich die Hände. »So ist es also entschieden«, erklärte er mit seiner tiefen Stimme. »Wir bereiten Monga, Vagho und Orapius einen herzlichen Empfang. Und mit ein wenig Glück schaffen wir es, sie so zu vernichten, dass ihre Seelen nicht mehr in Imperos Reich fliehen können.«

Aurelia hatte sich zu den drei Elflingen gesellt. Sie sah sich die Kinder an, die nicht älter wurden und auf ihren Rücken die Libellenflügel trugen. Was für eine Art Tier konnte ihnen das angetan haben? Und warum hatte der Schöpfer ihnen das Leben noch einmal gegeben? Der Bergnymphe war klar, dass der Schöpfer nichts ohne einen Grund tat. Die außergewöhnlichen Flügel und die ewige Jugend der drei Knaben mussten also für etwas nützlich sein.

Theodora sah Aurelia an, dass sie über ihre Kinder nachdachte. »Alles im Leben hat einen Sinn«, sprach sie zu der Nymphe. »Du brauchst darüber nicht zu grübeln, denn der Schöpfer hat es so bestimmt. Ich nehme das Schicksal meiner Kinder so hin, wie er es will. Denn nach seinem Willen müssen wir leben und handeln.«

»Ja, dass müssen wir«, stimmte Aurelia der Königin zu. »Ich hoffe nur, dass die Aufgaben, die uns der Schöpfer stellt, eines Tages nicht zu schwer werden.«

Sie sah zu Albanarius hoch, der sich mit Cylor und Orbin über die Beschaffenheit von Fallen unterhielt. Sie waren sich einig, dass Barbarons Jagdfallen mit weißer Magie verstärkt werden mussten. Das würde die Erfolgsausichten erhöhen. Der einzige Punkt, über dem sich die Freunde nicht einigen konnten, war die Art der Ankunft der drei Feinde. Orbin und Cylor meinten, dass sie fliegen würden, um Bochea zu erreichen. Für Albanarius kam nur ein Tunnel oder etwas Ähnliches infrage. Die Aura würde sie am Fliegen hindern. Barbaron war der gleichen Meinung. »Es muss irgendwo in der Stadt so etwas wie einen Zugang zu einem Geheimgang geben«, erklärte er. »Den müssen wir finden und dann wissen wir auch, wie diese drei Diebe vorgehen wollen. Finden wir den Zugang nicht, so müssen wir jede Möglichkeit in Betracht ziehen. Und da gibt es so einiges zu bedenken. Am besten ist es, wir fangen gleich mit der Suche an.«

Gordal war nicht derselben Meinung. Er war müde und erschöpft und den Nekromanten und den Kobolden ging es nicht besser. Sie alle hatten beim Fliegen mit der Kälte kämpfen müssen und es war ein weiter Weg gewesen. Das sah der kleine König ein und er beschloss, mit seinem Volk und den Kriegern des Fürsten Silberhand gemeinsam die Suche zu beginnen. Zu allem Übel verriet ihm sein Kompass, dass es ein Wettlauf mit der Zeit werden würde. Die schwarze Fürstin und die zwei Schattenalps waren nur wenige Meilen von der Stadt entfernt. Doch wo war der schwarze Prinz?

Leise flüsterte Barbaron seine Frage vor sich hin. »Wo bist du, Dämonicon?«

An Aramur, dem entflohenen Dieb, dachte niemand.

Der Bruder des Orakels

Die Nacht war noch nicht dem Tag gewichen, da erwachte Snobby aus einem fürchterlichen Traum. Er lag neben Aella auf dem Dachboden und horchte in die Dunkelheit hinein. Es war nichts zu hören und so versuchte er, sich an den Traum zu erinnern. Drei große Steine kamen in seinem Traum vor. Sie waren gleichmäßig rund und lagen in einer Höhle. Er selbst duckte sich hinter den Steinen und Aella versuchte verzweifelt sich an einen Zauberspruch zu erinnern. Irgendetwas stimmte mit den Steinen nicht und eine weitere Gestalt kam auf die Steine zu. Es war ein junger Elf, der die Kleidung eines Bogenschützen trug. Doch dieser Elf sah recht merkwürdig aus. Seine Kleidung hatte Snobby schon einmal gesehen. Er erinnerte sich an ein Bild, dass er in einem der Bücher von Artur gefunden hatte. Doch in welchem Zusammenhang die Steine und der junge Bogenschütze standen, das konnte sich Snobby nicht erklären. Der Traum endete als der Elf die Steine berührte.

Aella hatte ebenfalls keinen guten Schlaf. Sie erwachte mit einem Mal und stand sofort auf. Der Kobold sah, wie sie das kleine Fenster, das an der Wand des Dachbodens war, vorsichtig öffnete und hinausspähte. »Wir sollten uns in den Tempel hineinschleichen«, flüsterte sie vor sich hin. »Ich habe das ungute Gefühl, das wir hier nicht sicher sind.«

Sie drehte sich zu dem Kobold um. »Tu nicht so, als ob du noch schläfst.«

»Woher weißt du, dass ich wach bin?«, flüsterte Snobby zurück.

»Das kann ich wittern, mein kleiner Kobold« erklärte leise die Fee. »Doch ich wittere noch viel mehr. Die Gefahr, entdeckt zu werden, liegt in der Luft. Wir sollten uns in den Tempel schleichen und uns dort etwas umsehen. Wenn der Tag anbricht, haben wir es noch viel schwerer.«

Snobby kroch vorsichtig zum Fenster und schaute ebenfalls heraus. Das riesige Gebäude, das in der Nacht noch unheimlicher wirkte, hatte ein großes Kuppeldach. Zahlreiche gemauerte Bögen trugen dieses Dach und es schien nicht weiter schwierig zu sein, von dort oben in den Tempel hinein zu kommen. Auf die Krieger, die den Tempel von allen Seiten bewachten, mussten die Fee und der Kobold aufpassen. Der Tempel war von innen hell erleuchtet und das Licht schien durch die Kuppelbögen in die Nacht hinein.

Der Kobold sah zu Aella und dann wieder zu dem Tempel. »Wir müssen fliegen und uns von oben in das Gemäuer schleichen. Anders geht es nicht, Aella.«

Die Fee sah, wie Snobby seine Flugschale hervorholte und sie vergrößerte. Er wollte schon starten, das kamen zwei Krieger mit ihren Fackeln am Tempel vorbei. Ihre Rüstungen klapperten bei jedem Schritt.

Als sie sich entfernt hatten, sah Snobby noch einmal zu Aella. »Bist du bereit, für den Flug?«, fragte er sie.

Sie nickte nur und der Kobold stieg auf seine Schale. Er duckte sich und flog aus dem Fenster heraus. So schnell er konnte versuchte er die Kuppel mit den Bögen zu erreichen. Aella folgte ihm und sie waren beide erleichtert, als sie an einem der Bögen ankamen. Von den Bögen aus konnten sie in den Tempel hinein sehen.

Ein kleine Gruppe Priester hatte sich um eine große Steinschale versammelt. In dieser Schale loderte ein Feuer so hoch, dass sein Licht die Kuppel erhellte. Die Priester knieten ringsherum um das Feuer und waren offensichtlich in ihr Gebet vertieft.

»Hoffentlich hat uns noch niemand bemerkt«, raunte die Fee dem Kobold zu. Snobby wollte etwas erwidern, doch ein weiterer Priester zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Er sprach die betenden Priester an, sodass sie sich zu ihm umdrehten. Was er sagte, war nicht zu verstehen. Doch die Priester verließen das Feuer und verschwanden durch eines der Tore, durch die man zu dem großen Gebetsraum gelangen konnte.

»Hast du verstanden, was der Priester gesagt hat?«, fragte Snobby.

»Nicht ein Wort war zu verstehen«, antwortete Aella. »Wir sollten uns lieber ein besseres Versteck suchen und das Orakel finden. Ich sehe mich mal ein wenig um und du passt auf die Priester und die Wachen auf.«

Aella wartete nicht ab, bis der Kobold noch etwas sagte. Sie beugte sich weit über den Bogen hinein in die Kuppel und betrachtete das Innere des Tempels. Das Bauwerk war nicht viel mehr als ein großer viereckiger Kasten aus grob behauenen Steinen und einer runden Kuppel darauf. Doch eine Treppe am Rande des Gebetsraumes und eine kleine Tür erregte die Aufmerksamkeit der Fee. Was war wohl hinter dieser Türe verborgen? Aellas lautlose Frage wurde sehr schnell beantwortet. Sie zog sich sofort zu dem Kobold zurück.

Eine alte Dragolianerin und zwei junge Priester kamen in den Tempel hinein. Die Dragolianerin war wohl so etwas wie eine Dienerin, denn sie hatte einen Korb mit Brot und Fleisch bei sich. Sie ging die Treppe hinunter und verschwand hinter der kleinen Tür. Die Priester mussten im Gebetssaal warten.

Die Fee und der Kobold hörten, wie sich die Priester unterhielten. »Hoffentlich braucht sie nicht wieder so lange«, sprach einer von ihnen.

»Du hast recht«, antwortete der andere. »Gestern hat sie uns viel zu lange warten lassen. Es kann doch nicht so schwer sein, dem Orakel etwas zu Essen und zu Trinken zu bringen.«

»Da bin ich ganz deiner Meinung«, sagte der erste Priester. »Unseren Herrn Platos würde die alte Dienerin nicht so lange warten lassen. Er soll bald in die Stadt kommen und das Orakel auf die kommende Nacht vorbereiten. Einen hohen Gast bringt er auch mit. Sobald der Vollmond aufgeht, wird das Orakel uns die Zukunft deuten und unsere Feinde erkennen. Und unser Herrscher wird auch erscheinen. Das hat das Orakel schon beim letzten Vollmond vorausgesagt.«

Die Dienerin kam mit dem Korb zurück. Sie ging an den Priestern vorbei, ohne sie weiter zu beachten. Sie folgten ihr zum Tempel hinaus und verschwanden mit ihr in der Nacht. Zurück blieben die Fee und der Kobold.

»Da ist es also, das gesuchte Orakel«, flüsterte der Kobold. Er sah zu Aella und bemerkte sofort, dass etwas mit ihr nicht stimmte. »Was ist mit dir los?«, zischte er ihr zu. »Du siehst aus, als hättest du vor etwas Angst.«

»Es ist nichts weiter«, versuchte die Fee den Kobold zu beruhigen. »Manchmal kommen mir alte Erinnerungen in den Kopf. Bilder aus längst vergangenen Zeiten, die mich nicht in Ruhe lassen wollen. Doch darüber sollten wir hier an diesem Ort nicht sprechen.«

Noch bevor der Kobold etwas entgegnen konnte, erregte eine weitere Gestalt ihre Aufmerksamkeit. Zuerst war es nur ein Schatten, den die Beiden sahen. Doch dann erkannten sie, dass ein weißer Elf durch den Tempel schlich. Er versuchte offenbar, ebenfalls zu dem Orakel zu gelangen.

Aella und Snobby beobachteten, wie der Elf die Treppe herunter schlich, die zu dem Orakel führte. Als er die Tür erreichte, kam Lärm im Tempel auf. Ein großer grünhäutiger Krieger ging auf die Schale mit dem Feuer zu. Er stellte sich vor ihr auf und wärmte sich seine Hände an den Flammen. Eine Schar Priester folgte ihm und die alte Dienerin mit dem Korb war ebenfalls zu sehen.

Der Elf saß nun in der Falle, doch er hatte noch ein letztes Mittel, um zu entkommen. Er kannte sich mit der weißen Magie gut genug aus, um sich in einen kaum sichtbaren Nebelschleier zu hüllen. Wie eine kleine Rauchwolke schwebte er schnell davon, ohne dass ihn jemand bemerkte.

Der Kobold und die Fee hatten ihn allerdings bei seinem Rückzug gesehen. Snobby war sich sicher, dass dieser Elf der Bogenschütze aus seinem Traum war. Die blauen Sachen, die er trug und das Wappen mit dem Bogen darauf und den beiden gekreuzten Pfeilen, dass alles verriet dem Kobold, dass dieser Elf nicht zu den üblichen Bewohnern von Selan gekörte.

Der Elf erreichte unbehelligt das Dach des Tempels. Dann ließ die Wirkung seiner Magie nach und der Nebelschleier, der ihn auf das Dach getragen hatte, verschwand. Als er die Fee und den Kobold sah, erschrak er für einen kurzen Augenblick. Er breitete seine Arme nach rechts und links aus und hielt sofort einen Bogen und einen Pfeil in den Händen. Doch ihm wurde schnell klar, dass die beiden so ungleichen Fremden für ihn keine Gefahr waren. Geduckt schlich er zu ihnen hin, um sich neben sie hinzuhocken.

»Habt ihr den Verstand verloren, ihr beiden komischen Gestalten? Ihr habt hier nichts zu suchen«, zischte er sie mit funkelnden Augen an.

»Was soll das heißen?«, zischte Snobby zurück. »Wen hätten sie denn beinah erwischt? Dich oder uns?« Der Elf ließ seine Waffen verschwinden und sah durch einen Steinbogen in den Tempel hinein. Seine magischen Fähigkeiten mussten beachtlich sein, denn er konnte jedes Wort hören, was im Tempel gesprochen wurde.

»Der große grüne Kerl ist der Leibwächter von Platos«, flüsterte er dem Kobold und der Fee zu. »Er sagt, dass sein Herr in wenigen Augenblicken kommen wird. Wenn er da ist, will er mit dem Orakel sprechen. Die Angst vor Dämonicon lässt hier jeden schneller handeln und niemand stellt die Herrschaft des schwarzen Prinzen infrage.«

Aella sah ebenfalls in den Tempel hinein. »Du kennst dich hier gut aus. Sag uns deinen Namen und erkläre uns, was du hier willst.«

Der Elf sah zu Aella und dann zu Snobby. »Mein Name ist Telos und ich bin der Sohn des Fürsten von Tugomar. Und wer seit ihr beiden Lauscher, wenn ich fragen darf?«

Aella flüsterte dem Elfen ihre Namen zu und was sie hier auf der Insel der Alten wollten. Als die Fee noch etwas fragen wollte, kam im Tempel noch einmal Lärm auf. Sie sahen alle drei nach unten zum Feuer und entdeckten in der Schar der Krieger zwei Gestalten, die noch größer als der Leibwächter waren, der immer noch am Feuer stand. Er war der einzige Krieger, der ruhig blieb und sich nicht nach allen Seiten umsah.

Mit lauter Stimme sprach er die Ankömmlinge an. »Mein Herr Platos und mein Herr Virgil. Ich begrüße euch in diesem heiligen Tempel. Ich hätte nicht gedacht, dass heute gleich zwei Iht-Dags hier erscheinen.«

»Hüte deine Zunge!«, herrschte einer der beiden Iht-Dags den Leibwächter an. Es war Virgil, der sich in einen schwarzen Mantel gehüllt hatte und dessen Augen wie glühende Kohlen aus seiner Kapuze heraus sahen. Alles an ihm war schwarz. Sogar die Rüstung, die er unter seinem Mantel trug und der große Stab, den er in seiner rechten Hand hielt. Eine merkwürdige Kälte ging von ihm aus. Der Boden unter seinen Füßen wurde weiß, denn wo er ging oder stand, ließ sein Schatten alles gefrieren.

Platos wirkte dagegen nicht so düster und eisig. Er glich eher einem dunklen Elfenkrieger. Doch er war genauso groß wie Virgil. In seinen Händen hielt er einen Zauberstab, der einem königlichen Zepter glich. Die beiden Iht-Dags hatten jedoch auch etwas gemeinsam. Als Zeichen ihrer Unterwerfung hatte Dämonicon sie mit Ringen aus magischem Eisen am Hals und an den Handgelenken für immer versklavt.

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22 dekabr 2023
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