Kitabı oxu: «Der Sohn des Bärenjägers», səhifə 4

Şrift:

„O weh! Wann soll die große Leichenfeier stattfinden?“

„Zum Tag des vollen Mondes. An diesem Tag sind seinerzeit die drei getötet worden.“

Jemmy rechnete in Gedanken nach und bemerkte dann: „Wenn das der Fall ist, so haben wir noch Zeit genug. Es sind noch volle zwölf Tage bis zum Vollmond. Wie stark sind die Ogellallah?“

„Als ich sie verließ, zählten sie fünf mal zehn und noch sechs.“

„Also sechsundfünfzig Krieger. Wie viele Gefangene haben sie?“

„Mit dem Bärenjäger sind es sechs.“

„So wissen wir vorerst genug und können uns zum Aufbruch rüsten. Martin Baumann, was gedenkt Ihr zu tun?“

Der junge Mann war wieder von seinem Sitz aufgestanden, hob die Rechte wie zum Schwur und sprach feierlich: „Ich gelobe hiermit, meinen Vater zu retten oder seinen Tod zu rächen, selbst wenn ich ganz allein die Sioux verfolgen und mit ihnen kämpfen müsste. Ich werde wohl sterben, aber meinen Schwur nicht brechen.“

„Nein, allein sollst du nicht ziehen“, sagte der kleine Hobble-Frank. „Ich werde mit dir reiten und dich auf keinen Fall verlassen.“

„Und Masser Bob auch mitgehen“, erklärte der Neger, „um alt Massa Baumann befreien und Sioux-Ogellallah totprügeln. Sie alle müssen in die Hölle!“ Er ballte die Faust und knirschte mit den Zähnen.

„Auch ich reite mit!“, sprach Jemmy der Dicke. „Es soll mir eine Freude sein, den Roten ihre Gefangenen zu entreißen. Und du, Davy?“

„Red nicht so dumm!“, antwortete der Lange gleichmütig. „Meinst du, ich bleibe hier und flicke meine Schuhe oder mahle Kaffee, während ihr euch so ein prächtiges Abenteuer leistet?“

„Gut, alter Waschbär! Sei nur zufrieden, du darfst schon mit. Aber was wird unser roter Bruder Wohkadeh tun?“

Der Indianer erwiderte: „Wohkadeh ist ein Mandan, niemals aber ein Ogellallah. Seine weißen Brüder mögen ihm ein Gewehr geben mit Pulver und Blei. Er wird sie begleiten und mit ihnen sterben oder die Feinde besiegen!“

„Braver Kerl!“, meinte der kleine Sachse. „Eine Büchse sollst du haben und alles andere auch, sogar ein frisches Pferd, denn wir haben ja vier Stück, also eins überzählig. Das deinige ist übermüdet und kann nebenherlaufen, bis es sich erholt hat. Wann aber brechen wir auf, ihr Leute?“

„Sofort!“, erklärte Martin.

„Allerdings dürfen wir keine Zeit versäumen“, stimmte der Dicke bei. „Aber es ist auch nicht ratsam, uns zu übereilen. Wir kommen durch wasser- und wildarme Gegenden und müssen uns mit Mundvorrat versehen. Auch wissen wir nicht, ob die neun Pferdediebe, denen wir heute das Einmaleins vorgebetet haben, nicht noch Böses gegen uns im Schild führen. Wir müssen uns unbedingt überzeugen, ob sie die Gegend verlassen haben oder verlassen werden. Und wie steht es mit diesem Haus? Wollt Ihr es unbeschützt zurücklassen?“

„Ja“, bestätigte Martin.

„So kann es leicht sein, dass Ihr es bei der Rückkehr eingeäschert oder wenigstens ausgeräumt findet.“

„Gegen das Ausräumen können wir uns schützen.“

Der Jüngling nahm eine Hacke und hackte den festgestampften Lehmboden im Viereck auf. Da zeigte es sich, dass es hier eine geheime Falltür gab, unter der sich eine geräumige Vertiefung befand, worin man alles, was nicht mitzunehmen war, verbergen konnte. War dann der Lehm wieder über der geschlossenen Tür festgestampft, so konnte kein Unberufener das Dasein dieses Verstecks erraten. Und selbst wenn das Gebäude in Brand gesteckt werden sollte, stand zu erwarten, dass der Lehm des Bodens die versteckten Gegenstände gegen das Verderben schützen werde.

Die Männer machten sich jetzt an die Arbeit, den Inhalt des Raumes, so weit er nicht zu ihrer Ausrüstung zu gebrauchen war, in die Vertiefung zu schaffen. Auch mit den Bärenfellen wurde das getan. Es befand sich eins von ganz besonderer Größe und Schönheit darunter. Als Jemmy es bewundernd betrachtete, nahm es Martin aus seiner Hand und warf es in das Loch hinab. „Fort damit!“, rief er. „Ich kann diesen Pelz nicht sehen, ohne an die schrecklichsten Stunden meines Lebens zu denken.“

„Das klingt ja so, als hättet Ihr bereits ein sehr langes Leben oder eine ganze Reihe von schweren Ereignissen hinter Euch, mein Junge.“

„Vielleicht habe ich auch wirklich bereits mehr erlebt als mancher alte Trapper.“

„Oho! Nicht aufschneiden!“

Martins Augen richteten sich mit beinahe zornigem Blick auf den Dicken. „Meint Ihr etwa, der Sohn eines Bärenjägers habe keine Gelegenheit zu Erlebnissen? Ich sage Euch, dass ich bereits als sechsjähriger Bube mit dem Kerl gekämpft habe, der in dem Pelz lebte, den Ihr soeben bewundert habt.“

„Ein sechsjähriges Kind mit einem solchen Grizzly? Ich weiß, dass die Kinder des wilden Westens aus anderem Holz geschnitzt sind als die Buben, die da vorn in den Städten die Beinchen in ihrer Väter Wärmflaschen stemmen. Ich habe manch einen Jungen gesehen, der in New York ein Abc-Schütze wäre, hier aber seine Rifle zu gebrauchen wusste wie ein Alter. Doch – hm! Wie ist es damals mit dem Bären zugegangen?“

„Das war in den Bergen von Colorado. Ich hatte die Mutter noch und dazu ein allerliebstes Schwesterchen von drei Jahren. Der Vater war fortgegangen, um Fleisch zu schießen. Die Mutter war draußen vor der Hütte, um Holz zum Feuer klein zu hacken, denn es war Winter und sehr kalt in den Bergen. Ich befand mich mit der kleinen Lucy ganz allein in der Stube. Sie saß zwischen der Tür und dem Tisch am Boden und spielte mit der Puppe, die ich ihr aus einem Holzscheit geschnitzt hatte, und ich stand auf dem Tisch, um mit dem großen Holzmesser ein M und ein L in den dicken Balken zu schneiden, der unter dem spitzen Dach von der einen Blockhauswand zur gegenüberliegenden lief. Das waren die Anfangsbuchstaben meines Vornamens und des der lieben Lucy. So wollte ich nach Bubenart uns beide verewigen. In diese schwere Arbeit vertieft, hörte ich, dass die Tür mit Gewalt aus dem Riegel gestoßen wurde. Ich glaubte, die Mutter sei so geräuschvoll eingetreten, weil sie Holz auf den Armen habe, und schaute mich gar nicht um, sondern sagte nur: „Mutter, das ist für Lucy und mich. Dann kommst auch du mit Vater dran.“

Statt ihrer Antwort hörte ich ein tiefes Brummen. Ich drehte mich um. Nun müsst ihr wissen, Mesch’schurs, dass es noch nicht Tag war, aber draußen leuchtete der Schnee und auf dem großen Herd brannte ein Holzklotz, dessen Flamme die Stube erleuchtete. Was ich bei ihrem Schein erblickte, war grässlich. Gerade vor der armen, kleinen Lucy, die vor Entsetzen keinen Laut hervorbrachte, stand ein riesiger grauer Bär. Sein Fell war mit Eis bezottelt und sein Atem dampfte. Das sprachlose Schwesterchen hielt ihm bittend die hölzerne Puppe entgegen, als wollte es sagen: ‚Da nimm meine Puppe, aber tu nur mir nichts, du böser, lieber Bär!‘ Doch der Grizzly hatte kein Erbarmen. Mit einem Tatzenschlag warf er Luzy nieder und dann zermalmte er mit einem einzigen Biss ihr blondes Köpfchen. Noch heute höre ich das Malmen und Krachen. – Heavens! Ich kann es nicht vergessen, nie, nie...!“

Martin hielt in seiner Erinnerung inne. Keiner unterbrach die Stille, bis er fortfuhr:

„Auch ich konnte mich vor Entsetzen nicht bewegen. Ich wollte um Hilfe rufen, brachte aber keinen Laut hervor. So sah ich die Glieder des Schwesterchens im Rachen des Untiers verschwinden, bis nichts mehr übrig war als die hölzerne Puppe, die zu Boden gefallen war. Ich hatte das lange Messer krampfhaft in der Hand. Nun kam der Bär auf mich zu und richtete sich mit den Vorderpranken am Tisch auf. In diesem Augenblick gewann ich den Gebrauch meiner Glieder wieder. Sein schrecklicher Atem traf mich bereits im Gesicht. Da nahm ich das Messer zwischen die Zähne, umfasste den Balken mit den Armen und schwang mich hinauf. Der Bär wollte mir nach und riss dabei den Tisch um. Das war meine Rettung.

Jetzt rief ich freilich um Hilfe, doch vergebens. Die Mutter kam nicht, obgleich sie meine Stimme hören musste, denn die Tür stand offen und ein kalter Luftstrom drang hinein. Der Grizzly richtete sich in seiner vollen Länge auf, um mich vom Balken herabzuholen. Ihr habt seinen Pelz gesehen und werdet es mir also glauben, wenn ich sage, dass er mich mit seinen Vordertatzen gerade noch erreichen konnte. Aber ich hatte das Messer in der Hand, hielt mich mit der Linken fest und stach mit der Rechten in die Pranke, die er nach mir ausstreckte.

Was soll ich euch den Kampf beschreiben, meinen Jammer und meine Angst! Wie lange ich mich verteidigt habe, weiß ich nicht. In einer solchen Lage wird eine Viertelstunde zur Ewigkeit. Meine Kräfte schwanden und beide Vordertatzen des Bären waren zerstochen und zerschnitten, als ich trotz seines Brummens das Bellen unseres Hundes hörte, den der Vater mitgenommen hatte. Vor der Hütte erhob er seine Stimme, wie ich niemals wieder die Stimme eines Hundes gehört habe. Dann kam er hereingestürzt und warf sich augenblicklich auf das riesige Raubtier. Er war ein hässlicher Köter, aber ungemein stark und uns treu ergeben. Er fasste den Bären bei der Kehle, um sie ihm zu zerreißen. Der Bär aber zerfleischte ihn mit seinen gewaltigen Tatzen. Nach wenigen Augenblicken war der Hund tot – in Stücke zerrissen, und der wütende Grizzly wendete sich nun wieder gegen mich.“

„Und Euer Vater?“, fragte Davy, der wie die anderen mit größter Spannung zugehört hatte. „Wo der Hund ist, kann der Herr nicht fern sein.“

„Allerdings, denn eben richtete sich der Grizzly wieder unter dem Balken auf, um nach mir zu langen, den Rücken der Tür zugekehrt, da erschien der Vater am Eingang, bleich wie der leibhaftige Tod. „Vater, Hilfe!“, schrie ich auf, einen Stoß nach dem Bären führend.

Der Vater antwortete nicht. Auch ihm war die Kehle wie zugeschnürt. Er hob das geladene Gewehr – jetzt wird er schießen! Doch nein, er senkte es wieder. Er war so aufgeregt, dass der Lauf in seinen Händen wankte. Er warf die Waffe weg, riss das Bowiemesser aus dem Gürtel und sprang von hinten auf das Tier ein. Den Bären mit der linken Hand beim Pelz packend, trat er seitwärts vor und stieß ihm die lange Klinge bis ans Heft zwischen die bekannten beiden Rippen. Aber augenblicklich sprang er auch wieder zurück, um nicht von dem Bären im Todeskampf gefasst zu werden. Das gewaltige Tier stand unbeweglich, röchelte und stöhnte ganz unbeschreiblich, griff dann mit den Vorderpranken ins Leere und brach tot zusammen. Wie sich später herausstellte, war ihm die Klinge gerade ins Herz gedrungen.“

„Gott sei Dank!“, meinte Jemmy, indem er tief und laut aufatmete. „Das war Hilfe in der größten Not. Aber Eure Mutter, mein junger Sir?“

„Die – oh, ich habe sie nicht wieder gesehen.“ Martin wendete sich ab und wischte sich mit einer raschen Handbewegung zwei Tränen aus den Augen.

„Nicht wieder gesehen? Wieso?“

„Als der Vater mich vom Balken herabgeholt hatte, er zitternd und ich noch an allen Gliedern bebend, fragte er nach der kleinen Schwester. Laut aufschluchzend erzählte ich ihm, was geschehen war. Ich habe nie wieder ein Gesicht gesehen wie das des Vaters damals. Es war aschfahl und wie von Stein. Einen Schrei stieß er aus, einen einzigen, aber was für einen! Dann war er still. Er setzte sich auf die Bank und vergrub das Gesicht in den Händen. Auf meine liebkosenden Worte antwortete er nicht. Aber als ich dann hinausgehen wollte, um nach ihr zu suchen, fasste er mich beim Arm, dass ich vor Schmerz laut aufschrie. ‚Bleib!‘, gebot er mir. ‚Das ist nichts für dich!‘

Hierauf saß mein Vater lange Zeit, bis das Feuer niedergebrannt war. Und dann schloss er mich ein und begann hinter der Hütte zu arbeiten. Ich versuchte, das Moos, das zwischen die Ritzen in der Wand gestopft war, an einer Stelle zu entfernen. Es gelang. Als ich nun hinausblickte, sah ich, dass er eine tiefe Grube aushob – der Bär hatte, bevor er in die Hütte kam, meine Mutter überfallen und zerrissen. Ich habe nicht einmal gesehen, wie Vater sie zur Ruhe gebettet hat, denn er überraschte mich beim Lauschen und sorgte dafür, dass ich nicht wieder an die Wand gelangen konnte.“

„Schrecklich, schrecklich!“, stöhnte Jemmy, indem er sich mit dem Ärmel seines Pelzes die Augen wischte.

„Ja freilich war es schrecklich! Der Vater ist damals eine lange Zeit krank gewesen und der nächste Nachbar schickte einen Mann herüber, ihn zu pflegen und für mich zu sorgen. Dann aber, als Vater wieder gesund war, haben wir jene Gegend verlassen und – sind Bärenjäger geworden. Wenn Vater hört, dass sich irgendwo ein Bär hat sehen lassen, so lässt es ihm keine Ruhe, bis er ihm eine Kugel oder Klinge gegeben hat. Und ich – nun, ich kann euch sagen, dass ich auch bereits das meinige getan habe, meine arme, kleine Schwester zu rächen. Erst wollte mir freilich das Herz laut schlagen, als ich den Lauf auf einen Bären hielt. Aber ich besitze einen Talisman, der mich beschützt, sodass ich jedem Grizzly gegenüber so ruhig bin, als wollte ich einen Waschbären schießen.“

„Talisman?“, fragte Davy. „Pah! Gibt’s nicht. Junger Mann, glaubt nicht an solchen Unsinn! Das ist eine Sünde gegen das erste Gebot!“

„Nein, denn der Talisman, den ich meine, ist von anderer Art, als ihr denkt. Seht ihn Euch an! Dort hängt er unter der Bibel.“

Er deutete nach der Wand, wo auf einem Brettchen eine große, alte Bibel lag. Darunter hing an einem Pflock ein Stück Holz, anderthalb Finger lang und einen Finger dick. Man sah deutlich, dass der obere Teil einen Kopf darstellen solle.

„Hm!“, brummte Davy, der streng auf seinen Glauben hielt. „Ich will nicht befürchten, dass dieses Ding ein Götzenbild vorstellen soll.“

„Nein, ich bin kein Heide. Ihr seht hier die hölzerne Puppe, die ich damals dem Schwesterchen zum Spielen geschnitzt hatte. Ich habe dieses Andenken an jene schrecklichen Augenblicke aufbewahrt und hänge es stets um den Hals, wenn ich den Vater auf Bärenjagd begleite. Naht mir Gefahr, so greife ich nach der Puppe und – der Bär ist verloren. Darauf könnt Ihr Euch verlassen!“

Da legte ihm Jemmy in tiefer Rührung die Hand auf die Schulter und meinte: „Martin, Ihr seid ein braver Boy. Nehmt an, dass ich Euer Freund bin, und Ihr werdet Euch nicht täuschen! So dick wie ich selber bin, so dick ist auch das Vertrauen, das Ihr auf mich setzen könnt. Ich werde es Euch beweisen!“

4. Old Shatterhand

Es war am Nachmittag des darauf folgenden vierten Tages, als die sechs Reiter das Gebiet der südlichen Pulverflussquellen hinter sich hatten.

Die Strecken, die sich vom Missouri bis zum Felsengebirge hinziehen, gehören noch heutigen Tages zu den unwirtlichsten Teilen der Vereinigten Staaten. Dieses Gebiet besteht fast ganz aus einsamer, baumloser Prärie, wo der Jäger oft lange Zeit reiten kann, bevor er einen Busch oder eine Wasserquelle findet. Das Land steigt nach Westen zu allmählich an. Es bildet sanfte Erhöhungen und sodann Hügel, die immer höher, schroffer und zerklüfteter werden, je weiter man nach Westen kommt. Aber der Mangel an Holz und Wasser bleibt. Darum wird diese Gegend inmitten des Staates Wyoming von den Indianern Mahka-ze-schitscha und von den Weißen Bad Lands genannt. Beide Ausdrücke bedeuten das Gleiche, nämlich so viel wie schlechtes Land.

Weiter im Norden, wo die Quellgebiete des Cheyenne-, Powder-, Tongue- und Big Horn-Flusses liegen, wird das Land besser. Das Gras ist saftiger, die Büsche treten zu ausgedehnteren Strauchwäldern zusammen und endlich schreitet der Fuß des Westmanns sogar im Schatten hundertjähriger Baumriesen dahin.

Südwestlich von Wyoming befinden sich die Jagdgründe der Schoschonen oder Schlangenindianer, östlich die der Sioux und südlich die der Cheyennes und Arapahoes. Jeder Stamm zerfällt wieder in Unterabteilungen, und da eine jede dieser Abteilungen ihre eigenen Wege geht, so ist es kein Wunder, dass es einen immer währenden Wechsel von Krieg und Frieden zwischen ihnen gibt. Und ist der rote Mann je einmal zu längerer Ruhe geneigt, so kommt das Bleichgesicht und sticht ihn so lange, erst mit Nadeln, dann mit Messern, bis der Indianer das vergrabene Kriegsbeil wieder hervorsucht und von neuem zu kämpfen beginnt. So erklärt es sich, dass da, wo die Weidegründe so vieler verschiedener Stämme und Abteilungen zusammenstoßen, die Sicherheit des Einzelnen sehr fraglich, ja höchst gefährdet ist. Die Schoschonen oder Schlangenindianer sind stets erbitterte Feinde der Sioux gewesen und darum haben die Strecken, die sich von Dakota aus südlich vom Yellowstone-Fluss nach den Big Horn-Bergen ziehen, sehr oft das Blut des roten und auch des weißen Mannes getrunken.

Der Dicke Jemmy und der Lange Davy wussten das und waren mit Sorgfalt darauf bedacht, einem Zusammentreffen mit Indianern, gleichviel welchen Stammes, auszuweichen.

Man ließ Wohkadeh voranreiten, da er dieselbe Strecke bereits auf dem Herweg durcheilt hatte. Er war jetzt mit einer Büchse bewaffnet und trug an seinem Gürtel mehrere Beutel mit all den Kleinigkeiten, die dem Präriemann unentbehrlich sind. Jemmy und Davy hatten ihr Äußeres nicht verändert. Der Dicke ritt seinen hohen Klepper und Davy hing seine ewig langen Beine an den Seiten seines kleinen, störrischen Maultiers herab, das ab und zu den bekannten Versuch, seinen Reiter abzuwerfen, vergeblich wiederholte. Davy brauchte dann nur den einen Fuß rechts oder links, wo es gerade notwendig war, auf die Erde zu setzen, um festen Halt zu haben. Er glich auf seinem Tier einem jener Bewohner der australischen Inseln, die ihre schmalen, gefährlichen Boote mit Auslegern versehen und aus diesem Grund niemals umkippen können. Davys Ausleger waren seine beiden Beine.

Auch Frank trug dieselbe Kleidung, in der ihn die beiden Freunde zum ersten Mal gesehen hatten. Mokassins, Leggins, blauen Frack und Amazonenhut mit langer, gelber Feder. Der kleine Sachse saß ausgezeichnet zu Pferd und machte trotz seines sonderbaren Äußeren den Eindruck eines tüchtigen Westmanns.

Eine Lust war es, Martin Baumann im Sattel zu sehen. Er ritt mindestens ebenso gut wie Wohkadeh. Er schien wie mit dem Pferd verwachsen und hatte jene weit vorgebeugte Haltung, die dem Tier die Last erleichtert und den Reiter befähigt, die Anstrengung eines monatelangen Ritts ohne Übermüdung auszuhalten. Martin trug einen ledernen Trapperanzug und seine ganze Ausrüstung und Bewaffnung ließ nichts zu wünschen übrig. Sein frisches Gesicht und sein helles Auge machten ganz den Eindruck, dass er, obgleich noch ein halber Knabe, nötigenfalls doch als Mann zu handeln verstehen werde.

Lustig war es, den schwarzen Bob zu betrachten. Das Reiten hatte niemals zu seinen Leidenschaften gehört und so saß er in einer geradezu unbeschreiblichen Haltung zu Pferd. Er hatte seine liebe Not mit dem Tier und das wieder mit ihm, denn er vermochte nicht, auch nur zehn Minuten lang einen festen Sitz zu bewahren. Hatte er sich einmal ganz an den Hals des Pferdes vorgeschoben, so brachte ihn jeder Schritt des Tieres wieder ein wenig nach hinten. So rutschte und rutschte er, bis er sich in der Gefahr befand, hinten herunterzufallen. Dann schob er sich möglichst weit vor und die Rutschpartie begann von neuem, wobei er in die drolligsten Stellungen geriet. Anstatt des Sattels hatte er nur eine Decke aufgeschnallt, weil er durch frühere Versuche wusste, dass es ihm unmöglich sei, sich im Sattel zu halten. Bob war bei einigermaßen schnellem Tempo immer hinter den Sattel zu sitzen gekommen. Die Beine hielt er weitab vom Pferd. Wurde ihm gesagt, er solle festen Schluss nehmen, so antwortete er: „Warum soll Masser Bob drücken mit den Beinen armes Pferd? Pferd ihm ja nichts zu Leid getan! Bobs Beine keine Kneipzange!“

Die Reiter hatten den Rand einer nicht sehr tiefen fast kreisförmigen Senkung erreicht, deren Durchmesser vielleicht sechs englische Meilen[17] betragen mochte. An drei Seiten von kaum merklichen Bodenanschwellungen umgeben, wurde diese Senkung im Westen von einer ansehnlichen Höhe begrenzt, die von Strauch- und Baumwuchs bestanden zu sein schien. Hier hatte es früher eine seeartige Wasseransammlung gegeben. Der Boden bestand aus tiefem Sand und zeigte außer wenigen harten Grasbüscheln nur jenen grau schimmernden, nutzlosen Wildwuchs von Beifuß, der die unfruchtbaren Gegenden des fernen Westens kennzeichnet. Wie Davy erklärte, hatte dieser Ort den Namen Pa’p-pa-are, See des Blutes, weil hier einmal eine Schar Schoschonen von Weißen niedergemetzelt worden war.

Wohkadeh trieb sein Pferd, ohne zu zaudern, in den Sand und schlug die gerade Richtung nach der erwähnten Höhe ein. Besondere Gefahr bot die Talmulde nicht, da die Gegend frei und offen war und jeder Reiter oder Fußgänger weithin sofort entdeckt worden wäre.

Sie mochten wohl eine halbe Stunde geritten sein, als Wohkadeh sein Pferd anhielt. „Uff!“, rief er aus.

„Was gibt’s?“, fragte Jemmy.

„Schi-schi!“ Dieses Wort aus der Mandansprache heißt eigentlich Füße, hat aber auch die Bedeutung von Spur oder Fährte.

„Eine Fährte?“, fragte der Dicke weiter. „Von einem Menschen oder einem Tier?“

„Wohkadeh weiß es nicht. Meine Brüder mögen sie selbst betrachten.“

„Good luck! Ein Indsman weiß nicht, ob die Spur von einem Menschen oder von einem Viehzeug stammt! Muss ja eine eigentümliche Fährte sein. Wollen sie uns doch mal betrachten. Aber steigt hübsch ab und reitet mir nicht darauf herum, ihr Leute, sonst ist sie nicht mehr zu erkennen!“

„Sie wird dann immer noch zu erkennen sein“, meinte der Indianer. „Sie ist groß und lang, sie kommt von weit von Süden her und geht weit nach Norden.“

Die Reiter saßen ab, um die rätselhafte Spur zu untersuchen. Die Fußtapfen eines Menschen von der Fährte eines Tieres zu unterscheiden, versteht jeder Indianerknabe. Dass Wohkadeh sich außer Stande sah, diese Unterscheidung zu treffen, war geradezu eine Unbegreiflichkeit. Doch auch Jemmy schüttelte den Kopf, als er die Tapfen betrachtet hatte, blickte nach links, woher die Fährte kam, dann nach rechts, wohin sie führte, schüttelte abermals den Kopf und sagte endlich zu dem Langen Davy: „Nun, alter Freund, hast du in deinem Leben bereits einmal so etwas gesehen?“

Der Gefragte kratzte sich erst hinter dem rechten und sodann hinter dem linken Ohr, spuckte zweimal aus, was bei ihm stets ein Zeichen von Verlegenheit war, und entgegnete schließlich: „Nein, noch niemals.“

„Und Ihr, Mister Frank?“

Der Sachse bestaunte gleichfalls die Spur und meinte: „Aus diesen Tapfen werde der Teufel klug!“

„Ja“, pflichtete Jemmy bei. „Sicher ist nur, dass irgendein Geschöpf hier vorübergekommen ist. Aber was für eines? Wie viele Beine hat es gehabt?“

„Vier“, antworteten alle außer dem Indianer.

„Ja, das sieht man genau. Nun aber soll mir einer sagen, mit welcher Art oder Gattung von Vierbeinern wir es zu tun haben!“

„Ein Hirsch ist’s nicht“, meinte Frank.

„Gott behüte! Ein Hirsch macht Zeit seines Lebens nicht so riesige Eindrücke.“

„Etwa ein Bär?“

„Freilich lässt ein Bär in solchem Sand große und deutliche Silben zurück, dass sie sogar ein Blinder mit den Fingern lesen könnte; aber diese Fährte stammt auch von keinem Bären. Die Eindrücke sind nicht lang und nach hinten ausgewischt wie bei einem Sohlengänger, sondern beinahe kreisrund, über eine Handspanne im Durchmesser und gerade eingetreten, wie mit einem Siegel gestemmt. Sie sind nur wenig nach hinten ausgeworfen und unten am Grund gänzlich eben. Das Tier hat sonach nicht Zehen oder Krallen, sondern Hufe gehabt.“

„Also ein Pferd?“, meinte Frank.

„Hm!“, brummte Jemmy. „Ein Pferd kann’s aber auch nicht gewesen sein. Man müsste doch wenigstens eine kleine Andeutung der Hufeisen oder, falls das Tier barfüßig gewesen wäre, des Tragrandes und des Strahls finden. Die Fährte ist höchstenfalls zwei Stunden alt, eine zu kurze Zeit, als dass sich inzwischen diese Andeutung hätte verlieren können. Und, was die Hauptsache ist, kann es jemals ein Pferd mit so ungewöhnlich großen Hufen geben? Wenn wir in Asien oder Afrika wären und nicht in dieser alten, gemütlichen Savanne, so würde ich behaupten, dass ein Elefantengroßvater hier vorübergestampft sei.“

„Ja, gerade so sieht es aus!“, lachte der Lange Davy.

„Was? Hast du etwa schon einmal einen Elefanten gesehen?“

„Zwei sogar. Einen in Philadelphia bei Barnum[18] und einen hier, nämlich dich, Dicker!“

„Wenn du einen Witz machen willst, so kaufe dir für zehn Dollar einen besseren! Verstanden? Groß genug für einen Elefanten wären die Tapfen, das gebe ich zu. Aber solch ein Tier hat eine ganz andere Schrittweite. Daran hast du nicht gedacht, Davy. Ein Kamel ist’s auch nicht gewesen, sonst würde ich behaupten, du seist vor zwei Stunden hier vorbeigestiegen. Und nun will ich gestehen, dass ich mit meiner Weisheit zu Ende bin.“

Die Männer gingen eine Strecke vorwärts und wieder zurück, um die eigenartige Fährte zu betrachten. Aber keiner konnte eine nur halbwegs glaubhafte Ansicht äußern.

„Was sagt mein roter Bruder dazu?“, fragte Jemmy.

„Hijokeh!“, entgegnete der Indianer, indem er mit der Hand eine Bewegung der Ehrfurcht machte.

„Der Geist der Prärie, meinst du?“

„Ja, denn es war weder ein Mensch noch ein Tier.“

„Heigh-ho! Eure Geister scheinen entsetzlich große Füße zu haben. Oder leidet der Geist der Prärie am Fußrheumatismus und hat Filzschuhe angezogen?“

„Mein weißer Bruder sollte nicht spotten. Der Geist der Savanne kann in allen Gestalten erscheinen. Wir wollen still weiterreiten.“

„Nein, das werde ich nicht tun. Ich muss unbedingt wissen, woran ich bin. Noch niemals habe ich eine solche Fährte gesehen und werde ihr folgen, bis ich weiß, wer sie hinterlassen hat.“

„Mein Bruder wird ins Verderben laufen. Der Geist duldet es nicht, dass man nach ihm forscht.“

„Madness! Wenn der Dicke Jemmy später von dieser Fährte erzählt und nicht sagen kann, von wem sie stammte, so wird er ausgelacht. Für einen guten Westmann ist es geradezu Ehrensache, dies Geheimnis aufzuklären.“

„Wir haben nicht Zeit, solche Umwege zu machen.“

„Das verlange ich auch nicht von euch. Wir haben noch vier Stunden bis zum Abend, dann müssen wir lagern. Kennt mein roter Bruder vielleicht einen Ort, wo wir rasten können?“

„Ja. Wenn wir geradeaus reiten, kommen wir an eine Stelle, wo die Höhe eine Öffnung hat. Es schneidet ein Tal dort ein, in das zur linken Hand nach einer Reitstunde eine Seitenschlucht mündet. In dieser Schlucht werden wir ruhen, denn dort gibt es Büsche und Bäume, die unser Feuer unsichtbar machen, und auch einen Quell, der uns Wasser liefern wird.“

„Das ist leicht zu finden. Reitet also weiter! Ich werde dieser Fährte folgen und sodann am Lagerplatz wieder zu euch stoßen.“

„Mein weißer Bruder mag sich warnen lassen!“

„Ach was!“, rief der Lange Davy. „Jemmy hat durchaus Recht. Es wäre eine Schande für uns, diese geradezu unbegreifliche Fährte entdeckt zu haben, ohne ihr nachzuspüren. Man sagt, dass es vor der Erschaffung der Erde Tiere gegeben habe, gegen die ein Büffel sich ausnehmen würde wie ein Regenwurm neben einem Mississippidampfer. Vielleicht ist so ein Untier von damals übrig geblieben und rennt nun hier im Sand herum, um an den Körnern auszuzählen, wie viele Jahrhunderte alt es ist. Ich glaube, Mamma heißt so ein Vieh.“

„Mammut!“, verbesserte der Dicke.

„Kann auch sein! Welche Schande für uns, wenn wir auf so eine vorweltliche Fährte träfen und nicht wenigstens einer hätte versucht, das Tier zu Gesicht zu bekommen. Ich reite mit, Jemmy!“

„Das geht nicht, weil wir beide, ohne alle Überhebung zu sagen, die meiste Erfahrung besitzen und gewissermaßen die Anführer sind. Gleichzeitig dürfen wir uns also nicht entfernen. Lieber mag ein anderer mit mir reiten.“

„Mister Jemmy hat Recht“, meinte Martin. „Ich werde mit ihm gehen.“

„Nein, mein junger Freund“, entgegnete Jemmy. „Ich weiß, in Eurem Alter ist man zu solchen Abenteuern stets bereit. Aber der Ritt ist vielleicht gefährlich und wir haben die stillschweigende Verpflichtung übernommen, über Euch zu wachen, um Euch unbeschädigt mit Eurem Vater zu vereinigen.“

„So gehe ich mit!“, rief der lahme Frank.

„Ja, dagegen will ich nichts haben. Mister Frank hat bereits damals in Moritzburg mit dem Hausknecht und dem Nachtwächter gekämpft und wird sich also wohl nicht vor einem Mammut fürchten.“

„Ich? Mich fürchten? Kann mir gar nicht einfallen!“

„Also bleibt es dabei. Die anderen reiten weiter, nur wir beide schwenken rechts ab.“

Und so geschah es denn auch. Die Übrigen setzten den unterbrochenen Ritt fort, während Jemmy und Frank in nördlicher Richtung der Fährte folgten.

Da die beiden einen Umweg vor sich hatten, spornten sie ihre Tiere zu größerer Eile an, und so kam es, dass sie bereits nach kurzer Zeit ihre Gefährten aus den Augen verloren. Später wich die Fährte von ihrer bisherigen Richtung ab und wendete sich nach Westen, der fernen Höhe zu, sodass Jemmy und Frank nun in gleicher Richtung mit ihren Freunden ritten, allerdings wohl eine halbe Stunde von ihnen entfernt.

Sie hatten sich bisher schweigsam verhalten. Jemmys starkknochiger Gaul hatte seine langen Beine so emsig vor sich geworfen, dass Franks Pferd Mühe gehabt hatte, ihm in dem tiefen Sand zu folgen. Jetzt wechselte der Dicke vom anstrengenden Trab in langsamen Schritt und so konnte Frank sich leicht an seiner Seite halten. Im Allgemeinen bediente sich die kleine Schar untereinander vorzugsweise der englischen Sprache. Jetzt aber befanden sich die beiden Deutschen allein und so zogen sie die Muttersprache vor.

„Nich wahr“, begann Frank, „das vorhin mit dem Mammut, das war doch eigentlich Spaß?“

„Natürlich.“

„Ich habe mir’s gleich gedacht, denn solche Mammutersch gibt’s ja heutzutage gar nicht mehr.“

„Haben Sie denn schon einmal von diesen vorweltlichen Tieren gehört?“

Pulsuz fraqment bitdi.

7,57 ₼