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Kitabı oxu: «Durch das Land der Skipetaren», səhifə 17

Şrift:

»Nein, du hast ihn erhalten!« rief der Wächter.

»Schweige! Ob du ihn erhieltest oder ich, das ist gleichgültig, denn wir sind ja ganz nahe Verwandte. Also sie gaben einem von uns noch einige Fußtritte und retirierten dann ängstlich in die Falten des nächtlichen Gewandes der Erde.«

»Dann seid ihr zurückgekehrt, um die Helden zusammenzurufen?«

»Ja. Wir hatten längere Zeit gebraucht, und damit du nicht Verdacht schöpfen solltest, mußten wir uns beeilen!«

»Ihr sagtet dabei einem jeden, daß er nichts zu befürchten habe, weil die Feinde stolz entwichen seien?«

»Ja, Herr.«

»Daß die einzige Gefahr, welche ihrer wartete, nur darin bestehe, Arpa suju zu trinken und Hammelbraten zu essen?«

»Das haben wir ihnen natürlich zum Ruhm deiner Güte anvertraut.«

»Habt ihr dann auf eurem Kriegszug eine Spur der Aladschy gefunden?«

»Nicht eine Spur von ihnen, sondern sie selbst.«

»Ah! Wo denn?«

»Am Ende des Dorfes. Dort hielten sie zu Pferd – zwei links und zwei rechts von dem Wege – und der Mübarek stand bei ihnen. Wir zogen mit Janitscharenmusik zwischen ihnen hindurch. Es ist kein Spaß, zwei Leichname aus einem nächtlich dunklen Walde zu holen; sie liegen nun im vorderen Zimmer.«

Er deutete mit einer Handbewegung durch die Türe. Ich antwortete:

»Alles, was du mir jetzt erzählt hast, habe ich vorher gewußt. Aber weil du mir endlich die Wahrheit eingestanden hast, will ich euch den Schmaus nicht entziehen.«

»Und wer erhält die Felle?«

»Wer ist der ärmste Mann im Dorf?«

»Chasna, der Holzhacker, welcher dahinten mit seiner Axt steht.«

»So soll er sie haben. Schafft nun die Toten fort, und laßt das Arpa suju bringen!«

Dieser Befehl ward mit Jubel beantwortet. Große, dickbauchige Krüge wurden gebracht, welche mit Bier gefüllt waren. Da der Türke früher das Bier nicht kannte, so hat er kein eigenes Wort dafür. Er bedient sich entweder des tschechischen Ausdruckes Piwa oder der schon öfter erwähnten Umschreibung. Arpa heißt Gerste, Su ist Wasser, und ju bedeutet den Genitiv des Wortes Su. Arpa suju heißt also wörtlich Gerstenwasser, eine Bezeichnung, welche keineswegs empfehlend klingt.

Während sich nun jeder ein kleines Gefäß zum Trinken zu verschaffen suchte, nahm ich den Wächter der Polizei zur Seite und fragte:

»Wohin werdet ihr den Leichnam des Fleischers schaffen?«

»Hinüber nach seiner Wohnung.«

»Du wirst natürlich den Transport begleiten?«

»Nicht nur begleiten, sondern sogar anführen, denn ich bin die rechte Hand des Gesetzes.«

»So will ich dir einen Auftrag geben. Ich habe mich überzeugt, daß du ein kluger und gewissenhafter Diplomat bist und jede Sache beim richtigen Ende anzufassen weißt. Also höre! Ich möchte gern haben, daß du den Bruder des Fleischers zu Gesicht bekommst.«

»Das ist doch sehr leicht.«

»Vielleicht nicht. Er kann Veranlassung haben, sich nicht sehen zu lassen.«

»O, ich bin die Polizei! Mir muß er kommen.«

»So nicht! Ich wünsche, daß du nicht barsch auftrittst, sondern klug und listig handelst.«

»Dazu bin ich der richtige Mann.«

»So suche also, ihn zu Gesicht zu bekommen. Ich gebe dir fünf Piaster, wenn es dir gelingt.«

»Das gelingt mir so gewiß, daß ich dich bitte, sie mir lieber sofort zu geben.«

»Nein, mein Lieber. Du hast mich so sehr belogen, daß ich fortan vorsichtig sein muß. Glaube also nicht, daß du etwa zu mir sagen könntest, du habest ihn gesehen, ohne daß dies wahr ist. Ich werde ganz genau wissen, ob du mich täuschest.«

»Herr, es wird kein unlauteres Wort über meine Lippen kommen. Was willst du denn eigentlich wissen?«

»Davon später! Du sollst ihn dir ansehen; wenn du das getan hast, so ist‘s genug.«

»Aber bedenke, daß du ein großes Opfer von mir forderst. Während ich mich entferne, trinken mir die Andern das kostbare Arpa suju weg.«

»Du wirst deinen Anteil erhalten.«

Er ging. Ich sah, daß er zwei Männer beauftragte, die Leiche des Fleischers zu tragen. Diejenige des Schließers wurde einstweilen in einen verborgenen Winkel geschafft.

Jetzt war alles in Ordnung. Teils mit untergeschlagenen Beinen am Boden und teils nach unserer Art an den Tischen sitzend, hielten die Helden alle möglichen und unmöglichen Gefäße in den Händen, um sich derselben zum Trinken zu bedienen. Draußen im Hofe lungerten die Frauen und Kinder um die Feuer. Auch ihnen waren einige Krüge mit Bier zugestellt worden. Die Knaben und Mädchen waren besonders emsig bemüht, das Fett aufzufangen, welches von den über dem Feuer bratenden Hämmeln tropfte. Der eine hatte zu diesem Zweck einen Stein, der andere ein Stück Holz, auf welches er den Tropfen fallen ließ, um ihn dann schnell aufzulecken.

Ein kleiner, vielleicht achtjähriger Bube fing es ganz allerliebst an, sich diesen heißersehnten Genuß zu verschaffen. Er hielt nämlich seinen winzigen Fez unter, bis er einige Tropfen aufgefangen hatte, stülpte ihn dann um, so daß die innere Seite nach außen kam, und wischte nun die betreffende Stelle so lange über die Zunge, bis er glaubte, den gewünschten Genuß gehabt zu haben. War das Fett zu tief in das Zeug gedrungen oder klebte es zu fest daran, so bediente er sich wacker seiner Zähne. Ich ließ ihn mir später vorführen und untersuchte den Fez. Der Kleine hatte verschiedene Löcher hineingefressen und freute sich königlich, als ich ihn mit einem Piaster für diesen ausdauernden Fleiß belohnte.

Eines der Feuer wurde von einer kleinen, verschworenen Schar förmlich belagert. Zwei Weiber saßen an demselben, abwechselnd den Bratspieß zu drehen. So oft nun eine es einen Augenblick an Aufmerksamkeit fehlen ließ, sprang ein Mitglied der verwegenen Bande herbei, um irgend eine appetitliche Stelle des Hammels zu belecken und dann schleunigst davonzulaufen.

Das war kein leichtes Unternehmen, da das Feuer die Kleidung ergreifen konnte. Glücklicherweise erfreuten sich die meisten keines Ueberflusses an seidenen Falbeln und Brüsseler Spitzen. War Einem das Wagnis gelungen, so wurde er von seinen Mitverschworenen mit einem Ehrengeheul ausgezeichnet. Erhielt er aber von einer der Frauen einen nachdrücklichen Klapps oder gar eine gewichtigere Ohrfeige, was unter zehn Angriffen auf den Braten neunmal der Fall war, so wurde er gewaltig ausgelacht. Jedesmal aber, ob die Tat gelungen war oder nicht, folgte ihr ein höchst energisches Mienenspiel, entweder wegen der Ohrfeige oder weil der glückliche Hammellecker sich die Zunge verbrannt hatte.

Es gab eine Menge von Genrebildchen, die sich zu einem interessanten Ganzen vereinigten. Die Leute – jung sowohl wie alt – taten sich keinen Zwang mehr an; die äußere zeremonielle Hülle, in welcher der Orientale sich Fremden gegenüber stets zeigt, wurde von dem Arpa suju hinweggespült. Nach und nach getraute man sich an uns, und endlich waren wir stets von einem Kreis lebhafter Gesellen umringt, an denen ich die köstlichsten Studien machen konnte.

Als der Polizeiwächter von seinem Gang zurückkehrte, meldete er mir:

»Herr, es ist gelungen! Ich habe ihn gesehen; aber es hat Mühe gekostet. Du wirst wohl zehn Piaster geben müssen, anstatt nur fünf.«

»Warum?«

»Weil eine zehnfache Anstrengung meines Scharfsinnes erforderlich war. Als ich nach ihm fragte, erhielt ich die Antwort, daß er abwesend sei. Ich aber war klug und sagte, ich müßte mit ihm sprechen, da ich ihm eine wichtige Mitteilung über die letzten Augenblicke des Toten zu machen habe. Da ließ er mich kommen, denn er saß in einem Gemach allein. Als ich ihn sah, mußte ich erschrecken, denn er hatte eine lange, tiefe Wunde von der Stirne aus über die Nasenwurzel und über die Wangen herab. Neben ihm stand ein Wassergefäß, um die Wunde zu kühlen.«

»Fragtest du ihn, wie er zu ihr gekommen sei?«

»Freilich. Das Beil sei von dem Nagel an der Wand herunter und ihm in das Gesicht gefallen,« sagte er.

»Nun, wollte er deine wichtige Mitteilung hören?«

»Ich sagte ihm, daß sein Bruder noch nicht ganz tot gewesen sei, sondern als ich ihn aufhob, noch einmal geseufzt habe.«

»Das war alles?«

»War es nicht genug? Sollte ich mein zartes Gewissen mit einer noch größeren Lüge beschweren? Einen kleinen Seufzer werde ich vor dem Engel der Entscheidung verantworten können. Hätte ich aber gesagt, der Tote habe noch eine lange Rede gehalten, so wäre dadurch meine Seele auf das schwerste belastet worden.«

»Nun, was das betrifft, so habe ich dir nicht befohlen, eine Unwahrheit zu sagen. Und zehn Piaster sind mir für einen Seufzer zu viel.«

»Dir? Einem Manne von so glänzendem Einfluß und natürlichen Begabungen? Wenn ich die Vorzüge deines Charakters, die Innigkeit deiner Gefühle, den Reichtum deines Herzens und die Zierlichkeit deiner Denkungsart besäße, würde ich mir fünfzig Piaster weihen!«

»Die weihe ich mir auch.«

»Ich meine mich und nicht dich, zumal die Sache nicht so ruhig abgelaufen ist, wie ich es wünschte.«

»Wie denn?«

»Er wurde zornig, sprang auf und stieß einen greulichen Fluch aus. Er sagte, er wolle dafür sorgen, daß auch ich jetzt einmal seufze, und zwar ordentlich. Das Uebrige kannst du dir denken.«

»Nein. So deutlich, wie du meinst, vermag ich mir die Situation nicht auszumalen.«

»Nun, ich nahm das in Empfang, was man gewöhnlich Prügel zu nennen pflegt, was ich aber als die Folgen meiner innigen Ergebenheit für dich bezeichne.«

»Waren die Hiebe kräftig?«

»Ungemein!«

»Das ist mir lieb!«

»Mir nicht, denn ich werde reichlich Medizin gebrauchen, um mich zu heilen, äußerlich eine Einreibung mit Raki, innerlich aber Arpa suju zur Kühlung und Hammelbraten zur Kräftigung der angegriffenen körperlichen Behendigkeit.«

»Ich denke mir, du wirst auch den Raki innerlich gebrauchen. Und was die Behendigkeit betrifft, so beweise sie jetzt, indem du dich schleunigst von dannen machst. Hier hast du zehn Piaster!«

»Herr, deine Worte sind Beleidigungen, aber deine Taten lindern dieselben. Du hast meine ganze Seele und mein Herz gewonnen, und meine Nieren atmen nur die Wonne der Zuneigung und Hingebung für dein teures, beispielloses Wesen.«

»Hebe dich hinweg, Polizeiwächter, sonst lehre ich dich springen!«

Ich langte nach dem Griff meiner Peitsche, und sofort machte er sich unsichtbar.

Bald ergab die fleißig wiederholte Untersuchung der Hämmel, daß der Braten fertig sei, und die Verteilung begann. Damit kein Streit entstehen könne, übernahm Halef das Transchieren, was er ausgezeichnet verstand. Die einzelnen Stücke wurden verlost. Wir erhielten die Schwanzstücke; ich aber verzichtete auf den Genuß dieses Leckerbissens, weil grad diese Stellen infolge ihrer Lage am Spieß am öftesten mit den Zungen der kleinen Feinschmecker in Berührung gekommen waren.

Uebrigens war der Wirt sehr besorgt gewesen, uns extra ein reichliches und nach den hiesigen Verhältnissen auch gutes Abendessen vorzusetzen. Wir konnten in dieser Beziehung zufrieden mit ihm sein.

Nach fast spurloser Vertilgung der vier fetten Hämmel stellte sich die Kriegskapelle in einer Ecke des Hofes auf. Sie verwandelte sich jetzt in ein »Orchester des Tanzes und Gesanges«.

Was wir nun zu hören bekamen, spottet jeder Beschreibung. Es sei nur gesagt, daß getanzt wurde, zunächst nur von Männern; später ließen sich auch einige Frauen sehen. Der Tanz bestand entweder in wilden, regellosen Sprüngen oder in mehr oder weniger unschönen Verrenkungen der Glieder. Ein einziges Paar, Mann und Weib, produzierte ein leidliches pantomimisches Spiel, welches auch nur von der Gitarre und Geige begleitet ward.

Zwischen den einzelnen Tänzen ließen sich Sänger hören, teils einzeln, teils im Chor. Die Sololieder hatten wehmütiges Gepräge, und es gab da wenigstens Melodie und auch eine Spur von Harmonie der Begleitung. Die Chorgesänge aber, fast ausnahmslos Kriegslieder, wurden einstimmig gesungen oder vielmehr gebrüllt und von Schreien unterbrochen, welche das Trommelfell zu zerreißen drohten. Die Begleitung war eine angemessene. Posaune, Trommel und Pfeife spielten die Hauptrolle.

Spät – es war wohl kurz vor Mitternacht – sah ich einen Reiter ankommen, welcher hier herbergen wollte. Er war ein kleiner Mann und stieg von einem alten knochigen Klepper, der sehr abgetrieben und schlecht gepflegt zu sein schien.

Er sprach einige Worte mit dem Wirt, und dieser teilte mir mit, daß ich vielleicht für morgen einen sehr brauchbaren Reisebegleiter erhalten könne.

Ich dachte sofort an jenen Menschen, von welchem die zwei Aladschy gesprochen hatten, denen er mich in die Hände liefern sollte. Suef hatten sie ihn genannt, ein echt arabischer Name.

Er sollte im Falle des Mißlingens des heutigen Ueberfalles seine Tätigkeit beginnen. Nun, zu dem beabsichtigten Ueberfalle war es gar nicht gekommen, also stand fast mit Gewißheit zu erwarten, daß er seine Aufgabe beginnen würde.

Es war möglich, daß er schon an diesem Abend versuchte, sich uns zu nähern, und in diesem Fall konnte es der eben jetzt Angekommene sein. Ich mußte vorsichtig verfahren und mich genau erkundigen.

»Wie kommst du dazu, von einem Begleiter zu sprechen?« fragte ich den Wirt. »Wir brauchen niemand.«

»Vielleicht doch! Kennt ihr die Wege?«

»Wir haben niemals einen Weg, den wir in diesem Lande betraten, vorher gekannt und sind dennoch stets zurecht gekommen.«

»So wünschest du keinen Wegweiser?«

»Nein.«

»Ganz wie du willst. Ich glaubte, dir einen Gefallen zu erweisen.«

Er wollte sich abwenden; das sah nicht so aus, als ob der Fremde ihm einen dringenden Auftrag erteilt habe; darum forschte ich:

»Wer ist denn derjenige, von dem du sprichst?«

»Nun, er ist freilich kein passender Gesellschafter für euch. Er ist ein armer Schneider, der nicht einmal einen festen Wohnsitz hat.«

»Wie heißt er?«

»Afrit ist sein Name.«

»Der paßt freilich nicht zu seiner Gestalt. Er heißt also »Riese« und ist doch fast ein Zwerg zu nennen.«

»Für seinen Namen kann er nicht; den hat er seinem Vater zu verdanken. Vielleicht war dieser auch so ein kleiner Kerl und hat gewünscht, daß sein Sohn größer werde.«

»Stammt er von hier?«

»Wo er geboren wurde, das weiß niemand. Er ist überall nur als der reisende Schneider bekannt. Wo er Arbeit findet, da kehrt er ein und bleibt so lange, bis er fertig ist. Mit der Kost und mit einer kleinen Bezahlung ist er zufrieden.«

»Ist er ehrlich?«

»In hohem Grad. Er ist sogar wegen seiner Uneigennützigkeit zum Sprichwort geworden. Ehrlich wie der reisende Schneider, pflegt man zu sagen.«

»Woher kommt er heute?«

»Aus Sletowo, welches im Norden von uns liegt.«

»Und wohin will er?«

»Nach Uskub und noch weiter. Da du auch dorthin willst, glaubte ich, ihn dir empfehlen zu müssen. Auf der Straße reitest du um, und der direkte Weg ist nur sehr schwer zu finden.«

»Hast du mit ihm schon von uns gesprochen?«

»Nein, Herr. Er weiß gar nicht, daß Fremde hier sind. Er fragte nur, ob er hier bleiben könne bis morgen früh. Ich wollte ihm Arbeit geben, aber er konnte sie nicht annehmen, denn er wird wegen eines Krankheitsfalles erwartet.«

»Wo ist er jetzt?«

»Hinter dem Hause, wo er sein Pferd zur Weide tut. Diesem Tier kannst du ansehen, wie arm er selbst ist.«

»So erlaube ihm nachher, zu uns herein zu kommen. Er mag unser Gast sein.«

Bald kam denn auch der Mann. Er war sehr klein und schwach gebaut und auch gar ärmlich gekleidet. Sein Wesen schien sehr gedrückt zu sein, und er nahm bescheiden in der Ecke Platz. Waffen trug er außer einem Messer gar nicht bei sich, und bald zog er ein Stück harten Maiskuchen aus der Tasche, um ihn zu verzehren. Dieser Arme war sicher kein Verbündeter von Räubern. Ich lud ihn ein, bei uns Platz zu nehmen und von den Resten unseres Mahles zu essen, welche noch auf dem Tische standen.

»Herr, du bist freundlich,« sagte er höflich, »und ich habe wirklich Hunger und Durst. Aber ich bin ein armer Schneider und darf mich nicht zu solchen Herren setzen. Wenn du mir etwas geben willst, so nehme ich es dankbar an, aber ich bitte dich um die Erlaubnis, es hier verzehren zu können.«

»Wie du willst. Halef, setze ihm vor!«

Der Hadschi legte ihm so viel vor, daß mehrere Personen hätten satt werden können, und stellte ihm auch Bier und Raki hin.

Als der Mann sich gelabt hatte, kam er herbei, reichte mir die Hand und bedankte sich in ehrerbietigen Ausdrücken. Er hatte ein so verkümmertes, ehrliches Gesicht, und sein Blick war so aufrichtig, daß ich mich sehr für ihn eingenommen fühlte.

»Hast du Verwandte?« fragte ich ihn.

»Keinen Menschen. Weib und Kinder sind mir vor zwei Jahren an den Pocken gestorben. Nun bin ich allein.«

»Wie heißest du?«

»Man nennt mich allgemein den reisenden Schneider, aber mein Name ist Afrit.«

»Kannst du mir sagen, wo deine Heimat ist?«

»Warum nicht? Ich muß doch wissen, wo ich geboren bin! Ich stamme aus einem kleinen Gebirgsdorf im Schar Dagh; Weicza heißt es.«

Ah, das war ja der Ort, von welchem mir der sterbende Gefängnisschließer gesagt hatte, daß dort das gesuchte Karanorman-Khan sei. Das Zusammentreffen mit diesem armen Mann konnte von großem Vorteil für mich sein.

»Bist du dort bekannt?« fragte ich.

»Sehr gut; ich bin ja oft dort.«

»Wann wirst du wieder hinkommen?«

»Eben jetzt. Ich will über Uskub und Kakandelen heimreiten.«

»Um einen Besuch zu machen?«

»Nein. Es wohnt ein Wundermann dort, dessen Hilfe ich brauche, denn ich bin krank.«

»Willst du nicht lieber einen richtigen Arzt fragen?«

»Das habe ich getan, aber vergeblich. Der Wundermann hat mir schon große Linderung verschafft.«

»Woran leidest du?«

»Ich soll Steine in der Leber haben.«

Er sah ganz so aus, als ob er innerliche Schmerzen zu ertragen habe. Er dauerte mich wirklich sehr.

»Wann brichst du von hier auf?«

»Morgen früh.«

»Nach Uskub?«

»Nicht ganz. Es ist zu weit, um in einem Tag dorthin zu gelangen.«

»Gibt es unterwegs eine gute Herberge?«

»O, mehrere.«

»Willst du uns mitnehmen?«

»Wie könnte ich mit euch reiten! Ich verstehe es gar nicht, mit solchen Herren zu sprechen.«

»Nun, du sprichst aber jetzt so mit mir, daß du mir sehr gefällst. Wenn es dir also recht ist, so reiten wir zusammen, und ich werde dich für deine Führerdienste belohnen.«

»Sprich nicht so! Es ist eine Ehre für mich, bei euch sein zu dürfen, und zu mehreren reitet es sich besser, als allein. Wenn du es also befiehlst, so werde ich mich euch anschließen.«

Damit war die Sache abgemacht, und er setzte sich wieder an seinen Platz. Später wünschte er gute Ruhe und entfernte sich, um sich niederzulegen. Die Gefährten sprachen sich auch alle dahin aus, daß der Mann ehrlich sei, und der Wirt bestätigte es nochmals.

Nach und nach leerte sich der Hof und die vordere Stube, und es wurde auch für uns Zeit, zu schlafen. Der Wirt machte mir ein weiches Lager auf dem »Sofa« zurecht, die Andern aber mußten bei den Pferden schlafen, die ich am allerwenigsten hier ohne Aufsicht lassen wollte.

Als ich mich allein befand, verschloß ich die Türe von innen. Die Läden waren auch fest zu, und da ich mich auf mein gutes Gehör verlassen konnte, so schlief ich ohne Sorgen ein.

Fuenftes Kapitel: Der Miridit

Am Morgen erwachte ich erst, als Halef an die Türe klopfte. Ich tastete mich längs der Wand hin, um sie zu öffnen. Das helle Tageslicht fiel herein. Ich hatte mich verschlafen; im Hause aber war jedes Geräusch vermieden worden, um mich ja nicht zu stören.

Der Schneider mußte mit uns frühstücken; dann bezahlte ich die Zeche, und wir rüsteten uns zum Aufbruch.

Der Wirt war eine kleine Weile fort gewesen und hielt mir nun eine begeisterte Abschiedsrede. An diese schloß er die Bemerkung:

»Herr, wir scheiden in Freundschaft voneinander, obgleich du mir große Sorgen zugedacht hattest. Es ist alles gut verlaufen, und so will ich dir noch eine Warnung mitgeben. Ich war soeben drüben bei dem Fleischer, weil ich als Nachbar mein Beileid sagen mußte. Der Bruder des Toten war nicht zu sehen. Es hieß, er sei fortgeritten. Aber im Hof sah ich das beste Pferd des Fleischers stehen, gesattelt und gezäumt. Das gilt dir.«

»Vielleicht hat er ein Geschäft.«

»Glaube nur das nicht. Wenn er so verwundet ist, wie mein Wächter mir sagte, so kann ihn nur die Blutrache aus dem Hause treiben. Sei also auf deiner Hut!«

»Was für ein Pferd ist es?«

»Ein Brauner mit langer, breiter Blässe. Es ist das beste Pferd der ganzen Umgegend. Wenn der Mann beabsichtigt, dir zu folgen, so wird er nicht eher wieder umkehren, als bis du tot bist; denn nach den Gesetzen der Blutrache ist er ehrlos, wenn er dich entkommen läßt.«

»Nun denn, ich sage dir Dank für deine Warnung. Lebe wohl!«

»Lebe wohl! Und erschrick nicht, wenn du zum Tore hinauskommst!«

»Was sollte mich erschrecken?«

»Du wirst es sehen und auch hören.«

Nun brachen wir auf. Das Tor wurde erst jetzt geöffnet. Ich ritt voran. Als ich mich unter dem Torbogen befand und der Kopf meines Hengstes draußen sichtbar wurde, tat es einen Knall, als ob der Blitz eingeschlagen habe, und ein entsetzliches Getöse folgte.

Mein Rappe bäumte und schlug mit allen Vieren um sich. Ich hatte Mühe, seine Hufe wieder zur Erde zu bringen.

Und was für ein Heidenlärm war das? Einen Tusch, einen schönen, ehrenden Tusch hatte man uns bringen wollen. Draußen stand die ganze gestrige Armeekapelle. Die Posaune hatte den erschütternden ersten Knall getan, und jetzt donnerte und rumorte sie in Begleitung der andern Instrumente weiter. Endlich gab der Posaunist mit einer energischen Schwenkung seiner Zurna ein Zeichen – es trat Stille ein.

»Effendi,« rief mich ihr Besitzer an. »Nachdem du uns gestern so hohe Ehren erwiesen hast, wollen wir heute Gleiches mit Gleichem vergelten und uns an die Spitze eures Zuges stellen, um euch bis vor den Ort hinaus das Geleite zu geben. Ich hoffe, daß du uns diese Bitte nicht abschlägst.«

Und ohne weiteres setzte sich der Zug unter musikalischem Lärm in Bewegung. Draußen vor dem Ort hielt Halef eine Ansprache des Dankes an die Herren, und dann kehrten sie in ihr Heim zurück. Wir aber wendeten uns nach Warzy zu, woher wir gestern gekommen waren. Dort wich unser heutiger Weg von dem gestrigen ab, da wir von da aus nach Jerßely reiten mußten.

Als wir jenseits der Brücke der Sletowska waren, sagte ich zu Halef:

»Reitet im Schritt weiter, ich habe etwas vergessen. Ich muß noch einmal zurück, aber ich komme bald nach.«

Sie ritten fort. Mir aber fiel es gar nicht ein, noch einmal in das Dorf zurückzureiten; ich hatte eine ganz andere Absicht, von welcher ich aber den Schneider nichts wissen lassen wollte. Er war mir noch zu fremd, als daß ich ihn hätte ins Vertrauen ziehen mögen.

Der Bruder des Fleischers sann auf Rache; das war gewiß. Er hatte sein Pferd bereitstehen, um uns zu folgen. Beabsichtigte er das wirklich, so brach er bald nach uns auf. Ich brauchte also nur kurze Zeit zu warten, um zu sehen, ob wir ihn zu fürchten hätten. Ueber diese Brücke mußte er jedenfalls kommen.

Ich trieb mein Pferd zwischen die Büsche, welche am Ufer standen und mich vollständig verdeckten, wenn ich mich ein wenig bückte. Da wartete ich.

Ich hatte mich nicht verrechnet. Kaum fünf Minuten später kam er im Trab herbei und über die Brücke. Er ritt den Braunen mit der Blässe, hatte eine Flinte am Sattel hängen und einen Heiduckenczakan an der Seite. Sein Gesicht war durch ein Pflaster entstellt, welches unter dem Fez hervor über Stirn, Nase und Wange lief.

Er hielt nicht die Richtung nach Warzy ein, sondern folgte dem Fluß bis zu dessen Vereinigung mit der Bregalnitza, dann noch ein Stück weiter und nahm hierauf die Richtung nach den steilen Abhängen zu, welche das Plateau von Jerßely tragen.

Ich war ihm vorsichtig gefolgt, mit meinem guten Fernrohr in der Hand. Der Rappe trug mich so weich und eben fort, daß ich den kleinen Punkt, welchen der Reiter bildete, stets fest im Glase hatte.

Es ging über die Straße, welche von Karaorman nach Warzy führt, und dann folgte ich ihm über eine ebene Wiesenfläche, welche inselartig mit Büschen bestanden war.

Hier konnte ich ihn nicht im Auge behalten, da die Strauch-Eilande sich zwischen uns schoben. Ich mußte seiner Fährte folgen, und die war deutlich genug.

Linker Hand stiegen die Abhänge steil ab. Die Spur führte auf dieselben zu. Das Gras hörte auf, und es kam ein klarer Geröllboden zutage. Buschwerk aber gab es immerfort. Hier war die Fährte schwer zu erkennen, dennoch verlor ich sie nicht. Ich befand mich hart an dem steinigen Abhang, längs welchem er hingeritten war.

Da – ich riß den Rappen schnell zurück – hörte ich kurz und grad vor mir das Schnauben eines Pferdes. Eben hatte ich um einen Busch biegen wollen. Ich lugte vorsichtig um den Rand desselben und gewahrte den Braunen, der an den nächsten Strauch gebunden war. Der Sattel war leer.

Als ich mein Pferd einen Schritt weiter treten ließ, sah ich den Miriditen, welcher suchend und den Boden genau betrachtend langsam weiter ging und dann hinter dem ersten Strauchwerk verschwand.

Wen oder was suchte er? Das hätte ich so gern gewußt; aber ich konnte ihn nicht belauschen, denn ich durfte ihm nicht zu Pferd folgen, weil er mich unbedingt bemerkt hätte, und zu Fuß ging es ja auch nicht, da ich nicht laufen konnte.

Aber eins war mir möglich, wenn mir die Zeit dazu blieb: – sein Gewehr für mich schadlos zu machen. Es hing am Sattelknopf. Zwar hatte ich keine Zeit, die Kugel heraus zu ziehen; aber es gab eine andere Art und Weise, es zum Versagen zu bringen. Und überraschte er mich ja dabei, nun, so war ich ihm mehr als gewachsen, falls er nicht etwa hier Gefährten hatte, die er treffen wollte.

Ich schwang mich also aus dem Sattel und nahm den Stutzen in die Hand, teils um ihn als Stütze beim Gehen zu benutzen, teils auch um an ihm eine zuverlässige Waffe zu haben. Die wenigen Schritte zum Braunen hin konnte ich wagen. Als ich bei ihm stand, nahm ich die Flinte vom Sattel, schnappte den Hahn auf und nahm das Zündhütchen ab. Nun zog ich aus der Jacke eine Stecknadel – ich hatte stets einige darin stecken – und stieß sie möglichst tief und fest in das Zündloch. Indem ich sie nach links und rechts bog, brach ich sie ab. Das Löchelchen war vollständig verstopft und die Flinte nun so unbrauchbar, wie eine vernagelte Kanone. Jetzt setzte ich das Zündhütchen wieder auf und ließ den Hahn herab. Nachdem ich die Flinte wieder so an den Sattel gehängt hatte, wie sie vorher hing, hinkte ich zu meinem Rappen zurück und stieg wieder auf.

Jetzt war ich ihm doch zu nahe. Ich kehrte um einen Busch weiter zurück und blieb hinter demselben halten. Nach einiger Zeit vernahm ich Hufschlag und menschliche Stimmen, die sich näherten.

»Die Zeit ist uns lange genug geworden,« hörte ich sagen, und wenn ich mich nicht täuschte, so war es Barud el Amasat. »Wir wollen nicht noch einen ganzen Tag lang vergebens hinter ihnen herschleichen, sondern wir reiten voraus und erwarten sie. Inzwischen können wir ausruhen, bis sie kommen.«

»Die Hunde brachen zu spät auf,« antwortete ein Anderer, dessen Stimme ich nicht kannte und der also sehr wahrscheinlich der Miridit war. »Auch mir ist die Zeit sehr lang geworden. Nun aber werde ich eilen.«

»So sieh dich vor, daß es nicht abermals mißlingt, wie gestern abend.«

»Das war etwas ganz anderes; heute entgeht er mir nicht. Ich habe den Lauf sogar mit gehacktem Blei geladen.«

»Nimm dich in acht! Er ist kugelfest!«

»Gehacktes Blei ist ja keine Kugel!«

»Wahrlich, da kannst du recht haben. Auf diesen Gedanken hätten wir längst kommen sollen!«

»Uebrigens glaube ich nicht an dieses Märchen.«

»Oho!« hörte ich Manach el Barscha antworten. »Ich habe gestern abend sorgfältig geladen, mich an den Laden geschlichen und sogar mein Gewehr auf dem Fensterbrett aufgelegt. Dann zielte ich genau nach seinem Kopf, und als ich losdrückte, gab es einen furchtbaren Knall, und mein Gewehr riß mich über den Haufen. Daß ich ihn nicht getroffen habe, hast du ja selbst gesehen.«

»Ja, ich stand unter der Haustüre. Es ist freilich wunderbar. Ich konnte dich gegen die Lampe sehen, welche in der Stube brannte. Ich konnte auch diesen Verdammten der Hölle sehen, nämlich seinen halben Kopf. Ich sah dich auflegen und zielen, den Lauf ganz genau auf seinen Kopf gerichtet. Dein Schuß krachte und blitzte auf, als ob du ein ganzes Pfund Pulver geladen hättest. Du stürztest zur Erde, dieser Mensch aber stand drüben – aufrecht und unversehrt – ich kann es heute noch nicht begreifen.«

»Er ist eben kugelfest!«

»Nun, so will ich es einmal mit gehacktem Blei versuchen, und tut auch das ihm nichts, so greife ich zu meinem Heiduckenbeil. In der Führung desselben bin ich Meister, dieser Franke aber wird noch niemals eine solche Waffe in der Hand gehabt haben. Ich werde ihn nicht etwa von hinten töten, sondern ihn offen und frei überfallen.«

»Wage nicht zu viel!«

»Pah! Ehe er Zeit hat, sich zu wehren, ist er tot!«

»Aber seine Leute!«

»Die fürchte ich nicht.«

»Sie werden sich sofort auf dich werfen.«

»Dazu finden sie gar keine Zeit. Bedenkt, daß ich hier den Braunen reite! Uebrigens werde ich einen mit Büschen besetzten Platz wählen, wo ich ihnen hinter den Sträuchern rasch aus den Augen bin.«

»Vergissest du, daß sein Rappe deinem Braunen jedenfalls unendlich überlegen ist?«

»Was kann mir der Rappe schaden, wenn ich den Reiter getötet habe?«

»Ein Anderer wird ihn besteigen und dich einholen, vielleicht der kleine Satan, der gewandt und flink wie ein Affe ist.«

»Das wäre mir nur lieb. Dann könnte ich ihm eins für gestern geben.«

»Nun, wir wünschen dir Glück! Du hast deinen Bruder zu rächen und also eine gerechte Sache, welcher Allah wohl Sieg verleihen wird. Gelingt es dir dennoch nicht, nun, so kommst du uns nach. Du weißt, wo wir zu finden sind, und heute abend wird es beschlossen, wie wir diesen Burschen zu Leibe gehen. Jetzt scheiden wir, da wir nun wissen, daß sie aufgebrochen sind und nach Uskub reiten wollen.«

»Ihr schlagt also wirklich nicht denselben Weg ein wie sie?«

»Nein, denn wir reiten über Engely, während sie über Jerßely gehen. Wir kommen eher an als sie.«

»Nun, so kann ich doch noch eine Weile bei euch bleiben. Wenn ich also heute nicht komme, so ist‘s geglückt, und ihr bekommt auch diesen Effendi nie wieder zu sehen, denn er liegt irgendwo verscharrt. Vorwärts!«

Wieder hörte ich Pferdegetrappel, aber es entfernte sich.

Jetzt ließ ich auch meinen Rappen vorsichtig nach vorn. Ich erblickte die beiden Aladschy auf ihren Schecken, den Miriditen auf seinem Braunen, Manach el Barscha, Barud el Amasat und den Alten, den Mübarek, welcher in sehr hinfälliger Haltung im Sattel saß und den Arm in der Schlinge trug.

Yaş həddi:
12+
Litresdə buraxılış tarixi:
30 avqust 2016
Həcm:
560 səh. 1 illustrasiya
Müəllif hüququ sahibi:
Public Domain

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