Kitabı oxu: «Solo mit Buddha»

Şrift:

Aus rechtlichen Gründen sind Namen und Details der nachfolgend geschilderten Personen sorgfältig verändert worden.

Impressum

„Solo mit Buddha“ Liz Klindworth Copyright, 2012, Liz Klindworth Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin www.epubli.de ISBN: 978-3-8442-3973-7 Covergestaltung: Sabina Bredemeier

Zitat

Ich war erst fünf, da sagten sie mir

„Sei einfach wie Barbie".

Sie haben mich kirre gemacht.

Und aus dem Haus getrieben.

Ich falle tief, ich verstelle mich.

Ich werde verrückt.

Melissa Etheridge

("Breakdown“, 1999 )

Einleitung

Der Tag, an dem ich die alten Konzerthefte nach dem gründlichen Putzwahn meiner Mutter wieder aus dem Müllpapiercontainer hervor zog, markierte für mich ein unverkennbares Vorfahrtschild in meinem Leben.

Ich hatte eine Entscheidung getroffen. Zugegeben, eine einsame Entscheidung. Aber mit Sicherheit eine der wenigen, die ich bis dahin jemals einsam getroffen habe.

Die von alten und ranzigen Margarinebechern und Zigarettenresten parfümierten Hefte trug ich behutsam zurück in mein Kinderzimmer. Ein Tritt mit dem Fuß genügte, um die Tür hinter mir zu schließen. Hinter mir? Hinter uns.

Ich und die Band. Wir waren wieder vereint in der bis dahin wohlbehüteten Stätte meiner pubertären Träume. Sogleich legte ich eine Platte auf meinen alten orange-grünen Lenco-Plattenspieler, dessen Nadel ich zuvor von knollenförmig angewachsenem Rillenstaub befreien musste.

Die tiefen Bässe drangen noch viel tiefer in meinen Körper, als ich es erhoffte hatte. Sicher war es auch eine Spur von hörbar herzklopfender Erleichterung, dass ich all die vielsagenden Hefte vor dem Müll gerettet hatte.

Damals war Lightroom noch total angesagt, sammelte Goldene Schallplatten ohne Ende, durfte auf keiner Party fehlen. Am besten gefielen mir ihre eigenwillig arrangierten Cover - Versionen von Oldies aus den Siebzigern und Achtzigern. Jeden Musiker kannte ich bei Namen inclusive seiner Angehörigen dritten Grades.

Ungezählte Abende, an denen ich sie bei gedimmtem Licht und einem heimlichen Mix aus Fanta und Asti Spumante euphorisch anfeuerte, mit ihnen tanzte, ihren Spirit dankbar in jeder Zelle spürte, bis ich erschöpft, aber glücklich und erfüllt ins Bett fiel. Um dort direkt nach der Gutenacht-Ansprache meiner Mutter den kleinen batterieversorgten Kassettenrekorder unter der Bettdecke ganz leise anzuwerfen.

Immer mit der Gewissheit, dass die Band da ist. Dass zwischen der Musik und meinen Gefühlen voll von Sehnsucht, Frust und der Suche nach dem Geheimnis des Lebens außerhalb der Pubertät ein nur für mich geschaffenes Band des universellen Verständnisses existiert.

Bis dahin verlief mein Leben zwischen Selbstfindung - um nicht gleich von Selbstbehauptung zu reden - und kreativen Prozessen in den Bereichen Malerei und Fotografie. Immerhin hatte ich einen Nebenjob als Dekorateurin, konnte somit meiner zugegeben etwas planlosen Malerei nachkommen, ohne hungern zu müssen. Ich lernte dabei viele Menschen kennen, lernte viele neue Eindrücke zu schätzen – aber insgeheim war ich immer froh, wenn ich allein war. Nein, nicht allein, die Musik von der Band bei immer bei mir. Mein Geheimnis.

Längst waren Lightroom „out“. Es gab noch die alten Schallplatten zu kaufen, aber Fernsehauftritte wurden verdammt rar. Wer nach vorne will, hört keine vertrauten Klänge, der öffnet sich vielmehr neuen Musikrichtungen. Open your mind for inspirations. Gerne auch mit exotischen Teesorten die wir uns dank Konfirmationsspenden ins entsprechende Designer-Teeservice kippen konnten. Schweigend lauschten wir der neuen Musik, die wir zwar nicht gleich auf Anhieb verstanden, uns aber immerhin einen intellektuellen Anstrich verlieh.

Inzwischen hatte mein Repertoire an Ausreden für diese sinnigen Nachmittage eine respektable Bandbreite erreicht. Ich war fest davon überzeugt, dass ich schon mit allen anderen Dingen, denen ich mich brav und gehorsam geöffnet hatte, hoffnungslos überfordert war.

Und so genoss ich den heimlichen Moment eines intimen Zusammenkommens mit der Band per Kopfhörer fern ab von kritischen Zeitzeugen und New-Spirit-Suchenden.

Ich rockte in meinem Zimmer zur Musik ab, bis die Regale schief an den Wänden hingen, wickelte mich lasziv in die Vorhänge, bis diese am Boden lagen. Im Laufe eines exzessiven Abends glich mein Zimmer einer Hotelsuite nach einer 2-tägigen Drogenparty von den Rolling Stones.

Voller Hingabe lauschte ich den Harmonien,

den Gitarrenriffs, spürte jeden Takt nach. Und fand ein zuverlässiges Stück Heimat, in dem das Früher und das Heute zu einer vertrauten Melodie verschmolzen, die mich durch viele Gedanken, reichlich Zweifel und ungezählte Fragen des Erwachsenwerdens trug und mir ein Gefühl der Zuversicht schenkte.

Kapitel 1

...I walk the maze of moments But everywhere I turn to Begins an new beginning But never finds a finish... (Anywhere is/ Enya)

Aus einer Familie mit künstlerischen Ambitionen stammend, war für mich klar, dass ich wohl kaum in einem Büro landen würde und wollte. Meine Mutter entwarf Teppichmuster, mein Vater Häuser, meine Großmutter malte und mein Großvater war Kunstschlosser und baute ausgefallene und wunderschöne Lampenkreationen.

So fing ich schon als Kind an, die Malerei zu lieben, längst bevor ich lesen konnte. Waren keine Stifte oder Pinsel in der Nähe malte ich einfach mit meiner Spucke auf glänzenden Oberflächen. Der ständigen Polieraktionen irgendwann müde, bekam ich im Laufe der Jahre von meinen Eltern einen umfangreichen Malkoffer samt Staffelei geschenkt.

In einer Phase meiner Mutter, deren Einfallsreichtum sich plötzlich in ständig wechselnden Haarfarben ausdrückte, fühlte ich mich dank des vielen Lobes als kleiner Kunstkritiker berufen. Heimlich begann ich, die von meiner Großmutter gemalten Ölporträts meiner Mutter, mit diversen Farbtuben der jeweils neuesten Haarfarbe anzupassen.

In der Schulzeit befand ich mich zum ersten Mal in der Kritik meiner Lehrer. Beleidigt, empört und den Tuschkasten vom Tisch werfend, verteidigte ich meine Sonne, die sich auf jedem Bild grundsätzlich und immer und überhaupt in der rechten Bildecke befand. Und irgendwann wurde es akzeptiert als die Lizzi-Sonne. Na bitte. So konnte es weitergehen und es ging auch weiter. Die Schulzeit fand ihr Ende und ich musste mich für Beruf oder Studium entscheiden.

Noch konnte ich mich nicht zwischen einer Karriere als Eiskunstläuferin, Sängerin oder Filmstar entscheiden.

Eiskunstläuferin erschien mir sehr sinnvoll, denn dann könnte ich die schon heimlich einstudierte Kür zur Musik von Lightroom tanzen. Allerdings war dazu ein Partner nötig, der nach ausführlicher Analyse der bisherigen Olympiagewinner im Eiskunstlauf wohl rein der Größe nach beurteilt zwangsläufig ein Russe sein würde. Bei meiner Größe von 1,78m müsste er dann ca. 2,40 groß sein, damit die Preisrichter mich noch als zierlich anerkennen können. Um auch die entsprechende russische Melancholie für meinen Partner mitzubringen, fing ich schon mal an Tolstoi und Pasternak zu lesen. Zumindest die ersten 5-8 Seiten inclusive Impressum und Inhaltsverzeichnis.

Irgendwann machte mich eine Freundin darauf aufmerksam, dass das Eis verdammt hart durchgefroren sein müsste, damit ich nicht gleich beim ersten Rittberger mit meinem üppigen Gewicht 8 cm dicke Riefen ins Eis haue. „Haue“, nicht „laufe“, sie hat wirklich „haue“ gesagt.

Okay blieb ja noch Sängerin. Immerhin war Agnetha Fältskog von Abba ja auch nicht gerade schlank. Dafür hatte sie im Gegensatz zu mir allerdings auch eine musikalische Stimme, was mir mein Vater während einer längeren Autofahrt resolut klarmachte, als ich gerade zum fünften Mal zu einem „Sssänk ju foooor sä Mjusiiik“ ansetzte.

Filmstar? Und alle meine pubertären Pickel in Großaufnahme?? Allerhöchstens als Testimonial für Pickelcremes. Auf diese Tatsache stieß ich tatsächlich ganz alleine – und wehe, es hätte mir einer gesagt!

Ich kämpfte mit Frisurenanleitungen seitens der Teeniemagazine, blamierte mich fürchterlich, sammelt Erfahrungen mit diversen Lippenstiften und führte gewissenhaft Statistiken über die Radio-Hitparaden. Somit war mein Alltag mehr als ausgefüllt. Wie sollte ich da noch Zeit für einen Beruf haben?

Das Schwänzen diverser Schulstunden am Vormittag für den Genuss einer Wiederholung der Musikshows in den Öffentlich-Rechtlichen Sender (ehrlich – andere gab es damals nicht!) geschah ohne schlechtes Gewissen, diente es doch nur als Stabilisator meiner extremen und reichlich pubertären Stimmungsschwankungen.

Schwer verunsichert und ratlos fand ich nur noch Trost hinter der geschlossen Tür in meinem Dachzimmer, wo ich zu meiner üblichen Lieblingsmusik (von wem wohl??) all meine Träume malte. Ich spürte das tröstende Gefühl, meine Träume wenigstens mit Pinsel und Farben hemmungslos ausleben zu können. Und dabei blieb es vorläufig auch. Ich entdeckte die Leichtigkeit der Aquarellfarben, später die Möglichkeiten der Ölmalerei und irgendwann war keine Leinwand, kein Stück Papier mehr vor mir sicher.

Dennoch bestanden meine Eltern auf eine kaufmännische, somit anständige Ausbildung, die ich dann auch machte. Begabt im Schönreden jeder Situation bildete ich mir ein, mit diesen erworbenen Kenntnissen unter Umständen auch die Showbranche managen zu können. Vorzugsweise Lightroom. So begann meine verheißungsvolle Ausbildung, allerdings nicht ohne auch dort auf jeder Rechnung, jeder Notiz zum Ärger meiner Vorgesetzten und humorfreien Spießerkollegen kleine Zeichnungen zu hinterlassen.

Meine Freizeit verbrachte ich inzwischen nicht mehr allein im kleinen Dachzimmer, sondern suchte den Kontakt zu anderen Künstlern. Ich sah, hörte zu und lernte. Mit Freude und dem festen Vorsatz, irgendwann davon leben zu können.

So fühlte ich mich mehr und mehr als Künstlerin. Ich malte, übermalte und fand zögernd meinen Stil, der mir einige erfolgreiche Ausstellungen und neue Freundschaften schenkte.

Nicht nur, dass ich nach fast zweijähriger Abtrünnigkeit dank unterschiedlicher Ansichten über Partygestaltung meine Schulfreundin Brigid wiedertraf, wir gründeten auch voller Idealismus eine Ateliergemeinschaft und öffneten diese gemeinsam mit anderen Künstlern für Ausstellungen und Workshops.

Unser Atelier befand sich in einer alten Kornbrennerei auf dem Land, weshalb wir die Beweggründe unserer Besucher dann irgendwann doch einmal genauer unter die Lupe nehmen mussten.

Was nützt ein Publikum, das sich den Bildern auf 200 qm ca. großzügigen 45 Sekunden widmet, um sich dann auf die kostenlosen Schnapsproben zu stürzen? Mit unserer naiven Großzügigkeit haben wir von Mai bis Juli ganze Gruppen von polnischen Saisonarbeitern erfolgreich von den Erdbeer- und Spargelfeldern der ländlichen Umgebung gelockt. Als im Spätsommer die Apfelernte samt Anreise der üblichen Verdächtigen begann, konnten auch wir dem erschreckenden Ergebnis der bis dahin erfolgreich verdrängten Bilanz nicht mehr ausweichen.

Was nichts anderes hieß, als dass wir innerhalb von 8 Monaten genau 6 Bilder verkauft und 108 Schnapsflaschen verschenkt hatten.

Künstlerpech. Kommerz und Kunst passen eben nicht zusammen. So what!

Wir trugen das überwältigende Ergebnis mit Fassung. Unsere Ateliervermieter auch.

Nicht nur die Anzahl, der von uns bezahlten (und großherzig aus reiner Nächstenliebe kostenfrei ausgeschenkten) Schnapsflaschen, auch die teuren Limousinen anlässlich der Vernissagen führten zu einer neuen Verhandlung über die Miete.

Kurzum, uns ereilte mal eben eine Mieterhöhung von verbotenen 100%. Brigid und ich zogen uns zu einer diskreten Besprechung zurück. Die Pleite endlich eingestehend, tranken wir noch ganz fix den restlichen Schnaps aus. Prosteten uns zu, zerschlugen unsere Gläser an der leeren Bilderwand - und kündigten. That´s life - the show must go on! Aber wie?

Dennoch konnte mich nichts stoppen. Inzwischen hatte ich neue Freunde gewonnen, die mir mit ihrem eigenen Idealismus sehr ans Herz wuchsen.

Meine Freundin Edda, die mich anrief, um mir „mal eben“ eine Ausstellung in einer renommierten Bank zu organisieren. Wir saßen in ihrem offenen Cabrio, die Leinwände auf dem Rücksitz blähten sich bedrohlich im Wind, aber ich war einfach nur glücklich. Da war jemand, der an mich glaubte. Ohne Profitgier, rein aus Spaß an der Sache. Diese damals entstandenen Freundschaften pflege ich auch heute noch mehr als gerne, einfach weil ich mich vor ihnen nicht erklären muss. Gesucht, unverhofft gefunden, frei von Urteil oder Erklärungsbedarf. Meine optimistische Präsenz reichte aus, um Freunde an mich glauben zu lassen.

Irgendwann reichte mir die Malerei nicht mehr.

Inzwischen hatte ich Dänemark für mich entdeckt. Das Ferienland meiner Kindheit; unendliche Weite, viel Zeit mit der geliebten Familie, Ferienhaus zwischen den Dünen nahe am Strand. Frei jeglicher Uhrzeiten, einfach nur ein Sommer, der nach Heidekraut und Meersalz roch und mir eine Freiheit schenkte, die für mich zum Maßstab wurde.

Nicht nur im Laufe der Zeit, sondern auch in dem bewussten Suchen nach einer inspirierenden Bleibe, in der ich nicht nur ungebremst malen konnte, sondern auch meine Skizzen zur großzügigen eigenen Ansicht auslegen konnte, fand ich irgendwann mein Traumhaus, das ich bis heute noch anmiete. Auch hierhin zog die Musik von Lightroom mit, die ich an manchen Abend nach meinen Malorgien laut aufdrehte und auf der Terrasse mit Blick auf das Meer zum kühlen Sauvignon genoss.

Dort kam ich auf einen für mich neuen Weg. Ich sammelte Treibhölzer am Strand, missbrauchte die Sauna als Trockenraum und plante Lichtobjekte. Die Malerei fing an mich zu langweilen, nicht zuletzt, weil die Qualität der Ausstellungen spürbar nachließ.

Nachdem selbst Discounter und Drogerien Leinwände samt Pinsel und Farben im günstigen Angebot hatten, war der Malboom nicht mehr zu bremsen. Und wer bis dahin noch äußerst seriöse Ausstellungen - und sei es nur zur Image-Erhaltung - in seinen Räumlichkeiten anbot, sah sich plötzlich den Nachfragen aus dem eigenen

Freundeskreis ausgeliefert.

„Meine Frau malt jetzt auch, meinste, da geht mal was??“ Klar ging was, wozu hat man soziale Verbindungen? Damals hieß es „Eine Hand wäscht die andere“. Heute nennt man es „win-win“. Besser wurde es dadurch nicht.

Ich war frustriert angesichts der vielen Bilder in den bislang gut sortierten Ausstellungsräumen, die außer dekorativ zu sein scheinbar keinen weiteren Anspruch verfolgten. Bilder, die nicht nur Malen-nach-Zahlen vermuten ließen, sondern deren naive Motive auch nicht ganz frei von einer gewissen Peinlichkeit waren. Nicht, dass meine Malerei rückblickend betrachtet frei von Peinlichkeiten war, aber in dieser Schublade wollte ich partout nicht landen.

Also ging mein Herz in der dreidimensionalen Darstellung auf. So überzeugt ich von meinen Lichtobjekten war, so stur sind auch heute noch die Richtlinien. Jedes Objekt musste von einem Elektriker als den Sicherheitsbestimmungen gemäß überprüft und abgenommen werden.

Dazu kam, dass auch meine Nachbarn wenig erfreut über die täglich andauernden Geräusche von Bohrmasche, Fräse oder Kettensäge aus meinem Keller waren.

Ich war gerade dabei, meine Objekte mit meiner kleinen Digitalkamera für einen Katalog auf meiner Website zu fotografieren, da kam schon die nächste und vorläufig endgültige Idee angeflogen.

Da ich meine Objekte in einem vielsagenden Hintergrund präsentieren wollte, den mein Keller beim besten Willen nicht hergeben wollte, entdeckte ich die Möglichkeit der Fotobearbeitung für mich. Die Software lud ich mir aus dem Internet runter, die Anleitung dazu lieh ich mir aus Kostengründen von der Stadtbibliothek.

Und täglich entdeckte ich neue Anwendungen und Möglichkeiten. Ich begriff, dass man aus diversen Fotografien ein neues Bild entstehen lassen konnte.

Das war der Moment, als all sich meine bisherigen Arbeiten in eine neue Idee einfügen ließen. Der Kreis zwischen Malerei und Fotografie schloss sich zu einem neuen Projekt: digitale Kunst.

Endlich meinen Stil gefunden, fehlte nur noch die entsprechende über Weißwein und Prosecco hinaus gehende Inspiration. Immer noch der Musik zugetan, lernte ich nebenbei auch noch das Saxofonspielen. Kaum erwähnenswert, in welcher Band ich mal spielen wollte ...

Nachdem ich beschlossen hatte, meinen blumigen Horizont zu erweitern, suchte ich nun auch noch Inspirationen in der Musik. Naja, machen doch viele, könnte man nun sagen. Nein, ich wollte sie verstehen. Wollte die Unterschiede zwischen Moll und Dur nicht nur begreifen, sondern auch in meinen Bildern umsetzen.

Inzwischen hatte sich auch die Musikindustrie verändert. Vinyl war out, CDs als Anschaffung fürs Leben waren angesagt. Obwohl ich dank des preiswertesten CD-Players, den es aufgrund eines vermeintlichen Havarie-Schadens wohl je gab, keinen hörbaren Unterschied ausmachen konnte, erkannte ich einen unschätzbaren anderen Vorteil.

Nachdem ich es bei meiner steten Suche nach Ausdruck und Inspiration dann irgendwann doch schon mal zu kurzweiligen Auftritten in der Männerwelt geschafft hatte, kam die Zeit der „Wir-ziehen-zusammen-Partnerschaften“.

Nicht zuletzt auch den klaren wirtschaftlichen Vorteil erkennend, stand ich vor einem anderen Problem; mein Musikgeschmack. Was ich bisher nur als beschwipste Partylaune glaubwürdig abgeliefert hatte, stand spätestens dann auf dem Prüfstand, als ich mit meiner Plattensammlung anrücken sollte.

Und ich war nicht nur begeistert, wie diskret sich die kleinen CDs unauffällig in einem Koffer verstauen ließen, sondern fühlte mich somit auch sicher, die Beziehung zumindest für die nächsten sechs Wochen aufrecht halten zu können.

Denn eines war klar; länger als sechs Wochen halte ich es ohne meine Musik, sprich: ohne meine Lieblingsband nicht aus.

Im Laufe der Jahre sollte ich diesem speziellen Problem genauso häufig begegnen, wie ich spätestens nach sechs Wochen in Liebeskummer schwelgte.

So viele Beziehungen, ob nun geglückt oder gescheitert, habe ich nicht vorzuweisen. Aber es war auch verdammt schwer einen Mann zu finden, der meinen Geschmack in puncto Musik versteht, geschweige denn kommentarlos hin nimmt. Und tolerieren reichte mir bei Weitem nicht.

Liebe ist ein halt verdammt weites Spektrum.

So blieb mir nur der Glaube an meine Lieblingsband. Sie müssen, werden, können es verstehen. Und worauf noch länger warten? Gut gefragt. Wie ein Alien, nicht nur dem Heimatplaneten längst überdrüssig, sondern auch ausgestattet mit einem verheißungsvollen Auftrag, suchte ich einen neuen Planeten. Es reichte einfach nicht mehr, nur die Musik zu hören, ich wollte mit der Band reden. Ach was, ich wollte mit ihnen philosophieren, diskutieren, die Welt neu erfinden.

Und jeder von uns hätte etwas davon. Musik und Bilder würden sich gegenseitig beflügeln. Win-win sozusagen. Wir würden gemeinsam in Talkshows sitzen, lachend und ungläubig kopfschüttelnd von unserem ersten Kennenlernen berichten, selbst erstaunt über die plötzlichen Erfolge sein ...

... kurzum, wir wären das lang ersehnte Dream-Team der Showbranche.

***

Kapitel 2

...Don`t you know, you fool, ain`t no chance to win Why not use your mentality – get up, wake up to reality... ( I`ve got you under my skin / Cole Porter )

Irgendwann reichten mir meine bunten Träume natürlich nicht mehr.

Was mir zur Erweiterung meiner Illusionen noch fehlte, war das Erlebnis eines Livekonzertes. Zusammen mit Lightroom im Licht stehen, ihnen ein Lächeln abzwingen, dass eine Gemeinschaft herauf beschwört, die mir in all meinen Träumen und Hoffnungen recht gibt.

Inzwischen waren sie nur noch bei alten Fernsehaufzeichnungen zu sehen, die ich schon auswendig mittanzen konnte. Oder gerne auch bei Musiksendungen der Privatsender unter dem Motto "Hitparade der schrillsten Partybands“. Und jeden A- bis C- Promi habe ich mir gemerkt, der auch nur ansatzweise ins Lästern über Lightroom verfiel.

Nach fast 20 Jahren Fandaseins sollte ich sie dann tatsächlich doch noch einmal wieder vereint auf einer Bühne erleben dürfen.

Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich die Konzertankündigung in der Zeitung sah und meine beste Freundin Sarah in Hamburg anrief:

„Mein Leben hat wieder einen Sinn!!“

Das Schweigen auf der anderen Seite des Hörers ließ Ratlosigkeit durchblicken. Vermutlich dachte sie an eine neue Cellulitiscreme oder an eine 10-Kilo in 6 Tagen-Diät.

"Ey, Du weißt schon – Lightroom!! Sie treten endlich wieder auf!“

"Ja, ja, okay, aber mal ganz ehrlich - ich komme nur in eine Stadt mit, wo mich keiner aus dem Publikum erkennt.“

Na bitte! Ich kaufte die Karten und verbrachte die bevorstehenden sechs Monate bis zum Konzert reichlich angespannt mit unvermeidlicher Kleider-

und Frisurenplanung. Als es dann endlich so weit war und wir nach einem fünfstündigen Aufenthalt vor dem Spiegel soweit waren, prosteten wir uns noch mit reichlich Sekt zu.

Schon vor der Halle standen zahlreiche Reisebusse, die unberechenbare Seniorenfanklubs versprachen. Im Foyer erwartete uns also nicht gerade ein trendig cooles Publikum, vielmehr eine muntere Schar von Ergrauten, die sich in praktischen Windjacken mit Tunnelzug vor einem Stand mit Fischbrötchen tummelten. Immerhin hatte sich der Standbesitzer die Mühe gemacht, als Slogan den vermeintlichen Shanty - Titel aus einer vergangenen CD liebevoll, aber leicht unleserlich auf Pappe zu sprühen.

Gleich daneben - und im ersten Moment traf mich fast der Schlag - stand die gesamte Band aus Pappe in Lebensgröße. Die vielen Spinnweben zwischen den Pappkameraden erzählten sentimental von längst vergangenen Tourneen.

So hatten wir auch gleich wieder einen Grund für weiteren Sektnachschub gefunden. Eines war uns auch klar; wir waren hier mit Mitte dreißig die Youngsters. Wenn das die Musiker nicht freuen wird; eine sichtbare Chance mehr.

Neben all der Aufregung schaukelte auch der Sekt schon bedenklich in meinem Hirn. Ein letzter Gang zum Klo vor dem bedeutsamen Klingelzeichen, dass die Show gleich beginnt, endete dann mit dem Vergessen meiner Handtasche. Okay, sie ist nun mal weg, aber ich bin hier. Was sind schon Hausschlüssel, Ausweis und Geld? Alles Dinge, die mich gefangen nehmen und vom wahren Künstlerleben abhalten. Dachte ich mir. Bis Sarah in Panik geriet, weil sich auch ihr Portemonnaie darin befand.

Gerade noch im letzten Moment eines Vortrages über Dummheit und Verantwortungslosigkeit konnte ich ihr ausreden, einen Ausruf quer durch die ganze Halle zu starten.

"Das Fräulein Liz K. bittet den Finder ihrer Handtasche, zuletzt auf einem der 54 Klos gesichtet, sich am Kartenverkauf zu melden!“

Was sollen denn die Leute denken? Wobei meine größte Angst der grinsend schenkelklopfenden Reaktion meiner Musiker galt. Aufgescheucht wie ein Huhn klapperte ich alle Toiletten noch einmal ab. Und da hing sie, direkt über der Klobrille. Voller Freude, doch nicht völlig versagt zu haben, stand ich auf einem der oberen Ränge und schwenkte meine Tasche im untergehenden Saallicht lauthals nach Sarah rufend, bis mich ein Saalwärter sanft aber bestimmt am Arm griff und fragte, ob er mir helfen dürfe. Immerhin fand ich auch meine mich rettende Platzkarte in der Tasche wieder.

Ein für mich weiteres gutes Omen, was mich genau in dem Moment atemlos auf meinen Sitz plumpsen ließ, als das Licht vollständig ausging und die grellbunten Scheinwerfer die Bühne anstrahlten. Sarah warf mir zwar einen tadelnden Blick zu, meinte aber äußerst großherzig: "Naja, nun entspann dich aber mal.“

Hinter transparenten Vorhängen sah man die einzelnen Musiker auf die Bühne kommen und ihre Position einnehmen. Das allein reichte aus, um mich vom Stuhl zu reißen und schon vor dem ersten Ton hingebungsvoll Standing Ovations zu bringen. Sarah riss mich zurück auf meinen Stuhl. Eine Fanfare erklang inmitten eines bunten wild blitzenden Lichtermeeres, die Vorhänge fielen, und mit einem regelrechten Paukenschlag samt nachfolgendem Gekreische einer E-Gitarre konnte die Party beginnen.

Die Musiker strahlten und nickten aufmunternd in die ersten Reihen. Was ihnen bis eben noch, geblendet von den Scheinwerfern, als amorphe Masse erschienen sein musste, verwandelte sich bereits beim dritten Lied in ein unkontrollierbares Gerenne und Geschubse Richtung Bühne.

Ausgerechnet ich, die sich immer voller Hemmungen bewusst im Hintergrund bewegt, fühlte mich nach all den heimlichen Abenden mit der Musik vom CD-Player als geübter Tourneehase und bahnte mir tänzelnd den Weg zum Bühnengraben, als wäre es der Altar eines anbetungswürdigen Popgottes.

Ein leichtes Spiel, als Youngsters wurde mir und meiner allerliebsten Sarah der Weg bis direkt vor die Bühne freigegeben. Offensichtlich genossen auch die Oldies es, dass wir uns hier lustvoll dem Rhythmus ihrer besten Jahre hingaben, was auch ihnen den lang ersehnten Hauch von jugendlichem Leichtsinn verlieh.

Selbstvergessen tanzte ich vor der Bühne, als mich der Blick von Ray traf. Er kam mit seiner Gitarre zum Bühnenrand, gemeinsam fanden wir eine Choreografie und nichts konnte mich mehr halten. Seinen herausfordernden Blick konnte ich vor verlegener Freude kaum ertragen. Von diesem Moment an war es mein erklärtes, aber unausgesprochenes Ziel. Ich wollte Ray.

Als Zielkoordinaten dienten noch immer nur sehr einseitig interpretierte Spekulationen aufgrund Informationen der Fanseiten, den von mir ausgewerteten Fotos („oh, hier wirkt er aber sehr glücklich mit seinen Tönen...“) oder den vermeintlich vielsagenden Titeln seiner Solo-CD.

Zwei Tage nach dem Konzertende schwelgte ich noch immer in dem bedrohlichen Gefühl, vielleicht doch eine Chance verpasst zu haben.

Da rief Sarah an: „ Überraschung!! Die Karten für das Konzert in Hamburg habe ich uns auch noch besorgt!“

Mein Kreischen vor Begeisterung und Dankbarkeit kannte keine Grenzen. Es war der Beginn einer kleinen intimen Fangemeinde, der kein Konzert zu weit war.

Wann immer wir die Band live erlebten, der Absturz danach war für mich am schlimmsten. Das schwarze Loch, die einsame Stille eines sterilen Hotelzimmers, wie Ray es später nannte. Nun gut, es war um mich herum weder still noch einsam, Sarah war ja bei mir, aber gelitten habe ich sehr. Um einen schonenden Übergang in die Normalität für meine überdrehte Psyche zu sichern, freundeten wir uns bei den nachfolgenden Konzerten in den Pausen am unvermeidlich Fischbrötchen-Stand mit den hemmungslosen und äußerst trinkfesten Hardcore-Fans an. Ähnlich einem Alkoholiker, dessen Saufdruck sich dem sozialen Abstieg hemmungslos hingibt. Hauptsache, das Fass läuft ...

Verwöhnt von der allseitigen Aufmerksamkeit der bisherigen norddeutschen Konzerte, schraubten sich meine Erwartungen in Hamburg schier in unermessliche Höhen. Allerdings war es nicht ich, sondern Sarah, die während der Show mit dem Bassisten Jan flirtete und sich mit ihm nach dem letzten Song per Handzeichen am Tourbus verabredete.

Bis ich begriff, dass ein Traum gerade wahr zu werden schien, beobachtete ich nur noch, wie der Bassist Ray etwas zurief. Ein durchaus unverhofft menschliches Zeichen – es gibt sie also wirklich.

Sie existieren, sie sind Menschen.

Nie hätte ich geahnt, dass es einen mir tatsächlich unbekannten geheimen Weg zum Tourbus gab, den bereits ganze Fangruppen vor uns anpeilten. Ein wenig peinlich war es uns schon. Verschwitzt vom Tanzen, Sektfahne inclusive, inmitten von juchzenden Fans zu stehen, die mit ihren aktuellen Programmheften und CDs wild in der Luft wedelten, um Autogramme zu erzwingen.

Wenn wir eines nicht wollten, dann aussehen wie Groupies. Wir waren keine Groupies. Ganz ehrlich. Schließlich wussten wir die Kunst eines jeden Einzelnen von der Band zu schätzen. Wir waren gerne bereit, uns mit ihren Biografien auseinanderzusetzen und an ihrem Leben direkt aus den Fanmagazinen teilzuhaben. Aber, es vor ihnen durchblicken zu lassen, das lag uns meilenweit fern. Dummerweise kamen diese Magazine größtenteils aus Holland. Wir verstanden kein Holländisch, aber wir fühlten ganz ergriffen, was sie uns mit ihren Bildern sagen wollten.

Während sich die Menge noch immer am Künstlerausgang tummelte, kam Jan, der Bassist, plötzlich und ganz verstohlen hinter dem Bus hervor. Zum ersten Mal musste ich feststellen, dass die Musiker im Original offensichtlich nicht ganz die erhoffte Körpergröße hatten, die der Blick aus dem Bühnengraben erhoffen lässt. Wir versteckten uns mit ihm zusammen zwischen den Tourbussen.

Ob wir noch Lust hätten, mit ins Hotel zu kommen. Ich wollte gerade befreit von allen Hemmungen „Jaaa!!“ schreien, mit den Fäusten in der Luft trommeln, als Sarah souverän ablehnte.

„Danke, ganz lieb, aber wir sind keine Groupies. Ihr ward echt super, aber ihr seid jetzt sicher auch froh, wieder unter Euch zu sein.“

Mein Verstand setzte aus. Wieso sagt sie das, sie will es doch auch?! Jan allerdings war nicht böse, nickte nur nachdenklich und sagte dann:

"Okay, das kann ich gut verstehen, obwohl es so echt nicht wäre. Aber wartet mal eben. Ich hole mir nur mal eben meine Jacke aus dem Bus.“

Es waren trotz 23 Uhr noch geschätzte 21 Grad, wozu eine Jacke? Mein Gedankengang war rückblickend betrachtet gar nicht so abwegig. Zwar kam Jan mit seiner Jacke zurück, aber heimlich hatte er Ray informiert, dass wir da seien.

Mit einer Dose Bier in der Hand kam plötzlich auch Ray auf uns zu. Etwas unbeholfen bot er uns einen Schluck aus seinem Dosenbier an, was wir mit dem höflichen Hinweis Weißweintrinker zu sein, ablehnten. Kaum da war er schon wieder verschwunden, um uns mit Pappbechern und einer Flasche Weißwein zu überraschen. Während der Unterhaltung, was sie denn nach der Tour so machen, schaute ich mir Ray verstohlen etwas genauer an.

Pulsuz fraqment bitdi.

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9783844239737
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