Kitabı oxu: «Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen», səhifə 4

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Kapitel 3

20. Das Paradies der Tiere

Hoch droben auf dem Matterberge ist eine Stelle, die

aber keiner oder doch gar selten einer finden kann, die

hat der laufende Jud nicht mit verwünschen können,

weil sie von Gott gefeit ist vom Anbeginne; da ist

kein Schnee und kein Eis, da ist Sonne und Freude,

Wonne und Weide, da quillt erst eigentlich mit leisem

Gewisper die Visper hervor, die später erst unter dem

Alp-Gletscher zutage rinnt, dort ist das Paradies der

Tiere. Da gibt es herrliche Steinböcke und Gemsen,

Adler und Geier, Schneehühner und Birkhähne, auch

Murmeltiere, und keines beleidigt das andere, alle

leben da friedlich beisammen. Nur alle dreimal sieben

Jahre darf und kann ein Menschenauge in dieses

Bergparadies der Alpentierwelt blicken, wo es so

wonnevoll und schön ist, alles voll Alpenrosen und

Gentianen, und von zwanzig Gemsenjägern glückt

das auch kaum einem einzigen. Da stehen uralte Pinienbäume

und Ahorne, und die Pinien tragen Zapfen,

deren Kern süß schmeckt, wie Mandeln, das sind die

Zirbelnüsse. Wem es glückt, in das Paradies der Tiere

zu treten, der darf wohl von den Zirbelnüssen nehmen

und kosten, aber nimmermehr ein Tier fangen oder

töten, sonst kostet's ihm das Leben. Viele haben in

die uralten heiligen Platanenstämme zum Zeichen

ihres Alldagewesenseins ihre Namen geschnitten. Außerdem

sieht man selten noch einen Steinbock und

selten eine Pinie, und die stehen hoch und schwer erreichbar.

Denn es geht die Sage, daß es zwar deren

viele und überall gegeben habe, da habe aber die Dienerschaft

immer gern die Nüsse genascht und darüber

und mit Auskernen viel gute Zeit hingebracht und versäumt,

da habe die Meisterschaft diese Bäume verwünscht,

und nun seien sie unfruchtbar geworden

oder unzugänglich.

21. Die Teufelsbrücke

Vom Multhorn, nicht allzufern von St. Gotthard,

stürzt sich mit raschem Rollen und unbändigen

Sprüngen ein wildes Bergwasser, die Reuß. Ein Alpenhirte

liebte eine Sennerin, die er zum öftern besuchte,

aber er hatte oft mit dem wilden Fluß seine

Not, hinüberzukommen, und mußte doch hinüber und

auch wieder herüber zu seiner Hütte und Herde. Als

nun einstmals die Reuß recht angeschwollen war und

wieder als jemals über die Felsen herabstürzte, da sah

der Hirte keine Möglichkeit, hinüber und zu seiner

Geliebten zu gelangen, und rief aus: Ei, so wollt' ich,

daß der Teufel käme und baute eine Brücke über dich

verfluchtiges Wasser. – Und da kam der Teufel gleich

hinter einem Felsklumpen hervor und sagte: He! was

gibest mir, wenn ich dir die Brücke baue? – He! was

soll ich dir geben? fragte der Hirte. – Die erste lebendige

Seele, die darüber geht, sagte der Teufel und

dachte, es werde niemand schneller sein als der Hirte,

hinüberzukommen. Ich bin's zufrieden, sagte der Hirt,

und: Topp schlag ein! sagte der Teufel, und der Bub

schlug ein. Jetzt baute der Teufel mit Hülfe aller seiner

höllischen Geister die Brücke in ganz kurzer Frist,

und als sie fertig war, setzte er sich hin und lauerte.

Wer aber nicht darüberging, war der Hirtenbub, er

jagte vom Gotthardgebirg unterm Hospital eine

Gemse auf und trieb sie abwärts, immer der Reuß zu,

bis an die Brücke, und da setzte sie flink hinüber. Der

Teufel fuhr zu, wurde teufelswild über solches Wild

und zerriß die Gemse in Stücken, nachdem er sie hoch

in die Luft hinaufgetragen hatte. Nun ging der Hirte

ungehindert, sooft er wollte, über die Brücke herüber

und hinüber, doch soll es an derselben, die auf ewige

Zeiten die Teufelsbrücke heißt, nicht recht geheuer

sein, und es geht auch die Sage, der Teufel reiße alle

Jahre ein Stück ein, daß immerdar daran gebaut werden

müsse.

22. Der Stierenbach

Vom Surenenberge und seiner Alpentrift fließt ein

Bächlein, das führt den Namen Stierenbach, und hat

es davon im Engelbergstale und im Urner Lande eine

gar wundersame Sage. Ein Alpenhirte hatte bei seiner

Herde ein Lieblingslamm, wußte gar nicht, was er

dem Tiere alles zugute tun sollte, und gab dem

Lamme sogar den Namen Christian; das hätte wohl

immer noch nicht so viel geschadet, denn Hirten und

Schäfer, Kutscher und Eseltreiber nennen ihre Tiere

häufig mit solchen Christennamen, wie Hans und Michel,

Gret und Liese, aber der Surenenälpler trieb die

Affenliebe zu dem Lamm allzuweit, wie verblendet, er

taufte das Tier, wie man ein christlich Kind tauft, im

Namen der heiligen Dreifaltigkeit. Darob verzürnete

sich der liebe Gott und machte aus dem Lamm ein

greulich Ungetüm, das fraß in einem fort, was ihm

vorkam, fraß die ganze Alpe kahl, daß kein anderes

Stück Vieh ein Hälmlein mehr fand, fraß Tag und

Nacht. Bald waren die Engelsberger Triften abgeleert

und guter Rat teuer. Da kam zu den Nachbarn, denen

von Uri, ein fahrender Schüler, der gab Rat, das böse

Untier zu vertreiben, war freilich eine langsame

Kunst, und mußte, bevor sie ausgeführt wurde, noch

manches Gräslein auf den Alpen wachsen und man-

cher Tropfen den Bach hinunterrollen. Und das war

es, was der fahrende Schüler riet: Ein Stierkalb nehmt

ihr, das füttert ihr bei Leib und Leben mit nichts als

frischer Milch. Im ersten Jahr von einer Kuh, im

zweiten von zwei Kühen und so fort, alle Jahre die

Milch von einer Kuh mehr. Nach vollendeten neun

Jahren laßt ihr den Ochsen durch eine reine Jungfrau

hinauf auf die Alpe führen, dann wird der Ochse mit

dem Untier kämpfen und es bezwingen. Das geschahe

denn, die Urner erbauten einen Stall, darin sie das

Stierkalb aufzogen, des Stelle zeigt man heute noch

und nennt sie den Stierengaden. Dann leitete nach

vollendeten neun Jahren eine reine Jungfrau denselben

zur Alpe hinauf und verließ ihn. Gleich erschien das

greuliche Untier, und der Stier stürzte sich auf dasselbe

und kämpfte lange und sehr heftig mit ihm, bis er

es endlich überwand und zu Tode stieß. Ganz erhitzt

von dem Kampfe rann der Stier nach dem Bache hin

und trank und trank ohn Ende, bis er hinstürzte und

auch tot war. Davon hat der Bach den Namen Stierenbach

erlangt, und oberhalb desselben sieht man noch

im Felsgestein die Hufe des Stieres eingedrückt, mit

denen er sich im Kampfe gegen das ungeheuerliche

Bergwunder stemmte.

23. Der Besserstein

Im Aargau, da, wo Reuß und Limmat in die Aar und

die Aar in den Rhein fließen, liegt der Geißberg, der

trägt auf seinem Gipfel die Trümmer einer Ritterburg.

Ein Herr von Villigen baute die Burg auf das schönste

und festeste, hatte seine Herzensfreude daran, gedachte

in ihr glücklichen Alters froh zu werden und in

Leutseligkeit und Güte seinen Untersassen ein treuer

Vater zu sein. Fertig stand der Bau, und festlich sollte

er eingeweiht werden. Des Bauherrn Söhne und alle

Gefreundete rings im Gau waren versammelt, und die

Humpen kreisten. Der Ritter von Villigen sprach zu

den Söhnen: Da schaut nun, wie gut sich's hier wohnen

wird in der Pracht der Gegend, rund um uns her

unsre fleißigen Leute und Mannen, mitten im Kreis

der Dörfer unser stattliches Burghaus, fest gegen den

Feind, offen dem Freund, den Bedrängten ein Schutz,

den Dürftigen ein Hospitium! So wollt ich's haben.

Ja, Vater, sprachen die Söhne, das ist traun eine

wackre Trutzburg worden; da mag sich das nichtsnutzige

Volk auflehnen oder nicht, wir zwingen es von

hier aus, wir werden ihm den Fuß auf den Nacken setzen.

Von hier aus können wir Zölle legen auf die

Flüsse und den Rheinstrom, auf Wege und Stege. Der

ganze Gau muß uns tributpflichtig werden, damit

unser Gut sich mehre und unser Name ein gefürchteter

sei im Rhein- und Schweizerlande. – Als der Herr von

Villigen diese Rede seiner Söhne vernahm, war es

ihm, als wolle sein Blut stocken und sein Herz brechen,

und zürnend brach er aus: Entartete Söhne! So

ist euer Sinn? Wartet, den will ich euch bessern! –

Und warf seinen vollen Humpen zur Erde, daß er in

tausend Scherben zerklirrte. Wie dieser Humpen zertrümmert

liegt, so soll dieser stolze Bau, meine Lust

und meine Freude, zertrümmert liegen! – Und berief

seine Mannen, seine Untersassen, sein ganzes Volk,

und hieß sie den neuen Bau abbrechen und verfluchte

die Hand, die ihn wiederum zu bauen beginnen werde.

Besser Stein, ein wüster Stein, als eine Zwingburg

des Volkes und des Gaues, die Schimpf auf den edeln

Namen derer von Villigen häuft! rief er – und seitdem

liegt auf dem Geißenberge der öde Mauerrest und

heißt allwege im Volke der Besserstein.

24. Der Kreuzliberg

Auch im Aargau, ohnweit Baden, wohnte auf einem

Burgberge eine Königstochter, die oft zu einem nahen

Bühel ging, wo sie im Schatten ruhte und der schönen

Landschaft sich freute. Sie wußte aber nicht, daß Geister

in dem Bühel hausten, deren Art keine gute war.

Eines Tages kam sie abermals zu ihrem Lieblingsplatz,

aber kaum erkannte sie ihn wieder; wildes Geklüft

und geborstenes Erdreich starrte ihr da entgegen,

wo sie noch kurz zuvor auf schwellendem Moos im

kühlenden Baumschatten geruht hatte, und weit hinab

in die Tiefe gähnte eine jähe Schlucht. Die Jungfrau

aber war unerschrocknen Sinnes, weil sie rein und

schuldlos war, und so setzte sie die Füße in den düstern

Gang, um zu schauen, wie es darinnen beschaffen

sei. Da gewahrte sie, daß es ein ungeheurer Keller

war, Fässer lagen da über Fässern, und siehe, schreckhafte

Gestalten huschten an sie heran, ergriffen sie an

den Händen und zogen sie über alle die Fässer weiter

und weiter zur Tiefe fort, so daß sie endlich aus Angst

und Bangigkeit die Besinnung verlor und nicht mehr

wußte, was mit ihr geschah. Da sie nun in der Burg

daheim vermißt wurde, ward ausgesandt, sie zu suchen,

und ward also gesucht an allen Orten und Enden

ringsumher. Siehe, da fand sie einer nicht gar weit

von dem Geisterhügel auf einer kleinen Anhöhe stehend,

mit in die Erde gewurzelten Füßen, der Leib

steinhart und die Arme in Äste ausgewachsen und gen

Himmel ausgestreckt, wie die Jungfrau Daphne in der

heidnischen Fabel. Alle, die das sahen, entsetzten sich

vor dem grausenhaften Anblick solcher Baumverwandlung,

und da ward nach dem nahen Kloster Wettingen

hinübergesendet, von dort ein Wunderbild zu

holen. Als das Bild gebracht ward, da schwand der

unheimliche Zauber, der die Königstochter umstrickt

hatte, und sie ward wieder erlöset. Des zum Andenken

setzte man ein Kreuz auf den Berg, wo diese

Sache sich begeben, der hieß fortan der Kreuzliberg,

und jener Bühel, darin die Jungfrau die Fässer erblickt,

und der sich wieder geschlossen, heißt der

Teufelskeller bis auf den heutigen Tag.

25. Die Würfelwiese

Ganz nahe der Stadt Baden im Aargau liegt eine

Wiese, welche die Würfelwiese genannt wird. Darauf

soll oft der Teufel sein Spiel haben. Seit undenklichen

Jahren werden auf ihr Würfel gefunden, viele Tausende,

und keiner weiß, wo sie herkommen, ob Römer

hier eine Würfelfabrik gehabt oder ob Meister Urian

diese seine Lieblinge hier im Erdreich wachsen läßt,

genug, sie kommen hervor, als ob sie quillten, mit

jedem Maulwurfshaufen, und ist die Ursache noch

niemals zu ergründen gewesen.

26. Die Basler Uhrglocke

Vorzeiten haben die Basler in ihrer Stadt eine sondre

Zeitrechnung gehabt, daß allemal die Uhrglocke eine

Stunde früher schlug als anderswo, darüber gehen

noch verschiedene Sagen. Es habe ein Konzilium zu

Basel noch etwas länger gedauert als der Unterflachsenfinger

Landtag, nämlich dreizehn volle Jahre, das

sei geschehen 1431 bis 1444, und da habe man die

Zeit beschleunigen wollen und die Uhr um eine Stunde

vorgerückt, sei aber mit diesem Fortschritt kein

Haar breit weitergelangt. Andere sagen, daß einstmals

eine Verschwörung zu Basel angezettelt gewesen sei,

und hätten die Verschwörer zur zwölften Stunde den

Rat überfallen und meuchlings ermorden wollen.

Aber der allsehende Gott habe das durch ein Wunder

verhindert, indem alle Glocken der Stadt mit einem

Male statt zwölf Uhr ein Uhr geschlagen. Dadurch sei

über die Aufwiegler ein sonderbarer Schreck gekommen,

ihr Anschlag sei vernichtet, sie selbst verraten

und insgesamt erschlagen worden. Darauf habe der

Rat verordnet, stets die Uhrglocke eine Stunde vor der

gewöhnlichen Zeit vorausschlagen zu lassen.

27. Die Schlangenjungfrau im Heidenloch bei

Augst

Zwischen Basel und Rheinfelden liegt ein uralter Ort,

heißt Augst, vom römischen Wort Augusta. Römerkaiser

hatten dort ihren Hofhalt und bauten eine schöne

Wasserleitung. An dieser ist ein Schlaufloch und

unterirdischer Gang, der sich weit in die Erde hineinzieht,

niemand hatte noch dessen Ende gesehen; heißt

im Volke das Heidenloch. Da war im Jahre 1520 ein

Schneider zu Basel gesessen, hieß Leonhard, der war

auch eines Schneiders Sohn und fast ein Simpel. Er

stammelte statt zu reden und war zu gar wenigen Dingen

geschickt zu brauchen. Den trieb eines Tages die

Neugier, doch zu versuchen, wie weit der hohle Gang

eigentlich in die Erde hineingehe: da nahm er eine

Wachskerze, zündete sie an und ging in das

Schlaufgewölbe hinein. Nun aber war die Kerze eine

geweihte, und da konnten ihm die Erdgeister nicht

etwas anhaben, wie der Königstochter im Teufelskeller

beim Kreuzliberg. Leonhard kam an eine eiserne

Pforte, die tat sich vor ihm auf, und da kam er durch

mehr als ein hohes und weites Gewölbe, endlich gar

in einen Lustgarten, darinnen standen viele schöne

Blumen und Bäume, und in der Mitte des Gartens

stand ein wohlerbauter Palast. Alles umher aber war

still und menschenleer. Die Türe zu dem stattlichen

Lusthaus stand offen, da ging Leonhard hinein und

trat in einen Saal, darin erblickte er eine reizend schöne

Jungfrau, die trug auf ihrem Haupt ein guldig

Krönlein und hatte fliegende Haare, aber o Scheuel

und Greuel, von des Leibes Mitte abwärts an war sie

eine häßliche Schlange mit langem Ringelschweif.

Hinter der Jungfrau stand ein eiserner Kasten, darauf

lagen zwei schwarze Hunde, die sahen aus wie Teufel

und knurrten wie grimmige Löwen. Die Jungfrau

grüßte den Leonhard sittiglich, nahm von ihrem Hals

einen Schlüsselbund und sprach: Siehe, ich bin von

königlichem Stamme und Geschlecht geboren, aber

durch böse Macht also verwünscht und zur Hälfte in

ein greulich Ungetüm verwandelt. Doch kann ich

wohl erlöset werden, wenn ein reiner Junggeselle

mich trotz meiner Ungestalt dreimal auf den Mund

küsset, dann erlange ich meine vorige Menschengestalt

völlig wieder, und mein ganzer großer Schatz ist

sein. – Und da machte sie sich zu dem Kasten, stillete

die murrenden Hunde, schloß einen mittlern Deckel

mit einem ihrer Schlüssel auf und zeigte Leonhard,

welch ein großes Gut an Gold und Kleinodien darinnen

enthalten sei, nahm auch etliche goldne und silberne

Münzen heraus und gab sie dem Leonhard und

blickte ihn seufzend und gar inniglich aus zärtlichen

Augen an. Leonhard hatte in seinem Leben noch keine

Maid geküßt, es ward ihm jetzt warm ums Herz, und

er wagte es, der Schlangenjungfrau einen Kuß auf

ihren schönen Mund zu geben. Da erglühten ihre

Wangen und erfunkelten ihre Augen, ihr Antlitz strahlte

vor Freude, und sie lachte vor Lust und Hoffnung

der Erlösung und preßte ihren Befreier mit heftiger

Glut an die Brust. Und da geschah der zweite Kuß,

und mit dem so ringelte sich der Schlangenschweif

eng um ihn, als wolle er ihn auf ewig fesseln, und die

Jungfrau faßte ihn noch fester mit beiden Händen an

und lachte und biß ihn vor Lust in die Lippe. Da

schauderte ihn vor solchen Zeichen überheftiger Liebeswut,

und riß mit Gewalt sich los, nahm seine noch

brennende Kerze und entwich. Die Jungfrau stieß hinter

ihm ein wehklagendes Geschrei aus, das ihm durch

Mark und Bein drang, und er kam aus dem Gang und

Loch heraus, er wußte gar nicht wie. Seitdem empfand

der Jüngling eine brennende Sehnsucht nach

Küssen, nie aber fand er andrer Mädchen und Frauen

Küsse so feurig und so süß als jene der Schlangenjungfrau,

immerdar trieb es ihn zurück zu ihr, um das

Werk der Erlösung an ihr zu vollbringen, aber da er

nun andre geküßt, vermocht' er nimmer, den Eingang

zur Schlangenhöhle wiederzufinden, und es soll dieses

auch nach ihm keinem wieder geglückt sein.

28. Herzog Bernhard hält sein Wort

Im Dreißigjährigen Kriege kämpfte der Sachsenherzog

Bernhard von Weimar in den Gefilden des Oberrheins.

Da belagerte er das Städtchen Neuenburg,

zwischen Basel und Breisach gelegen, das noch gut

kaiserlich war und sich tapfer hielt. Der langen Belagerung

und des hartnäckigen Widerstandes der Neuenburger

äußerst müde, erzürnte sich der Sachsenherzog

und verschwur sich hoch und teuer bei Himmel

und Hölle: Komme ich in das Nest hinein, so soll

weder Hund noch Katze mit dem Leben davonkommen.

– Bald darauf mußten sich die tapfern Neuenburger,

da sie die Belagerung nicht länger aushalten

konnten, dennoch ergeben, und die Soldateska wollte

schon ihr Mütlein im Blute der Bürgerschaft kühlen

und alles ermorden. Da gereute dem Herzog sein vermessener

Eid und des vielen edeln auch zum Teil unschuldigen

Blutes, das hier vergossen werden sollte,

und er sprach: Nur was ich schwur, wird gehalten,

und nicht mehr und minder. Schont nicht Hunde, nicht

Katzen, aber bei Leib und Leben gebiet' ich, daß der

Menschen geschont werde. – Und also geschah es.

Herzog Bernhard, der große Kriegesheld, hatte auch

Breisach belagert und erobert, Freiburg eingenommen

und bei Rheinfelden das Heer der Kaiserlichen ge-

schlagen. Große Hoffnungen baute auf ihn das deutsche

Volk, auch das im Elsaß, und jubelte ihm zu und

begrüßte ihn überall als einen Retter, wie als einen

Schirmvogt gegen das treulose Nachbarland. Aber er

sprach ahnungsvoll: Ich werde des großen Schwedenkönigs

Gustav Adolf Schicksal teilen – sobald das

Volk ihn mehr ehrte als Gott, mußte er sterben. – Und

ein Jahr nach Neuenburgs Einnahme starb er alldort,

wo er menschlich gewaltet, der allgemeinen Sage

nach an Gift, und die Zeichen dieser Tat deuteten alle

nach Frankreich hinüber.

29. Vom treuen Eckart

Alte deutsche Heldenlieder singen und sagen vom

treuen Eckart, dessen Gedächtnis blieb lange bei den

Deutschen wegen seiner Ehrbarkeit und Frömmigkeit.

Er war ein Held und Herzog im alten Breisgau und

Herr im Elsaß, vom Geschlecht der Harlunge, und

war Vormund und Pfleger zweier jungen Harlungen,

welche die Bruderssöhne Kaiser Ermenrichs waren

und Vettern des berühmten Dietrich von Bern. Der

Eckart übte allezeit Treue und war schon dem Vater

der Harlunge ein treuer Ratgeber gewesen; Kaiser Ermenrich

aber hatte einen Ratgeber, der hieß Siebich,

von dem sollen alle ungetreuen Räte in die Welt gekommen

sein. Dieser verleitete den Kaiser zu bösen

Taten. Und Ermenrich erschlug die jungen Harlunge,

Eckart aber rächte sie, indem er mit anderer Helden

Hülfe den Ermenrich wieder erwürgte und um dieser

Tat willen hoch gepriesen ward. Die Harlunge hatten

einen reichen Schatz, der ward in einen Berg verzaubert,

das ist der Bürglenberg bei Breisach, und diesen

Harlungenhort hat hernachmals der Geist des treuen

Eckart gar sorgsam gehütet und jeden gewarnt, der

ihn für sich erheben wollte, denn er sollte dereinst

wieder an den rechten Erben fallen und diesen zu

einem mächtigen Herrn des Landes machen. Darum

sei im Volke das Sprüchwort entstanden: Du bist der

treue Eckart, du warnest jedermann. Ob aber das derselbe

treue Eckart sein soll, der im Thüringerlande

vor des Hörseelberges Höhle sitzt und vor dem wütenden

Heere warnend wandelt, bleibt in dem Dunkel

der alten Sagen geheimnisvoll verhüllt.

30. Der Zähringer Ursprung

Es geschah, daß ein König vertrieben war vom Reich

und entflohn mit Weib und Kindern und seinem Gesinde,

setzte sich mit ihnen auf einen Berg, richteten

sich kümmerlich ein und lebten in Armut und Kümmernis

eine gute Zeit. Endlich ließ der König ausrufen

im Lande umher, wer da wäre, der ihm Hülfe tun

wolle, sein Reich wiederzuerlangen, der solle sein,

des Kaisers, Tochtermann und zu einem Herzog gemacht

werden. Nun lebte hinter dem Berge Zähring

ein Köhler, der brannte Kohlen im Walddickicht, und

da begab es sich, daß er einstmals, als er die Meilerstätte

räumte, einen schweren Klumpen geschmolzenen

Metalles fand, und das war gutes Silber. Und als

der Köhler wiederum kohlte, geschah es wieder ebenso,

und immerfort, und war, als ob der Berg das Metall

aus sich gebäre, und gewann der Köhler einen

großen Schatz. Da er nun vernahm, was der vertriebene

König ausrufen ließ, so nahm er eine Last seines

Silbers und trat vor jenen und sprach, er wolle sein

Sohn werden, seine Tochter freien und mit seinem

Schatz ringsumher das Land sich zum Eigen erwerben,

auch ihm, dem König, so viel seines Schatzes

geben, daß er sein ganzes Reich wiedergewinnen

könne. Des war der vertriebene König sehr froh,

schlug den Köhler zum Ritter, gab ihm seine Tochter

zum Ehegemahl. Und der Köhler ließ nun das Silber

schmelzen, erbaute Zähringen, die Burg und den Ort,

und erwarb alles Land umher, und der König machte

ihn zu einem Herzog von Zähringen. Der König hat

hernachmals mit seines Eidams Gut all sein Land und

Volk wiedergewonnen, ist wieder ein mächtiger Herr

und Kaiser geworden, und der Ort und Berg, wo er

hingeflüchtet war und seinen Sitz allda genommen,

heißt noch bis auf den heutigen Tag der Kaiserstuhl.

Die Zähringer aber wurden ein mannlich Geschlecht

und waren hochgeehrt im ganzen Gau.

31. Das Riesenspielzeug

An einem wilden Wasserfall in der Nähe des

Breuschtales im Elsaß liegen die Trümmer einer alten

Riesenburg, Schloß Nideck geheißen. Von der Burg

herab ging einstmals ein Fräulein bis schier gen Hasloch,

das war des Burgherrn riesige Tochter, die hatte

noch niemals Menschenleute gesehen, und da gewahrte

sie unversehens einen Ackersmann, der mit zwei

Pferden pflügte, das dünkte ihr etwas sehr Gespaßiges,

das kleine Zeug; sie kauerte sich zum Boden nieder,

breitete ihr Schürztuch aus und raffte mit der

Hand Bauer, Pflug und Pferde hinein, schlug die

Schürze um sich herum, hielt's mit der Hand recht fest

und lief, was sie nur laufen konnte, und sprang eilend

den Berg hinauf. Mit wenigen Schritten, die sie tat,

war sie droben und trat jubelnd über ihren Fund und

Fang vor ihren Vater, den Riesen, hin, der gerade

beim Tische saß und sich am vollen Humpen labte.

Als der die Tochter so mit freudeglühendem Gesicht

eintreten sah, so fragte er: Nu min Kind, was hesch so

Zwaselichs in di Furti? Krom's us, krom's us! – O

min Vater! rief die Riesentochter, gar ze nettes Spieldinges

ha i funden. – Und da kramte sie aus ihrem

Vortuch aus, Bauer und Pferde und Pflug, und stellt's

auf den Tisch hin und hatte ihre Herzensfreude daran,

daß das Spielzeug lebendig war, sich bewegte und

zappelte. Ja min Kind, sprach der alte Riese, do hest

de ebs Schöns gemacht, dies is jo ken Spieldings nit,

dies is jo einer von die Burn; trog alles widder fort

und stells widder hin ans nämlich Plätzli, wo du's genommen

hast! – Das hörte das Riesenfräulein gar

nicht gern, daß sie ihren Fund wieder forttragen sollte,

und greinte, der Riese aber ward zornig und schalt:

Potz tusig! daß de mir net murrst! E Bur ist nit e

Spieldings! Wenn die Burn net ackern, so müssen die

Riesen verhungern! – Da mußte das Riesenfräulein

seinen vermeintlichen Spielkram als wieder forttragen

und stellte alles wieder auf den Acker hin.

Diese Sage wird auch von manchem andern Ort in

Deutschland erzählt, und zwar auf ganz ähnliche

Weise, vom Schlosse Blankenburg oder Greifenstein

ohnweit Schwarzburg im Thüringerlande, auch vom

Lichtenberg im Odenwalde, allwo gewaltige Riesen

hausten.

32. Der Krötenstuhl

Im Elsaß war eine Burg, hieß Nothaeder, auf der

wohnte ein Herzog, welcher eine überaus schöne

Tochter hatte. Sie war aber nicht weniger stolz als

schön, kein Freier, so viel deren kamen, ihre Hand zu

erlangen, war ihr gut genug, und mancher nahm sich

das Leben, weil er ihre Gunst nicht erlangen konnte.

Der letzte, der das tat, verwünschte die hartherzige

Jungfrau in einen harten Steinfelsen, und daß sie nur

alle Freitag einmal sichtbarlich sich zeigen dürfe, aber

auch nur alle drei Wochen einmal in ihrer wahren Gestalt

als Jungfrau, zum andern Mal als eine Schlange

und zum dritten als eine häßliche Kröte. Jeden Freitag

kommt sie nun hervor, wäscht oder badet sich auf

dem Felsen an einem Quellborn und sieht sich um

nach allen Weiten, ob kein Erlöser nahe. Wollte jemand

an das Wagestück gehen, der muß an einem

Freitag auf den Felsen gehen, da findet er eine Muschel,

darin liegen drei Wahrzeichen: eine dunkelgelbe

Schlangenschuppe, ein Stückchen grasgelbe Krötenhaut

und eine goldgelbe Haarlocke. Diese drei

Dinge muß der Befreier zu sich stecken und bei sich

tragen und zur Mittagsstunde am nächsten Freitag

wieder hinauf auf den wüsten Felsen steigen, und

zwar dreimal, und muß einmal die Schlange, zum an-

dern die Kröte, zum dritten die Jungfrau küssen. Das

war mehr verlangt als bei der schönen Schlangenjungfrau

im Heidenloch bei Augst, eine Schlange und eine

Kröte zu küssen, ohne zu entfliehen! Wem das aber

möglich ist, der erlöset die Verzauberte, bringt sie zur

Ruhe und wird durch ihre Schätze unermeßlich reich.

Schon mancher fand die Merkzeichen, wagte sich in

die öden Burgtrümmer und kam nimmermehr wieder,

sei es, daß, ehe er den Kuß gewagt, Furcht und Grausen

ihn tötete, sei es, daß er den Kuß wagte und vor

Entsetzen in des Todes Arme sank, denn wie lieblich

sie als Jungfrau erscheint, immer gleich jung, niemals

gealtert, so schrecklich ist sie als Kröte, nämlich so

groß wie etwa ein mäßiger Backofen, und spaucht

Feuer – wer kann da küssen? Am allerschrecklichsten

ist sie als Schlange, lang und stark wie ein Heubaum.

Einmal hatte ein kecker Bursch doch sich überwunden

und die Schlange geküßt, da war die Schlange hinweg,

nun kam die Kröte, die war über alle Maßen abscheulich

anzusehen, das Eingeweide drehte sich ihm

im Leibe um, und er entrann; die Kröte aber hüpfte

plump und schwer hinter ihm her und verfolgt' ihn bis

zum Krötenstuhl – und spie ihm den Berg hinab noch

ganze Bündel Feuer nach.

33. Der Mühlenbär

Im Elsaß, in der Gegend von Niederbronn und Gunthershof,

liegt eine Mühle, in der sollte es gar nicht

richtig sein, ein Bär sollte in ihr spuken. Wenn ein

Mühlarzt zugereist kam oder aber am Werk etwas

verbrochen war und ein solcher berufen werden

mußte, blieb keiner länger denn eine Nacht in der

Mühle, denn das Gespenst litt sie nicht, und zuletzt

drohte ihr Verfall und dem Müller Verarmung, denn

es blieb auch kein Mahlbursche. Da kam eines Tages

ein frischer kecker Klapperbursche dahergewandert,

sagte sein Müllersprüchlein ohne Anstoß her und bot

um guten Lohn und gute Kost seine Dienste an. Der

Müller war froh, daß wieder einer kam, nahm ihn gern

in Dienst und hieß ihn die nächste Nacht mahlen. Der

neue Bursch hatte schon von dem Mühlspuk gehört,

fürchtete sich nicht, ließ sich gegen Mitternacht vom

Glöcklein wecken, schüttete frisch auf, tat einen guten

Zug aus der Bulle und legte sich auf ein paar Mehlsäcke,

zu schlafen, neben sich legte er aber die scharfgeschliffene

Mühlbarte. Er war noch nicht ganz eingeschlafen,

als die Türe der Meisterstube, die herein in

das Werk führte, aufging und ein schwarzer Zottelbär

in die Mühle getreten kam. Er schnoperte und griff

erst am Beutelkasten herum, ging zum Scheidekasten,

schritt die Treppe hinauf an die Trommel und wurde

jetzt den neuen Mahlburschen gewahr, der, die Hand

am Beile, die ganze Zeit über den Bären beobachtet

hatte, denn die Laterne brannte hell. Jetzt reckte der

Bär mit Gebrumm die eine Tatze nach dem Burschen

aus, der, nicht faul, hob das Beil, hieb zu, und die

Tatze lag am Boden. Laut auf heulte der Bär und

stürzte in die Meisterstube zurück. Als man am andern

Morgen das Frühmahl einnahm, fehlte die Müllerin;

sie lag im Bette, und fehlte ihr der rechte Vorderarm,

da holte der Bursche die Tatze, und die Tatze

war der Vorderarm, und die Müllerin war eine unholde

Hexe. Solchen Hexenspuk mit Müllerinnen, die

auch als Katzen erscheinen und arge Teufeleien treiben,

erzählt man sich auch viel in Thüringen und

Sachsen.

34. Chorkönig

Das alte Münster zu Straßburg hatte Chlodwig erbaut,

der Frankenkönig; es war ursprünglich nur ein

hölzern Gebäu, und im Jahre 1002 brannte es Hermann,

Herzog von Elsaß und Schwaben, der mit Kaiser

Heinrich um die Kaiserkrone stritt, fast ganz zum

Grunde nieder, doch blieb das Chor Karl des Großen

stehen, aber 1007 schlug das Wetter hinein, und der

Rest des Baues sank in Trümmer. Da geschah es, daß

Kaiser Heinrich II. im Jahre 1012 gen Straßburg kam,

des Münsters Untergang beklagte und sich die Regel

und Ordnung der Chorherren vorlegen ließ, die gefiel

ihm also wohl, daß er bei sich beschloß, der Bürde

seiner Königskrone zu entsagen und ein Chorherr in

Unser Lieben Frauen Münster zu Straßburg zu werden.

Das erschreckte gar sehr alle seine Getreuen,

denn das Reich bedurfte seiner, und redeten ihm zu,

von diesem Vorhaben abzustehen; Kaiser Heinrich

aber, den man seines frommen Sinnes und seiner

Mildtätigkeit gegen Klöster und Stifte den Heiligen

nannte – er war auch der Begründer des Bistums

Bamberg – wollte mitnichten von seinem Vorsatz lassen.

Nun war zu Straßburg ein Bischof, der hieß Werinhard,

als dieser sahe, daß der Kaiser sich nicht abbringen

ließe von seinem Vorhaben, so nahm er vor,

ihm die geistlichen Gelübde abzunehmen, vor allem

das Gelübde des Gehorsams. Wie der Kaiser das geleistet

hatte, befahl er ihm kraft Gottes und in dessen

Namen, die Kaiserkrone zu behalten und des Reiches

Regiment und Herrschaft, das seiner nicht entraten

könne. Der Kaiser sah sich überlistet, doch gebot er,

so solle fortan an seiner Statt ein anderer Chorherr im

Frauenmünster Gott dienen und das Amt versehen

und am Altar für ihn singen und beten, der solle der

Chorkönig heißen. Stiftete auch eine reiche Pfründe in

das Gotteshaus, das war die Chorkönigspfründe, die

hat bestanden weit über tausendundsiebenhundert

Jahre. Und Bischof Werinhard war es, der hernach im

Jahre 1015 den Grundstein zu dem steinernen Münster

in Straßburg legte.

35. Sankt Ottilia

Es saß auf Hohenburg ein stolzer Graf, Herr Attich

geheißen, dessen Frau gebar ihm ein Mägdlein, und

das war blind. Darob ergrimmte Herr Attich und

schrie: Ein blindes Kind will ich nicht, fort mit dem

Wurme, und schlagt ihm den Schädel an einem Felsen

ein!, und tobte fort, die Mutter aber sandte alsbald die

Amme in Begleitung treuer Knechte mit dem blinden

Kinde weit, weit von dannen, gen Palma, das liegt

jenseits der Alpenberge in Friaul, dort war ein Frauenmünster,

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