Kampf mit den Tloxi

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Kampf mit den Tloxi
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Matthias Falke



Kampf mit den Tloxi





© 2014 Begedia Verlag



© 2014 Matthias Falke





Umschlagbild – Alexander Preuss



Covergestaltung – Begedia Verlag



Lektorat – Harald Giersche



Korrektur und Satz – André Piotrowski



ebook-Bearbeitung – A. Piotrowski/H. Giersche





ISBN-13 – 978-3-95777-056-1 (epub)





Besuchen Sie uns im Web:



http://verlag.begedia.de




Das ENTHYMESIS-Universum



Eine Science-Fiction-Saga in sieben Trilogien





1. Laertes



2. Exploration



3. Gaugamela



4. Zthronmic





5. Tloxi



- Kampf mit den Tloxi



 - Phalansterium



- Sternentor





6. Jin-Xing



7. Rongphu




1. Kapitel: Angriff auf Sin Pur





Clandestine Prophezeiung des Tloxi-Kontinuums: »Kommen wird das Hohe Paar und wird euch einen Sohn gebären. Das Paar wird euch in die Freiheit führen, aber der Sohn wird euch die Freiheit bringen. Denn Freiheit und Freiheit sind nicht dasselbe.«







»Das ist eine Schweinerei, was wir da machen!«



»Was?«



»Das! Wir haben sie in die Freiheit geführt, und jetzt lassen wir sie für uns arbeiten.«



»Sie tun, was sie immer getan haben.«



»Das ist nicht ihr Krieg.«



»Sie tun es freiwillig, sie haben sich uns angeschlossen.«



»Woher weißt du das?«



»Wir kommunizieren mit ihnen.«



»Bah!«



»Wir können das bisschen Unterstützung gut gebrauchen.«



»Sie waren einst frei. Wir haben sie abgerichtet und zu Killermaschinen dressiert.«



»Auch wir würden lieber die Wunder des Kosmos erforschen, statt von Planet zu Planet zu fliegen und Aufstände niederzuschlagen. Aber das müssen wir nun einmal.«



»Müssen wir das?«



»Ich denke, es nicht der Zeitpunkt für Grundsatzdiskussionen, Commodora.«



»Da hast du wiederum recht, General!«



In der Tiefe nahm die Schlacht an Heftigkeit zu. Die Lambda-Ionensonden hatten die erste Welle vorgetragen. In dichter Phalanx waren sie auf die gegnerische Flotte zugeflogen, und als diese das Feuer auf die Garben und Fächer obsidianschwarzer Zylinder eröffnete, sprengten ihre Bord-KIs die Containments ab und gaben ihre Fracht frei: selbststeuernde Wolken von Nanodrohnen. Ihr unsichtbarer Hagel ging über den feindlichen Schiffen nieder. Dann zündeten sie ihre Aggregate. Mikroannihilatoren versetzten der Raumzeit Myriaden winziger Nadelstiche. Sie perforierten die Einsteinmatrix und machten jede Navigation und Kommunikation unmöglich. Die Engstrahlverbindungen brachen zusammen. Die Schiffe kamen vom Kurs ab. Ihre Batterien konnten nicht mehr kalibriert werden. Die Geschütze feuerten ins Leere. Die Schlachtordnung der Verbände geriet in Auflösung. Eine Fregatte büßte so viel Impulsgeschwindigkeit ein, dass sie von ihrem Orbit fiel und in der hohen Atmosphäre des Planeten verglühte. Zwei weitere Kampfschiffe drohten zu kollidieren. Sie mussten ungelenke Ausweichmanöver einleiten. Die Geschwader ihrer schnelle Jäger trudelten ziellos durcheinander.



Wir saßen auf der Brücke, die zum Gefechtsstand umfunktioniert worden war, und sahen zu, wie die gegnerische Flotte kampfunfähig wurde, ehe unsere eigenen Großkampfschiffe einen einzigen Schuss abgegeben hatten.



Niemand sprach ein Wort.



Wir erzählen die Geschichte der Diaspora. Die Geschichte der Galaxis ist die Geschichte der Union, und die Geschichte der Union ist die Geschichte der Diaspora, auch wenn es uns nicht gerade schmeichelt, uns das einzugestehen. Die Union zerfiel schneller, als sie wuchs, und sie ging schneller unter, als sie auf die Höhe gekommen war. Der Union war ein galaktisches Imperium in den Schoß gefallen. Ihr war das Schicksal zugefallen, ein galaktisches Imperium zu

sein

. Für einen Wimpernschlag der Geschichte war sie größer und mächtiger als das alte Sinesische Kaiserreich, das sie niedergerungen und beerbt hatte. Die Union war die Galaxis. Aber die zentrifugalen Kräfte überwogen die zentripetalen und es mangelte an Härte, die auseinanderstrebenden Faktoren zur Einheit zu zwingen. Die Macht konnte nie konsolidiert werden. Alle Perioden des Glücks waren trügerisch. Die Verträge hielten nicht, was sie versprachen. Die kurzen Friedenszeiten waren nur Atempausen und im Windschatten der scheinbaren Stabilität wurde bereits wieder aufgerüstet und der Friede hintertrieben. Auf Persephone folgte Lombok und auf die Schlacht um Sina der Galaktische Kongress. Auf den Zthronmischen Krieg folgt – der Kampf mit den Tloxi.



Wir, das sind Commander Frank Norton, einst Enthymesis-Kommandant im militärischen Rang eines Colonels, jetzt Oberbefehlshaber der Marquis de Laplace, und Jennifer Ash, vormals Enthymesis-Pilotin, jetzt designierte Kommandantin der Marquis de Laplace II, die vor ihrer Fertigstellung von den Tloxi entführt und als leblose, zwölf Kilometer lange stählerne Geisel gehalten wurde. Es besteht zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Zweifel daran, dass das Schiff in den Hafen der Union heimkehren und dem Befehl der besten Pilotin unterstellt werden wird, die jemals der fliegenden Crew angehört hat. Auch diese Schlacht wird die Union für sich entscheiden und auch dieser Sieg wird ihr aus der Hand gleiten. Wie oft ist sie nicht schon auf der Höhe des äußersten Triumphs getaumelt und noch jedes Mal sind die Früchte ihrer Anstrengung vor ihren Augen verdorrt.



Wir schreiben diesen Bericht in einem ungeheizten Zimmer des Gästetraktes des Prana-Bindu-Klosters von Loma Ntang auf dem Planeten Musan. Von unserem Fenster geht der Blick auf die majestätische Kette des Ilaya-Gebirges, dem steinernen Rückgrat dieser abgelegenen und geheimnisvollen Welt. Wir wanderten durch das einsame Masyan-Tal hierher und genossen dabei den kurzen, aber unaussprechlich schönen Herbst Musans. Jetzt ist es Winter. Die gewaltigen Berge, auf deren eisgepanzerte Nordseiten wir hinausschauen, tragen Schnee. Und auch in die Galaxis, scheint es, ist der Winter eingezogen. Kälte und Finsternis regieren. Der Frühling, steht zu fürchten, ist sehr fern. Ich diktiere dieses Dokument, so weit es geht, aus der Erinnerung. Eine KI, die in ein antikes Stehpult aus Feigenholz eingelassen ist, zeichnet meine Worte auf. Anstelle der Schreibfläche hat das mit kostbaren Schnitzereien verzierte Möbel einen einfachen Sichtschirm, auf dem ich den Wortlauf und die Grammatik meiner Angaben überprüfen kann. Jennifer trägt anhand der integralen Bibliothek des Klosters die Fakten nach, soweit sie uns beiden nicht mehr in der nötigen Präzision im Gedächtnis geblieben sind. Es ist erstaunlich, wie wenig verlässlich die menschliche Erinnerung ist. Auch und gerade dem Zeit- und Augenzeugen sind die Vorgänge oft nur noch in groben Umrissen präsent. Dabei dürfen wir behaupten, die Geschichte der Union nicht nur miterlebt, sondern in maßgeblichen Etappen mitgestaltet zu haben.



Es ist kalt. Wir gehen beide auf und ab. Der Boden ist mit dicken Teppichen ausgelegt. Darunter knarren die Dielen des altehrwürdigen Gebäudes. Ab und zu kommt ein Mönch und bringt uns den dicken gesalzenen Tee dieser Welt. Die Mahlzeiten nehmen wir mit dem Abt des Klosters im großen Refektorium ein. Nachts schlafen wir eng aneinandergeschmiegt auf einer schmalen Pritsche, unter einer gemeinsamen Decke, denn die Temperatur fällt dann selbst in den Räumen unter den Gefrierpunkt. Das Kloster verfügt über keine Wasserleitung. Wir waschen uns draußen im Schnee. Primitive Solarzellen auf den Dächern versorgen die elektronischen Einrichtungen mit Energie. Alles ist äußerst schlicht und rudimentär, was den tagtäglichen Komfort angeht. Dennoch sind wir glücklich. So glücklich wie selten oder wie vielleicht überhaupt noch nie. Es mangelt uns an nichts. Doch auch hier können wir nicht bleiben. Wir können das letzte Kapitel dieses Berichts nicht schreiben, ehe es sich nicht ereignet hat, und eine Sache bleibt noch zu tun. Schon vor Ausbruch der Kampfhandlungen, die in dieser Chronik als Zthronmischer Krieg bezeichnet wurden, entdeckten Späher der Union eine weit entfernte Galaxie, die allen Gesetzen der Physik zu spotten schien. Sie konnte nicht auf natürlichem Wege entstanden sein. Wir vermuteten, dass sie manipuliert, möglicherweise gebaut sein könnte. Wir wollten sie erkunden. Aber die Eskalation der Ereignisse verhinderte es immer wieder. Bis heute ist das Vorhaben nicht eingelöst. Doch kehren wir zunächst an jenen Punkt zurück, an dem das bislang letzte Kapitel im dicken blutverklebten Buch der Union begann.



Die zweite Welle wurde abgefeuert. Auch sie wurde von den Lambdas getragen. Lautlos glitten die eleganten mattschwarzen Torpedos aus ihren Schächten und schnellten sich mit blau glühenden Ionentriebwerken dem Sperrriegel entgegen, den die in aller Eile zusammengekratzte Flotte der Laya im Orbit über Sin Pur zu halten versuchte. Das Abwehrfeuer war von Panik diktiert und wirkungslos. Einige Dutzend Projektile unserer zweiten Woge detonierten tief in den gegnerischen Reihen. Sie belegten den Flottenverband mit Antimaterieclustern. Die Schiffe unserer Feinde versanken in einem Meer aus atomarem Feuer.



»Sie haben genug«, sagte ich.



Der Anblick war widrig. Ich wandte mich ab.



»Frank ist wie immer viel zu mild«, spottete Rogers, bei dem auch diesmal alle Fäden zusammenliefen. »Gut, dass ich ihm bei Sina das Heft aus der Hand genommen habe. Wir würden sonst immer noch dort stehen und ein Bömbchen nach dem anderen runterschmeißen. Plopp, plopp! Gesetzt, die Sineser hätten so viel Geduld gehabt.«



»Wir schießen mit Kanonen auf Spatzen!«, sagte ich mit Blick auf unsere Großkampfschiffe, die noch nicht einmal in das Geschehen eingegriffen hatten. Im Übrigen ließ ich mich nicht gerne an diese Episode erinnern.

 



»Manchmal muss man mit Kanonen auf Spatzen schießen«, donnerte der alte Haudegen, »und sei es einzig zu dem Zweck, um zu zeigen, dass man die Kanonen hat!« Er grinste mir in seiner verwegenen Art zu.



Ich sah ihn an. Er war in seinem Element. Die hellblauen Augen leuchteten unternehmungslustig. An den Schläfen traten die Adern dunkelrot hervor. Wie lange würde er das noch durchstehen? Er war nicht mehr der jugendliche Held, der Persephone für sich entschieden hatte. Auch nicht der alerte Frühpensionär, der vor Sina noch einmal in die Rolle des Schlachtenlenkers geschlüpft war. Er hatte die siebzig überschritten. Der Stress und der Alkohol hatten sein Gesicht verwüstet. Sein ganzer, inzwischen fast haarloser Kopf glühte. Und dass seine Hände zitterten, fiel nur deswegen nicht auf, weil er ununterbrochen gestikulierte und seinen Adjutanten unbeherrschte Anweisungen gab. Natürlich würde er niemals zugeben, dass es zu viel für ihn war. Er würde weitereilen, von einem Kriegschauplatz zum nächsten. Daran hatte es in der Union zum Glück ja keinen Mangel. Und irgendwann, irgendwo, im Orbit eines weit entfernten Planeten, den wir in unserer Jugend nicht einmal dem Namen nach gekannt hatten, würde er, den Befehl zum Angriff brüllend, einfach zusammenbrechen. General Rogers würde im Gefecht sterben, so viel stand fest. Nicht unter Feindeinwirkung, dazu war die Union trotz allem zu stark und dazu war er ein zu genialer Stratege, aber weil sein Herz ihm den Dienst versagte.



»Das ist Schlächterei«, sagte ich noch.



»Sie haben es so gewollt.« Er wies mir knurrend die Schulter und erteilte der Phalanx seiner Kommandanten und Staffelführer den Befehl für den nächsten Schritt.



Unsere Flotte lag im Schutz einer gewaltigen Wolke aus Dunkler Materie. Wie eine Nebelbank von einigen Dutzend Kilometern Ausdehnung verbarg die seltsame Substanz unsere Hauptstreitmacht und machte sie für alle Arten der Feindeinwirkung unverwundbar. Einige Tonnen Gravitationsäquivalent in jedem Schiff, ein paar Kilo in jeder Sonde oder Drohne, reichten aus und die nichtmateriellen Gespinste des rätselhaften Stoffs spannten ihre geheimnisvollen Schnüre und Filamente zwischen den einzelnen Vorkommen aus. Die schlossen sich von selbst zu einem Chessov’schen Schild zusammen, der für Energie- und andere Impulswaffen undurchdringlich war. Vor allem wurden die destabiliserenden Effekte unserer eigenen Annihilatoren dadurch kompensiert. Während die Einheiten der Laya durcheinandertrudelten und sich gegenseitig mehr Schaden zufügten, als durch unsere Batterien entstanden wäre, lagen unsere Verbände unbeeindruckt auf dem Lagrange-Punkt I über Sin Pur und warteten das weitere Geschehen ab. Die Marquis de Laplace war das Flaggschiff, fliegender Gefechtsstand, Feuerleitzentrale, Munitionsdepot und Verbandsplatz in einem. Dazu hatte die militärische Führung der Union sich den Luxus geleistet, nicht weniger als drei Großkampfschiffe vom Typ Amboss zusammenzuziehen. Das war ein gewaltiges Argument. Jeder dieser Kreuzer konnte mit seiner Feuerkraft einen Planeten verbrennen. Sie so gehäuft einzusetzen, war taktisch sinnlos. Strategisch war es vielleicht sogar ein Risiko. Wenn nun an einer anderen Ecke unseres Imperiums, das zehntausend Lichtjahre umspannte, ein Konflikt ausbrach. Aber auch diese Streitmacht war nur ein kleiner Teil der Flotte, die die Union in dieser Zeit ihr Eigen nannte. Auch nach Abzug der Verbände, die als Besatzungsmächte auf unsicheren Welten gebunden waren, die zur Wartung oder Regeneration kommandiert waren, die im Zuge von routinemäßigen Rotationen und Verlegungen nicht die volle Kampfkraft bereitstellen konnten, war es nur eines von mehreren gleich starken Expeditionskorps. Es war die militärische Doktrin der fliegenden Crew, die Lehre aus dem Zthronmischen Krieg, dass die Union zu jedem gegebenen Zeitpunkt mindestens zwei Konflikte von der Größenordnung eines abfallenden Planeten gleichzeitig beherrschen konnte. Insofern war auch die gewaltige Übermacht, die allein schon durch ihr bloßes Erscheinen den Aufstand der Laya zermalmte, nur die Spitze des Eisberges, die Vorhut dessen, was wir in Bewegung gesetzt hätten, wenn die Union wirklich in ihrer Existenz bedroht gewesen wäre.



Die paar leichteren Fregatten und Zerstörer, die zwanzig Geschwader schneller Jäger, die Torpedoschiffe, unbemannten Raketenwerfer und KI-gestützten, automatisch nachführenden Maserbatterien fielen demnach kaum weiter ins Gewicht. Die Schlacht, die ein bloßes Gemetzel war, bei dem die unterlegene Seite nie den Hauch einer Chance gehabt hatte, war für uns gewissermaßen nur eine Heerschau. Wir zeigten den anderen Völkern des von uns beherrschten Flickenteppichs, was wir aufzubieten in der Lage waren. Und wir staunten nicht zuletzt selbst darüber, was wir alles hatten!



Unter uns funkelte der Planet Sin Pur. Eine tropische Wasserwelt. Ihre Ozeane leuchteten ultramarinblau in der Draufsicht. Zum stark gekrümmten Horizont hin gleißten sie in immer hellerem Silber. Aus dem Orbit waren keine Landmassen auszumachen. Es gab nur eine Insel, die groß genug war, eine Stadt zu tragen, aber Millionen von Eilanden, die man zu Fuß in wenigen Minuten umrunden konnte. Viele davon waren mit kleinen, komfortablen Bungalows ausgestattet. Sin Pur war eine Urlaubswelt. Auch wir hatten unseren Honeymoon dort verbracht. Jetzt war es Kriegsschauplatz.



Dort unten war Sommer. Die innertropische Konvergenz, zu erkennen an einem dünnen, zopfartigen Wolkenband, brodelte entlang des nördlichen Wendekreises. Der Rest der endlosen Wassermassen lag im Licht der heißen Sonne des Systems. Von hier aus erschien der Planet öde. Ein Meer von der Größe einer Welt. Aber diese Welt hatte sich erhoben. Dem musste ein Riegel vorgeschoben werden.



Im Moment hatten die Laya einen Abwehrriegel im niedrigen Orbit über dem Äquator installiert, der von unserer Vorhut in wenigen Augenblicken zusammengeschossen wurde. Die Kämpfe schienen an Heftigkeit zu verlieren. Die feindlichen Verbände zogen sich, soweit sie manövrierfähig waren, zurück. Gaben sie klein bei? War es eine Atempause? Oder eine Falle?



Ich tauschte einen Blick mit Jennifer. Dann sahen wir gemeinsam zu General Rogers, der am Hauptbedienplatz stand und das Geschehen wie eine vertrackte Schachpartie verfolgte.



»Das könnte euch so passen«, knurrte er zwischen den zusammengebissenen Zähnen.



Dann ließ er die Scyther von der Leine.



Die eleganten Jäger schossen aus ihren Aufmarschräumen im Rücken unserer Flotte durch vorab festgelegte Korridore nach vorne. Dabei nahmen sie Gefechtsformation ein. Je zwölf Einheiten bildeten eine Staffel. Als asymmetrisches Delta, fünf Scyther zur Linken, sieben zur Rechten, rasten sie auf die gegnerischen Schiffe zu. Die Keile stellten sich senkrecht und gingen dann in steilem Winkel über den feindlichen Truppen nieder. Sie eröffneten das Feuer aus harten Maserbatterien und klinkten thermische Torpedos aus. Welle um Welle brandeten sie gegen den Sperrriegel der Laya an wie ein Tsunami aus Stahl gegen eine ins Bröckeln geratene Küstenlinie. An den Flanken fluteten sie zurück, wo sie von unseren Großkampfschiffen neu munitioniert wurden. Abfangjäger der Laya verließen mit dem Mute der Verzweiflung den Verbund ihrer Flotte und setzten den Scythern nach. Sie wurden von ihnen in Nahkämpfe verwickelt, in denen sie keine Chance hatten. Unfähig, in dem aufgewühlten Raum zu navigieren, wurden sie von den schnellen, wendigen, feuerstarken und unerbittlichen Sensen-Jägern zur Strecke gebracht. Auch dies ein ungleicher Kampf. Das Ergebnis stand längst fest. Es musste sich nur noch in der Realität manifestieren.



Unter den Attacken der Scytherstaffeln schmolz die Flotte der Laya zusammen. Es war nicht mehr nötig, dass die Hauptmasse unserer Streitmacht in das Geschehen eingriff.



Langsam nur schoben sich die drei schweren Schlachtkreuzer vom Typ Amboss nach vorne. Misslaunig lugten sie aus dem Schutz der Dunkelwolke, gaben einige Salven aus ihren Maserbatterien ab und feuerten aus weit geöffneten Torpedoschächten Cluster von KI-Detonatoren in die gegnerischen Reihen. Fliegende Gebirge aus Stahl. Die Feuerkraft jedes einzelnen hätte ausgereicht, den Planeten zu vernichten. Seit wir die Arsenale der Kaiserlichen Sinesischen Flotte übernommen und weiterentwickelt hatten, verfügten wir über strategische Waffen der schwersten Kaliber. Mit ihnen konnten ganze Sonnensysteme per Knopfdruck zum Verschwinden gebracht werden. Aber wir setzten sie nicht ein. Stattdessen lieferten wir uns minutiöse Gemetzel auf der Basis konventioneller Waffen: Röntgenlaser, thermonukleare Granaten, Antimateriecluster. Warum?



Jennifer behauptete, wir dürften unsere Überlegenheit nicht allzu deutlich ausspielen. Das war Politik.



Aber wurde es uns als Milde angerechnet, wenn wir die strategischen Gefechtsköpfe in den Silos ließen und unsere Gegner stattdessen auf herkömmliche Weise massakrierten? Natürlich nicht. Die Union, die angetreten war, die Galaxis in Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung zu regieren, war in den Ruf geraten, ein gnadenloser Schlächter zu sein, der sich allmonatlich in einem anderen Winkel unserer Milchstraße an einem Gefecht wie dem aktuellen

weidete

. Wir banden uns die eine Hand auf den Rücken und erledigten den Feind kalt lächelnd mit der anderen. All diese Schlachten waren asymmetrisch. Wir waren überlegen, hielten uns jedoch zurück. Die Aufständischen und Freiheitskrieger, die ihre Unabhängigkeitsfeldzüge vortrugen, liefen uns ins Messer, chancenlos, und trugen doch jedes Mal den propagandistischen Gewinn davon. Statt anzuerkennen, dass wir noch viel härter hätten reagieren können, schalt man uns grausam und aggressiv. Und kaum dass die Nachricht von einem solchen Treffen die Runde durch die Galaxie gemacht hatte, brach irgendwo der nächste Aufstand los.



Die Amboss-Schiffe hatten die Überreste der Laya-Flotte regelrecht zu Klump geschossen. Noch monatelang würde der Ruß abstürzender und verglühender Wracks als schwarzer Schnee über der tropischen Wasserwelt niedergehen. Wir sahen Sin Pur verschwommen und leicht getrübt, da wir tief in den unstofflichen Filamenten Dunkler Materie verborgen waren. Der Planet wirkte unförmig und zerdunsen. Wie ein naturbelassener Brocken Türkis, in den einige oxidierte Silberadern eingesprengt waren. Das waren die Reflexe des Sonnenlichts. Einst war es das ganze Kapital dieser friedlichen Welt, die zu 99 Prozent von warmem Wasser bedeckt war. In den wenigen Jahren des friedlichen Miteinanders hatte der Tourismus geblüht und Sin Pur dabei zu stattlichem Wohlstand verholfen. Dann hatten sie beschlossen, sich an die Sineser anzulehnen. Bei offizieller Neutralität hatten sie nie einen Hehl aus ihrer tiefen Verbundenheit zu diesem machtvollen Imperium gemacht. Und nun waren sie alle zu Feinden geworden, die wir aus dem brutalen Machtsystem des Sinesischen Imperiums befreit zu haben glaubten. Weit entfernt davon, es uns zu danken, sahen sie uns als Unterdrücker an. Larmoyanz half wenig. Wir hatten gewusst, was auf uns zukommen werde. Strategische Köpfe wie Laertes und – Jahrzehnte zuvor – der ältere Ash, Jennifers Vater, hatten stets davor gewarnt. Wir luden uns eine Last auf, für die unsere Schultern zu schmal waren. Aber es hatte keine Alternative gegeben.



»Wir gehen runter.« Rogers nickte uns zu. Eine Bewegung wie ein Handkantenschlag. Mehr war nicht zu sagen.



Ich übergab die Brücke an Reynolds, der mich schon öfter als Kommandant vertreten hatte. Jennifer ließ einen letzten Blick in den Raum hinausgehen. Es schien ihr schwerzufallen, sich von der schrecklichen Schönheit der Geschehnisse loszureißen. Wir legten den Gefechtskanal auf unsere Handkommunikatoren und gingen los. Rogers stiefelte schon ungeduldig vorneweg.



Wir nahmen einen viersitzigen Scooter. Die Entfernungen auf der Marquis de Laplace waren zu gewaltig, um sie zu Fuß zu überwinden. Früher, in Friedenszeiten, hatten wir uns den Luxus gegönnt, die kilometerlangen Wege zu Spaziergängen, Wanderungen und Geschwindmärschen zu nutzen. Doch dafür hatten wir jetzt nicht die Zeit. Es war fraglich, ob eine solche Phase der Muße jemals wiederkehren würde.



Rogers hatte natürlich vorne Platz genommen. Er schäkerte mit der Fahrerin, einer jungen Kadettin. Ob sie wusste, wer er war?



Jennifer und ich saßen im Fond. Wir jagten einen der Tunnels entlang, die in den riesigen Leib der Marquis de Laplace eingelassen waren. Mehrere Segmente waren zu überwinden, jedes so groß wie eine ganze Stadt. Rogers’ Adjutanten folgten uns in gebührendem Abstand in zwei weiteren Scootern.



Eine Erschütterung arbeitete sich durch den zwölf Kilometer langen Stahlkoloss. Vorne blinkten Warnmeldungen auf. Die Automatik des Scooters nahm daraufhin eine leichte Kurskorrektur vor, da wir andernfalls die seitliche Begrenzung des Tunnels tangiert hätten.

 



»Entschuldigung!« Die Offiziersanwärterin riss im Reflex das Steuer herum. Die Automatik musste abermals eingreifen und das Manöver dämpfen. Der Scooter nahm selbsttätig Vortrieb weg. Nach ein paar Sekunden lagen wir wieder gerade auf der von Magnetfeldern geführten Piste.



»Nicht Ihre Schuld«, sagte General Rogers.



»Was war das?« Die junge Frau hatte rote Flecken im Gesicht bekommen. Sie drückte hektisch ein paar Meldungen auf ihren holografischen Bedienfeldern weg, um die Kontrolle über das Fahrzeug zurückzuerlangen. Dann beschleunigte sie wieder auf Transitgeschwindigkeit.



»Nichts, weswegen Sie sich Sorgen machen müssten«, brummte Rogers jovial.



Jennifer hatte ihren Kommunikator an die Unterarmmanschette ihres integrierten Anzugs geheftet und die Anzeige auf volle Breitbandübertragung geschaltet.



»Eine Laya-Staffel ist durchgedrungen«, teilte sie mit. »Sie bombardieren unsere Deflektorschilde!«



»Das letzte Aufgebot!« Rogers lachte verächtlich.



Ich verfolgte auf Jennifers interaktivem Display, was da vorne los war. Dann aktivierte ich den Gefechtskanal auf meinem eigenen Handkommunikator.



»Reynolds«, rief ich. »Bekomme ich eine Schadensmeldung?«



»Kurzzeitiger Energieabfall in den Sektoren I und II«, sagte mein Stellvertreter. »Kein Grund zur Beunruhigung, Frank!«



»Unser Schiff wurde angegriffen!«, knurrte ich.



»Keine bleibenden Schäden«, erwiderte Reynolds. »Die Bastarde werden bereits zur Rechenschaft gezogen!«



Während ich auf meinem Gerät direkt mit der Brücke verbunden blieb, hatte Jennifer das volle Panorama des Geschehens im Überblick. Es war tatsächlich noch nicht vorbei. Die schweren Großkampfschiffe der Laya waren zwar manövrierunfähig. Sie dümpelten auf ihrem Orbit dahin und leiteten umständlich Notmaßnahmen ein, um nicht in die Atmosphäre zu stürzen. Aber die kleinen Einheiten, darunter etliche Geschwader schneller Jäger, machten unseren Kommandeuren zu schaffen. Sie zerstreuten sich, zogen die Front weit auseinander, zerrieselten ins Nichts der riesigen Entfernungen, über die die Schlacht sich ausdehnte. Dann sammelten sie sich plötzlich wieder, klumpten sich zusammen, bildeten Formationen von drei oder fünf Maschinen und warfen sich den unseren entgegen. Wir verloren mehrere Jäger unserer eigenen Staffeln. Ein Kamikazeangriff setzte den Geschützturm eines Amboss-Kreuzers außer Gefecht. Und eine ganz besonders verwegene Einheit hatte es sogar geschafft, bis zum Flaggschiff durchzudringen und ein paar thermische Torpedos auf die Bugschilde der Marquis de Laplace zu feuern.



»Schweinerei!«, grollte ich.



Aus dem Augenwinkel merkte ich, wie Rogers mich über die Schulter hinweg musterte. Die Sache machte ihm wie immer ungeheuren Spaß, und dass ich persönlich beleidigt war, weil mein Schiff ins Feuer gekommen war, schien ihm ein nicht enden wollendes Amüsement zu bereiten.



Jennifer nahm die Augen nicht von der Übersicht, die als Breitbandholografie vor uns schwebte.



Natürlich war es ein letztes Aufbäumen gewesen. Ein paar Himmelfahrtskommandos. Die Scyther brauchten nur ein paar Momente, um sich auf die neue Situation einzustellen. Dann räumten sie unter den Laya auf, dass sie einem leidtun konnten. Nicht eine der gegnerischen Maschinen erreichte den rettenden Feuerschutz ihres Geschwaders.



»Brave Tierchen«, sagte General Rogers, der das Geschehen auf seinem eigenen Display verfolgte.



»Es sind keine Tiere«, versetzte Jennifer gereizt.



»Was sonst?«



»Es sind intelligente Wesen. Sie haben ein Bewusstsein und eine rudimentäre Sprache. Sie empfinden Schmerz und Lust, wie wir.«



»Sie verfügen über nichts, was sich als begriffliche, grammatikalisch strukturierte Sprache bezeichnen ließe«, hielt der General dagegen.



»Ich dachte, Sie kommunizieren mit Ihnen?«, schaltete ich mich in die Debatte ein. Noch immer rasten wir den Transittunnel entlang.



»Wir kommunizieren mit ihnen«, lachte Rogers, »wie man mit Ameisen kommuniziert, wenn man ein Stück Zucker in ihren Bau wirft.« Er sah sich wieder über die Schulter zu mir um und setzt sein breites Haifischgrinsen auf. »Natürlich werden sie sich alle wie verrückt darauf stürzen. Aber ist das Kommunikation?«



»Was ist der Zucker in unserem Fall?« Auf dem Gefechtsholo sah ich zu, wie die Scyther die letzten Jäger der Laya, die unvorstellbar schnell und wendig waren, in wenigen Augenblicken zur Strecke