Kitabı oxu: «Das große Hochstapeln»

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Inhalt

Impressum 4

Das Buch 5

1. Kapitel 9

2. Kapitel 16

3. Kapitel 27

4. Kapitel 38

5. Kapitel 49

6. Kapitel 54

7. Kapitel 60

8. Kapitel 64

9. Kapitel 68

10. Kapitel 74

11. Kapitel 80

12. Kapitel 84

13. Kapitel 91

14. Kapitel 96

15. Kapitel 101

16. Kapitel 105

17. Kapitel 110

18. Kapitel 116

19. Kapitel 119

20. Kapitel 129

21. Kapitel 134

22. Kapitel 139

23. Kapitel 145

24. Kapitel 155

25. Kapitel 158

26. Kapitel 165

27. Kapitel 172

28. Kapitel 175

29. Kapitel 182

30. Kapitel 187

31. Kapitel 191

32. Kapitel 196

33. Kapitel 204

34. Kapitel 208

35. Kapitel 214

36. Kapitel 222

37. Kapitel 227

38. Kapitel 236

39. Kapitel 245

40. Kapitel 253

41. Kapitel 258

42. Kapitel 262

43. Kapitel 269

44. Kapitel 274

45. Kapitel 289

46. Kapitel 296

47. Kapitel 300

48. Kapitel 309

49. Kapitel 313

50. Kapitel 317

51. Kapitel 327

52. Kapitel 330

53. Kapitel 336

54. Kapitel 342

55. Kapitel 346

20 Zyklen später 353

56. Kapitel 354

57. Kapitel 359

58. Kapitel 366

59. Kapitel 375

60. Kapitel 383

61. Kapitel 395

62. Kapitel 398

63. Kapitel 407

64. Kapitel 419

65. Kapitel 433

Anmerkungen und Quellen 439

Und jetzt mal im Ernst 441

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2021 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99107-702-2

ISBN e-book: 978-3-99107-703-9

Lektorat: Leon Haußmann

Umschlagfoto: Stefan Waldek, Leipzig; Umschlagkarikatur: Fadi Esper, Berlin

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

Karikaturen innen: Fadi Esper, Berlin

www.novumverlag.com

Das Buch

Die Cheopspyramide ist ein Hammer, selbst in ihrem heutigen Zustand. Wenn man beruflich im Bauwesen involviert ist, vor diesem Monumentalbauwerk im ägyptischen Gizeh steht und Gelegenheit hat, in die inneren Gänge und Räume zu gelangen, überkommt einen dieses unbeschreibliche Gefühl von staunender Demut. Man reibt sich die Augen und erfasst ergriffen, was nachhaltiges Bauen nun wirklich bedeutet.

So ist eine fiktive und absurde Geschichte entstanden, die in der Zeit des Baues dieser großen ägyptischen Pyramide spielt. Ich selbst sollte in der Geschichte der leibhaftige Bauleiter dieses hoch und steil aufgestapelten Monuments sein. Ich hatte Lust darauf, den Leser in diese Sternstunde der Menschheit, satirisch aufgearbeitet eintauchen zu lassen und durch die Erzählung, treffende Vergleiche und auch bissige Parallelen zum heutigen Bauen mit staatstragenden Auftraggebern aufzuzeigen.

Ich bin schon sehr lange als Architektenbauleiter auf Groß-und Kleinbaustellen tätig. Ich weiß also, über was ich schreibe. So hat sich über die Jahre in mir eine Hassliebe zu meinem Beruf aufgebaut. Insofern kommt der Spott in meinem Roman von ganzem Herzen. Man erliest sich schnell mein Schreibvergnügen, denn ich hatte Spaß am Herrgott-Spielen.

Bevor ich mit dem Schreiben dieser Erzählung begann, habe ich mich über allgemein gültige Leitlinien für Autoren erkundigt. So fand ich bei Henryk M. Broder einen bemerkenswerten Satz. „Ein Autor sollte Herz, Leidensdruck, Fantasie und Distanz zu sich selbst haben“ (1). Das sind große Worte, fand ich, und begann, meine Talentansätze auf mögliche Übereinstimmungen zu überprüfen.

Herz hatte und habe ich. Leidensdruck, nun ja, nicht wirklich. Fantasie hatte und habe ich auf jeden Fall. Doch Distanz zu mir selbst zu haben, war unmöglich. Nicht so richtig viel Übereinstimmung zu finden, dachte ich mir. Immerhin konnte ich mir Herz und Fantasie bescheinigen und begann loszuschreiben.

Wir tauchen also ein in die Zeit der Herrschaft des Pharao Cheops. Es ist die früheste der klassischen Perioden des alten Ägypten, die Geschichte spielt im alten Reich.

Der gelbliche Sand der ägyptischen Wüste ist durchwoben von Brocken aus Kalkstein, die millionenjahrelang der Wind, die Hitze des Tages und die Kälte der Nacht aus dem gewachsenen Fels geschlagen haben. Hier regnet es kaum. Die Brocken bleiben somit ungeschliffen. In der Nähe der Nil, ein großer und breiter Fluss. Der speist sich aus den Monsunregen im fernen Äthiopien im Jahrestakt im Mai und im Juni, wächst zu einem riesigen Strom und bringt seit ewiger Zeit fruchtbaren Nilschlamm. Wir befinden uns an einem Punkt des Flusslaufes, dort, wo die Wassermassen des Nils beginnen, sich zu einem mächtigen Delta zu spreizen. Das ist der Ort meiner Geschichte.

Die Tektonik und das Klima unseres Planeten veränderten im Laufe der Jahrmillionen den Ort unserer Handlung. Nicht immer war es hier trocken und heiß. Es entwickeln sich Pflanzen, es siedeln sich Tiere und schließlich Menschen an. Die Menschen verdanken ihre Existenz und ihre Kultur dem großen Fluss, den sie gottgleich verehren. Die ersten menschlichen Siedlungen sind an diesem Ort in der vordynastischen Zeit vor ca. 6 800 Jahren nachgewiesen. Danach bildeten sich, je nach mythologischem Entwicklungsstand des Kulturareals, Herrscherperioden heraus, die in der Ägyptologie als Dynastien des alten Reiches beschrieben werden. Die 4. Dynastie (2620 bis 2500 v. Chr.) wurde von Snofru gegründet. In einer Zeitspanne von etwa 120 Jahren wechselten sich sieben Könige ab, von denen die vier Könige Snofru, Cheops, Chephren und Mykerinos eine relativ lange Regierungszeit zwischen 18 und 30 Jahren ausübten. Diese Dynastie war eine Blütezeit Ägyptens und bleibt der Nachwelt durch die größten jemals in Ägypten errichteten Pyramiden in Erinnerung. So lernen wir es in der Schule, so jedenfalls die Mitteilungen der Wissenschaft der Ägyptologie und so oder ähnlich kann man die geschichtlichen Vorgänge im alten Ägypten durch vielfältige Quellen recherchieren.


Genau das ist die Zeit meiner Geschichte, die Zeit des Baues der großen Pyramide des Pharaos Cheops.

Ich lasse den Leser an den Planungen, an den Ausschreibungen und an der Realisierung dieses herrlichen Polyeders, dem rätselhaftesten Bauwerk der Menschheitsgeschichte, teilhaben. Wohl gemerkt, satirisch und mit Augenzwinkern aufgearbeitet. Ich lasse in den folgenden Kapiteln miterleben, welchen objektiven und subjektiven Konflikten die Projektbeteiligten ausgesetzt sind, wie die Verantwortlichen ringen, dem Pharao das gewünschte Denkmal für die Ewigkeit zu setzen. Dabei wird nicht unterlassen zu beschreiben, unter welchem persönlichen Druck die Protagonisten der Geschichte ihr privates Leben dem großen Ziel unterordnen und sich voll und ganz in den Dienst des Bauherrn stellen. Dies allerdings durchaus manchmal nicht ganz selbstlos.

Ich wünsche nun Freude beim Lesen. Kommen sie mit in die Welt, der schweren Leichtigkeit des Bauleiterseins.

Der Autor

Ein Dankeschön an

Fadi Esper für die Karikaturen

Stefan Waldek für die Covergestaltung

Heike Wehrmann-Ernst für eine freundlich kritische Beratung

an Gunter, Ludwig, Harald, Ines, Antje

und besonders an Regine

1. Kapitel

Aufregung im Sekretariat der Bauabteilung

Die stetige Ost-West-Passage des Sonnengottes Re am Himmelsfirmament zeigt an, dass es später Vormittag ist. Es herrscht Windstille. Das Leben in Memphis nimmt seinen gewohnten Lauf. Die aufkommende Mittagshitze beginnt sich in der Hauptstadt durchzusetzen. Traditionell beginnen die Menschen jetzt, ihren Lebensrhythmus runterzufahren. Sie suchen schattige Plätze und bereiten ihr Mittagsschläfchen vor. Das Geschäftsleben kommt zur Ruhe. Nicht so im Sekretariat der Bauabteilung. Hier wird heute aufgeregt und hitzig debattiert. Eine Depesche, mit einem schon lange angekündigten Gutachten zum statischen Zustand der Djoser Pyramide, ist soeben aus Sakkara eingetroffen. Das Gutachten soll Dr. Djosi-Meter erstellt haben, ein gefürchteter, aber dennoch anerkannter Experte für Tragwerkzustände. Die Chefsekretärin der Bauabteilung wirft einen flüchtigen Blick in das Dokument und kann nicht glauben, was da niedergeschrieben steht.

Die Bauabteilung ist untergebracht in einem modernen Geschäftshaus direkt an der Zufahrtsstraße aus Richtung Gizeh. Ein vergoldetes Firmenschild ziert unübersehbar den Gebäudeeingang. Es dient als Wegweiser für die Besucher und informiert über die Sprechzeiten der Baufachleute. Ursprünglich war beabsichtigt, dass der Partnerarchitekt der Bauabteilung sich mit seinen Mitarbeitern im gleichen Geschäftshaus einmietet. Damit wären die Kommunikationswege der Baufachleute auf das geringste Maß verkürzt. Der Architekt hatte aber abgelehnt und es vorgezogen, ein Büro in einem ruhigeren Stadtteil, am Rande der Großstadt gelegen, zu beziehen. Dort ist dem ebenerdigen Büro ein großer Garten zugeordnet. Diese Direktbeziehung zur Natur ist dem Planer wichtig. Er findet im Garten den für Architekten so wichtigen entspannenden Freiraum zum Ordnen seiner Gedanken. Hier entstehen die Skizzen, hier bestimmen Kopf und Hand die tragenden Hauptlinien seiner Bauentwürfe. Blumenrabatte, ob künstlich angelegt oder wild gewachsen, und die wunderschönen Schmetterlinge seines Gartens inspirieren seine Farbkonzepte. Er weiß, dass sich die Natur nicht irrt. Biologischer Obstanbau wurde bereits vom Vormieter angelegt, der das Angebot des in der Nähe befindlichen Kaufmannladens an Qualität bei weitem übertrifft. Die Inanspruchnahme dieses Füllhorns der Natur ist für seine Angestellten sogar dienstrechtlich geregelt, denn der Architekt ist sich sicher, dass nur in einem gesunden Körper ein gesunder Flaschengeist gären kann. Von unschätzbarem Wert ist, dass in seinem Garten ideale Auslaufmöglichkeiten für seinen Hund und für seine Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Bewusst wählte er für sein Büro ein Gebäude mit einem begehbaren Flachdach. So kann er mit seinen Mitarbeitern in festgelegten Intervallen Körperertüchtigung mittels Dachterrassensport betreiben.

Diese großartigen Arbeitsbedingungen können die Räume des Baubüros der Bauleitung nicht bieten. Sie liegen an einer lauten staubigen Hauptstraße. Dafür sind sie aber hell, ausreichend in der Fläche geschnitten und großzügig ausgestattet. Moderne Zu- und Abluftöffnungen sind in den Böden und Decken der Büroräume eingelassen. Ein auf dem Dach des Geschäftshauses befindlicher Luftturm bringt die Sogöffnungen in den Räumen klimatechnisch relevant in die Funktion. Raffiniert angeordnete Klappensysteme in den Öffnungen sind über eine zentrale Handsteuerung je nach Bedarf bedienbar. Die Kollegen der Haustechnik bezeichnen derartige Anlagen als Anlagen der Gebäudeleittechnik und versicherten der Bauleitung, dass sie dem neusten Stand der Technik entsprechen. Somit wird ein steter Luftumschlag erzeugt, der die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter in der Hitze des Tages erträglich macht. Ein Grund, den Kollegen der Haustechnik auch einmal dankbar zu sein.

Im Mietbereich der Bauabteilung befinden sich das Arbeitszimmer des Projektleiters, das Arbeitszimmer des Bauleiters, ein Sekretariat mit zwei Arbeitsplätzen, ein größerer Raum mit sechs Arbeitsplätzen für technische Mitarbeiter und Praktikanten, eine Plankammer mit Archiv, eine Besenkammer mit Besen, eine Teeküche für die Zubereitung von Kaffee und ein Besprechungsraum. Im Flur des Geschäftsbereiches ist das Terrarium mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Rauchmeldeleguan in Deckennähe untergebracht. Diese Tiere sind besonders geeignet, für die Zwecke des vorbeugenden Brandschutzes eingesetzt zu werden. Von Natur aus sind sie mit einem hochsensiblen Geruchssinn ausgestattet und sie sind trainiert, schon bei geringster Rauchentwicklung durchdringend quäkende Laute auszustoßen. Die Bauabteilung ist ein Konstrukt des Amtes für Städtebauangelegenheiten, welches im zentralen Pharaopalast der Hauptstadt die Fäden für Regierungs- und Sonderbauten in der Hand hält. Der Amtsleiter, ein erfahrener Wesir am Hofe des Cheops, hat den Architekten und den Projektleiter direkt berufen. Diese wiederum haben sich nach ihren eigenen Vorstellungen eine Mannschaft zusammengestellt, die die großen Projektherausforderungen stemmen kann.

Große Aufregung herrscht also im Sekretariat der Bauabteilung. Die Chefsekretärin Frau Notvertrete mahnt zur Ruhe und Besonnenheit. „Es macht keinen Sinn, sich über das Gutachten von Dr. Djosi-Meter zu echauffieren. Eigentlich kommt es genau zum richtigen Zeitpunkt“, beschwört die Chefin des Büros die verunsicherten Mitarbeiter. „Es ist in der Welt und basta, machen wir das Beste draus. Wir wissen jetzt, wie wir es nicht machen sollen“, so die entschiedene Ansage von Frau Notvertrete. Die Chefsekretärin wurde in einem aufwendigen Bewerbungsverfahren vom Projektleiter persönlich ausgewählt. Die Kriterien, die die Verfahrensteilnehmerinnen zu erfüllen hatten, waren höchst anspruchsvoll. Frau Notvertrete erfüllte diese Kriterien und wurde sofort eingestellt. Zum einen war ihre fachliche Eignung zur Besetzung der Stelle einer Büroleiterin herausragend und zum andern überzeugte sie durch ihre unglaublich feminine Ausstrahlung. Sie ist eine schöne Frau mittleren Alters, mit selbstbewusster Körpersprache und resoluter Stimme. Die Idealbesetzung schlechthin für männliche Führungskader, die Wert auf fachliche Kompetenz, Jovialität und weibliche Sinnlichkeit legen.


Frau Notvertrete ist verheiratet. Ihren Mann hat sie schon früh während ihrer Ausbildung an der Fachschule für gute Büroorganisation kennengelernt und lebt mit ihm kinderlos und bescheiden in einem kleinen Häuschen am Stadtrand. In ihrer knapp bemessenen Freizeit widmet sie sich der Beschaffung modischer Kleidung, dazu passendem Schmuck und angesagter Kosmetik. Ganz besonders liebt sie das Backen. Auch für diese Fähigkeit genießt sie in der gesamten Bauabteilung höchste Anerkennung. Kostproben ihres Backschaffens bringt sie in regelmäßigen Abständen mit ins Büro und stellt diese den Mitarbeitern zum Verzehr zur Verfügung. Besonders ihre Plätzchen sind von herausragender Qualität und verhelfen so, wenn sie den Geschäftspartnern angeboten werden, mancher Geschäftsbesprechung zum Erfolg. Die Mitarbeiter haben sich etwas beruhigt. Frau Notvertrete nimmt sich nun den Punkt der Zusammenfassung des Gutachtens vor und resümiert vor den Kollegen der Bauabteilung: „Die Kalksteinstruktur des Tragwerks der Djoser Pyramide ist miserabel, schlecht gebaut und schlampig überwacht“. Frau Notvertrete schaut vom Text auf und betont mit ihrer Mimik das ungeheuerlich Geschriebene. „Das ist dort tatsächlich formuliert. Den Baumeister Imhotep nennt der Gutachter in seinem Text sogar einen Imho-Depp!“ Wieder lässt sie den Text sinken. Betroffenheit macht sich breit. „Dieser Wortwitz sollte besser nicht an die Öffentlichkeit, denn das ägyptische Volk verehrt den Baumeister als Nationalhelden“, fügt die Chefsekretärin belehrend ein. Sie führt weiter aus, dass es lächerlich wäre, eine so kleine Pyramide, mit einer so läppischen Höhe von nur 118 und einer Grundfläche von 231 mal 208 Königsellen (2), als Stufenbauwerk auszubilden. Es wäre besser gewesen, eine scharfzügige, klar strukturierte Pyramide zu errichten. Erst dann wäre der Anspruch des Bauherrn berechtigt, ein Bauwerk erschaffen zu haben, welches nicht von dieser Welt ist. „Und was ist daraus geworden?“, fragt der Gutachter provozierend. Er antwortet im Gutachten: ein hässlicher abgestufter Steinhaufen, der mit Sicherheit spätestens in 4500 Jahren zu erodieren beginnen wird. Bei Weglassen des ganzen Firlefanzes mit den Basisbauten der Tempel, der Gräber für hohe Beamte und der Umfriedungsmauer wären die Mittel vorhanden gewesen, die Stabilität einer so kleinen Pyramide auch ohne Abstufung abzusichern. „Und dann unterschreibt Dr. Djosi-Meter noch mit freundlichen Grüßen!“ Entsetzt lässt Frau Notvertrete den Schmäh-Papyrus sinken, schaut in die Runde und ist sich sicher, dass dieses Gutachten in Fachkreisen hohe Wellen schlagen wird. Sie geht in das Dienstzimmer des Projektleiters und legt das Gutachten auf seinen Schreibtisch. Er ist derzeit unterwegs und sie kann sich in Ruhe der Überprüfung des Zustandes von Ordnung und Sauberkeit des Arbeitsbereiches ihres Chefs widmen und penibel kleinere Mängel korrigieren. Sie macht es gern, denn sie weiß, dass ihr Chef nicht die Zeit hat, auf den Tischen und in den Regalen Ordnung zu halten. Es ist gut, dass mit der Einstellung von Frau Notvertrete als Chefsekretärin eine Person in der Bauabteilung vorhanden ist, die trotz hoher und strenger Arbeitsanforderungen an die Belegschaft eine wohltuende Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. Sie ist beliebt und wird von allen Mitarbeitern verehrt. Das Wohlwollen ihres Chefs besitzt sie im besonderen Maße, denn es kommt schon mal vor, dass üppige Blumensträuße ihren Schreibtisch zieren, die ihr der Chef persönlich arrangiert hat. Meist ist im Strauß ein kleines Kärtchen mit sympathischen Widmungen an seine Sekretärin platziert. Sie dirigiert geschickt die alltäglichen Aufgeregtheiten, besänftigt und stachelt an, je nach Bedarf und Charakter des betreffenden Mitarbeiters. Besonders in resignativen Phasen des Büropersonals ist diese Frau unersetzlich. Ein Beispiel: Wenn es nicht mehr anders geht, dann nimmt sie eine große Kamelhaardecke und verdeckt damit die an der Wand befestigten Grundrisse, Ansichten und Schnitte des gigantischen Bauwerks. Es sind die Dimensionen und die beabsichtigte Bauart, die zu akuter Schlaflosigkeit, zu plötzlichen Schwindelgefühlen und Angstzuständen bei den Mitarbeitern führen. Frau Notvertrete weiß das. Sie nimmt dann die Decke und schon ist das bedrohlich Unvorstellbare für die ängstlichen Augen nicht mehr präsent.

Die Bauabteilung mit dem Kerngeschäft der Baustellenorganisation ist vom Bauherrn zum Zwecke der Umsetzung eines in der Menschheitsgeschichte einmaligen und unvorstellbaren Bauwerks installiert worden. Sie ist direkt dem Wesir für Städtebauangelegenheiten am Hofe des großen Pharaos unterstellt. Pharao Cheops will einen Riesenquader mit quadratischer Grundfläche in den Dimensionen 440 x 440 Königsellen (2) und einer Höhe von 280 Königsellen aus gebrochenem Kalkstein und zum Teil aus Granit in hochfeinem Zustand auf einem Hochplateau am Nilufer in der Umgebung von Gizeh errichten lassen. Wozu das Ganze? Das sagt er nicht. Es lässt sich nur ahnen, dass mit der gewaltigen Größe des Bauvorhabens eine Symbolik zur Größe des Pharaos manifestiert werden soll. Welche Funktion haben die Hohlräume und Gänge im Quader? Auch das sagt er nicht. Hierzu behält er sich noch Angaben vor. Das Bauvorhaben hat etwas Bedrohliches und es darf nicht scheitern.

2. Kapitel

Großer Kummer an einem herrlichen Ort

Ich habe am Nilufer einen Lieblingsplatz. Man ist dort allein und kann das Dahinfließen dieses herrlichen Wassers genießen. Heute habe ich mir eine Auszeit vom Berufsalltag genommen und besuche diesen wundervollen Ort. Die Wellen funkeln wie Diamanten, die im gleißenden Sonnenlicht prachtvolle und ständig wechselnde Farben annehmen. Kein Wunder, dass der Nil gottgleich verehrt wird. Es ist der Gott Nil Diamond, den die ägyptischen Bauern und Fischer anbeten. Reiche Fischvorkommen bevölkern den mächtigen Fluss und ernähren unzählige Fischerfamilien. Die Furcht vor wütenden Nilpferden oder von heimtückischen Krokodilen zerrissen zu werden, hält sich durch die bemerkenswerten Fischbestände in Grenzen. Berufsrisiko nennen die mutigen Fischer diesen Umstand und haben sich in der Regel gegen Berufsunfähigkeit gut versichert. Unzählige Vogelarten bevölkern die Ufer und die kleinen Inseln inmitten des Flusses. Wenn sie auffliegen, bewundere ich ihre majestätischen Flügelschwünge. Da oben, hoch in der Luft, muss ihre Freiheit grenzenlos sein, besingen bekannte Liedermacher die Flugfähigkeit dieser Tiere. Welche Schönheit, wenn sich ein Schwarm Schwäne im Landeanflug befindet. Welche sinnliche Romantik, wenn ein Schwan zu singen beginnt und die anderen Tiere dazu schweigen. Der Nil führt derzeit kein Hochwasser. Das Wasser ist heute klar. Die Pflanzen der Uferbereiche stehen im satten Grün und blühen in märchenhaften Farben. Sie verströmen betörende Düfte, die durch den leichten Wind in meinen Lieblingsplatz hineinwehen. Dieses göttliche Naturschauspiel ist das Paradies mit einem ausgewogenem ökologischem Gleichgewicht.


Doch ich habe Kummer und blicke traurig auf den Fluss. Ich denke an Schi Tot und dieses unangenehme mulmige Gefühl in der Magengegend ist wieder da. Sie ist vor ein paar Tagen Hals über Kopf abgereist, einfach abgereist, wie sie es nennt. Sie zieht es in den Süd-Sudan, zu den Völkern der Nubier, wie sie sagt. Die Nubier verlieren zwar die Kriege gegen uns und gelegentlich auch mal ein Länderspiel, entwickeln aber eine bemerkenswerte und beneidenswerte Kreativität, mit ihren Göttern in Frieden zu leben und einem menschenwürdigen Dasein eine hohe Priorität beizumessen. So jedenfalls steht es in der modernen Verfassung der Nubier, die mit einer lebensbejahenden Präambel beginnt: „Wie zahlreich sind doch die Dinge, deren wir nicht bedürfen“. Damit sagen die Nubier aus philosophischer Perspektive eigentlich alles. Die würden nie auf die Idee kommen, große Steine aufeinander zu stapeln, um Ihre Eliten zu würdigen. Die haben dort keinen Cheops, der in seiner unergründlichen Weisheit Bauwerke in Auftrag gibt, die von niemandem verstanden werden. Das war schon immer so und wird wohl auch so bleiben, dass es immer wieder Staatenlenker gibt, die ähnlichen Größenwahn ihrem Volk zumuten.

Es tut schon weh, dass Schi Tot nun nicht mehr in meiner Nähe ist. Was für Momente. Wie grandios und schmerzlich zugleich, diese unausgesprochene Liebe zu fühlen. Die Kraft zur Anstrengung des Abschiedes vor einer Woche ist das mit Freude Vereinbarte beim nochmal umdrehen. Sie sagt, dass sie zurückkommen werde und wir uns vielleicht wiedersehen. Auch wegen mir. Das ist das wärmende Feuer für den Tag und besonders für die Nacht. Ich weine nicht oft. Und dennoch laufen Tränen, wenn ich mich frage, welche Bedeutung ich dem Wort „vielleicht“ beimessen soll. Kennengelernt habe ich Schi Tot in einer kleinen Galerie im Künstlerviertel von Memphis. Das ist jetzt fast einen Sonnenzyklus (4) her. Eine Freundin von ihr gab eine Vernissage ihrer neusten Kollektion von Perlenstickereien. Ich bin zufällig vorbeigekommen, sah ein hübsch angerichtetes kleines Buffet und trat kunstinteressiert in die Ausstellungsräume. Ich lobte am Tresen den ersten Gesamteindruck der Kunstschau und erhielt problemlos kostenfrei erfrischende Getränke. Normal interessiere ich mich nicht für Perlenstickereien. An diesem Abend aber war das anders. Gerade stand ich vor einem abstrakten Schwarz-Weiß-Perlenarrangement eines kleinen dicken Vogels, als mich eine wunderschöne junge Frau antippte und mir von einem üppig gefüllten Tablett Speisehäppchen anbot. Ich war sofort verzaubert vom Anblick dieser Ausstellungshelferin und habe verlegen die Einnahme eines Snacks abgelehnt. Ihr schwarzes Haar, das Lächeln, ihr Antlitz und diese kleine rote Perlenblume an ihrer linken Schulter verdrehten mir sofort den Kopf. Um heiter zu wirken, zeigte ich auf den Vogel und fragte gespielt verlegen: „Ist der schwanger?“ Ein bisschen verdrehte sie ihre Augen und murmelte, oh nein, nicht schon wieder. Doch sie drehte sich nicht gleich weg. Offensichtlich ahnte sie, dass es mir besonders die kleine rote Perlenblume angetan hat und hielt mir nochmals das Häppchentablett hin. Die Blume hätte ihre Freundin kreiert und alle, die ihr bei der Vernissage aushelfen würden, trügen ähnliche Blumen. Sozusagen als lebende Bilderrahmen, um diese hübschen Anstecker zum Kauf anzubieten, erläuterte sie mir lachend. Tatsächlich trugen mehrere junge Frauen diese Perlenblumen und bewirteten dabei adrett die Gäste der Ausstellungseröffnung. Ich fand die Geschäftsidee überzeugend und ließ mich darauf ein. Keinesfalls wollte ich eine verlegene Pause entstehen lassen und fragte die junge Frau entschlossen nach dem Preis. Ich meine natürlich den Preis für die Blume, schob ich lustig gemeint hinterher. An ihrem Stirnrunzeln glaubte ich zu erkennen, dass in ihrem Sprachzentrum verächtlich die Wortkombination „Sprüche klopfender Witzbold“ produziert wurde. Aber laut aus ihrem Mund kam die Wortkombination nicht. Ich solle mich einen Moment gedulden, riet sie mir. Sie wolle sich bei ihrer Freundin nach dem Preis erkundigen, rief sie mir noch zu und verschwand im Besuchergedränge.

Ich widmete meine Aufmerksamkeit wieder dem kleinen schwangeren Vogel und übte mich in Körpersprache, so als würde Interesse an dem Kunstwerk bestehen. Übrigens unterschied sich die Körpersprache der meisten anderen Gäste nicht von der meinen. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich genau diese Szenerie. Es ist wie immer, genau so laufen die meisten Ausstellungseröffnungen ab. Die Gäste sind die eigentlichen Kunstwerke, der Rest ist Kulisse.

Tatsächlich kam die junge schöne Frau mit einer anderen Frau an der Hand nach kurzer Zeit auf mich zu. Wir machten uns flüchtig bekannt. Die andere Frau war die Kunstschaffende persönlich, die mir die Hand gab, sich erfreut über mein Kaufinteresse zeigte und den Preis nannte. Wupps, so kommentierte ich doch etwas erschrocken die Überdosis der genannten Höhe der Zahlungsmittel. Ich willigte aber schnell ein, da mein Interesse an dieser jungen schönen Helferin immer größer wurde. Außerdem wollte ich als „flüssig“ gelten. Ich bestand darauf, dass der Kauf der Brosche über Schi Tot in drei Tagen abgewickelt werden sollte. Den Namen kannte ich jetzt und fand ihn äußerst sympathisch. Auch erfuhr ich so, dass Schi Tot ebenfalls Künstlerin ist und ein paar Straßen weiter weg einen kleinen Kunsthandel betreibt. Drei Tage später hielt ich die rote Perlenblume in der Hand, drückte sie an mein Herz und spürte so die Wärme dieser herrlichen Frau. Das erste Mal in meinem Leben konnte ich mir eingestehen, dass ich verliebt bin. Denn nie zuvor bin ich mit einer Perlenblume ins Bett gegangen. Mein Gutenachtkuss auf das Perlenarrangement sagt einiges.

Seither habe ich eine Beziehung zu Schi Tot, die ich als unvollendet bezeichnen würde. Sie ist eine souveräne Künstlerpersönlichkeit, stark und unabhängig. Die Beanspruchung dieses Freiraumes ist ihr Credo. Ich muss und will mich dem fügen, denn allein der Zustand der innigen Freundschaft zwischen uns beiden macht mich glücklich. Die Hoffnung, dass aus der Freundschaft eine leidenschaftliche Liebe wird, treibt mich täglich an und ist der Kraftquell all meines Denkens und Handelns. Doch nun ist sie plötzlich abgereist, einfach abgereist. Das macht mir Kummer, verzweifelten Kummer.


Plötzlich flatterten in der Nähe ein paar Wildgänse aufgeregt krächzend in die Luft. Offensichtlich hat sich ein Nilpferd zum Landgang entschlossen. Sehen kann ich das nicht. Ich muss mich deshalb konzentrieren und aufpassen, dass es zu keiner Konfrontation mit diesem Koloss kommt. Die Tiere sind auch an Land unberechenbar und können aggressiv werden. Ich muss mich jetzt auf den Erhalt meiner Existenz konzentrieren. Die Schwermut der Gedanken an Schi Tot verfliegt. Der Cheopswürfel dringt in meinen Kopf. Ich schüttle mich und stelle fest, dass kein Nilpferd die Lichtung betreten hat. Ich kann mich nun gedanklich wichtigen beruflichen Angelegenheiten widmen.

Es war Echt-Natron, der mich überzeugt hat, dieses Projekt engagiert anzunehmen. Ich soll für die Ausführung zuständig sein, als Bauleiter vor Ort. Das ist einerseits eine große Ehre, andererseits kann es bei Misslingen über ein Urteil des Bauherrn zum Tode führen. Echt-Natron lächelte mich beim Nennen dieser beiden Optionen mit verschmitzten Augen an. So ist er, mein Chef. Nur so kenne ich ihn. In seiner unverwechselbaren Art nennt er das Eintreten der tödlichen Option als den perfekten Zustand von Ruhe für Körper und Geist. Meistens ist Echt-Natron ein richtig cooler Typ, der in sich ruht. Doch nicht immer. Wenn hausgemachte Probleme auftauchen und seine Geduld strapazieren, dann kann er plötzlich sehr aufbrausend agieren. Dann ist er – echt wie Natron. Das müssen seine Eltern bei der Namensgebung wohl geahnt haben.

Ich kenne diesen Baustellenfuchs seit vielen Jahren. Gemeinsam haben wir bei der Sanierung der Fundamente des Leuchtturms von Alexandria auf der Insel Pharos an der Küste im Norden Ägyptens die Bauleitung übernommen. Der Turm begann stetig zu kippen. Es wurde ein schiefer Turm, der nicht mehr richtig leuchten konnte. Umfangreiche und komplizierte Unterfahrungsmaßnahmen mussten zügig und verlässlich durchgeführt werden. Wir haben dabei prächtig harmoniert, uns gut kennengelernt und letztlich die Sanierung erfolgreich abgeschlossen. Auf ewig wird die Konstruktion des Turms allerdings nicht halten. Diesen Sachverhalt haben wir offen den Leuchtturmbetreibern mitgeteilt. Dennoch erhielten wir hohe Anerkennung.

29,17 ₼

Janr və etiketlər

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524 səh. 25 illustrasiyalar
ISBN:
9783991077039
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