Kitabı oxu: «Meer Der Schilde », səhifə 4

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KAPITEL SIEBEN

Steffen war schon seit Tagen auf der staubigen Straße gen Osten unterwegs, gefolgt von einem Dutzend Angehörigen der königlichen Wache. Er hatte sich geehrt gefühlt, dass sie Königin ihn mit dieser Mission betraut hat, und war entschlossen, sie zu erfüllen. Steffen war seitdem von Ort zu Ort geritten, begleitet von einer Karawane von Kutschen – jede einzelne von ihnen voll beladen mit Gold und Silber, königlichen Münzen, Mais, Getreide, Weizen und Baumaterialien aller Art. Die Königin war entschlossen, allen kleinen Ortschaften im Ring Hilfe zukommen zu lassen, ihnen beim Wiederaufbau zu helfen, und in Steffen hatte sie jemanden gefunden, der ihren Wunsch mit derselben Entschlossenheit umsetzte.

Steffen hatte schon viele Orte besucht, hatte im Namen der Königin eine Menge Rohstoffe verteilt, und sie sorgfältig all jenen Orten und Familien zukommen lassen, die sie am meisten brauchten. Er war stolz, die Freude in ihren Gesichtern zu sehen, wenn er die Rohstoffe verteilte und ihnen Arbeitskräfte zuteilte, die ihnen beim Aufbau helfen sollten. In einem Dorf nach dem anderen gelang es ihm, das Vertrauen in die Königin zu stärken und dabei zu helfen, den Ring wieder aufzubauen. Zum ersten Mal in seinem Leben sahen die Menschen über seine Erscheinung hinweg, und behandelten ihn mit demselben Respekt wie jeden anderen auch. Er liebte dieses Gefühl. Die Menschen erkannten, dass sie unter der neuen Königin nicht in Vergessenheit geraten waren, und Steffen war glücklich, dazu beitragen zu dürfen, dass sie sie liebten. Er konnte sich nichts vorstellen, was er lieber wollte.

Wie das Schicksal es wollte, führte der Weg ihn nach vielen anderen Orten auch in sein Dorf, dem Ort, an dem er aufgewachsen war. Steffen spürte eine gewisse Furcht, als er bemerkte, dass das nächste Dorf seine alte Heimat war. Nur zu gerne hätte er einen anderen Weg eingeschlagen, doch er wusste, dass das nicht möglich war. Er hatte Gwendolyn geschworen, seine Aufgabe zu erfüllen und er konnte sie nicht enttäuschen, selbst wenn es bedeutete, dass er an den Ort zurückkehren sollte, der bis heute Gegenstand seiner Alpträume war.

So viele Menschen, die schon hier gelebt hatten, als er hier aufgewachsen war, mussten noch hier sein – jene Menschen, die großen Gefallen daran gefunden hatten, ihn zu quälen, und ihn wegen seiner Missbildung aufgezogen hatten. Jene Menschen, die ihm immer wieder eingeredet hatten, dass er sich für seine Erscheinung schämen musste. Als er das Dorf damals verlassen hatte, hatte er geschworen, nie wieder zurückzukehren, und nie wieder ein Wort mit seiner Familie zu sprechen. Doch nun brachte ihn ironischerweise seine Mission hierher, und verlangte von ihm, dass er ihnen im Namen der Königin Rohstoffe zuteilte. Das Schicksal konnte grausam sein.

Als sie auf einen Hügel kamen, sah Steffen zum ersten Mal sein Dorf. Sein Magen krampfte sich zusammen. Einzig und allein der Anblick ließ ihn sich klein und unbedeutend fühlen. Er konnte spüren, wie er sich in sich zurückzog. Er hatte sie so gut gefühlt, besser als je zuvor in seinem Leben, besonders mit seinem neuen Amt, seiner Entourage und der Tatsache, dass er nur der Königin selbst Rechenschaft schuldig war. Doch jetzt, wo er dieses Ort sah, stürzten alle Erinnerungen wieder auf ihn ein, die Furch davor, wie die Menschen ihn wahrnahmen, ein Gefühl, das er immer gehasst hatte.

Er fragte sich, ob diese Menschen immer noch dort waren. Waren sie noch immer so grausam wie früher? Ob sie wohl stolz wären, wenn sie sahen, was er erreicht hatte? Er war einer der höchsten Ratgeber der Königin, ein Mitglied des inneren Königlichen Rats. Sie würden sprachlos sein, wenn sie hörten, was der kleine, bucklige Junge erreicht hatte. Sie würden endlich zugeben müssen, dass sie sich in ihm getäuscht hatten. Dass er doch nicht wertlos war.

Steffen hoffte, dass es so sein würde. Vielleicht würde seine Familie ihn endlich bewundern, und er würde eine gewisse Genugtuung erleben.

Steffen und seine königliche Karawane kamen zu den Toren des kleinen Ortes, und Steffen ließ sie anhalten.

Er drehte sich um und sah seine Männer an, ein Dutzend Männer der Königlichen Wache, die auf seinen Befehl warteten.

„Wartet hier vor den Toren auf mich“, rief er. „Ich möchte nicht, dass meine Leute euch schon sehen. Ich möchte ihnen zuerst alleine begegnen.“

„Jawohl, Sire“, antworteten sie.

Steffen sprang von seinem Pferd. Er wollte sein Dorf zu Fuß betreten. Vor allem jedoch wollte er nicht, dass seine Familie sein Pferd mit den königlichen Insignien oder seine Entourage sah. Er wollte sehen, wie sie auf ihn reagieren würden, so wie er war, ohne seinen Rang zu kennen. Er nahm sogar seine königlichen Abzeichen auf seinen neuen Kleidern ab und ließ sie in seiner Satteltasche.

Steffen ging durch das Tor in die kleine, hässliche Ortschaft, an die er sich nur zu gut erinnerte. Es stank nach wilden Hunden, die Hühner rannten frei in den Straßen umher, gejagt von alten Frauen und kleinen Kindern. Er ging an den Häusern vorbei. Wenige waren aus Stein gebaut, die meisten aus Lehm und Stroh. Die Straßen waren in schlechtem Zustand, mit Schlaglöchern und voller Tierkot.

Nichts hatte sich geändert. Selbst nach all diesen Jahren schien alles unverändert zu sein.

Schließlich erreichte Steffen das Ende der Straße und bog nach links ab. Sein Magen zog sich zusammen, als er das Haus seines Vaters sah. Es sah aus wie eh und je, ein kleines Holzhaus, mit steilem Dach und einer krummen Eingangstür. Selbst der Stall im Garten, in dem Steffen hatte schlafen müssen stand noch. Der Anblick machte ihn wütend. Er wollte ihn am liebsten abreißen.

Steffen ging zur Tür, die offen stand und sah hinein.

Es nahm ihm den Atem, als er seine ganze Familie sah: Sein Vater und seine Mutter, all seine Schwestern und Brüder. Alle zusammengepfercht in dem engen Haus, wie es schon immer gewesen war. Sie saßen um einen Tisch herum und lachten. Sie hatten nie mit Steffen gelacht, sondern immer nur über ihn.

Sie sahen natürlich älter aus, doch sonst waren sie unverändert. Er sah sie an und fragte sich: Stammte er wirklich aus dieser Familie?

Steffens Mutter war die erste, die ihn sah. Sie drehte sich um und keuchte bei seinem Anblick. Ihr Teller zerschellte klirrend auf dem Boden.

Als nächster wandte sich ihm sein Vater zu, dann alle anderen, geschockt, ihn zu sehen. Sie sahen nicht erfreut aus, gerade so, als ob ein unerwünschter Gast zu Besuch gekommen wäre.

„Soso“, sagte sein Vater langsam mit bösem Blick und kam um den Tisch herum auf ihn zu, wobei er mit bedrohlicher Geste seine Finger an seinem Taschentuch abwischte. „Bist du also doch zurückgekommen.“

Steffen erinnerte sich daran, dass sein Vater immer wieder einen Knoten in dieses Taschentuch geknüpft, es nass gemacht, und ihn damit geschlagen hatte.

„Was ist los?“, fügte sein Vater mit einem finsteren Grinsen hinzu. „Hast es in der großen Stadt wohl doch zu nichts gebracht?“

„Er hat sich eingebildet, dass er zu gut für uns war. Und jetzt kommt er wie ein Hund zurück nach Hause gekrochen!“, rief einer seiner Brüder.

„Wie ein Hund!“, echote einer seiner Schwestern.

Steffen kochte innerlich. Er atmete tief durch und zwang sich, seine Zunge im Zaum zu halten und sich nicht auf ihr Niveau herabzulassen. Diese Leute waren Dörfler und voller Vorurteile; das war das Ergebnis eines Lebens eingesperrt in der Enge dieses kleinen Ortes. Er jedoch hatte die Welt gesehen, und hatte gelernt, anders zu denken.

Seine Geschwister – in der Tat jeder im Raum – lachte ihn aus.

Die einzige die nicht lachte, sondern ihn mit großen Augen ansah, war seine Mutter. Er fragte sich, ob sie vielleicht die einzige war, die ein wenig Verstand hatte. Er fragte sich, ob sie sich vielleicht freute, ihn zu sehen.

Doch sie schüttelte nur langsam den Kopf.

„Oh Steffen“, sagte sie. „Du hättest nicht hierher zurückkommen sollen. Du gehörst nicht zu dieser Familie.“

Ihre Worte, so ruhig und ohne Häme ausgesprochen, taten Steffen am meisten weh.

„Er hat nie dazugehört. Er ist ein Tier. Was willst du hier, Junge? Almosen?“

Steffen antwortete nicht. Er besaß nicht die Gabe geschliffener Worte, schlauer, schlagfertiger Antworten, und schon gar nicht in einer Situation wie dieser. Er war so durcheinander, dass er kaum einen Satz bilden konnte. Es gab so vieles, was er ihnen sagen wollte, doch ihm fehlten die Worte.

Stattdessen stand er kochend vor Wut vor ihnen und schwieg.

„Hat die Katze etwa deine Zunge gefressen?“, höhnte sein Vater. „Dann verschwinde, du verschwendest meine Zeit. Das ist unser großer Tag und wir lassen ihn uns von dir nicht ruinieren.“

Sein Vater schob Steffen zur Seite, eilte an ihm vorbei nach draußen und sah sich um. Die ganze Familie wartete, bis der Vater enttäuscht grunzend zurückkam.

„Sind sie schon da?“, fragte die Mutter hoffnungsvoll.

Er schüttelte den Kopf.

„Keine Ahnung wo sie bleiben“, sagte der Vater.

Dann wandte er sich Steffen zu und wurde rot vor Wut.

„Verschwinde endlich“, bellte er ihn an. „Wir warten auf einen wichtigen Mann, und du versperrst den Weg. Du willst wohl unsere große Chance kaputtmachen, so wie du immer alles kaputt gemacht hast, nicht wahr? Was bildest du dir ein, in einem Moment wie diesem hier aufzutauchen? Der Gesandte der Königin kann jeden Augenblick hier eintreffen, um hier im Dorf Essen und Vorräte zu verteilen. Das ist der Moment, in dem wir alles Mögliche von ihm erbitten können. Und schau dich nur an“, zischte sein Vater, „stehst herum und blockierst die Tür. Ein Blick auf dich und er wird unser Haus ignorieren. Er wird denken, dass wir ein Haus voller Abartiger sind!“

Seine Brüder und Schwestern brachen in Gelächter aus.

„Ein Haus voller Abartiger!“, echote einer.

Steffen starrte seinen Vater an, der böse auf ihn herabblickte, und wurde selbst rot.

Steffen, immer noch nicht in der Lage zu antworten, drehte sich langsam um, schüttelte den Kopf und verließ das Haus.

Er lief hinaus auf die Straße und gab seinen Männern ein Zeichen.

Plötzlich erschienen dutzende von glänzenden königlichen Pferdekutschen im Ort.

„Sie kommen!“ schrie Steffens Vater.

Steffens ganze Familie rannte aus dem Haus an Steffen vorbei und gafften die Kutschen und die Königlichen Wachen an.

Die Wachen sahen Steffen an.

„Mylord“, sagte einer von ihnen. „Sollen wir hier etwas verteilen, oder weiterziehen?“

Steffen hatte die Hände in die Hüften gestemmt und sah seine Familie an.

Bei den Worten der Wache drehten sie sich sprachlos um und starrten Steffen an. Sie blickten zwischen der Wache und Steffen hin und her, vollkommen sprachlos, als ob sie nicht verstehen konnten, was sie sahen.

Steffen ging langsam auf sein Pferd zu, schwang sich in den mit Gold und Silber beschlagenen Sattel und blickte auf seine Familie hinab.

„Mylord?“ echote sein Vater. „Soll das ein Witz sein? Du? Der königliche Gesandte?“

Steffen saß lediglich da und schüttelte den Kopf während er auf seinen Vater hinabblickte.

„So ist es Vater“, sagte er. „Ich bin der königliche Gesandte.“

„Das kann nicht sein!“, entgegnete dieser. „Das kann nicht sein. Wie sollte ein Tier wie du von der Königin zu so etwas ausgewählt werden?“

Plötzlich stiegen zwei Männer der Königlichen Wache von ihren Pferden ab und eilten auf den Vater zu. Sie drängten ihn zurück an die Wand des Hauses und drückten die Spitzen ihrer Schwerter fest genug an seinen Hals, dass er entsetzt die Augen aufriss.

„Einen Gesandten der Königin zu beleidigen ist eine Beleidigung für die Königin selbst“, knurrte einer der Männer Steffens Vater an.

Sein Vater schluckte schwer. Er hatte Angst.

„Mylord. Sollen wir diesen Mann einsperren lassen?“ fragte die andere Wache Steffen.

Steffen betrachtete seine Familie, sah den Schreck in ihren Gesichtern und überlegte.

„Steffen!“, seine Mutter kam nach vorn gestürmt, klammerte sich an seine Beine und bettelte: „Bitte! Lass deinen Vater nicht einsperren! Und bitte, gib uns Vorräte! Wir brauchen sie dringend.“

„Das bist du uns schuldig!“, blaffte sein Vater. „Nach allem was ich dir dein Leben lang gegeben habe, bist du es uns schuldig!“

„Bitte!“, bettelte seine Mutter. „Wir hatten keine Ahnung. Wir wussten nicht, was aus dir geworden ist! Bitte tu deinem Vater nichts an!“

Sie fiel auf die Knie und begann zu weinen.

Steffen schüttelte lediglich den Kopf über diese lügenden, hinterlistigen Menschen. Menschen, die sein ganzes Leben lang immer nur grausam zu ihm waren. Nun, da sie erkannt hatten, dass etwas aus ihm geworden war, wollten sie etwas von ihm.

Steffen entschied, dass sie nicht einmal eine Antwort verdient hatten.

Er hatte noch etwas anderes erkannt: Sein ganzes Leben lang hatte er seine Familie in den Himmel gehoben. Gerade so, als ob sie die großartigen, beliebten und erfolgreichen wären, der er geworden war. Doch nun erkannte er, dass genau das Gegenteil der Fall war. Alles, was er von ihnen gehalten hatte, war eine einzige Illusion gewesen. Das hier waren erbärmliche Gestalten. Trotz seiner Missbildung stand er weit über ihnen. Zum ersten Mal in seinem Leben erkannte er das.

Er blickte zu seinem Vater hinab, der immer noch von den beiden Wachen bedroht wurde, und tief im Inneren wünschte er sich, ihm denselben Schmerz zuzufügen, den er ihm so lange zugefügt hatte. Doch sein Verstand erkannte noch etwas: Sie verdienten nicht einmal seine Rache. Sie müssten ihm etwas bedeuten, um sie zu verdienen. Und für ihn existierten sie nicht mehr.

Er wandte sich seinen Männern zu.

„Ich denke, dass dieser Ort ganz gut ohne unsere Hilfe zurechtkommt.“

Er gab seinem Pferd die Sporen und ritt in einer dichten Staubwolke aus dem Dorf ohne sich auch nur einmal umzusehen. Er schwor sich, nie wieder hierher zurückzukehren.

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KAPITEL ACHT

Die Wachen warfen die alten Eichenholztüren auf um Reece Zuflucht vor dem ekelhaften Wetter in Srogs warmem und trockenem Kastell zu gewähren. Er war nass bis auf die Haut vom peitschenden Wind und Regen der Oberen Inseln, und war froh, als die Türen direkt hinter ihm wieder zugeschlagen wurden. Er trocknete sich das Gesicht und die Haare ab und als er aufblickte kam Srog schon auf ihn zugeeilt um ihn zu begrüßen.

Reece umarmte ihn herzlich. Er hatte Srog immer gern gemocht, diesen großen Krieger und Anführer, der seine Männer in Silesia so gut geführt hatte, der seinem Vater gegenüber immer loyal gewesen war, und für seine Schwester fast sein Leben gegeben hätte. Srog mit seinem Stoppelbart, seinen breiten Schultern und dem warmherzigen Lächeln zu sehen, weckte in Reece Erinnerungen an seinen Vater, an die alte Garde.

Srog klopfte Reece auf die Schulter.

“Du siehst deinem Vater auch immer ähnlicher!”, sagte er.

„Ich hoffe, das ist gut.“

„Und ob“, antwortete Srog. „Es gab keinen besseren Mann als deinen Vater. Ich wäre für ihn durchs Feuer gegangen.“

Srog führte Reece durch den Flur und seine Männer folgten ihm in respektvollem Abstand.

„Herzlich willkommen an diesem elenden Ort!“, sagte Srog. „Ich bin dankbar, dass deine Schwester dich geschickt hat.“

„Ich habe scheinbar keinen guten Tag für meinen Besuch gewählt“, sagte Reece, als sie ein offenes Fenster passierten vor dem der Regen peitschte.

Srog lächelte zerknirscht.

„Hier ist jeder Tag ein schlechter Tag“, antwortete er. „Das Wetter kann hier ganz schnell umschlagen. Man sagt, dass man hier auf den Oberen Inseln alle vier Jahreszeiten an einem einzigen Tag erleben kann – und ich kann nur bestätigen, dass das stimmt.“ Reece blickte nach draußen über den kleinen, leeren Innenhof, umgeben von ein paar uralten, grauen Steinbauten, die im Grau des Regens fast verschwanden. Es waren nur wenige Leute draußen, und die die es waren, huschten mit eingezogenen Köpfen von einem Gebäude zum nächsten. Diese Insel schien ein einsamer und öder Ort zu sein.

„Wo sind all die Menschen?“, fragte Reece.

Srog seufzte.

„Die Menschen hier bleiben drinnen. Sie sind Eigenbrötler. Dieser Ort hier ist nicht wie Silesia oder King’s Court wo die Menschen gerne dicht beieinander leben. Hier leben sie über die ganze Insel verteilt. Eine größere Stadt gibt es hier nicht. Sie sind ein seltsames Volk, sehr zurückgezogen, stur und abgehärtet – wie das Wetter.“

Srog führte Reece über einen Flur und nach einer letzten Ecke betraten sie den großen Saal.

Etwa ein Dutzend von Srogs Männern saßen dort mit verdrießlicher Miene in voller Rüstung an einem Tisch vor dem Kamin. Die Hunde kauerten dicht vor dem Feuer, und warteten darauf, dass vom Fleisch, das die Männer aßen, etwas für sie abfiel. Sie sahen Reece an und knurrten.

Srog führte Reece zum Feuer. Er rieb seine Hände über den Flammen, dankbar für die Wärme.

„Ich weiß, dass du nicht viel Zeit hast, bevor dein Schiff wieder ablegt“, sagte Srog. Doch ich wollte dich nicht gehen lassen, ohne dir eine Gelegenheit zu geben dich aufzuwärmen und trockene Kleider anzuziehen.“

Ein Diener kam und brachte Reece trockene Kleider und ein Kettenhemd genau in seiner Größe. Reece blickte Srog überrascht und dankbar an während er seine nassen Kleider auszog und gegen die neuen tauschte.

Srog lächelte. „Wir behandeln unseresgleichen gut hier“, sagte er. „Ich dachte mir, dass du sie gut brauchen könntest.“

„Danke!“, sagte Reece und fühlte sich schon deutlich wärmer. „Genau, was ich gebraucht habe.“ Er hatte sich tatsächlich nicht sonderlich darauf gefreut in nassen Kleidern zurück zu segeln.

Srog begann einen langen Monolog über Politik und Reece nickte höflich. Doch tief im Inneren war er viel zu abgelenkt, um ihm zuzuhören. Er war immer noch überwältigt von den Gedanken an Stara, die er nicht abschütteln konnte. Er konnte nicht aufhören, an ihre Begegnung zu denken, und jedes Mal, wenn er an sie dachte, machte sein Herz einen Sprung.

Es graute ihm bei dem Gedanken an die Aufgabe, die auf dem Festland vor ihm lag – nämlich Selese und allen anderen zu sagen, dass die Hochzeit nicht stattfinden würde. Er wollte sie nicht verletzten, doch er hatte keine andere Wahl.

„Reece?“, wiederholte Srog.

Reece blinzelte und sah ihn an.

„Hast du mich gehört?“, fragte er.

„Entschuldigung“, sagte Reece. „Was hast du gesagt?“

„Ich fragte, ob deine Schwester meine Nachrichten erhalten hat?“, wiederholte er geduldig.

Reece nickte und versuchte sich zu konzentrieren.

„Das hat sie“, antwortete er. „Das war der Grund weshalb sie mich hierher geschickt hat. Sie hat mich gebeten, mich mit dir zu treffen, um aus erster Hand zu erfahren, was hier vor sich geht.“

Srog seufzte und starrte ins Feuer.

„Ich bin nun seit sechs Monden hier“, sagte er. „Und ich kann dir sagen, dieses Inselvolk ist nicht wie wir. Sie sind nur dem Namen nach MacGils. Ihnen fehlen all die Qualitäten deines Vaters. Sie sind nicht nur stur – man kann ihnen auch nicht vertrauen. Fast täglich sabotieren sie die Schiffe der Königin; und wenn man es genau nimmt, sabotieren sie alles was wir tun. Sie wollen uns nicht hier haben. Sie wollen nichts mit dem Festland zu tun haben – außer natürlich, wenn sie es überfallen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ein harmonisches Zusammenleben einfach nicht ihrer Natur entspricht.“

Srog seufzte.

„Wir verschwenden unsere Zeit hier. Deine Schwester sollte sich von hier zurückziehen und sie ihrem Schicksal überlassen.“

Reece nickte. Er rieb seine Hände über dem Feuer, als plötzlich die Sonne durch die Wolken brach und das finstere, regnerische Wetter einem strahlenden Sommertag Platz machte. In der Ferne ertönte ein Horn.

„Dein Schiff!“, rief Srog. „Wir müssen gehen. Ihr müsst Segel setzen, bevor das schlechte Wetter zurückkehrt. Ich bringe dich zum Hafen.“

Srog führte Reece durch ein Nebentor aus dem Kastell heraus, und erstaunt blinzelte er ins gleißende Sonnenlicht. Ein perfekter Sommertag.

Reece und Srog gingen schnell nebeneinander her, dicht gefolgt von mehreren von Srogs Männern. Kieselsteine knirschten unter ihren Stiefeln als sie durch die Hügel zum Hafen gingen. Sie kamen an grauen Felsblöcken vorbei und Hügeln auf denen Ziegen grasten. Als sie sich der Küste näherten, hallten Glocken über die Bucht – eine Warnung für die Schiffe vor dem aufziehenden Nebel.

„Die Lebensbedingungen hier sind wirklich nicht angenehm“, sagte Reece schließlich.

„Du hast es nicht leicht hier. Du hast die Dinge hier viel Länger im Zaum gehalten, als das anderen gelungen wäre, dessen bin ich mir sicher. Du hast gute Arbeit geleistet; das werde ich der Königin berichten“

Srog nickte dankend.

„Ich weiß zu schätzen, dass du das sagst“

„Was ist die Quelle der Unzufriedenheit dieser Leute?“, fragte Reece. „Sie sind schließlich frei. Wir wollen ihnen nichts Böses – im Gegenteil: Wir bringen Vorräte und bieten ihnen Schutz.“

Srog schüttelte den Kopf.

„Sie werden keine Ruhe geben, bis Tirus frei ist. Sie betrachten es als persönliche Beleidigung, dass ihr Anführer im Kerker sitzt.“

„Sie sollten sich glücklich schätzen, dass er nur im Kerker sitzt, und nicht für seinen Verrat hingerichtet worden ist.“

Srog nickte.

„Damit hast du vollkommen Recht. Doch diese Leute verstehen das nicht.“

„Und wenn wir ihn freilassen?“, fragte Reece. „Würden sie dann Ruhe geben?“

Srog schüttelte den Kopf.

„Ich bezweifle das. Ich glaube es würde sie nur ermutigen.“

„Was können wir dann tun?“, fragte Reece.

Srog seufzte.

„Diesen Ort aufgeben“, sagte er. „Und das, so schnell wie möglich. Mir gefällt nicht, was ich hier sehe. Ich spüre, dass sich ein Aufstand zusammenbraut.“

„Dabei sind sie uns doch zahlenmäßig, was Männer und Schiffe angeht weit unterlegen.“

Srog schüttelte den Kopf.

„Das ist eine Illusion.“, sagte er. „Sie sind gut organisiert. Wir sind auf ihrem Feld. Sie haben unzählige Möglichkeiten uns zu sabotieren, die wir nicht einmal erahnen können. Wir sitzen hier in einer Schlangengrube.“

„Doch Matus ist nicht wie sie“, sagte Reece.

„Das stimmt“, antwortete Srog. „Aber er ist der einzige.“

Es gibt noch jemanden, dachte Reece: Stara. Doch er behielt diesen Gedanken für sich. All das zu hören, weckte in ihm den Drang, Stara zu retten, sie so schnell wie möglich von hier fort zu bringen. Er schwor, dass er genau das tun würde. Doch zuerst musste er zurück segeln und seine Angelegenheiten klären. Dann konnte er zurückkehren um sie zu holen.

Als sie zum Stand kamen, blickte Reece auf und fand sein Schiff bereit zum Ablegen. All seine Männer waren bereits an Bord und warteten auf ihn.

Er blieb vor dem Schiff stehen und Srog legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Ich werde Gwendolyn alles erzählen“, sagte Reece. „Ich werde sie wissen lassen, dass du Bedenken hast. Doch ich weiß, dass sie fest entschlossen ist, die Inseln zu halten. Sie sieht sie als einen Teil einer größeren Strategie für den Ring. Für den Augenblick zumindest musst du versuchen, hier für Ruhe und Harmonie zu sorgen. Was immer auch dazu nötig ist. Was brauchst du? Mehr Schiffe? Mehr Männer?“

Srog schüttelte den Kopf.

„Alle Männer und Schiffe dieser Welt werden dieses Inselvolk nicht ändern. Nur die Klinge eines Schwertes vermag das.“

Reece sah ihn entsetzt an.

„Gwendolyn würde niemals den Mord an unschuldigen gut heißen“, sagte Reece.

„Ich weiß das“, antwortete Srog. „Und genau das ist der Grund aus dem viele unserer Männer sterben werden.“

Pulsuz fraqment bitdi.

7,72 ₼
Yaş həddi:
16+
Litresdə buraxılış tarixi:
10 oktyabr 2019
Həcm:
282 səh. 4 illustrasiyalar
ISBN:
9781632910066
Müəllif hüququ sahibi:
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