Kitabı oxu: «Kleinstadt für Anfänger»

Şrift:

Rainer Pleß

Kleinstadt für Anfänger

Pegauer Miniaturen –

eine Kleinstadtverführung

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2014

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Pegau – die Stadt, die Menschen, das Universum und Alles

Rundgang durch eine kleine Stadt – Wunderliches, Merkwürdiges, Denkwürdiges und Absonderliches

Wie und warum wir in die Kleinstadt kamen

Männer und Frauen in einer kleinen Stadt

Rundgang durch die gute Stadt Pegau, zweiter Teil

Über die Gleichberechtigung, nicht nur in der Kleinstadt

Kleinstadtmirabilien

Rundgang durch die brave Stadt Pegau, Teil drei

Sünder, Gründer, Klosterbau

Von Messen, Märkten, kleineren Formaten

Weiter geht’s! Rundgang durch das sagenhafte Städtchen Pegau, Teil 4

Magister, Kantor, Kinderlein

Komm’se! Gehn’se weiter! Rundgang durch die gebildete Stadt Pegau, Teil fünf

Wo die Uhren zweimal schlagen

Jede Katastrophe hat ihr kleines Wunder. Das Ende der Kleinstadtverführung

Bürgersinn und Kunstverstand

Über den Autor

Danksagung

Quellenangaben

Vorwort

Es ist mir wichtig, einige wenige Vorbemerkungen zur Vermeidung von Missverständnissen dem geneigten Leser mit auf den Weg zu geben.

1 Ich bin seit dem fünften Tag meines Lebens Kleinstadtbewohner.

2 Ich bin dies mit Leib und Seele. Gemeinsam mit meiner Familie habe ich das Martyrium Großstadt auf mich genommen, vier Jahre ausgehalten und bin dann, wie übrigens meine Familie mit mir, wieder zurück in eine Kleinstadt gezogen. Erst dann war ich wieder glücklich.

3 Die meisten Großstädter setzen Kleinstadt gleich mit Provinz. „Provinz ist keine Landschaft sondern ein Zustand“ (Manfred Rommel). Jede deutsche Großstadt besteht zu mindestens 75 Prozent aus Provinz.

4 Meine Frau und ich haben die kleine Stadt Pegau vor neun Jahren entdeckt. Von da an wohnen wir hier. Wir lieben das Städtelein. Sollte im Verlauf dieses Buches der Eindruck entstehen, es wäre nicht so, möchte ich von vornherein klargestellt haben, dass Sie einen falschen Eindruck gewonnen haben. (Dies stelle ich nicht nur deshalb Allem voran, weil ich hier weiterhin wohnen bleiben möchte.)

Pegau – die Stadt, die Menschen, das Universum und Alles

Die Stadt Pegau liegt in einer Lachfalte von Mutter Erde, dicht an deren Allerwertestem. Sie ist eine bescheidene hübsche Kleinstadt im Grenzgebiet Sachsens zu Sachsen-Anhalt, geprägt von vorwiegend zweigeschossiger, noch immer geschlossener Bebauung, die die mittelalterliche Stadtstruktur sehr schön erkennen lässt. Überragt wird die feine Stadt Pegau von den beiden Türmen der St. Laurentius Kirche, deren spitzem Dachreiter und dem Rathausturm, welcher nicht von ungefähr dem des Leipziger Alten Rathauses gleicht wie ein Zwilling seinem Bruder, der, obwohl jünger, allerdings in den ersten Jahren seiner Existenz der höchste Rathausturm Sachsens war.

Von einigen wenigen ihrer Bewohner wird die gute Stadt Pegau stolz „die Perle Sachsens“ genannt. Andere meinen nur gleichgültig „Peesche“ und die Alten erinnern sich an den Kanon der nahe beieinander liegenden Städte „Zwibbel-Borne“ (Borna), „Mause-Zwenke“ (Zwenkau), „Huren-Zeitz“ (Zeitz), „Babuschen-Greetzsch“ (Groitzsch) und nennen ihre Heimatstadt weiterhin liebevoll „Kuh-Peesche“. Dabei hat es, wenn auch mit wenig Erfolg, bereits aus den Reihen der Ureinwohner Versuche einer neuen Interpretation des Beinamens gegeben. So wurde behauptet, das Kuh- vor dem Stadtnamen stamme nicht von dem Tier gleichen Namens oder gar von Kuhbläke, was im Sächsischen der Begriff für ein sehr abseitiges, kleines, unansehnliches, verschissenes Dorf ist, sondern diene als Abkürzung für Kuchen-Pegau.

Netter Versuch, aber daneben. Nicht allein die Tatsache, dass Kuchen nicht mit „h“ nach dem u geschrieben wird, sondern es waren doch bereits im 16. Jahrhundert mehr als 8 Prozent der Bevölkerung Pegaus Kühe!

Damals Zeichen eines gewissen Wohlstandes, fühlen sich heute einige der Pegauerinnen von „Kuh-Peesche“ persönlich angesprochen und sind düpiert.


Pegau, vom Westen (von der Kippe) aus gesehen

Ich kenne leider noch zu wenige der jetzigen Bewohnerinnen dieser meiner selbst gewählten neuen Heimatstadt näher, um ein sicheres Urteil darüber abgeben zu können, wie viel Prozent der Einwohnerinnen gegenwärtig tatsächlich Kühe sind. Die eine oder andere wird schon darunter sein.

Würde man mit dem Versuch „Kuchen-Peege“ durchkommen, könnten die Zwenkauer ebenfalls mit Fug und Recht behaupten, das Mause- vor ihrem Stadtnamen käme tatsächlich von der großen Mäuseplage und nicht von den Spitzbuben, die einst hier die Auen besiedelten und gute Versteckmöglichkeiten fanden. Oder die Bornaer könnten dann behaupten, die Zwibbel vor Borna würde nicht bedeuten, dass hier unendliche Mengen der würzigen Knollen angebaut worden seien, sondern in ihrer Stadt hätte es in früheren Jahren Unmengen von Taschenuhren (in Sachsen: „Zwibbel“) gegeben. Versucht nicht, eure Herkunft zu klittern! Nur wer das Gestern kennt kann das Heute verstehen! Bleibt, was ihr schon immer ward: Nachkommen der Kühe, Mausediebe und Zwibbeln.

Ich würde den Stadtoberen von Peege (Pegau) allerdings empfehlen, das Kuh einfach zu ersetzen durch den Buchstaben Q, groß geschrieben. In einem anderen Land zu einer anderen Zeit stand das einmal als Zeichen für Qualität. Das könnte allerdings ein Hemmnis für die Durchsetzbarkeit dieses Vorschlags sein.


Kuh-lisse (Pegau, Schlossstraße)

Die zauberhafte, meist sonnenbeschienene, saubere und schöne kleine Stadt Pegau liegt 131 m über dem Meeresspiegel, was aber nicht verhindern kann, dass das ansonsten recht behagliche Flüsschen Elster, welches Pegau in aller Regel sanft umspült, mitunter, selten zwar, dann aber umso gründlicher, die goldene Aue überflutet, so dass es einigen Bewohnern erscheint, als wohnten sie am Gestade eines großen Meeres. Und dann mutet es seltsam an, wenn in den Hausanschluss- und Heizkellern das Toben der Flut zu vernehmen ist.

Pegau war nicht immer das kleine, unbedeutende Städtchen am Rande des sächsischen Universums. Es wurde gegründet von einem ritterlichen Abenteurer und Draufgänger, Freund des deutschen Kaisers, Schwiegersohn des Böhmischen Königs, Mörder der ortsansässigen Edlen und Markgraf von Meißen, von Wiprecht II.

Das heißt, Pegau entstand als Nebenprodukt der Klostergründung, die zur Ableistung einer Buße eines reichsständigen Edlen seiner Zeit für dessen Himmelfahrt erforderlich geworden war. Die Stadt blieb aber nicht lange Nebenprodukt.

Als Kaiser Rotbart Lobesam aus dem heilgen Land gezogen kam machte er Station im Pegauland am wunderschönen Elsterstrand und verlieh Pegau Stadtrecht, Marktrecht und niedere Gerichtsbarkeit. Von da an ging’s bergauf.

Pegau hatte in seinen guten Zeiten, laut Aussage des sehr verdienstvollen Ortshistorikers, Herrn Tylo Peter, den höchsten Rathausturm Sachsens, hatte einen Wochen-, einen Tauben, einen Vieh-, einen Salz- und einen Mägdemarkt, es war Sitz der Superintendentur, es war Garnisonsstadt ohne Kaserne. Es war Sommerresidenz eines Herzogs, es hatte ein reiches Kloster, bereits im 16. Jahrhundert eine Knabenschule, es hatte einmal zwei Postmeilensäulen, es hatte einmal fast 38 Kneipen, Gaststätten, Restaurants und ähnliche Etablissements, es hatte einmal sieben Tankstellen und bis 1918 einen Brückenzolleinnehmer. Es hatte auch lange Zeit eine glänzende Zukunft.

Doch bereits im 14. Jahrhundert trafen die ersten Schicksalsschläge die Stadt. Sie brannte mehrfach nieder, und das war in der alten Zeit, als noch alles, was in Pegau geschah, Hand und Fuß hatte und gründlich getan ward.

Jedoch unter Absingen des schönen alten Chorals: „Überall wohin man schaut, wird auf – ge – baut …“ ließen Klosterbrüder und Stadtväter das Städtchen wieder auferstehen. Wieder und wieder. Bis zum Ende des 30jährigen Krieges. Da war denn auch das wunderschöne und fast noch nagelneue Rathausdach verkohlt. Von diesem Dachschaden im Rathaus hat sich Pegau nie wieder gänzlich erholt. Und es erging manch anderer Stadt auch in späteren Zeitläuften ähnlich. Pegau jedoch gebührt die Ehre und das Verdienst, als erste Kommune im Reiche nachgewiesen zu haben, dass bereits ein Dachschaden in kommunalpolitischem Umfeld zur Verstümmelung bis dato hoffnungsvollen politischen und merkantilen Werdens ausreicht.

Und wem hat Pegau das zu verdanken? Nicht dem damaligen Bürgermeister oder dem städtischen Rat, obwohl in heutigen Tagen diese Schuldzuweisung sehr schnell erfolgen würde und von den Bürgern ungeprüft mit dankbarem Gejohle aufgenommen würde. Nein! Man verdankt die Zerstörung der Stadt dem Flachsveit und dem Fiedelhans, zwei zu ihrer Zeit bereits übel beleumdeten Zeitgenossen. Die waren zwar nur auf Bewährung, hatten aber dennoch geforderte Kriegskontributionsgelder der Pegauer auf dem Transport zu den alten Schweden, diesen kriegerischen Herren in Leipzig, geraubt, die dann auch gleich angerannt kamen und dabei bemerkten, dass das Pegauer Rathaus wie das ihre aussah, nur einen noch höheren Turm hatte. Und da sich Pegau nicht eingemeinden ließ, schossen sie es zu Klump.

Die Belagerer waren unerbittlich. Sie wüteten mit ihren Kanonen, dass den friedfertigen Bürgern der guten Stadt Pegau Hören und Sehen verging, der rote Hahn auf allen Dächern krähte und groß Heulen und Zähneklappern war. In dieser Situation fasste sich der damalige Superintendent, Herr Lange, ein Herz, steckte etwelche Knäbelein in weiße Totenhemden und zog mit ihnen in das Lager des schwedischen Obristen Torstenson unter Absingen des Liedes, das meines Erachtens ungefähr so ging: „Wenn die Not am größten sein und wissen nicht mehr aus noch ein …“ Und da geschah das Wunder von Pegau! Der alte Schwede mit offensichtlich doppelter Staatsbürgerschaft erkannte in Herrn Lange seinen ehemaligen Lehrer und stellte die Belagerung ein.

Wie viele der heutigen Schüler und Jugendlichen würden ebenso handeln? Würde die heutige Jugend nicht eher die Kanonen nochmals und schärfer laden, um sich für die von ihren Lehrern an ihnen verübten Unannehmlichkeiten zu rächen? Ist nun die moderne Erziehung tatsächlich die bessere?

Ich würde den nächstens neu zu wählenden kommunalpolitischen Lichtgestalten unserer Stadt empfehlen, die aus Kostengründen seinerzeit nicht wieder errichteten großen Dachgauben (welche das Leipziger Rathaus noch immer zieren) wieder auf unser Rathaus bauen zu lassen und dann mit einem großen Bild dieses Gemäuers und dem Slogan: „Das Rathaus zu Pegau wurde bereits im 16. Jahrhundert ohne Unterbrechung wegen mangelhafter Finanzierung (wie z. B. in Leipzig) errichtet. Investoren aus aller Welt, vergleichen Sie und kommen Sie nach PEGAU“ an alle größeren Auto-, Flugzeug-, Computer- und Elektronikherstellungskonzerne schicken. Vielleicht könnte man damit auch die eine oder andere Deutsche Bank anlocken. Slogan: „Kreditwürdig. Wir bürgen mit unserem Rathaus!“

Denn Handel und Gewerbe kann auch Pegau nur gut tun. Die Investoren dürften dann allerdings nichts vom großen Gewerbevereinsdebakel Pegaus erfahren. Vor der vorletzten Vorstandswahl diskutierten die Mitglieder dieses Vereins darüber, ob sie sich wegen statthabender Sinnkrise nicht selbst auflösen sollten (nicht die Mitglieder, nur den Verein). Man kam allerdings zu dem Beschluss: „Nein, wir lösen uns nicht selbst auf, wir wählen erst einmal einen neuen Vorstand, und dann überlegen wir uns, wozu wir da sind.“

Offensichtlich hat man noch immer mit dem Selbstfindungsprozess nicht abschließen können. Sonst wäre es, glaube ich, möglich gewesen, dass die Gründung und vor allem der Bestand eines Second-Hand-Shops für Kindersachen und Spielzeug dadurch hätte gefördert werden können, dass die zweimal im Jahr durchgeführte unentgeltliche städtische Kindersachenbörse, eine durchaus wohltuende und nutzbringende Einrichtung, nur nicht für einen neuen Gebrauchtwaren-Laden für Kindersachen und Spielzeug, zumindest vorübergehend, ausgesetzt worden wäre.


1991: Hat sich Ihr neuer Vermieter schon gemeldet?

Wenn man allerdings so wie in diesem Falle, mit Gewerbeansiedlung umgeht, muss man sich nicht über die ständig wachsende Zahl leerstehender Schaufenster auf dem Broadway der Stadt wundern. Diese mit Kunst kostenlos füllen zu wollen ist da zwar sehr preiswert, doch weder Ausweg noch Lösung. Aber vielleicht könnte man im Rathaus noch eine Sekretärin mit der Funktion des Verantwortlichen für Wirtschaftsförderung und -ansiedlung betrauen. In anderen Bereichen funktioniert dieses Pegauer Modell doch auch schon ein wenig? Oder?

Der Pegauer als solcher oder auch als Mensch betrachtet gehört zu einer besonderen Spezies des Homo Sapiens, natürlich, aber in seiner weiterentwickelten Form, dem Homo sapiens pegauensis sozusagen. Der weiß alles, besonders besser. Nicht aus eigenem Erleben, sondern vom Hörensagen.

So gab es einst kurzzeitig einen Betreiber des Ratskellers. Der machte ein Rumpsteak mit Whiskysoße – einsame Spitze. Hab ich immer mal wieder gern gegessen. Als ich das einmal im Gespräch fallen ließ wurde ich bestaunt wie ein entsprungener Geisteskranker: „Na, hast ja noch gute Zähne, kannst’e die rohen Kartoffeln ja gut beißen.“ Ich war verwundert: „Wie das? Ich hab noch jedes Mal ordentliche Salzkartoffeln bekommen.“ Mein Gegenüber im Brustton der Überzeugung: „Ä, der kann nur rohe Kartoffeln und kochen sowieso nicht.“ Ich, mehr als erstaunt: „So? Waren deine Kartoffeln nicht durch oder was? Wie oft warst’e denn schon dort?“ Mein Gesprächspartner grinst mich überlegen an: „Na, da geh ich doch gar nicht erst hin. Rohe Kartoffeln krieg ich viel billiger in der Kaufhalle. Sogar mit Schale.“

Oder nehmen wir die kleinen Geschäfte in der Breitstraße. Um die wird Pegau weit und breit beneidet. Bei einem Stadtrundgang bemerkte ein Leipziger Gast zu einem mitlaufenden Pegauer: „Sogar einen Fisch- und Gemüsemann wie in alten Tagen habt ihr hier! Mensch, das glaub ich doch nicht! Dass es so was noch gibt. Da beneide ich Sie aber!“ Der Pegauer knurrte jedoch: „Da geh ich sowieso nicht hin.“ Der Leipziger, sehr verwundert: „Aber warum denn nicht?“ Worauf der Pegauer wütend antwortete: „Da wird der bloß noch reich von.“ Der Auswärtige ließ nicht locker: „Und Sie machen lieber Lidl oder Netto reich, was?“ „Außerdem viel zu teuer. Ich hab da mal Tomaten gekauft, die waren 40 Cent teurer als bei Lidl.“ Sein Gegenüber, zweifelnd: „Das Kilo?“ Da wurde auch er angeschaut, als wäre er soeben vor den Schrubber gerannt: „Nee, die Tomaten!“

In diesem Fall war Selbsterleben Ursache der Erkenntnis, aber hier wird deutlich, warum es für den Pegauer besser ist, sich auf Hörensagen zu verlassen.


Im Elsterflutbecken

Mir selbst ist folgendes passiert: Weil immer mehr Schaufenster leer stehen, ließ mir der Bürgermeister über einen seiner Mitarbeiter mit den Worten antragen: „Das ist doch auch für Sie eine gute Reklame“, in diese leeren Fenster Bilder zu stellen bzw. zu hängen. Er ließ nicht locker, also ließ ich mich breitschlagen und tat es. Was ist das Resultat? Ich wurde in pegauische Gedankengänge einbezogen. Der gemeine Pegauer kam zu drei Schlussfolgerungen: „1. Der muss es ja nötig haben, überall seinen Scheiß aufzuhängen, wird ihn wahrscheinlich nicht mehr los. 2. Jetzt hab ich Bilder von dem gesehen, muss ich ja nicht mehr in die Galerie gehen, und 3. Wer weiß, was die dem wieder zahlen, damit der seinen Mist hier aufhängt.“

Fehlt nur noch, dass der Wanderer wieder des Wegs kommt, der uns immer vorhält: „Na, das könnt ihr doch alles von der Steuer absetzen.“

Die so charakterisierte pegauische Mentalität kann man im Übrigen mit der des Zaunkönigs vergleichen. Nicht, dass er so flatterhaft wäre oder so grazil oder ständig auf seinem Zaun säße. Nein, er sitzt ständig dahinter. Und wie regierende Staatshäupter überhaupt nur schwer aus ihren Territorien zu locken sind, ist auch er nur schwer hinter der stabilen Markierung aus Latten und Riegeln hervor zu bekommen. Das gelingt noch am ehesten mit geselligem Essen und Trinken, am sichersten jedoch mit Freibier und einer kostenlosen Bratwurst.

Es ist zwar nicht ganz einfach und manches Mal weiß man auch nicht, warum, aber wenn es einen gepackt hat, dann mag man ihn dennoch, so wie er ist, den Pegauer. Und genau hingeschaut, etwas sind wir doch alle so.

Unter diesen Gesichtspunkten sollte man für die Wiederherstellung der großen Dachgauben auf dem Rathaus Landesmittel aus dem Topf für Wirtschaftsförderung akquirieren. Schwieriger ist das mit dem für den anlässlich des erwarteten Aufstiegs des TuS Pegau in eine höhere Kreisklasse geplanten Anbau eines Balkons an das Rathaus. Dazu könnten höchstens Mittel aus dem Topf für Sportförderung beantragt werden.

Das wunderhübsche Städtchen Pegau, malerisch gelegen in der goldenen Aue, durchquert von dem wilden Flüsschen Elster, war schon immer geprägt von der Geduld seiner Bewohner. Als letzthin die Elster weit über ihre Ufer trat und ihnen erklärt wurde, dass man für Pegau nichts tun könne, weil dann die Leipziger feuchte Füße bekämen, blieben sie ruhig und meckerten, wie immer, still hinter ihren Gartenzäunen herum.

Diese unerwartete Duldsamkeit führte nun dazu, dass Pegau wieder einmal in seiner langen Geschichte überregionale Bedeutung erlangen wird, nämlich als ausgewiesene Hochwasserschutz-Polderfläche für Leipzig.

Es wird zurzeit gerätselt, ob der nächste Bürgermeister von Pegau ein Versicherungsfachmann oder ein Grüner sein wird?

Rundgang durch eine kleine Stadt – Wunderliches, Merkwürdiges, Denkwürdiges und Absonderliches

In alten Tagen führten die meisten Fernstraßen durch Dörfer und kleine Städte. So kam man, oft unbeabsichtigt, in manchen Ort, der ansonsten niemals Ziel einer Reise geworden wäre und fand mitunter einen Grund zur Wiederkehr. Heute führen die Straßen zur Reise in entferntere Regionen um diese kleinen Ortschaften herum oder an ihnen vorbei. Man kennt höchstens noch ihre Namen, erfährt aber ansonsten nichts von ihnen.


Grubenvorgelände

So ergeht es auch dem Kleinstädtchen Pegau im Süden von Leipzig. Bereits seit 1964 führt die Fernverkehrs- und spätere Bundesstraße Numero 2 an ihm vorbei. Bis dato musste ein jeder, der nach Zeitz oder Hohenmölsen und darüber hinaus wollte, über den Markt und durch die Breitstraße dieser Stadt fahren, sah so manche einladende Gastwirtschaft, eine beachtliche Kirche, ein wunderlich an das Leipziger gemahnendes Rathaus und beschloss, wenn Zeit sei, wiederzukehren.

Zu dieser Zeit lag der Bahnhof dieser Stadt, wie einige Einwohner vermuteten, an der Strecke Borne-Peesche-Budabeschd, Pegau schien international werden zu können.

Zur Gewinnung von Kohle nahm ein Tagebau Teile der Stadt und die alte B2, die damals noch eine Fernverkehrsstraße war, von der Landkarte. Heute führt die neue B2 und der Zufall keine Gäste mehr nach Pegau. Wer hier ankommt, hat den Ort mit Bedacht zum Ziel der Reise gewählt.

Doch welche Großstädter wollen schon nach Pegau?

Aber hat man sie einmal hergelockt, sind die meisten doch begeistert von einer wunderbar intakten Altstadt, den kleinen Läden, die noch immer (trotz Lidl, Rewe, Norma, Netto und Kik) existieren, von den Gaststätten und der Gastlichkeit dieser sechstausend Seelen Stadt.

Und viele kommen wieder!

Kommt man von der B2 nach Pegau, so wird man von Rewe, einem Autohaus, der Tankstelle, Lidl und einem kleinen Blumenladen begrüßt, ohne dass dies etwa großstädtisch wirken würde.

Kurz danach reckt sich rechts der Straße eine alte Postmeilensäule in den Himmel.

Einst hatte die Stadt zwei davon. Eine vor dem Unter- (eben jene, vor der wir gerade stehen), und eine vor dem Obertor.

Die Pegauer Kursächsischen Postmeilensäulen sind aus Zeitzer Sandstein gefertigt und wurden 1723 errichtet. Eine Säule kostete ehemals 20 Taler.

Zur Feier ihrer „Inbetriebnahme“ spendierte der damalige Bürgermeister für drei Groschen Bier. Eine Tatsache, die so bedeutsam war, dass sie in den Chroniken der Stadt verzeichnet wurde und wiederum ein Beispiel dafür ist, wie sich die Zeiten wandeln.

An diesem Beispiel wird nämlich wieder einmal deutlich, wie sehr die Aufgaben der Kommunalpolitiker mit den Jahren doch gewachsen sind. Stellen Sie sich vor, einer dieser politischen Würdenträger käme heute mit Bier für drei Groschen (ein halber Liter Sachsenbräu) und riefe Ihnen zu: „Ich geb’ einen aus!“

Der Mann oder die Frau würde die nächste Kommunalwahl nicht überleben.

Etwas anderes wäre es da schon, wenn er diesen halben Liter Bier annehmen würde. Da könnte ein Parteifreund oder ein anderweitig Missgünstiger eine Anzeige wegen Bestechlichkeit anstrengen. Das gibt es nicht nur auf kommunalpolitischer Ebene sondern auch ganz oben. Denken Sie doch nur an den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Gut, der hat auf dem Oktoberfest für siebenhundert Euro Bier getrunken, aber dafür war er auch Bundespräsident. Da geht schon etwas mehr hinein.

Also lässt sich an Postmeilensäulen nicht nur eine geographische Entfernung sondern durchaus auch eine historische ablesen.

Leider aber haben sich nicht alle diese Kilometerzähler erhalten. So ist die zweite dieser Säulen in Pegau Ende des neunzehnten Jahrhunderts der Westerweiterung unserer kleinen Stadt zum Opfer gefallen.

Doch die erhaltene wurde gepflegt und gehegt, nach 1990 restauriert, teilweise erneuert und was aus den übriggebliebenen und ersetzten Teilen geworden ist, verrate ich Ihnen später.

Gegenüber dieser Postmeilensäule, an der anderen Straßenseite, befindet sich eine Grünanlage, die am Ufer des Flüsschens Elster entlangführt. Hier soll nach dem Willen der örtlichen Stadtregierung in den Folgejahren eine Bootsanlege- und -einstiegsstelle gebaut werden. Das wird teuer.

Alles Neue ist zunächst umstritten. Besonders, wenn es Geld kostet. So, wie es bei der für die Stadt so notwendigen, genialen und erfolgreichen Sanierung des Volkshauses zu seiner Zeit Stimmen gab, die meinten: „So’n Blödsinn, das schöne Geld! Könnte man doch was Nützliches damit machen“, gab es aber auch Stimmen, die riefen: „Wundervoll! Pegau wird Kulturhauptstadt! Mit Bussen werden die Besucher angerollt kommen, um in unserem Volkshaus Kultur zu feiern!“ Dazwischen gab es wenig.

Dass man mit dem Haus nicht allzu viele Opern- oder Gewandhausbesucher aus Leipzig angelockt hat ist mittlerweile völlig unwichtig. Das Volkshaus gehört zur Stadt und niemand möchte es missen. Und selbst die eifrigsten früheren Gegner dieses Vorhabens wissen heute nicht mehr, dass sie es jemals waren.

Der große Komiker Karl Valentin spielte einmal einen Gemeindevertreter, der aus Prinzip gegen alles war, was der Herr Bürgermeister tat und unternahm. Als er einmal zu spät zu einer Gemeinderatssitzung kam, die Herren waren bereits in heftigster Diskussion, grüßte er nicht, wie es Sitte ist, mit einem „Guten Abend“ oder dergleichen, sondern mit: „Ich bin dagegen!“ Auf den Einwurf des Bürgermeisters: „Aber du weißt doch gar nicht, worum es geht.“ Antwortete Valentin: „Egal, ich bin dagegen!“

Ein solcher Meckerer ist zwar schwierig in der Haltung und Zusammenarbeit, aber doch jedem Entscheidungsträger zu wünschen, zwingt er doch dazu, Gründe des Für und Wider genau und wiederholt abzuwägen, Entscheidungen exakt zu diskutieren, Gründe zu formulieren und alles gründlich zu hinterfragen.

Doch der Bootsanleger wird werden.

Die einen in der kleinen, naiven Stadt Pegau, rechnen damit, dass die Wasserstraße Elster eine größere Anzahl Touristen an die pegischen Gestade spülen wird, womit die gemütliche Stadt zu einem Mekka vermögensschwerer Touristen werden soll. Das sind die Befürworter und ihre Argumente.

Die anderen sind nicht unbedingt dagegen, aber sie glauben auch nicht an den mit dem Anleger verbundenen Massentourismus. Sie sagen: „Menschen, die vom Wasser aus hinter Deichen, dichtem Grün von Hecken, Bäumen und Unkraut im Vorübergleiten eine Kleinstadt vermuten könnten, von der sie genau so wenig sehen, als würden sie auf der B 2 vorbei rasen und die die Grundlage ungeahnter aber erhoffter Touristenströme zur Genesung des örtlichen Einzelhandels bilden sollen, sind eine Chimäre. Paddler, die hier nur mal aussteigen, wenn sie ihre Notdurft verrichten müssen, die ob ihrer legeren, verschwitzten Bekleidung keinen Schritt von ihrem Kanu weichen und die als einzige Erinnerung die an die unzureichenden Toiletten des Jugendclubs der Stadt mitnehmen werden, sind auch nur sehr bedingt zur Wiederkehr nach Pegau angeregt.“

Argumente, die nicht von der Hand zu weisen sind und die bei geschätzten Kosten von siebzigtausend Euro nicht unbeachtet bleiben dürfen. Es ist die Zukunft, die zeigen wird, ob es eine Erfolgsgeschichte oder eben nur ein teurer Bootsanleger wird.


Der Kleinmütige

Mit Sicherheit aber wird es einheimische Wassersportler geben, die diesen „Hafen Pegau“ nutzen und feiern werden. Ein kleines Schrittchen auf dem Weg zu einem Naherholungsstandort. Und das kann einer kleinen, grünen Stadt nur gut tun.

Gehen wir nun etwas weiter Richtung Innenstadt, so überqueren wir den wilden Strom der Elster und erkennen, wiederum auf der rechten Straßenseite, den Giebel der neuen Feuerwache. Davor, direkt hinter der Brücke, auf welcher wir daher geschritten kommen und deren Pfeiler aus den Quadern der St. Ottenskirche errichtet sein sollen, befindet sich ein fast quadratisches Rasenstück, auf welchem wir einen Besucher von den Osterinseln zu erblicken glauben. Es ist die „Wächterfigur“, die der Leipziger Bildhauer und Grafiker Wolfgang K E Lehmann im Jahr 2008 während des zweiten Pegauer Bildhauer-Pleinairs aus einem einheimischen Eichenstamm schuf. Diese blau eingefärbte mit Helm und Schulterpanzer aus Walzblei bekleidete archaische Figur wurde mit Bedacht an dieser Stelle aufgestellt. Denn in alten Zeiten befanden sich an dieser Stelle der Geschirrhof (heute der städtische Bauhof) und die Brückenzolleinnahme.

Der Wächter hat also nichts mit dem Hinweis auf die wachsame, segenswerte und äußerst hülfreiche Arbeit der Freiwilligen Feuerwehr unserer Stadt , die seinerzeit, als die Skulptur hier errichtet wurde, verlangt hatte, man solle sie nicht blau sondern rot einfärben, zu tun. Sie gibt Hinweis auf eine der Absonderlichkeiten der kleinen Stadt Pegau, nämlich auf die Tatsache, dass gerade hier der Brückenzoll für die gute Stadt Pegau kassiert wurde. Diese Maut der frühen Jahre wurde ebenfalls nicht nur, wie wohl bereits damals vorgesehen, zu Reparatur und Erhaltung von Straßen und Brücken verwandt, sondern diente bereits in alter Zeit zur Finanzierung anderer kommunalpolitischer Notwendigkeiten. Es ist also auch heute noch eine gewisse Skepsis angebracht und im Volke verwurzelt, wenn die Ankündigung einer PKW Maut, besonders deren angebliche Kostenneutralität, dem fahrenden Volk gegenüber angekündigt wird.

Einer Brückengeldeinnahme ein Denkmal zu setzen ist jedoch auch in einer Stadt, die winzig klein, hinter vielen Hügeln und Tagebauen gelegen ist und aus ihrer Zeit gefallen zu sein scheint, nicht opportun.

Die Skulptur soll auch dieses nicht sein. Sie steht vielmehr für Starrsinn und Beharrlichkeit, den Stolz und die Findigkeit der Bürger dieser schönen Stadt Pegau.

Denn als im Jahre 1833 im Königreiche Sachsen der Zollverein eingeführt wurde und aus der Landeshauptstadt ein Brieflein bei dem örtlichen Rat ankam, des Inhalts, ab sofort hätten entsprechend Artikel 7 im Lande alle Brücken- und Wegezölle zu entfallen, war man im Rathause ratlos. Der Brückenzoll war eine städtische Einnahme. Und Ausgleichszahlungen waren in der alten Zeit noch nicht üblich. Es war zu vermuten, dass diese vom Hofe zu Dresden abgelehnt würden. Auch der heutige Hof zu Dresden praktiziert den Finanzausgleich lieber von den Stadtsäckeln in die Landeskasse als anders herum.

So war zunächst Klagen und Heulen im Hause des Rates.


Hochwasser an der Elster

Doch in der guten Stadt Pegau lebte zu jener Zeit ein Mann namens Friedrich August Fissel, Ratsschreiber seines Zeichens und ein Mann von unbändigem Fleiße, einer, wie man ihn jeder Regierung nur wünschen kann. Dieser hoch zu lobende Mitarbeiter des Rates der Stadt erledigte nicht nur seine Arbeit zu allgemeiner Zufriedenheit, sondern er führte auch für die Nachwelt ein sehr detailliertes , umfangreiches und exaktes Tagebuch über alle Geschehnisse in der kleinen Stadt und hatte darüber hinaus noch Muße gefunden, die zahlreichen Urkunden im Rathaus zu kopieren.

Dieser Fissel erinnerte sich an eine das Problem betreffende Urkunde, die man entsprechend seinem Hinweis suchen ließ, fand und voller Verwunderung las. Es war das Privilegium des Straßen- und Brückenrechts, unterzeichnet von Markgraf Friedrich und datiert auf den 20. November 1417.

Diese Urkunde präsentierte man triumphierend zusammen mit einer Abschrift den Dresdener Herrschaften und entgegen den Zeichen und den Erfordernissen der neuen Zeit durfte in Pegau weiter Brückenzoll kassiert werden, was man fleißig bis ins Jahr 1918 hinein tat. Im Jahre 1907 beschloss der Rat der Stadt, die dem Brückengeldeinnehmer zugestandenen Tantiemen von 10 auf 12 Prozent der vereinnahmten Summe zu erhöhen und ab Februar 1914 musste dann auch für die neuartigen Automobile Brückenzoll an der Elsterbrücke zu Pegau entrichtet werden.

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Janr və etiketlər
Yaş həddi:
0+
Litresdə buraxılış tarixi:
23 dekabr 2023
Həcm:
185 səh. 42 illustrasiyalar
ISBN:
9783957442437
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