Kitabı oxu: «Sanft bis stürmisch»
Rainer Zak
Sanft bis stürmisch
Mehr erotische Utopien
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Edition Paradice, Band 2
Frei übersetzt
Abgeschleppt
Die Verschwörung
Mannsbild
In einem Boot
Die richtige Dosis
Umarmung im Kleinen
Die Sprache der Hände
Engste Zusammenarbeit
Aschermittwoch
Werberin frei Haus
Trost mit Folgen
Lampenfieber
Ghana und Kalabrien
Geschenk mit Schleifchen
Querfeldein
Auf gleicher Höhe
Auktion mit Gewinn
Frau an Bord
Ausflug ins Gebirge
Impressum neobooks
Edition Paradice, Band 2
Im Mai 2013 erschien in der
edition winterwork
der erste Teil der erotischen Erzählungen
als Band 1 der Edition Paradice
Ein Fest für die Haut
-Erotische Utopien-
ISBN 978-3-86468-445-6
11,90 €
Frei übersetzt

I.
Die Lichter über den Gleisen schaukelten heftig und sandten blinkende Signale in Sonjas Abteil. Schräg voraus tauchte der Vorposten des Bahnhofs Lyon-Perrache aus dem Halbdunkel der Gleisanlagen auf.
Die Hände fest, ja sogar leicht verkrampft um den Griff ihres Koffers, verspürte Sonja das erste weiche Abheben durch die beginnende Bremswirkung. Der Zug erreichte die Halle des Großstadt-Bahnhofs, rollte langsam aus und hielt.
Am späten Nachmittag hatte der Zug bei Genf die französische Grenze überquert und Sonja damit das Land erreicht, in dem ihre Bücher bislang unbekannt waren.
Ausgerechnet in dem Land, das im Deutschland der vorigen Jahrhunderte den romantischen Stempel des ‚Landes der Liebe’ aufgedrückt bekommen hatte.
Für Sonjas erotische Geschichten war Frankreich bisher noch ein weißer Fleck auf der verlegerischen Landkarte.
Gerade in diesem Moment kam ihr zu Bewusstsein, dass sie sich damit auch das erste Mal im Land ihres Vaters aufhielt, den sie nie kennengelernt und der sich nie für sie interessiert hatte. Überflutet von einem flauen Gefühl, versuchte sie die Gedanken an dieses leidige Kapitel ihrer Lebensgeschichte beiseitezuschieben; aber es gelang ihr fast gar nicht.
Denn als sie mit vorsichtigen Schritten den Zug verließ, fiel ihr Blick auf Hinweisschilder und Werbeplakate in Französisch, der Sprache, von der sie sich Zeit ihres Lebens möglichst ferngehalten hatte.
Sie war gekommen, um den Vertrag für die französische Ausgabe ihres ersten Erzählungsbandes auszuhandeln und für die Übertragung ins Französische möglichst den besten aller Sprachkünstler zu finden.
Der Verlag in Lyon hatte ihr einen aufstrebenden Übersetzer empfohlen, dessen Vater Deutscher und dessen Mutter Französin war.
Als Sonja dies kürzlich erfuhr, hatte sie still in sich hinein gelacht: ein Team deutsch-französischer Mischlinge schenkt der Welt ein erotisches Gesamtkunstwerk.
Sie musste jetzt erst mal zur Ruhe kommen. Bei einem Kaffee auf der Bahnhofsterrasse zog sie den Brief des Kandidaten aus der Mappe, um ihn erneut zu lesen.
Alain Taragot lebte in Lyon und sie hatten verabredet, dass er einige Probearbeiten für sie anfertigen sollte; danach würde sie beurteilen, ob er sich für den Auftrag eignete.
II.
Bei der Ankunft in einem Hotel war es zu Sonjas Ritual geworden, das Gepäck hinter der Tür abzustellen, sich auf den Weg zur Dusche zu machen und unterwegs ihre Kleidungsstücke jeweils dort fallenzulassen, wo sie sich gerade befand.
Den ersten Schwall des noch kalten Wassers begleitete sie regelmäßig mit einem erleichternden spitzen Schrei; danach genoss sie die Massage durch das nach und nach sich erwärmende Wasser der Dusche.
Sonja mochte ihren Körper und fühlte sich wohl darin; nie hatte sie die heimliche oder offen eingestandene Abneigung mancher Frauen gegen die scheinbaren äußerlichen Unzulänglichkeiten verstanden.
Im gelben Bademantel des Hotels warf sie sich entspannt auf das Sofa.
Sie richtete sich gerade darauf ein, erst einmal eine halbe Stunde die Beine baumeln zu lassen, als sie ein deutliches Klopfen an der Zimmertür vernahm.
Ein wenig mürrisch wegen der späten Störung öffnete sie die Tür nur einen Spaltbreit.
Sie schaute in ein Gesicht mit lachenden Augen über unrasierten Wangen.
Von glatten Rasuren und schlechter Laune schien der sportlich gekleidete Mann vor ihrer Tür überhaupt nichts zu halten.
„Sonja Vollrath, nicht wahr?“ ließ er in entspanntem Ton fallen und strahlte sie an; Sonja konnte nicht anders als zurückzulächeln.
„Ich bin Alain! Alain Taragot! Ich bin gleich wieder weg! Wollte mich nur davon überzeugen, dass Sie gut angekommen sind.“
Für eine Weile war sich Sonja unschlüssig, was sie von diesem Überfall halten sollte. Dann öffnete sie die Tür mit einem vorsichtigen Lächeln.
„Wenn Sie schon mal da sind... “
Während der wenigen Schritte, die er tat, um ihr Hotelzimmer zu betreten, ruhte sein Blick erst auf ihrem Gesicht, streifte dann den Bademantel und fiel schließlich auf die bunte Spur ihrer verstreuten Kleidungsstücke.
„Ich sehe, Sie komponieren gerade eine neue erotische Geschichte!“ stellte er beiläufig fest und angelte sich ihre zerknautschte Bluse vom Boden.
Sonja konnte keinen Zusammenhang zwischen dem von ihr angerichteten Durcheinander und seiner rätselhaften Hellsichtigkeit herstellen.
„Szene Hotelzimmer!“ deklamierte er und schwenkte die Bluse umher.
„Sie hat ihn sehnsüchtig erwartet. Er stürmt voller Leidenschaft herein. Auf dem Weg ins Bad schält er sie ungeduldig Stück für Stück aus ihren Hüllen. Der zweite Teil der Geschichte handelt davon, was im Bad geschieht.“
Einen Moment der Stille lang schauten sie sich gegenseitig in die Augen, in einem Schwebezustand zwischen Heiterkeit und erotischer Fantasie.
Bei Sonja überwog ganz eindeutig der erotische Impuls, da sich ein Film vor ihrem Auge abspulte, der Alain und sie in den Hauptrollen der Ereignisse im Bad sah.
Bevor diese Sehnsucht nach spontaner Wildheit ganz von ihr Besitz ergriffen hatte, signalisierte sie mit einem hellen Lachen Entspannung.
Alain stimmte ein.
„Und jetzt ruhen sie sich erst mal aus!“ leitete er den Abschied für heute ein.
„Schauen wir morgen nach dem Frühstück weiter? Bis dann, Sonja!“
Als er gegangen war, hangelte sie sich zum Sofa, schlang ihre Arme um ein Kissen und drückte ihr Gesicht hinein.
III.
An diesem Morgen war ihre Selbstsicherheit fast schon wieder vollständig hergestellt, da sie ein wenig Distanz zu Alains intensiver Präsenz am Vorabend aufgebaut hatte. Denn er hatte einen weit stärkeren Eindruck bei ihr hinterlassen, als sie zunächst zugeben wollte.
Er war sanft, aber zeigte in seiner Fantasie, dass er der Sanftheit wohl gern mal eine hitzige Auszeit gönnte, so wie sie selbst es liebte.
Sie kämmte sich im Bad die Haare und rief sich gleich zur Ordnung, als die Erinnerung an die erregenden Bilder vom vorigen Abend wieder Besitz von ihren Gefühlen erlangte. Besonders ein Bild hatte sich fest eingebrannt: sie saß mit gespreizten Beinen auf dem Badewannenrand und er strich mit den flachen Händen über ihre Oberschenkel.
Alarmiert flüchtete sie aus dem Bad und schloss die Tür mit einem Ruck.
„Setz dir keine Rosinen in den Kopf, Sonja!“ beschwor sie sich.
Dieser Alain war ein halbes Dutzend Jahre jünger als sie und sicher mit einer süßen Französin zusammen, die ihn ganz in Beschlag legte.
Aber eins wirkte in ihr pulsierend nach: sein sehr direkter Blick und seine erotische Fantasie hatten sie heftig aufgewühlt; er hatte im passenden Moment einen Fuß in den Türspalt gesetzt, hinter dem sie ihre hochgradige Empfindsamkeit für fantasievolle Männer verbarg.
Alain war am Morgen pünktlich und sie hatte sich ihren Panzer der Sachlichkeit sorgfältig angelegt. Jetzt hieß es, ohne Schaden zur Tagesordnung des Literaturgeschäftes überzugehen.
„Es ist so, dass meine Geschichten von den Wendungen aus heiterem Himmel leben“, erklärte sie ihm und ließ ein wahres Trommelfeuer von erotischen Beispielen auf ihn herunterprasseln.
„Also ein lebhaftes Auf und Ab der Gefühle, Wechselbäder der Hoffnungen und Zweifel, Dialoge als Katapult der Erregung!“
Wie immer gelang es Sonja bei solchen Plädoyers für die Leidenschaft nie, ruhig sitzen zu bleiben. Sie durchmaß pausenlos den Raum und unterstützte ihren Vortrag mit Händen und Armen. Ihr Gesicht war die Bühne, auf der das Muskelspiel zu einem Spiegel emotionaler Berg- und Talfahrt wurde.
Im Gegensatz dazu mimte Alain den Zuhörer, den sich jeder Pianist wünschte:
den disziplinierten und nachdenklichen Lauscher auf dem Sofa. Halb lag er in den Kissen, halb war er auf dem Sprung, um nichts zu verpassen.
Am lebhaftesten waren seine Augen beteiligt, folgten aufmerksam und gespannt ihrer Choreografie.
Ihre farbigen Wortbilder wurden mehr und mehr vom erregenden Spiel ihres Körpers überlagert, das Alain ungefiltert auf sich wirken ließ.
Für ihn war dieses Schauspiel ein sinnliches Feuerwerk:
ihr lebhaftes Augen- und Fingerspiel, geradezu virtuos vorgetragen wie ein Spitzentanz, während der Mund sich wie in getakteten Wellen öffnete und schloss; ihr leicht wiegender Gang, -rhythmisch, jedoch deutlich unterhalb der Schwelle des einstudierten Schwingens der meisten Models auf dem Catwalk; die Art, wie sie bei manchen leise gesetzten Worten ihr Kinn hob.
Trotzdem, er konnte sie nicht im Unklaren über die unleugbaren Tatsachen lassen.
„Liebe Sonja Vollrath“, meldete er sich nach einer Weile zu Wort, „so viele klare und anschauliche Worte, die mich sehr berühren. Und alle für mich allein!
Aber ich muss gestehen, dass ich noch keinen Satz von Ihnen gelesen habe.
Hinzu kommt, dass ich bisher überhaupt noch keine erotische Prosa übersetzt habe!“
Sonja war in der Mitte des Raumes stehen geblieben und verharrte für einen Moment stumm.
„Sind Sie sehr enttäuscht von mir?“ fragte er vorsichtig.
„Vielleicht haben Sie eher einen gestandenen Monsieur mit 25jähriger erotischer Praxis erwartet als einen Nobody wie mich?“
„Mag sein, ich mache den Fehler meines Lebens“, dachte sie noch, als sie ihm das Manuskript schon in die Hand drückte.
„Lesen Sie einfach mal! Für einen Anfänger in Sachen Erotik halte ich Sie nun wirklich nicht!“
„Sie riskiert einiges mit mir als Übersetzer!“ dachte Alain, „aufregend wäre es, wenn sie es meinetwegen tut!“
IV.
Sein Anruf am frühen Morgen überraschte sie, kurz bevor sie sich auf den Weg machte. Ein ereignisreicher Tag lag vor ihr: zunächst ein Gespräch beim Verlag, dann der Ausflug ins Rhône-Tal, wo sie Bekannte aus Deutschland besuchen wollte, die sich dort niedergelassen hatten.
„Ich lege gleich los, wenn ich darf“, stellte er sie vor vollendete Tatsachen.
„Es hält mich nichts auf, -wenn Sie einverstanden sind!“
Seine sprühende Begeisterung, die sie so sehr überrollte, dass sie gar nicht daran dachte, ihn mit Nachfragen oder gar Bedenken aufzuhalten, riss sie mit.
„Mein Hotelzimmer ist den ganzen Tag frei und steht zu Ihrer Verfügung, Alain; ich bin lange unterwegs; Sie hätten da genug Platz zum Arbeiten!“
Und er wäre da, wenn sie zurückkommt! Sonja hoffte, ihm beim Übersetzen über die Schulter schauen zu dürfen.
Am Abend betrat sie ein Hotelzimmer, das gegenüber dem Morgen nicht wiederzuerkennen war. Sie hatte es völlig anders in Erinnerung behalten; kaum ein Möbel stand noch an seinem angestammten Platz.
Und die Bezeichnung ‚kreatives Chaos’ wäre für den Zustand des Zimmers noch geschmeichelt gewesen.
Die Hitze des Abends mischte sich mit einer Brise vom offenen Fenster her.
Darüber hatte sich trotz der frischen Luft ein für sie fremder aber äußerst anregender Duft gelegt.
Vom Schreibtisch her verteilte sich dieses Geruchsgemenge aus Kräuteressenzen und Männerschweiß im ganzen Zimmer, -von dort aus, wo Alain noch in seine Arbeit vertieft war. Das Streiflicht der Lampe verwandelte seinen nackten Oberkörper in das Profil einer Hügellandschaft, die umstellt war von leeren Espressotassen.
Als Sonja neben ihn trat, umfasste er vertraut ihre Hüfte und zog sie zu sich heran. Sie lächelte über den Wust von Papier, der den Schreibtisch bedeckte.
„Es geht ganz wunderbar voran!“ rief er aus, „zwei Erzählungen habe ich schon fertig übersetzt. Jetzt geht’s an die dritte.“
In seiner überschwänglichen Begeisterung entging ihm, dass Sonja ihre Hand mit gespreizten Fingern auf seiner bloßen Schulter ablegte, während er fiebrig weiter arbeitete. Seine Haut war von abgekühltem Schweiß bedeckt und schimmerte vor Feuchtigkeit.
Während sein Blick sich auf den Schreibtisch konzentrierte, konnte sie ihren nicht von seinem Profil lösen.
Ihr Lidschlag wurde spürbar langsamer, da sich ihre aufsteigende Erregung niederschlug. Nichts wollte sie von diesem Anblick verpassen: das vorgereckte Oval seines Kinnes und die Lippen, die unablässig in Bewegung waren, als widmeten sie sich fantasievoll einem Mund, der auf gleiche Weise zärtliche Antworten gab.
In diesem Augenblick war Sonja ihm so nah wie nie zuvor; er aber befand sich weit entfernt von ihr in einer anderen Welt.
Dort hatte ein Arbeitsrausch von ihm Besitz ergriffen, wie sie ihn vorher nie beobachtet hatte.
So schwer es ihr auch fiel, löste sie ihre Hand von ihm und zog sich auf das Sofa zurück.
V.
Ein halblauter Ruf weckte Sonja auf; das Licht am Schreibtisch war gelöscht und Alain vor ihr in die Hocke gegangen, gleich neben dem Sofa, wo sie eingenickt war. Die Uhr auf der gegenüberliegenden Wand zeigte drei Uhr.
Seine leicht geröteten Augen glänzten und verkündeten ihr seinen Triumph.
In seinen Worten lag eine vibrierende Begeisterung, als er mit großer Überzeugungskraft loslegte und ein Blätterbündel hin und her schwenkte.
„Ihr Buch wird ein riesengroßer Erfolg und ich bin ganz aufgeregt, dass ich etwas dazu beitragen kann.“
In seiner Begeisterung bemerkte er kaum, dass er halb über ihr kniete und kurz davor war, ihren Körper unter sich zu begraben.
In dieser Position zog er alle sprachlichen Register; jedes Wort, das auf Sonja hinuntertropfte, vertiefte die im Raum schwebende Intimität.
„Die deutsche Sprache tut sich so unsäglich schwer: mit der Liebe, mit dem Sex und mit dem Versuch, darüber zu sprechen und zu schreiben.
Warum bricht eine Frau in Deutschland nicht in Gelächter aus, wenn ein Mann ihr mit Leidenschaft zuflüstert: Ich will mit dir schlafen!“
Sonja kramte ihre wenigen Brocken Französisch hervor, die ihr einfielen, um ihn aus dem Takt zu bringen.
„Je...veux...faire…l’amour…avec...toi!“ hauchte sie empor zu Alain und hoffte, dass ihr Pfeil Wirkung zeigte.
„Ja“, sagte er, „das hört sich doch gut an! Und dazu noch ein verführerisches Her-Zeigen, ein vorsichtiges Berühren!“
Als sich der Ausdruck seiner Augen merklich veränderte, wusste sie, dass Alain erst in diesem Moment die Intimität ihres Arrangements auf dem Sofa deutlich wurde.
Sofort ließ er sich auf den Teppich zurückgleiten.
„Ach wäre es schön, wenn ich mehr Französisch könnte“, bedauerte Sonja und begann interessiert in Alains Manuskriptbündel zu blättern.
„Zum Beispiel hier oder zum Beispiel dort, ich verstehe kaum etwas davon!“
Dabei blieb ihr Blick am Fuß einer Seite an aufregend aussehenden Worten hängen.
„Ja“, rief sie, „zum Beispiel dieses Wort hier. Wirkt wie ein Gebetsanfang, aber was heißt es bloß: c-a-j-o-l-e-r?“
Von unten her peilte er sie an, mit einer großen Portion Zweifel im Blick, ob sie ihn auf den Arm nehmen wollte.
„Darf ich?“ fühlte er vorsichtig vor, führte dann seine Hand sacht über ihren Unterarm, dessen feine Haare sich sofort aufrichteten. Sonja sah ihm zu und genoss es stumm.
„Das ist ‚cajoler’!“ erklärte er. „In Deutschland sagt man dazu ‚liebkosen’!“
Ein schneller Blick aus dem Augenwinkel zeigte ihr, dass er sich ganz auf ihren Arm konzentriert hatte; seine Hand ruhte warm auf ihrer Haut.
„Das gleiche bedeutet übrigens auch ‚caresser’!“ fuhr er fort.
Dabei glitten seine Fingerspitzen am Ellbogen entlang ihren Oberarm hinauf.
Wie im Reflex zuckte seine Hand zurück; wieder war sich Alain bewusst geworden, dass er sich allzu bereitwillig von seinen Wünschen und Impulsen vorantreiben ließ.
Und er murmelte: „Pardon. Je m’excuse!“
Er wusste ja nicht, dass ihr gesamter Körper sich in Aufruhr befand, nicht allein durch seine zärtlichen Berührungen, sondern auch durch den Klang seiner Stimme.
Sie traute sich nicht, die Wünsche auszusprechen, die in diesem Moment durch ihren Kopf wirbelten.
„Mach weiter“, dachte sie. „Hör jetzt nicht auf“, beschwor sie ihn stumm.
„Es ist mir gleich, ob du dazu ‚cajoler’ oder ‚caresser’ sagst!“
Es gab eben noch sehr viele Stellen ihres Körpers, wo sie sich die Berührung seiner Fingerspitzen und seiner Hände herbeisehnte.
„Ich lerne sehr schnell“, behauptete Sonja, während sie sich an seinen Ellbogen festhielt.
„D’abord tu me cajole, puis tu me caresse et enfin tu fais l’amour avec moi, richtig? Oder?“
„Richtig!“ nickte er. „Völlig richtig !“ Seine Augen signalisierten gleichzeitig Unruhe und Konzentration.
„Was hat sie da jetzt gesagt?“ rätselte er. „Hat sie damit wirklich sagen wollen...?“
„Ich glaube mein Französisch ist doch noch nicht verständlich genug!“ unterbrach sie sein Grübeln und rückte an ihn heran, bis ihr Arm seinen Rücken fassen konnte.
„Besonders für dich ist es noch nicht verständlich genug!“ wurde sie jetzt noch deutlicher. Aber da hatte sie auch schon den anderen Arm um ihn geschlungen, sodass alle Quellen des Missverständnisses mit einem Schlag versiegten.
„Gib zu, dass du heimlich Französisch geübt hast!“ forderte Alain Sonja auf.
Da lag er rücklings auf dem Teppich, von den Haarspitzen bis zu den Schuhsohlen zugedeckt von einer Frau, die entschlossen war, nichts an ihm unentdeckt zu lassen.
„Eine schrecklich alberne Sprache, findest du nicht?“ nuschelte sie mühevoll, da sie zwischendurch ihre Zunge mit Alains Brustwarzen und den Haaren darüber bekannt machte.
Alain setzte sich vorsichtig auf, bis sie mit gespreizten Schenkeln auf seiner Mitte hockte.
„Hast du die Szene aus deiner neuen Geschichte eigentlich schon fertig geschrieben?“ fragte er, während er sich ihren Mund zurechtlegte, um dort gleich eine Expedition zu starten. „Du weißt welche? Die im Bad!“
„Musst du ausgerechnet jetzt so viel reden?“ dachte sie noch und kam sofort zu ihrem Vorschlag, der so nahe lag.
„Ich hab die Szene vom Bad auf den Teppich verlegt! Ist dir nicht auch schon die Idee gekommen, dass wir schon mitten in der Hauptszene sind?“
Da er mittlerweile damit beschäftigt war, mit den Lippen die salzig gewürzte Haut zwischen ihren Brüsten zu kosten und dabei war, diese aus ihrer Umhüllung zu befreien, sah sie ein, etwas spät dran zu sein mit ihrer Frage.
Sonja lachte auf.
„Du weißt doch noch gar nicht, was da alles vorkommt!“
Für einen Moment unterbrach er alle Zuwendungen, die er Sonja mit Händen, und Lippen zukommen ließ, und versprach:
„Warte nur ab! Ich lass mir etwas besonders Schönes einfallen!“
Abgeschleppt

I.
Wer hatte ihm noch diesen fantastischen Tipp gegeben? Eine grandiose Abkürzung über die Dörfer! 10 Kilometer gespart!
Herold trat fluchend auf die Bremse. Auch wenn er sich im Verdacht hatte, die entscheidenden Hinweisschilder übersehen zu haben. Eher wurde er sich immer sicherer, dass es hier gar keine Hinweisschilder mehr gab.
Ein Wunder, dass die Straße nicht plötzlich endete, vielleicht an einem pompösen Hinweisschild: Hier entsteht im kommenden Jahr ein weiteres Stück Straße!
Und dann noch dieser ununterbrochene Schnürregen, der heute den letzten Rest Tageslicht am frühen Abend auch noch verschluckte.
Mach ich schon die Scheinwerfer an oder warte ich noch?
An der Ortsausfahrt gab er Gas zur Geradeausfahrt und spürte plötzlich, wie die Wegstrecke rumpelig wurde; er sah gerade noch, dass er auf tief eingefahrene Spuren zusteuerte, und blieb abrupt stecken.
„Willkommen in der Hölle“, dachte sich Herold, „das konnte ja nun wirklich nicht die Hauptverkehrsstraße sein.“
Ein Blick aus dem Fenster machte ihm klar, dass er im größten Schlammloch weit und breit gelandet war. Ein Desaster, eigentlich ein erstklassiger Grund für ultimative Panik, - aber ihm gingen mit zunehmender Erheiterung die lustigsten Sprachbilder durch den Kopf: versackt sein, tief im Dreck stecken, bis zum Kopf im Schlammassel stecken.
Er schätzte ab, ob es intelligenter wäre, im Wagen sitzen zu bleiben, bis eine lange Trockenperiode ihm freie Fahrt verschaffte oder mit den Beinen die Tiefe dieser Schlamm-Einöde zu vermessen und die Umgebung zu erkunden.
Das schmatzende Geräusch beim Öffnen der Wagentür verriet ihm, dass er wohl auch im Inneren des Wagens nicht länger auf Schmutzbrühe und Schlamm verzichten brauchte. Da stieg er doch lieber gleich aus, schließlich trug er ja Stiefel.
Danach konnte er die Tiefe des Schlammloches schon wesentlich genauer bemessen; das Wasser lief ihm von oben in den Stiefelschaft und der maß knapp 50 Zentimeter Höhe.
Eine Bestätigung dieser ersten Schätzung erhielt er sogleich, da er beim ersten Schritt ausrutschte und auf dem Grund der Riesenpfütze zu sitzen kam.
Fluchen oder lachen: Die Entscheidung fiel ihm nicht so schwer, wie er vermutet hatte. Der Vorrat an guter Laune aus der ersten Tageshälfte schien immer noch nicht aufgebraucht.
II.
Dinah war mit dem Traktor auf dem Heimweg und zuckelte die letzten hundert Meter auf den Ortseingang zu. Nicht das erste Mal im Lauf des Nachmittags verhedderte sich ihre Hose am Schalthebel, als sie eine ungeschickte Bewegung machte.
Vielleicht sollte sie sich für die verbleibenden Wochen doch noch eine grobe Hose in ihrer Größe besorgen, statt sich mit den ausgeliehenen Mordssäcken von Trainingshosen zu behelfen, die der große Bruder ihr überlassen hatte.
Die Ortseinfahrt war erreicht; flüchtig warf sie einen Blick nach rechts, wo der Feldweg zu den mittlerweile abgesoffenen Feldern abzweigte; als Erstes fiel ihr ein großer roter Fleck ins Auge.
Ein roter Fleck in einem Tümpel? Sensationell für diese ereignisarme Gegend;
sie fuhr den Traktor an die Seite.
„Ganz niedlich“, dachte sie, „sich ausgerechnet hier einen Abstellplatz zu suchen. Halb versackt, wie der Wagen ist, dürfte das sogar ein Dauerparkplatz werden.“
Erst danach entdeckte sie, dass der Tümpel anscheinend bewohnt war; eine Gestalt hockte neben dem Wagen im Wasser und wedelte mit einem Arm, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
„Der Meisterfahrer schwenkt wohl die weiße Fahne“, dachte sie nicht ohne Häme und schlich misstrauisch ein paar Schritte heran.
Herold witterte die Erlösung aus der ansonsten hoffnungslosen Situation, obwohl er sich einen lieblicheren Rettungsengel gewünscht hätte als einen schlampig gekleideten Bauerntrampel auf einer altersschwachen Rostmühle.
Von der einen Sekunde zur anderen verwandelte sich seine pure Arroganz jedoch in Verblüffung. Die himbeerroten Lippen in dem jungen Gesicht, das aus dem fleckigen Arbeitskittel herauslugte, ließen ihn fast seine durchtränkte Montur vergessen. Schon ein einziger Blick aus ihren lebhaften Augen genügte, seine inzwischen versickerte Euphorie wiederzubeleben.
„Ich schwöre“, sagte er, „ich bin sonst eine überaus imposante Erscheinung. Nur so, wie ich im Moment aussehe, habe ich furchtbar schlechte Karten. Aber können Frauen nicht mit ihrem Blick Dreckschichten durchdringen und den attraktiven Kern eines Kerls trotzdem erkennen?“
Dinah öffnete den Mund für eine Antwort, aber verkniff sich dann doch eine böse Bemerkung.
„Dem geht es anscheinend noch nicht dreckig genug oder er ist beim Ausrutschen mit dem Kopf auf einen Stein gefallen“, dachte sie stattdessen in einem ersten Anfall von Spott.
In der Hoffnung, bald von Dreckkrusten und feuchter Unterwäsche befreit zu werden, lief Herold aber dann zu einer beängstigenden Form auf, sodass Dinah fast die Luft wegblieb.
„Ich bin ein von der Bankenkrise gebeutelter verwunschener Finanzmanager und möchte mich ab sofort den zuverlässigen und stabilen Werten dieser Welt zuwenden, zum Beispiel einem ergiebigen Stück Ackerland und einer Milchkuh. Besteht da bei Ihnen möglicherweise eine Chance einzusteigen?“
Auf den Mund gefallen war Dinah sicher nicht; sie gab ihm kräftig Kontra.
„Was denn“, fuhr sie ihm in die Parade, „halten Sie mich denn für eine Milchkuh, in der Sie Ihre letzten Euros investieren wollen? Und, Sie verkanntes Finanzgenie, eines sag ich Ihnen gleich: Für Ihr abgesoffenes Auto könnte ich Ihnen höchstens unser ältestes Suppenhuhn anbieten.“
Das hätte sie lieber nicht sagen sollen; denn Herold verließ die Kraft, als er in ein sich überschlagendes Lachen ausbrach, sodass er ein weiteres Stück in der Brühe versackte.
III.
So tief, wie die Karre im Dreck steckte, - natürlich war dies nicht ihre sondern seine trockene Art, die Situation zu beschreiben-, war an Abschleppen im Moment nicht zu denken.
Dinahs Traktor hatte 20 Jahre auf dem Buckel; der Motor hatte die Grenze seiner Leistungsfähigkeit längst erreicht.
Schließlich blieb ihr nichts Anderes übrig, als dem schlammgrauen Piloten des roten U-Bootes eine Generalüberholung auf ihren Hof anzubieten.
Auf den Traktor ließ sie ihn erst hinauf, als er sich grob vom Schlamm gesäubert hatte; dazu war die Decke auf dem Rücksitz seines Autos doch noch von Nutzen. Dinah rückte ein Taschentuch heraus und entfernte eigenhändig die Dreckspritzer aus seinem Gesicht.
„Das erleichtert die Identifizierung bei der Polizei, falls Sie sich doch noch als Trickverbrecher entpuppen“, begründete sie ihre Beharrlichkeit und Sorgfalt dabei. Sie amüsierte sich heimlich darüber, wie schweigsam er bei dieser Prozedur war. Auf einen gelegentlichen Augenkontakt über den sehr kurzen Weg aber verzichtete er nicht. Dinah fand die Gesichtszüge, die sie soeben freilegte, sehr anziehend.
Herold hätte es für eine gewaltige Untertreibung gehalten, wenn jemand das Profil seiner Traktoristin so beschrieben hätte. Auf den seitlichen Beifahrersitz gequetscht, hatte er sie während der ganzen Fahrt im Blick und lernte dabei jedes Detail ihrer Wangen, ihrer Lippen und ihrer Stirn auswendig.
Auf halbem Wege begann Herold erst kaum vernehmlich, dann aber mit sonorer Stimme eine Live-Reportage vom Ort de Geschehens.
„Liebe Zuhörer in der großen weiten Welt, wo es zurzeit hoffentlich mal nicht regnet! Unsere Retterin und Gastgeberin tritt den Beweis an: die ländliche Bevölkerung hat keine Vorurteile gegenüber den hier ungeschickt auftretenden Städtern. Sie ist ganz ohne Zweifel eine der reizvollsten Frauen, die je einen Traktor gelenkt hat, obwohl die ortsübliche Kleidung kaum etwas dazu beiträgt, ihre Attraktivität voll zur Geltung zu bringen. Aber sie trägt ja auch die Dienstkleidung einer Hofbesitzerin und Landwirtin!“
„Sie sind ja ein richtig geschwätziger Springteufel“, unterbrach sie ihn, aber zeigte dabei ihr schönstes Lächeln.
„Außerdem bin ich nicht die Bäuerin. Ich helfe nur ein paar Wochen aus, bis meine Eltern aus dem Krankenhaus kommen... “
Dinah unterbrach sich und blinzelte maliziös zu ihm hinüber.
„... nach einem Autounfall mit einem Besucher aus der Stadt!“
Beim Einschwenken auf den Hof erfuhr Herold dann noch aus erster Hand, dass es ihr Bruder war, der bald den Hof übernehmen werde.
IV.
Von dem Bruder selbst aber gab es keine Spur auf dem ganzen Hofgelände.
„Es sieht ja beinahe so aus, als hätten Sie den nur erfunden, damit ich keine Angst bekomme, hier mit Ihnen allein zu sein!“ versuchte er, sie zu ärgern.
Da läutete das Telefon; sie lauschte eine Weile und legte den Hörer dann achselzuckend auf.
„Der hat sich mal wieder freigenommen und feiert mit seinen Freunden Werweißwas bis morgen früh“, berichtete sie.
„Schon wieder dieser ominöse Bruder! Schon wieder kein Beweis, dass es ihn wirklich gibt!“ legte er nach.
Sie winkte lachend ab. Mit herabgesenkten Lidern ließ Dinah ihren Blick noch einmal über das schlammüberzogene Exemplar von Mann gleiten, das ihr für heute erhalten blieb. Alle Unsicherheit wich von ihr; eine Leichtigkeit kehrte ein, wie sie sie lange nicht gekannt hatte.
„Das ist ein ganz Lieber!“ dachte sie. „Der kann ruhig noch bleiben!“
„Und jetzt zurück in die Zivilisation!“ machte sie ihm Dampf. „Die Dusche ist links hinten.“
Bevor er sich auf den Weg machte, warf er ihr von der Tür aus einen langen Blick zu, den sie zurückgab, ohne die Augen niederzuschlagen.
Als er nach dem Duschen herein spazierte, nur mit einem Badetuch um die Hüften, zeigte sie keine Befangenheit, obwohl er es offensichtlich darauf anlegte, sie herauszufordern. Sie gab sich interessiert, aber ruhig.
In Wirklichkeit wurde ihr aber der Atem doch ein wenig knapp. Die feinporige und noch leicht vor Feuchtigkeit glänzende Haut seiner Schultern war zum Greifen nahe.
Danach greifen! Genau diese Versuchung spürte Dinah einen Moment lang. Als sie diesen Wunsch nur mühevoll unterdrücken konnte, wusste sie, dass ihre Zurückhaltung bei diesem Mann in größte Gefahr geriet.
Hinzu kam, dass Herold so lange an seinem Badetuch herumzupfte, bis sie spürbar unruhig wurde, den alten weißen Bademantel ihres Vaters heraussuchte und ihm diesen regelrecht aufdrängte.
Als Herold ihre Aufgeregtheit bemerkte, wurde ihm nach und nach deutlich, welch großen Appetit er inzwischen auf sie bekommen hatte.