Grundwissen Kommunikation

Mesaj mə
0
Rəylər
Fraqment oxumaq
Oxunmuşu qeyd etmək
Şrift:Daha az АаDaha çox Аа

• Der Appell oder „Wozu ich Dich veranlassen möchte“

Die vier Seiten einer Nachricht sollen im Folgenden am Beispiel der Vernehmung verdeutlicht werden. Im Normalfall der Beschuldigten- oder Zeugenvernehmung kommt es sowohl nach dem PEACE-Modell (Weber & Berresheim, 2001) als auch nach der Sondierungsmethode (Sticher, 2007a) zu einem Auftaktgespräch mit der zu vernehmenden Person. Bereits durch die Art und Weise, wie die bzw. der Vernehmende die erste Sachinformation im kurzen Vorgespräch gestaltet, werden zusätzlich die drei anderen Ebenen bedient (s. Abb. 6): „Ein und die selbe Nachricht enthält viele Botschaften; ob er will oder nicht – der Sender sendet immer gleichzeitig auf allen vier Seiten“ (Schulz von Thun, 2008, S. 31).

Abbildung 6


Im Idealfall gestaltet der bzw. die Vernehmende die erste Nachricht so, dass die weitere Vernehmung in einer vertrauensvollen, möglichst angstfreien Beziehung stattfinden kann. So zeigen empirische Ergebnisse zur Beschuldigtenvernehmung, „(…) je positiver und angenehmer die Atmosphäre und damit die Beziehung zwischen Beschuldigtem und Vernehmer, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit eines Geständnisses“ (Klein, Berresheim & Weber, 2005).

Ein Beispiel für einen solchen Auftakt im Sinne von Abbildung 6 könnte folgendermaßen lauten (s. Schaukasten 4):

Schaukasten 4

Die vier Seiten einer Nachricht beim Vorgespräch einer Vernehmung

Guten Tag, Frau …, vielen Dank, dass Sie meiner Einladung zur Vernehmung gefolgt sind. Bitte setzen Sie sich doch. Ich bin KHK … und werde heute mit Ihnen das Gespräch führen.

Zunächst interessiert mich, ob Sie gut hergefunden haben? Bei den vielen Räumen hier ist das ja gar nicht so leicht.

Der Grund für Ihre Vorladung besteht darin, dass Sie Zeugin des Vorfalls … wurden, zu dem die Polizei mittlerweile ermittelt. Da Ihre Beobachtung wichtig für das weitere Ermittlungsverfahren sein kann, möchte ich Sie diesbezüglich befragen. Der Ablauf der Vernehmung gestaltet sich folgendermaßen: … Dann möchte ich Sie zunächst über Ihre Rechte und Pflichten als Zeugin belehren und anschließend Ihre Personalien aufnehmen.

Vielen Dank für Ihre Angaben. Wenn Sie mir gleich das von Ihnen Erlebte schildern, dann berichten Sie bitte alles, was Ihnen dazu einfällt und warten nicht darauf, dass ich nachfrage. Ich weiß ja noch nicht, was genau überhaupt vorgefallen ist.

Würde die Ermittlungsbeamtin/der Beamte den Auftakt des Gesprächs mit den Sätzen „Guten Tag. So, hoffentlich das letzte Gespräch vor Dienstschluss. Dann erzählen Sie mal.“ beginnen, können (müssen nicht) die vier Ebenen wie folgt interpretiert werden:

• Der Sachinhalt: Es ist wahrscheinlich das letzte Gespräch in meinem heutigen Dienst.

• Die Beziehung: Ich interessiere mich wenig für Dich und Deine Aussage. Du bist einer von vielen, die ich befragen muss und mir damit nicht wichtig.

• Die Selbstoffenbarung: Ich will Feierabend haben und das zählt.

• Der Appell: Bitte schnell machen und zur Sache kommen, damit ich hier rechtzeitig rauskomme.

Es ist offensichtlich, dass zahlreiche Störungen der Kommunikation ihren Ursprung auf der Senderseite haben. So können implizite Botschaften, das heißt nicht eindeutig ausgedrückte aber doch mitschwingende Teile der Nachricht in ihrer Uneindeutigkeit zu Missverständnissen führen: Ist das eine Luft hier kann, muss aber nicht bedeuten, dass jemand das Fenster öffnen soll. Ebenso wie inkongruente Nachrichten zu Irritationen führen können: Ich freue mich, Sie begrüßen zu dürfen mit ausdruckslosem Tonfall und gelangweilter Miene.

Abbildung 7


Einige Probleme menschlicher Kommunikation können direkt einer der vier Seiten einer Nachricht zugeordnet werden (Hesener, 2008):

1. Sachebene: Unsachlichkeit, Unklarheit, vorgeschobene Sachlichkeit

2. Beziehungsebene: Unterschiedliche Beziehungsdefinition, Statusempfindlichkeit

3. Selbstkundgabeebene: Imponiertechniken, Fassadentechniken, Selbstverbergung

4. Appellebene: Widerstand/Reaktanz, Paradoxe Appelle (Doppelbindung), Heimliche Appelle

Um die Kommunikation vollständig analysieren zu können, ist es unbedingt notwendig, auch die Empfängerseite einzubeziehen. Die Herausforderung für den Empfänger besteht darin, die vier Seiten in ihrer Gänze zu berücksichtigen und damit auf allen vier Ohren zu hören (Schulz von Thun, 2008, S. 45; s. Abb. 7).

• Der Sachinhalt: Wie ist der Sachinhalt zu verstehen?

• Die Beziehung: Wie redet der Sender eigentlich mit mir? Wen glaubt er/sie vor sich zu haben?

• Die Selbstoffenbarung: Was ist das für eine Person? Was ist mit ihr/ihm?

• Der Appell: Was soll ich tun, denken, fühlen auf Grund seiner/ihrer Mitteilung?

Werden bestimmte Komponenten der Nachricht vernachlässigt, ist das die Hauptursache für Kommunikationsstörungen.

So kann die freie Auswahl des Empfängers, auf welche Seite der Nachricht sie/er antwortet, dann zu einer misslingenden Kommunikation führen, wenn der Sender eigentlich den Schwerpunkt auf einer anderen Seite der Nachricht gelegt hat. Die Aussage eines verängstigten Bürgers, hier hat es geknallt und dann haben viele Menschen geschrieen, kann seitens des Senders als Appell gemeint sein, ihm zu helfen und beizustehen (Appellebene). Die Nachfrage seitens der ermittelnden Beamtin, um wie viel Uhr ist das genau passiert, zeigt ein Empfangen auf der Sachebene, da weitere Informationen erfragt werden.

Eine weitere Kommunikationsstörung, die ihre Ursache auf der Empfängerseite hat, sind einseitige Empfangsgewohnheiten. So steht bei bestimmten Menschen das Sachohr im Vordergrund, auch wenn die Problematik von der Beziehungsseite herrührt (Vorgesetzter in einer Einsatznachbesprechung: Bitte jetzt sachlich bleiben und persönliche Dinge weglassen.). Der gegenteilige Fall, bei dem das Beziehungsohr überbetont wird, ist ebenfalls ein Hinderungsgrund für erfolgreiche Kommunikation. Hier wird die Klärung von Sachverhalten dadurch blockiert, dass eigentlich beziehungsneutrale Botschaften doch auf sie bezogen werden. So wird die kollegiale Einsatzkommunikation, schnell vier Leute zur Unterstützung, von einem Kollegen (Empfänger) dahingehend diskutiert, wer denn hier wem was zu sagen hat.

Im Zusammenhang mit erfolgreicher Kommunikation im Kontext des psychologischen Modells von Schulz von Thun sind zwei Begriffe von Bedeutung: Empfängerorientierung und Metakommunikation.

Die zentrale Anforderung an eine erfolgreiche Kommunikation besteht in der Empfängerorientierung und sollte sich in dem Wunsch ausdrücken, wirklich von der Zuhörerin bzw. vom Zuhörer verstanden werden zu wollen (Sticher, 2012; Nettelnstroth, 2012). Dabei kommt es nicht darauf an, was der Sender sagen will, sondern was die Zuhörerin bzw. der Zuhörer versteht. Insofern ist es notwendig, sich die Gedanken, Gewohnheiten, Wertvorstellungen und Erwartungen der Rezipienten (Empfänger) zu vergegenwärtigen und zu berücksichtigen.

Bei der Metakommunikation geht es darum, die eigene Wahrnehmung der Äußerung offen zu legen und darüber zu sprechen, was der Sender mit seiner Äußerung aussagen wollte. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden, die den vier Seiten einer Nachricht zugeordnet werden können (Arbeit, Bildung und Forschung, 2003):

1. Sachebene

• Verständlich reden

• Gut zuhören

• Interessen offenlegen/Unterschiede klären

• Zeit lassen zur Lösungssuche

2. Beziehungsebene

• Akzeptierende Grundhaltung/Ich bin OK, du bist OK

• Aktiv zuhören/Gesprächsverlauf reflektieren

• Gegenüber direkt ansprechen

• Feedback geben und nehmen

3. Selbstkundgabeebene

• Ich statt man/wir

• Authentisch Gefühle zeigen bzw. aussprechen

• Eigene Meinung äußern

• Selbstkundgabe des Gegenübers nicht ausnutzen

4. Appellebene

• Wünsche direkt aussprechen und ggf. begründen

• Freundlich, positiv und konkret formulieren

• Kritik von Appell trennen

• „Phrasen“ vermeiden

Die Anatomie einer Nachricht zu verstehen und die vier Seiten zu berücksichtigen, ist eine Hilfe, Kommunikation zu verbessern. Darauf aufbauend können allgemeine Heuristiken wie Rezipientenorientierung und Metakommunikation betreiben sowie konkrete Techniken wie ich statt man/wir dazu dienen, menschliche Kommunikation störungsfreier zu gestalten.

 

5 Die Transaktionsanalyse

Mit der Transaktionsanalyse (Berne, 1964, 2012) kann ebenso wie bei den vier Seiten einer Nachricht die Kommunikation zwischen Menschen analysiert und durch die Reflektion darüber verbessert werden. Im Zentrum der Betrachtung stehen die sogenannten Transaktionen, die schon im Grundmodell der Kommunikation als der Austausch zwischen Sender und Empfänger inklusive der Reaktion des Empfängers beschrieben wurden. Der gleiche Gedanke zeigt sich bei Watzlawick et al. (2007) im 1. Axiom und zieht sich wie ein roter Faden durch das Modell von Schulz von Thun (2008). Transaktionen als Element einer zwischenmenschlichen Beziehung beinhalten also immer die Äußerung des Einen und die Antwort des Anderen (Birkenbihl, 2005). Berne (2012) bezeichnet die beiden Anteile als Transaktions-Stimulus (Reiz) und als Transaktions-Reaktion. Genau wie Watzlawick et al. (2007) mit dem 2. Axiom der Beziehungsebene eine besondere Bedeutung zusprechen, ist es das Ziel der Transaktionsanalyse, „mit anderen besser zu kommunizieren, da wir durch TA [Transaktionsanalyse] mehr Verständnis für uns sowie für unsere zwischenmenschlichen Beziehungen erhalten“ (Birkenbihl, 2005, S. 93).

5.1 Die Analyse der Persönlichkeit

Um die Kommunikation im Sinne der Transaktionsanalyse erklären zu können, muss zunächst die Strukturanalyse erläutert werden, bei der die einzelne Person betrachtet wird: Hier geht es darum, innere Prozesse und lebensgeschichtliche Entwicklungen eines Menschen zu verstehen (Deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse, 2011). Es ist zu beobachten, dass ein- und derselbe Mensch in unterschiedlichen Situationen zu verschiedenen Zeitpunkten ein völlig unterschiedliches, z.T. sich widersprechendes Verhalten mit jeweils dazu passenden Emotionen zeigt. Das führt zu der Überzeugung, dass der Mensch unterschiedliche Zustände (Verhaltensmuster) besitzt. In Anlehnung an die dreigeteilte Struktur der Persönlichkeit nach Freud (Es - Über-Ich - Ich; Harris, 1982; Birkenbihl, 2005) wird bei der Strukturanalyse zwischen drei Ich-Zuständen unterschieden (s. Abb. 8), nämlich dem Eltern-Ich (EL), dem Erwachsenen-Ich (ER) und dem Kindheits-Ich (K).

Innerhalb der Ich-Zustände werden noch verschiedene, Zustände unterschieden (Birkenbihl, 2005), die im Rahmen der Funktionsanalyse als positiv (der Kommunikation zuträglich) oder auch negativ (der Kommunikation abträglich) eingeordnet werden (Deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse, 2011). So besteht das Kindheits-Ich, das von Berne (2012) als der wertvollste Bestandteil der Persönlichkeit bezeichnet wird, aus dem natürlichen Teil, der für Freude und Schmerz, Spontaneität, Kreativität, Anmut und Neugierde steht. Das weinende K seinerseits beinhaltet eine Verteidigungshaltung und ist deshalb konfus und trotzig. Analog lässt sich das Eltern-Ich in eine für die Kommunikation günstige und eine ungeeignete Seite aufteilen: Das liebevolle EL, welches fürsorglich und hilfsbereit ist und das kritische Eltern-Ich, welches verbietet und belehrt bzw. den Einzelnen dazu veranlasst, eine Verteidigungshaltung einzunehmen. Das Erwachsenen-Ich wird nicht weiter differenziert.

Die Ursache für das Einnehmen der drei Ich-Zustände in bestimmten Situationen wird in der Lebensanschauung des Menschen gesehen. Diese entwickelt sich aus dem Lebensdrehbuch heraus, das bereits von erstem Tag nach der Geburt an durch die Erfahrungen des Säuglings bzw. Kleinkindes mit seiner Umwelt entsteht und das gesamte weitere Leben des Menschen bestimmt (Harris, 1982; Sticher, 2012; Deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse, 2011). In der Transaktionsanalyse werden vier dieser Lebensanschauungen, wie ein erwachsener Mensch sich und andere sieht, unterschieden (s. Abb. 9).

Die Konsequenzen aus diesen vier Grundeinstellungen können wie folgt charakterisiert werden (Felfe, 2009):

• Die Lebensanschauung Ich bin OK – Du bist nicht OK führt zu einer dominanten Grundhaltung (Eltern-Ich) oder zu einem Rückzugs- und Trotzverhalten aus der Kindheit (Kindheits-Ich).

• Ich bin nicht OK – Du bist OK zeigt sich an einer unterwürfigen Grundhaltung, wobei die Entwicklung hin zum Erwachsenen-Ich stagniert und Verzweiflung und Resignation dominieren.

• Typisch für die frühe Kindheit mit der oftmals angsterfüllten Abhängigkeit des Kindes ist die resignative Grundhaltung des Ich bin nicht OK – Du bist nicht OK.

• Dem Ideal der reifen, dem Erwachsenen-Ich entsprechenden, Lebensanschauung ist Ich bin OK – Du bist OK, welche sich durch eine partnerschaftliche Grundhaltung eines zufriedenen, erwachsenen Menschen auszeichnet.

Abbildung 8


Abbildung 9


Abbildung 10


5.2 Die Analyse der Transaktionen

Auf Basis der Strukturanalyse kann es nun gelingen, die Transaktionen zu analysieren. Damit kann herausgefunden werden, „welche Ich-Anteile der Beteiligten an einer Interaktion den jeweiligen Reiz oder die Reaktion auslösen (…) [bzw.] welcher Teil seines Eltern-, Erwachsenen- oder Kindheits-Ichs momentan die Führung übernommen hat“ (Sticher, 2012, S. 137). Es ist zu erkennen, dass davon ausgegangen wird, dass jeder Mensch stets aus einem seiner drei Ich-Zustände heraus agiert. Dabei werden drei grundsätzliche Arten von Transaktionen unterschieden, die sich ihrerseits in unterschiedliche Fälle differenzieren lassen: (1) komplementäre (einfache, parallele) Transaktionen, (2) Überkreuz-Transaktionen und (3) verdeckte (komplizierte) Transaktionen. Analog zur Unterscheidung zwischen einerseits dem Sachinhalt und andererseits den drei weiteren Seiten einer Nachricht (Beziehung, Appell, Selbstoffenbarung) ist bei der Transaktionsanalyse zwischen der sozialen und der psychologischen Ebene (Sticher, 2012) zu differenzieren. Es ist somit zu beachten, dass Transaktionen immer neben der sachlichen Information (soziale Ebene) auch die zwischen den Zeilen mitschwingenden Teile der Nachricht (u. a. durch nonverbale und paraverbale Signale) beinhalten (psychologische Ebene).

Komplementäre (einfache, parallele) Transaktionen

Komplementäre Transaktionen zeichnen sich in ihrer graphischen Darstellung dadurch aus, dass sie parallel verlaufen (s. Abb. 10). Derartige Transaktionen erweisen sich als störungsfrei, da der Ich-Zustand, an den gesendet wurde (1), an den Ich-Zustand rückmeldet (2), der ihn angesprochen hat. Bei parallelen Transaktionen zeigt sich, dass sie sich gegenseitig ergänzen und damit endlos weitergehen können.

Im ersten Beispiel handelt es sich um eine Kommunikation mit einer partnerschaftlichen Grundhaltung (Ich bin OK – Du bist OK), die auf Gegenseitigkeit beruht. In der polizeilichen Innenkommunikation könnte sich diese Transaktion von Erwachsenen-Ich zu Erwachsenen-Ich in einem Mitarbeitergespräch wie folgt darstellen:

Beispiel

Vorgesetzter (Sender): „Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mit mir über den letzten Einsatz zu sprechen. Ich denke, dass es viel Gutes gab und wir heute die Verbesserungsmöglichkeiten herausarbeiten können.“

Mitarbeiter (Rückmeldung): „Ich freue mich, dass Sie mich dazu eingeladen haben und bin auf Ihr Feedback gespannt. Aus meiner Sicht ist vieles gut gelaufen, aber uns sind auch ein paar Kleinigkeiten aufgefallen, die beim nächsten Mal nicht sein müssen.“

Im Zweiten Beispiel spricht das kritische Eltern-Ich das Kindheits-Ich an, das passend dazu als weinerliches (trotziges) Kindheits-Ich reagiert und damit wiederum das Eltern-Ich anspricht:

Beispiele

Vorgesetzter (Sender): „Schön, dass ich Sie antreffe. Da ist ja beim letzten Mal wohl einiges schief gegangen. Sie hatten das doch in den Griff kriegen wollen.“

Mitarbeiter (Rückmeldung):„Da kann ich doch nichts machen, wenn die Information mich so spät erreicht. Da hätte ich mal andere sehen wollen. Den Schuh ziehe ich mir nicht an.“

Überkreuz-Transaktionen

Wenn sich die Transaktionen im EL-ER-K-Schema überkreuzen, ist die Kommunikation konfliktär (s. Abb. 11).

Ursächlich für die gestörte Kommunikation bei Überkreuz-Transaktionen sind zwei Arten von Nicht-OK-Grundeinstellungen: Ich bin nicht OK führt zu einer Kommunikation aus dem Kindheits-Ich heraus, was wiederum eine dauerhafte Verteidigungshaltung zur Folge hat. Du bist nicht OK, das seine Ursache eigentlich in einer Ich bin nicht OK-Einstellung hat, mündet ich einer Kommunikation aus dem (kritischen) Eltern-Ich heraus. Das äußert sich darin, dem Gegenüber Gefühle der Unterlegenheit zu vermitteln.

Abbildung 11


Beispiele

1. Transaktionsbeispiel:

• Kritisches Eltern-Ich zu Kindheits-Ich (Reiz) - Kritisches Eltern-Ich zu Kindheits-Ich (Reaktion)

• Schutzpolizistin (Sender) zum Fahrradfahrer auf dem Bürgersteig: „Was denken Sie sich eigentlich dabei, hier Rad zu fahren?“

• Bürger (Rückmeldung): „Was denken Sie sich eigentlich dabei, mit einem Bürger so zu reden?“

2. Transaktionsbeispiel:

• Erwachsenen-Ich zu Erwachsenen-Ich (Reiz) - weinerliches Kindheits-Ich zu Eltern-Ich (Reaktion)

• Kriminalpolizist (Sender) zu Schutzpolizist: „Kannst Du hier absperren, damit ich die Spuren sichern kann?“

• Schutzpolizist (Rückmeldung): „Als ob ich nicht wüsste, was ich jetzt zu tun habe.“

3. Transaktionsbeispiel:

• Kritisches Eltern-Ich zu Kindheits-Ich (Reiz) - Erwachsenen-Ich zu Erwachsenen-Ich (Reaktion)

• Vorgesetzter (Sender): „Schön, dass ich Sie antreffe. Da ist ja beim letzten Mal wohl einiges schief gegangen. Sie hatten das doch in den Griff kriegen wollen.“

• Mitarbeiter (Rückmeldung): „Ich höre da eine Unzufriedenheit bei Ihnen über den letzten Einsatz heraus. Wir können gerne darüber reden. Wann ist es Ihnen recht?“

Abbildung 12


Verdeckte (komplizierte) Transaktionen

Wie bereits beschrieben, kann bei Transaktionen zwischen der sozialen und der psychologischen Ebene unterschieden werden. Bei verdeckten Transaktionen ist es nicht offensichtlich, welche Ich-Zustände beteiligt sind. Hinter der offen erkennbaren Kommunikation verbirgt sich eine versteckte Ebene (s. Abb. 12), die, wenn überhaupt, durch den analogen Teil der Kommunikation (non- und paraverbal) oder durch Hintergrundwissen zu identifizieren ist. Das bedeutet, dass verdeckte Transaktionen Ausdruck eines Konfliktes sind.

In dem Beispiel scheint eine Erwachsenen-Ich-Transaktion vorzuliegen. Vorinformationen über die Gesprächspartner und der mitschwingende Ton führen jedoch zur Erkenntnis, dass auf der psychologischen Ebene ein anderes Verständnis angebracht ist: Das kritische Eltern-Ich spricht zum Kindheits-Ich und das weinerliche Kindheits-Ich reagiert in Richtung Eltern-Ich.

Beispiel

Kollege A zu Kollege B: „Nimm Du ruhig deine drei Wochen Urlaub am Stück“ (Scheinbar Erwachsenen-Ich, aber ironischer Unterton). Kollege B zurück zu Kollegen A: „Dann mache ich das mal“ (Scheinbar Erwachsenen-Ich, aber trotziger Tonfall).

 

5.3 Transaktionsanalytische Anforderungen an polizeiliche Kommunikation

In persönlichen Situationen von Menschen kann es durchaus positiv sein, beispielsweise aus dem natürlichen Kindheits-Ich heraus zu handeln und spontane Freude auszudrücken. Es kann auch unter Erwachsenen manchmal sinnvoll sein, die Position eines fürsorglichen Eltern-Ichs einzunehmen, weil damit die Bedürfnisse des Kommunikationspartners befriedigt werden. Die grundsätzliche Herausforderung für die Polizeibeamtin und den Polizeibeamten sowohl in der Innen- als auch der Außenperspektive professioneller polizeilicher Kommunikation besteht allerdings darin, eine Kommunikation im Erwachsenen-Ich zu führen. Die damit einhergehende Haltung (Lebensanschauung) ist akzeptierend und wertschätzend (Ich bin OK – Du bist OK) und damit Garant für eine störungsfreie Kommunikation. Für die Polizeibeamtin und den Polizeibeamten ist es wichtig zu erkennen, dass die Reaktion des polizeilichen Gegenübers oft aus dem Ich-Zustand kommt, der angesprochen wird. Gelingt es also, die Bürgerin bzw. den Bürger auf der Erwachsenen-Ebene anzusprechen, ist auch eher mit einer Erwachsenen-Ich-Reaktion zu rechnen. Kommuniziert die Polizistin bzw. der Polizist jedoch aus dem kritischen Erwachsenen-Ich heraus, ist die Reaktion aus dem trotzigen Kindheits-Ich heraus wahrscheinlich und die Kommunikation verläuft ungünstig. Aus den genannten Argumenten ergibt sich die Anforderung an die Polizeikraft (und im Grunde genommen an jeden Menschen), im Erwachsenen-Ich zu bleiben bzw. ein starkes ER aufzubauen, wobei folgende Hinweise helfen können (s. Schaukasten 5):

Schaukasten 5

Methoden zum Aufbau eines Erwachsenen-Ichs (Harris, 1982, S. 118)

1. Lerne dein Kindheits-Ich erkennen Häufigste Formen, in denen es seine Gefühle (z. B. Ängste) ausdrückt

2. Lerne dein Eltern-Ich erkennen Formen, in denen es Gebote, Verbote, Grundsätze ausdrückt

3. Sei aufgeschlossen für das Kindheits-Ich in einem anderen Menschen Erkenne es an und reagiere entsprechend (z. B. beschützend)

4. Zähle bis zehn, um dem [meinem] Erwachsenen-Ich Zeit zur Vorbereitung zu geben

5. Bei Zweifel: Auch manchmal einfach nichts sagen

6. Erarbeite ein ethisches Wertesystem Mit diesem Fundament werden bessere (Kommunikations-)Entscheidungen getroffen

6 Fazit

Mit diesem Beitrag soll ein weiterer Schritt gemacht werden, um polizeiliche Kommunikation zu verbessern. Wer die Grundlagen der Kommunikation nachvollziehen kann und gedanklich den Transfer auf den polizeilichen Kontext beherrscht, hat sich die Voraussetzung erarbeitet, zukünftig erfolgreich kommunizieren zu können. Das Verständnis von Kommunikation durch das Grundmodell der Kommunikation bzw. die fünf Axiome von Watzlawick et al. (2007) und die Fähigkeit zur Analyse von Kommunikation durch die vier Seiten einer Nachricht von Schulz von Thun (2008) können als notwendige Bedingung für das Gestalten erfolgreicher Kommunikation angesehen werden.

Einschränkend muss angemerkt werden, dass damit noch keine Handlungskompetenz im Sinne der Hilfreichen Gesprächsführung (Schwäbisch & Siems, 1997; Sticher, 2012), des Aktiven Zuhörens (Schwäbisch & Siems, 1997; s. Kap. Aktives Zuhören von Hallenberger in diesem Band), der gesunden bzw. gewaltfreien Kommunikation (Sandvoß, 2009; Rosenberg, 2004, zitiert nach Böhm, 2007, bzw. Gens, 2004) oder der Kunst des richtigen Fragens (Sticher, 2012; s. Kap. Fragen – Fragetechniken in diesem Band) besteht. Um diese zu erreichen, bedarf es zusätzlich des Trainings und der Anwendung in realistischen Situationen, damit die neuen Handlungsweisen zugunsten vertrauter Strategien gefestigt werden (Nettelnstroth, 2012; Sticher, 2012).

Literatur

Arbeit, Bildung und Forschung e.V. (2003). Ausbildung zum Verhaltens- und Kommunikationstrainer - Lehrunterlagen. Freie Universität Berlin, Arbeitsbereich Wirtschafts- und Organisationspsychologie.

Berne, E. (2012). Spiele der Erwachsenen. Psychologie der menschlichen Beziehungen (13. Aufl.). Reinbek: Rowohlt.

Birkenbihl, V. F. (2005). Kommunikationstraining. Zwischenmenschliche Beziehungen erfolgreich gestalten (26. Aufl.). Frankfurt a. M.: mvg Verlag.

Blaschke, D. (1987). Soziale Qualifikationen im Erwerbsleben: Theoretisches Konzept und empirische Ergebnisse. Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.

Böhm, R (2007). Konfliktmanagement. Eine Einführung zur Praxis und Philosophie von Konflikten. VÖGB/AK.

Deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse (2011). Verfügbar unter: http://www.dgta.de/transaktionsanalyse.php?PHPSESSID=8a4357134e9ed3dd344cced126f3a773 [21.8.2013]

Dubbert, G. (2001). Gesprächsführung mit dem Bürger. In M. Hermanutz, C. Ludwig & H. P. Schmalzl, Moderne Polizeipsychologie in Schlüsselbegriffen (2., aktualisierte und erw. Aufl.; S. 76 - 82). Stuttgart: Boorberg.

Eggers, R. (2001). Lautsprecherdurchsagen. In M. Hermanutz, C. Ludwig & H. P. Schmalzl, Moderne Polizeipsychologie in Schlüsselbegriffen (2., aktualisierte und erw. Aufl.; S. 103 - 109). Stuttgart: Boorberg.

Eggers, R. (2001). Nonverbale Kommunikation/Körpersprache. In M. Hermanutz, C. Ludwig & H. P. Schmalzl, Moderne Polizeipsychologie in Schlüsselbegriffen (2., aktualisierte und erw. Aufl.; S. 124 - 130). Stuttgart: Boorberg.

Felfe, J. (2009). Lehrskript Sozialpsychologie-II. Sozialer Einfluss und Gruppenprozesse. Uni Siegen, Studiengang Psychologie.

Gasch, B. (2011). Kommunikation in Notfallsituationen. In F. Lasogga & B. Gasch (Hrsg.). Notfallpsychologie (S. 429-433). Heidelberg: Springer Medizin Verlag.

Gens, K.-D. (2004). Gewaltfreie Kommunikation nach Dr. Marshall Rosenberg. Einführung. Forum Gewaltfreie Kommunikation Berlin.

Grunwald, W. (1990). Aufgaben und Schlüsselqualifikationen von Managern. In W. Sarges (Hrsg.), Management-Diagnostik. Göttingen: Hogrefe.

Hallenberger, F. (2006). Psychologische Krisenintervention für Einsatzkräfte. Frankfurt am Main: Verlag für Polizeiwissenschaft.

Hallenberger, F. (2009, Oktober). Kommunikation in der psychologischen Krisenintervention. Beitrag auf der Tagung Polizei & Psychologie 2009 am 27. - 28. Oktober 2009 in Frankfurt am Main [Abstract].

Harris, T. A. (1982). Ich bin o.k. – Du bist o.k. Wie wir uns selbst und unsere Einstellungen zu anderen verändern können – Eine Einführung in die Transaktionsanalyse. Reinbek: Rowohlt.

Hermanutz, M., Ludwig, C. & Schmalzl, H. P. (Hrsg.). (2001). Moderne Polizeipsychologie in Schlüsselbegriffen (2., aktualisierte und erw. Aufl.). Stuttgart: Boorberg.

Herrmann, T. (1992). Sprechen und Sprachverstehen. In H. Spada (Hrsg.). Lehrbuch allgemeine Psychologie (2., korrigierte Aufl.; S. 281-320). Bern: Huber.

Herkner, W. (1991). Lehrbuch Sozialpsychologie (5., korr. und stark erw. Aufl.). Bern: Huber.

Hesener, B. (2008). Lehrskript Kommunikation und Präsentation. Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg, Bachelor-Studiengang Polizeivollzugsdienst.

Hofinger, G. (2008). Kommunikation. In P. Badke-Schaub, G. Hofinger & K. Lauch (Hrsg.), Human Factors. Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen (2. Aufl.; S. 141-162). Heidelberg: Springer Medizin Verlag.

Klein, F., Berresheim, A. & Weber, A (2005). Aussageverhalten von Beschuldigten und Konsequenzen für die Fortbildung. Polizei & Wissenschaft, 1, 2-15.

Kugelmann, D. (2012). Polizei- und Ordnungsrecht. Berlin: Springer.

Lasogga, F. & von Ameln, F. (2010). Kooperation bei Großschadensereignissen. Gruppendynamik und Organisationsberatung, 41 (2), 157-176.

Ludwig, C. (2001). Mitarbeitergespräche. In M. Hermanutz, C. Ludwig & H. P. Schmalzl, Moderne Polizeipsychologie in Schlüsselbegriffen (2., aktualisierte und erw. Aufl.; S. 110 - 116). Stuttgart: Boorberg.

Ludwig, C. (2001). Vorgesetzten-Feedback. In M. Hermanutz, C. Ludwig & H. P. Schmalzl, Moderne Polizeipsychologie in Schlüsselbegriffen (2., aktualisierte und erw. Aufl.; S. 278 - 282). Stuttgart: Boorberg.

Mertens, D. (1974). Schlüsselqualifikationen: Thesen zur Schulung für eine moderne Gesellschaft. Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 7, 36-43.

Nerdinger, F. W. (2011). Interaktion und Kommunikation. In F. W. Nerdinger, G. Blickle & N. Schaper (Hrsg.), Arbeits- und Organisationspsychologie.(S. 55-67). Berlin: Springer.

Nettelnstroth, W. (2012). Führung nach Außen. Studienbrief für den Studiengang Master Sicherheitsmanagement. Unveröffentlichtes Manuskript, HWR Berlin.

Pennig, S. (2001). Soziale Kompetenz und Persönliche Kompetenz. In M. Hermanutz, C. Ludwig & H. P. Schmalzl, Moderne Polizeipsychologie in Schlüsselbegriffen (2., aktualisierte und erw. Aufl.; S. 198 - 204). Stuttgart: Boorberg.

Sandvoß, R. (2009, Oktober). Gesunde Kommunikation von Polizisten (Einfluss der Kommunikation auf die Gesundheit von Polizisten). Beitrag auf der Tagung Polizei & Psychologie 2009 am 27. - 28. Oktober 2009 in Frankfurt am Main [Abstract].

Schulz von Thun, F. (2008). Miteinander reden 1-3 (Sonderausgabe). Reinbek: Rowohlt.

Schulz von Thun Institut für Kommunikation. Das Kommunikationsquadrat. Verfügbar unter: (http://www.schulz-von-thun.de/index.php?article_id=71 [18.8.2013])

Schwäbisch, L. & Siems, M. (1997). Anleitung zum sozialen Lernen für Paare, Gruppen und Erzieher. Reinbek: Rowohlt.