Grundwissen Kommunikation

Mesaj mə
0
Rəylər
Fraqment oxumaq
Oxunmuşu qeyd etmək
Şrift:Daha az АаDaha çox Аа

Signale für soziale Dominanz

Hält man es für richtig, in einer Situation dominant zu wirken und auszustrahlen, dass man die Kontrolle über die Situation hat, so kann man nonverbale Signale gezielt einsetzen. Zu beachten ist, dass sich diese Merkmale dann automatisch ergeben, wenn die entsprechende innere Haltung gegeben ist. Alles andere müsste eher schauspielerisch gezeigt werden. Dies ist aber nicht ohne Risiko, da in einer gefährlichen Situation Ressourcen zu Kontrolle von nonverbalen Verhaltensweisen eher knapp sein dürften und auch – wie weiter oben schon ausgeführt – nonverbale Signale unterschiedlich schwer zu simulieren bzw. kontrollieren sind. Dabei sind es oft nicht einzelne Signale, sondern deren Kombination, die Wirkung zeigen: So ist die Kombination von Nähe und Augenkontakt für ein dominantes Auftreten bedeutsam (Burgoon et al., 1984). Kommt es aber zu Unstimmigkeiten, d. h. Inkongruenzen zwischen den Kanälen, die wahrgenommen werden können, kann dies das Gesamtbild aufheben oder ins Gegenteil verkehren. Das Gegenüber durchschaut, dass Dominanz nur simuliert werden soll.

Auch wenn unterschiedliche stimmliche Merkmale wie Lautheit, Lautstärkevariation, Klang, Sprechgeschwindigkeit etc. in der Kommunikation erst in ihrem Zusammenspiel Wirkung entfalten und deshalb als Gesamtheit zu betrachten sind (Tusing & Dillard, 2000), scheint die Lautstärke und deren Variation die Zuschreibung sozialer Dominanz entscheidend zu beeinflussen. Übertragen auf polizeiliche Situationen bedeutet dies, relativ laut zu sprechen und diese Lautheit auch zu variieren. So kann betont werden und die Aufmerksamkeit auf das Gesagte bleibt durch die Variation bestehen; weiterhin stellt dies auch sicher, dass man auch bei Hintergrundlärm verstanden werden kann. Nicht gemeint ist dabei ein Schreien, welches Aspekte von Aggression oder Angst enthalten kann.

Ein weiterer, zentraler nonverbaler Kommunikationskanal für Dominanz ist das Blickverhalten. Längere Blicke führen beim Angeschauten zur Einschätzung, dass der Blickende dominant ist (Burgoon et al., 1984; Thayer, 1969). Kürzeres Anschauen wird weniger dominant wahrgenommen. Damit ist kein Starren gemeint, sondern konzentriertes Ansehen. Zu beachten ist jedoch, dass sehr langes Anschauen – insbesondere ohne gleichzeitige verbale Kommunikation – zu einer sehr dominanten Beurteilung führen kann, die dann bedrohlich wirkt und eventuelle Aggressionen auslöst (im Sinne „Was guckst Du?“). Zu bedenken ist, dass die Dauer des als angemessen geltenden Angeschautwerdens individuell unterschiedlich ist, d. h. sich diese nicht an einer exakten Anzahl von Sekunden messen lässt, sondern von unterschiedlichen Aspekten der angesehenen Person abhängt (Kultur, Situation etc.). Hier hilft nur, mit den Augen den Blick nicht nur auf die Person zu richten, sondern auch darauf zu achten, wie diese auf den Blick reagiert und sein eigenes Verhalten entsprechend nachzusteuern. Nicht weit von den Augen entfernt befinden sich die Augenbrauen. Auch diesen kommt eine kommunikative Funktion zu: Eher nach oben gezogene Brauen bewirken einen Eindruck von Unterwürfigkeit, abgesenkte eher von Dominanz (Keating, 1985).

Polizeilich zu diskutieren ist ferner der Einfluss der Distanz zwischen Personen: Burgoon et al. (1984) fanden: Bei geringerer Distanz werden Personen eher als dominant wahrgenommen, vgl. „Jemandem auf den Pelz rücken“. Nun kann daraus sicherlich nicht direkt abgeleitet werden, dass Polizeibeamte in kritischen Situationen einfach näher an das Gegenüber herantreten sollen. Das kann dominant, vielleicht sogar bedrohlich wirken, widerspricht aber womöglich dem Prinzip der Einhaltung eines Sicherheitsabstands. Andererseits wird deutlich, dass ein zu großer Abstand wenig dominant wirkt.

Die Zuschreibung legaler Macht kann unter Umständen eher zu einer Neigung führen, den Anweisungen einer Person zu folgen, der man dieser Macht zuschreibt. Man hält den Einfluss, den diese Person auf einen ausübt für legitim. Aguinis, Simonsen & Pierce (1998) fanden eine hohe Zuschreibung solcher Legalität, wenn der Gesichtsausdruck, im Unterschied zu einer nervös wirkenden Mimik, eher entspannt wirkt.

Signale für die Bereitschaft zum Einsatz von polizeilichen Einsatzmitteln und körperlicher Gewalt

Soll ein polizeiliches Gegenüber überzeugt werden, dass die handelnden Polizeibeamten auch körperliche Gewalt einsetzen, Einsatzmittel zum Einsatz bringen und angedrohte polizeiliche Maßnahmen in diesem Zusammenhang auch durchführen werden, sie also bereit sind für eine Auseinandersetzung, so können nonverbale Signale dies unterstreichen oder zweifelhaft erscheinen lassen. Naheliegend ist, dass die Androhung eines Einsatzmittels so lange noch relativ unwahrscheinlich erscheint, bis es in die Hand genommen und sein Einsatz funktionsmäßig vorbereitet wird. Selbstverständlich ist es möglich, eine Schusswaffe auch schnell zu ziehen und zu schießen, ohne dass man sie am Griffstück angefasst hat (aufmerksame Sicherungshaltung). Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass es häufig nicht bedrohlich wirkt, wenn die Hand nicht auf der Waffe liegt, man aber davon spricht, die Waffe einzusetzen.

So wie Sprinter am Startblock eine Haltung einnehmen, die dann in einen schnellen Start mündet, so ist auch für einen Kampf eine entsprechende Verteidigungs- oder Angriffsposition und -haltung einzunehmen. Dabei sind die Hände deutlich über Hüfthöhe zu halten, um Block- oder Angriffsaktionen ausführen zu können. Die Beine sind mindestens leicht gebeugt und in Schrittstellung. Eine eher nicht bereite Haltung signalisieren hängende Arme, womöglich noch pendelnd, was entspannt und locker anmutet. Ebenso sind eine parallele Fußstellung und durchgedrückte Kniegelenke (Beine ganz gerade) zu vermeiden. Wenn man die Augen nicht auf den Gegner richtet, kann sich dieser mit Recht fragen, ob die so dastehende Person mit einem Angriff rechnet und wie schnell die Person reagieren würde, wenn der Kampf losgeht.

Teil einer eher entspannten und ahnungslos wirkenden Haltung ist ein Lächeln. Gemeint ist hier die freundlich-naive Version und nicht die überlegene, belächelnde Art. Der Blickkontakt sollte eher entspannt, nicht starrend sein, kann dabei auch schwenken, wenn dies den Anschein hat, damit den Überblick zu haben. Nicht gemeint ist hektisches Hin- und Herspringen mit den Augen, was eher auf Angst rückführbar ist. Der Oberkörper ist aufrecht, leicht nach vorne gebeugt, also symbolisch auf den Gegner zugerichtet und nicht nach hinten gebeugt, was eher mit Ausweichen und Flüchten assoziiert ist. Eine aufrechte Haltung, eventuell noch mit geschwollener Brust und erhobenem Kopf, lässt einen sowohl größer als auch entschlossener sowie selbstsicherer erscheinen. Die Schultern sollten dabei nicht hochgezogen werden, da dies häufig ein Zeichen von Angst ist. Nicht hektisch mit den Händen symbolisieren oder herumzeigen, insbesondere das Vormachen, wie man sich an die Wand zu stellen hat, mit ausgestrecktem Arm, birgt die Gefahr, dass genau in diesem Moment weder eine Deckung durch die Arme vorhanden ist noch ein Einsatzmittel eingesetzt werden kann, da die Hände relativ weit von den Einsatzmitteln entfernt sind.

Nervosität, mikromimische Reaktionen und Lügenerkennung

Jede Lügenerkennung ist ein Entscheidungsproblem. Die Grundidee wird in Tabelle 2 veranschaulicht. Fehlentscheidungen sind in der Tabelle kursiv dargestellt. So kann man eine tatsächliche, wahre Aussage irrtümlich nicht glauben (Zelle oben rechts) oder eine tatsächliche Lüge irrtümlich glauben (Zelle unten links). Bei den nicht kursiv dargestellten Zellen handelt es sich um korrekte Entscheidungen.

Es geht also nicht schlicht darum, eine Lüge zu erkennen, sondern darum, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden. Würde man jede Aussage vorsichtshalber als Lüge einstufen, hätte man zwar jede Lüge erkannt, aber auch viele wahre Aussagen falsch als Lüge klassifiziert. Die folgenden Ausführungen befassen sich mit dieser Gratwanderung, bezogen auf nonverbale Merkmale als mögliche Hilfsmittel zur Lügenerkennung. Kann man mit Hilfe nonverbaler Merkmale Lügen erkennen oder kann man das nicht oder nur mit einem hohen Fehlerrisiko? Das ist die Leitfrage für diesen Abschnitt. Die Ausführungen konzentrieren sich auf zwei Gruppen nonverbaler Merkmale, die immer wieder als Lügenmerkmale diskutiert werden: Mikromimische Ausdrücke und Nervositätssignale.

Unspezifitätsproblem

Nach Ekman (2010, 303-304) kann beim Versuch, Emotionen zu verbergen, ein Mikroausdruck entstehen, der kürzer andauert als eine Sekunde. Beispielsweise sieht man bei einer Person sehr kurz Ärger, den diese Person aber verbergen möchte und deshalb sofort eine andere, in der Regel positive Emotion zeigt. Trotz guter Emotionskontrolle kann man aus einer solchen mikromimischen Reaktion schließen, dass sich die fragliche Person geärgert hat und dass die Person das nicht zeigen möchte. Sofern man das Überblenden einer Emotion durch eine andere als Lüge bezeichnen möchte, hat man mit mikromimischen Reaktionen einen Ansatzpunkt. Allerdings geht es in aller Regel zu weit, das Überblenden von Emotionen automatisch als Lüge zu bezeichnen. Wie aber würden Sie die folgende Situation interpretieren? Sabrina zeigt mikromimisch Ärger, obwohl Stefan, ihr Partner, eigentlich Freude erwartet, als er Sabrina mitteilt, eine angekündigte Dienstreise kurzfristig doch nicht anzutreten. Aber Vorsicht: Man sollte aufgrund einer unerwarteten mikromimischen Reaktion wie der Sabrinas nicht gleich auf eine zerrüttete Beziehung oder eine Affäre schließen. Der Ärger Sabrinas kann viele Ursachen haben. Und genau hier liegt das Kernproblem des Lügenerkennens. Ein nonverbales Merkmal, hier nicht zur Situation passender Ärger, der überspielt wird, kann viele Ursachen haben.

 

Tabelle 2

Das Entscheidungsproblem (nach Litzcke & Hermanutz, 2009b, 169).


Entscheidung Wahrheit:Entscheidung Lüge:
Realität WahrheitRichtige Einschätzung WahrheitFalsche Einschätzung Lüge
Realität LügeFalsche Einschätzung WahrheitRichtige Einschätzung Lüge

Verdeutlicht wird dieses Grundproblem des Lügenerkennens durch weitere Ausführungen von Ekman zu mikromimischen Ausdrücken (2010, 296-297). Mikromimische Ausdrücke können auch dann auftreten, wenn man nicht sicher weiß, was man fühlt. Eine sichere Interpretation nonverbaler Merkmale ist damit nur schwer möglich. Angenommen, man hat ein Training absolviert und wäre in der Lage, mikromische Ausdrücke zu erkennen. Dann bliebe immer noch das Problem, ob ein mikromimischer Ausdruck auf eine unterdrückte Emotion zurückgeht, das könnte ein Hinweis auf eine Lüge sein, oder ob er auf eine Art emotionale Ratlosigkeit zurückgeht, das wäre dann kein Hinweis auf eine Lüge. Und selbst wenn man auch dieses Problem gelöst hätte, bliebe die Frage: Wie viele verschiedene Ursachen gibt es dafür, dass eine Person tatsächlich gefühlten Ärger überblendet? Zu viele, um sicher von Lüge sprechen zu können. Man kann bei überblendeten Emotionen nur dann von einer Lüge ausgehen, wenn man alle anderen, möglichen Ursachen für eine solche Überblendung ausschließen kann.

Ähnlich problematisch ist die vorschnelle Interpretation von nonverbalen Nervositätssignalen als Lügenmerkmale. Es lassen sich keine stabilen Muster zwischen Lügen und einzelnen nonverbalen Verhaltensweisen nachweisen, um zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden zu können (Ekman, 2010, 310; Köhnken, 1986; Vrij et al., 2001). Andererseits werden Nervositätssignale von Polizeibeamten subjektiv als wichtige Lügenmerkmale eingeschätzt (Litzcke & Klossek, 2009, 211), ähnlich wie von anderen Personen auch (The Global Deception Research Team, 2006). Daher besteht hinsichtlich der Nervositätssignale ein besonders hohes Irrtumsrisiko. Unglücklicherweise gibt es neben Lügen aber viele andere mögliche Ursachen für Nervosität. Wird dies nicht beachtet, führt eine gehäufte Beobachtung von Nervositätssignalen zum Fehlschluss, dass eine Person lügt (Litzcke & Klossek, 2009, 211). Das Grundproblem ist dasselbe wie bei der oben beschriebenen Interpretation mikromimischer Ausdrücke.

Verlaufsproblem

Entscheidend sind Veränderungen im nonverbalen Verhalten während einer Vernehmung, beispielsweise die Abnahme von Illustratoren an einer bestimmten Stelle einer Vernehmung. Das schlichte Auszählen von Körperbewegungen während einer Vernehmung insgesamt ist hingegen wenig sinnvoll. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Person während einer Vernehmung durchgängig lügt. Lügen wären vielmehr bei ermittlungsrelevanten Details zu erwarten. Also beispielsweise: „Ich habe Sie gefragt und Sie hat eingewilligt.“ Möglicherweise hat der Vernommene tatsächlich gefragt, die Antwort war aber „Nein!“ Es kann daher nicht darum gehen, eine gesamte Aussage als Wahrheit oder Lüge zu klassifizieren, sondern man benötigt eine präzise Einschätzung spezifischer Aussagen des Vernommenen. Die absolute Anzahl verbaler oder nonverbaler Merkmale ist unerheblich, solange ein Merkmal als persönliche Eigenheit im gesamten Gespräch gleichhäufig vorkommt; ähnlich argumentiert DePaulo (1994, 85).

Interaktionsproblem

Man darf Veränderungen von Warnsignalen nicht durch eigenes Verhalten, beispielsweise durch Änderung des Befragungsstils, herbeiführen. Wenn man während einer Vernehmung plötzlich unfreundlicher wird, reagiert die vernommene Person hierauf. Eine Verhaltensänderung der vernommenen Person kann dann nicht sinnvoll als Ausdruck deren inneren Haltung interpretiert werden. So werden die meisten Menschen beispielsweise auf Vorhaltungen abweisend reagieren. Für Vernehmungen gilt daher: Eine Vernehmungsperson darf nicht selbst Ursachen für Verhaltensänderungen bei der Aussageperson setzen. Beachtet man diese Regel nicht, verursacht man ggf. dasjenige Verhalten, das man anschließend interpretiert (Akehurst & Vrij, 1999, 204; Litzcke & Hermanutz, 2009a, 29).

Ferner können bestimmte Situationen selbst Nervosität auslösen. Beispielsweise wird eine Vernehmung in einem Mordfall bei den meisten Personen Nervosität auslösen, unabhängig davon, ob sie an dem Mord beteiligt waren oder nicht. Auch deshalb argumentieren DePaulo et al. (2003, 105), das man Durchschnittswerte für Lügenmerkmale in spezifischen Situationen erfassen sollte. Polizei- oder gerichtserfahrene Personen sind, weil sie die Situation kennen, in der Regel in Vernehmungen weniger aufgeregt als Personen, die zum ersten Mal vernommen werden und für die deshalb die Gesamtsituation neu ist (Litzcke & Hermanutz, 2009b, 174).

Lügenmotivation

Hilfreich zur Klassifikation verschiedener nonverbaler Merkmale hinsichtlich deren Relevanz für das Lügenerkennen können die Ergebnisse von Metaanalysen sein. In Metaanalysen werden Einzelstudien zu einem Gesamtergebnis integriert. Allerdings sind bei Interpretationen metaanalytischer Ergebnisse die Grenzen dieser Methode zu beachten: Die Datenqualität der Originalstudien kann durch Metaanalysen nicht nachträglich verbessert werden. Und schließlich kann in Metaanalysen nur sinnvoll untersucht werden, was zuvor in Einzelstudien analysiert wurde. Insofern sind auch Metaanalysen nicht das Ende des wissenschaftlichen Disputs, im Sinne, dass aufgrund einer Metaanalyse ein wissenschaftlicher Streit endgültig entschieden sei. Vielmehr fassen Metaanalysen die jeweils aktuell vorliegenden Ergebnisse einer Vielzahl von Einzelstudien transparent und nachvollziehbar zusammen.

Die divergierenden Ergebnisse zum Lügenerkennen durch nonverbale Merkmale lassen vermuten, dass die konkrete Bedeutung nonverbaler Merkmalen von der Situation abhängt, in der eine Befragung/Vernehmung stattfindet. Besonders wichtig ist deshalb die Analyse von Moderatorvariablen, Variablen also, die darüber bestimmen, ob und ggf. wie sich ein nonverbales Merkmal bei einer Lüge verändert. Als Moderatorvariable intensiv diskutiert wird die Motivation zu einer Lüge, siehe hierzu beispielsweise die Beiträge von DePaulo (1994, 85), DePaulo et al. (1988, 192), Forrest & Feldman (2000, 122), Mann, Vrij & Bull (2002, 371-372), Vrij et al. (2001, 295-296), Zuckerman & Driver (1985, 140-142). Auch die Metaanalyse von DePaulo et al. (2003, 97) zeigt, dass stark motivierte Lügner mehr nonverbale Merkmale zeigen als schwach motivierte. Bei stark motivierten Lügnern wurde insgesamt eine größere Gesamtnervosität festgestellt. Auch Sporer & Köhnken (2008, 359) halten nach Durchsicht verschiedener Studien fest, dass nonverbale Merkmale häufiger sind, wenn bei einer Lügenaufdeckung mehr auf dem Spiel steht. Einige Verhaltensunterschiede sind zudem nur dann beobachtbar, wenn sie im Vergleich zu einer Verhaltensstichprobe an wahren Aussagen (als Messwiederholung) festgestellt wurden. Die gefundenen Zusammenhänge sind insgesamt jedoch so schwach, dass sie sich nach Sporer & Köhnken (2008, 359) kaum als Orientierungshilfen für Einzelfallbeurteilungen nutzen lassen.

Nonverbale Merkmale im Vergleich

Hilfreich zur Einschätzung der Bedeutung einzelner nonverbaler Merkmale für die Lügenerkennung sind die Metaanalysen von DePaulo et al. (2003) sowie von Sporer & Schwandt (2006; 2007), die allerdings auf unterschiedlichen Basisstudien beruhen und teilweise zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Bei der Interpretation dieser Metaanalysen muss man beachten, dass eine schlichte Übertragung der Befunde auf Einzelfälle nicht zulässig ist.

Bei unwahren Aussagen kann man eher folgende Merkmale beobachten (DePaulo et al., 2003, 91-94): Pupillenweitung, Abnahme von Illustratoren bzw. bei Sporer und Schwandt (2007) Abnahme von Handbewegungen, Zunahme von Kinnhebungen, Abnahme von Kopfnicken, Abnahme von Fuß- und Beinbewegungen, weniger echtes und mehr vorgetäuschtes Lächeln, Kopfnicken, höhere Stimmlage, mehr Spannung in der Stimme, längere Antwortlatenz, stärker gepresste Lippen. Wenig ergiebig waren hingegen folgende nonverbale Merkmale: Ausdruckskraft der Mimik, Augenkontakt, Blickvermeidung, Blickänderung, Bein- oder Fußbewegungen, erhöhte Lidschlagfrequenz (Blinzeln). Damit kann weitgehend als gesichert gelten, welche nonverbalen Merkmale eher mit Lügen verknüpft sind und welche eher nicht. Da auf der anderen Seite viele Polizeibeamte fehlerhafte Vorstellungen von nonverbalen Merkmalen haben (Litzcke & Klossek, 2009, 206-210), lohnt in jedem Falle ein systematisches und umfassendes Vernehmungstraining von Polizeibeamten. Und sei es nur, um die gängigen fehlerhaften Stereotypen von Polizeibeamten zu korrigieren. Ebenfalls hilfreich kann die Kombination nonverbaler Merkmale mit nonverbalen Merkmalen zur Glaubhaftigkeitseinschätzung sein (Vrij et al., 2000, 253).

Trainingsstudien

Ekman, der sich viele Jahrzehnte mit nonverbaler Kommunikation und mit Lügen befasst hat, kommt zu dem Schluss, dass ein Durchschnittsmensch Lüge nicht von Wahrheit unterscheiden könne (Ekman & O’Sullivan, 1991); ähnlich, DePaulo (1994), Levine, Park & McCornack (1999) sowie Vrij (1993). Auch viele Experten schneiden in Untersuchungen ähnlich unbefriedigend ab wie Durchschnittsmenschen (Vrij & Semin, 1996). Aus dem Kreis der Experten schnitten die Mitarbeiter von Nachrichtendiensten und spezialisierte Beamte (Ekman & O’Sullivan, 1991; Ekman, O’Sullivan & Frank, 1999, 263-265) besser ab als der Zufall. Insgesamt ist die Fähigkeit von Menschen, Lügen zu erkennen, jedoch gering ausgeprägt.

Studien zur Vernehmungsqualität von Polizeibeamten zeigen regelmäßig, dass Vernehmungstrainings dringend nötig sind (Fisher, Geiselman & Raymond, 1987, 178; Hermanutz & Litzcke, 2009a, 83; Hermanutz & Litzcke, 2009b, 214-215, 228). Ohne Training werden Aussagepersonen relativ schnell unterbrochen, der zeitliche Abstand zwischen Antwort und nächster Frage ist sehr kurz und es werden nur selten Erinnerungshilfen gegeben. Offene Fragen werden im Verlauf einer Vernehmung immer seltener gestellt (Hermanutz & Litzcke, 2009a, 83). Polizeibeamte müssen, das zeigen die Ausführungen, zunächst einmal strukturiert vernehmen lernen.

Wichtig für die Qualität der Aussagen einer Aussageperson ist es, diese Person zu Vernehmungsbeginn frei sprechen zu lassen. Fördert man als Vernehmer zu Vernehmungsbeginn den Redefluss einer Aussageperson, tendiert diese Person auch im weiteren Verlauf der Vernehmung eher zu ausführlichen Antworten. Das gilt auch, wenn später dann geschlossen gefragt wird. Wird eine Aussageperson hingegen gleich zu Vernehmungsbeginn unterbrochen, so wird diese Person auch später nur kurze Angaben machen, weil sie gelernt hat, dass lange Antworten nicht erwünscht sind (Hermanutz & Litzcke, 2009a, 84).

Ein wirksames Training dauert mehrere Tage, enthält wiederholt praktische Übungen und ermöglicht den Teilnehmern, ein individuelles Feedback. Hingegen sind theorieorientierte Vorträge weitgehend wirkungslos (Berresheim & Weber, 2003, 758; Hermanutz & Litzcke, 2009b, 215-216). Den Ergebnissen von O’Sullivan, Ekman & Friesen (1988, 210) zufolge ist es sinnvoll, von derselben Person zunächst eine wahre Aussagen zu zeigen, danach eine Aussage, in der dieselbe Person lügt.

Grenzen vorliegender Forschungsergebnisse

Lügen in Vernehmungen sind für den Lügner in aller Regel wichtiger als Alltagslügen. Da sich jedoch die Mehrzahl der Studien zu Lügenmerkmalen auf Alltagslügen bezieht, zudem noch auf Studierende, ist die Mehrzahl der Forschungsergebnisse nur eingeschränkt auf echte Vernehmungssituationen übertragbar (Ekman, 1996). So besteht zwischen Studierenden – diese wurden laut der Metaanalyse von DePaulo et al. (2003) in rund 100 von 120 einbezogenen Einzelstudien untersucht – die einen anderen Film schildern als sie tatsächlich gesehen haben und Verdächtigen, die bei der Polizei aussagen, ein erheblicher Unterschied in der Lügenmotivation. Feldstudien besitzen im Vergleich zu Laboruntersuchungen eine höhere externe Validität (Ruby & Brigham, 1998, 709), werden aber wegen des deutlich höheren Aufwandes nur selten durchgeführt. Hinzu kommt, dass Polizeibeamte einen Verdächtigen bei Bedarf mehrfach vernehmen können und dies auch tun, während in der Mehrzahl experimenteller Untersuchungen nur eine einzige Vernehmung simuliert wurde.

 

Wie die Studie von Mann, Vrij & Bull (2004) zeigt, können Polizeibeamte Lügen besser erkennen, wenn es um echte Vernehmungen geht, anstatt um Lügen von Laien zu einem Film, den sie angeblich gesehen haben. Ähnlich ermutigend sind auch die Ergebnisse von Mann & Vrij (2006). Problematisch bleibt jedoch das Erkennen einer minimalen Modifikation, die aus der Wahrheit eine Lüge werden lässt (Fiedler, 1989, 129), beispielsweise wenn alles stimmt außer dem Zeitpunkt.

Was bleibt

Angesichts der überwiegend negativen Forschungsergebnisse scheinen weitere Bemühungen zum Lügenerkennen anhand von nonverbalen Merkmalen als Zeitverschwendung. Gegen eine derart pessimistische Haltung sprechen jedoch folgende Argumente:

• In den meisten Studien wurden keine Basisraten erhoben.

• Das Aufdecken von Alltagslügen, beispielsweise ob das Gespräch mit den Gastgebern wirklich interessant war, hat mildere Konsequenzen als das Aufdecken einer Lüge in einem Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren.

• Polizeibeamte können Verdächtige mehr als einmal aktiv vernehmen, während in den meisten Studien Studierenden Filmkonserven einer Alltagslüge vorgesetzt wurden.

• Die Wahrscheinlichkeit, eine Lüge zu entdecken, nimmt mit der Emotionalität einer Aussage zu (Warren, Schertler & Bull, 2009, 64). In vielen Studien zum Lügenerkennen waren die Variablen Wahrheit-Lüge und Emotionalität konfundiert (Warren, Schertler & Bull, 2009, 67).

• In den meisten Studien wurden einzelne nonverbale Merkmale untersucht. Realitätsnäher wäre eine Kombination mehrerer nonverbaler Merkmale. Ein solches Vorgehen ist vielversprechend, wie die Studien von Ekman et al. (1991, 132) sowie von Vrij & Mann (2004, 74) exemplarisch zeigen.

• Eine Kombination von nonverbalen Merkmalen mit verbalen Merkmalen kann die Wahrscheinlichkeit, Lügen zu entdecken, erhöhen (Vrij et al., 2000, 251).

Auch die Ergebnisse der Studien von Bond (2008), DePaulo, Stone & Lassiter (1985), Ekman & O’Sullivan (1991), Fiedler und Walka (1993), Mann, Vrij & Bull (2002), Porter et al. (2002), Porter et al. (2008), Vrij et al. (2000, 253) sowie Zuckerman & Driver (1985) lassen vermuten, dass das Beobachten nonverbaler Merkmale die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Unterscheidung zwischen wahren und falschen Aussagen erhöhen kann. Nach Vrij et al. (2000) kann man auf Basis non- und paraverbaler Merkmale Lüge von Wahrheit unterscheiden (78 Prozent Treffer). Berücksichtigt man die exemplarisch skizzierte Diskussion zu Moderatorvariablen (Abschnitt Lügenmotivation), dann sind nonverbale Merkmale nur unter bestimmten situativen Bedingungen zur Unterscheidung zwischen Wahrheit und Lüge hilfreich. In dieser Frage besteht noch erheblicher Forschungsbedarf. Auch einige Ergebnisse der Metaanalyse von DePaulo et al. (2003) wecken Hoffnung, dass man Personen, die lügen von solchen, die wahr aussagen, im nonverbalen Verhalten doch grundsätzlich unterscheiden kann. Unterstützt wird diese Hoffnung auch durch die Argumentation von Masip, Garrido & Herrero (2004). Ob diese Unterschiede praktisch in Vernehmungen einsetzbar sind, ist eine andere Frage. Eine abschließende Einschätzung zur Nützlichkeit nonverbale Merkmale zum Lügenerkennen ist nicht möglich. Derzeit ist von einer Verwendung als Lügenmerkmal jedoch abzuraten.

Exkurs Polygraph (Tatwissenstest)

Die Verwendung von Polygraphen in Ermittlungen wäre aus fachwissenschaftlicher Sicht grundsätzlich vielversprechend (Dahle, 2003). Anderer Ansicht sind Fiedler, Schmid & Stahl (2002) aus allgemein wissenschaftlichen Überlegungen heraus sowie Füllgrabe (1998) aus polizeipsychologischer Perspektive. Ferner ist der Einsatz der sogenannten Polygraphie aus juristischer Sicht mit der deutschen Rechtsordnung derzeit weitgehend unvereinbar, siehe hierzu im Detail (Adler, 2009, 65-68). Zwar werden von Rechtspsychologen teilweise abweichende Meinungen vertreten, beispielsweise Fabian & Stadler (2000), wonach der Polygraph zwar im gerichtlichen Hauptverfahren nicht zugelassen sei, es aber Spielraum für den Einsatz des Tatwissenstests in Ermittlungsverfahren gebe. Faktisch wird der Polygraph jedoch in polizeilichen Vernehmungen so gut wie nie eingesetzt, die Methode spielt in der Ermittlungspraxis in Deutschland keine Rolle. Auf weitere Ausführungen zu diesem Thema wird an dieser Stelle daher verzichtet.

Gut kommunizieren bei der polizeilichen Routinearbeit

Polizeiarbeit ist einerseits Teamarbeit, andererseits vor allem gekennzeichnet durch intensiven Umgang mit Nicht-Polizisten. Polizeilicher Erfolg hängt deshalb wesentlich von der Kommunikation mit Kollegen (Streifenpartner, Mitarbeiter, Vorgesetzter etc.) und Nicht-Kollegen ab, wie beispielsweise Opfer, Zeuge, Täter, Bürger, Verdächtige, Personen anderer Behörden und Einrichtungen. Dabei ist das kommunikative Funktionieren und die Effektivität entscheidend von der nonverbalen Kommunikation abhängig, nicht zuletzt weil sie einerseits die Basis für die Beziehung zwischen den Kommunikationspartnern und andererseits die Bedeutung der verbalen Inhalte beeinflusst. Damit müssen nicht nur bei der Eigensicherung und der Lügenerkennung in jeder polizeilichen Interaktion auch nonverbale Aspekte berücksichtigt und optimiert werden.

Grundlegend ist die Herstellung einer guten Beziehung zum Kommunikationspartner, was auch als Rapport bezeichnet wird (siehe Kapitel „NLP“ in diesem Band); vgl. Rapport für die Vernehmung (Heubrock & Donzelmann, 2010). Basis ist vor allem die nonverbale Kommunikation. Hierbei wird u. a. versucht, ähnliche Gestik, Haltung und Mimik wie der Kommunikationspartner einzunehmen, man spiegelt nonverbal das Gegenüber. Man möchte also quasi auf gleicher Wellenlänge nonverbal schwingen, was ein Zeichen von guter Beziehung darstellt. Dies ist auf die Erkenntnis zurückzuführen, dass bei Vorliegen einer guten Beziehung zwischen Interaktionspartner, diese eine spiegelbildliche nonverbale Kommunikation zeigen. So konnten beispielsweise LaFrance & Broadbent (1976) einen positiven Zusammenhang zwischen dem Umfang von Spiegelungen der Körperhaltung zwischen Interaktionsparteien und der Positivität der Beurteilung des Verhältnisses zwischen den Kommunikationspartner feststellen.

Eine weitere Basiskommunikationstechnik mit erheblicher Bedeutung ist das Aktive Zuhören (siehe Kapitel „Aktives Zuhören“ in diesem Band). Wesentlich Pfeiler dieser Technik sind Aufmerksamkeitsreaktionen, die in großem Umfang nonverbal kommuniziert werden: Blickkontakt, Lächeln, körperlich zugewandt sein, Nicken.

Fazit

Da Kommunikation immer stattfindet, wenn Menschen in Kontakt treten, unabhängig davon ob direkt oder indirekt, wird stets auch nonverbal interagiert. Dabei ist nonverbale Kommunikation nicht bloßes Beiwerk des gesprochenen Wortes, sondern wesentlicher, teils sogar wichtigster Bestandteil der Kommunikation. Von der nonverbalen Kommunikation hängt häufig ab, ob die Ziele der Interaktion erreicht werden. Für Polizeibeamte ist es deshalb unverzichtbar, sich mit nonverbalen Signalen auseinanderzusetzen und zu üben, diese in geeigneter Weise zu senden und zu empfangen. Dies kann sowohl die alltägliche Polizeiarbeit professionalisieren als auch von überlebenswichtiger Bedeutung sein.

Lesetipps

Argyle, M. (2002). Körpersprache & Kommunikation. Das Handbuch zur nonverbalen Kommunikation (8. Auflage). Paderborn: Junfermann.

Ekman, P. (2010). Gefühle lesen. Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren (2. Auflage). Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.

Pulsuz fraqment bitdi. Davamını oxumaq istəyirsiniz?