Handbuch der Sprachminderheiten in Deutschland

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Dies wirkt sich direkt auf ihre sprachlichen Hintergründe und ihre Einstellungen zum Erhalt des Polnischen bzw. zum Erwerb des Deutschen aus. Neben der Vielfalt an sprachlichen Konstellationen hat diese Heterogenität auch Folgen für den internen Zusammenhalt der polnischsprachigen Bevölkerung in Deutschland: Die einzelnen Gruppierungen weisen keine engen Verbindungen auf, haben z.T. eigene Verbände und kulturelle Organisationen, die kaum miteinander vernetzt sind. (Brehmer/Mehlhorn, in diesem Band)

Letzteres dürfte auch zur faktischen „Unsichtbarkeit“ der Minderheit beitragen.

(10) Zu keinem der drei oben erläuterten Typen passt die Deutsche Gebärdensprache (DGS). Sie unterscheidet sich als visuell-räumliche Sprache in ihrer Modalität sowohl von den anderen Minderheitensprachen als auch von der deutschen Lautsprache. Sie wird in Kommunikationssituationen mit Beteiligung von gehörlosen und hörgeschädigten Personen in Deutschland (und Luxemburg) verwendet. Auch wenn sich DGS-Verwender durchaus als sprachlich-kulturelle Minderheit wahrnehmen, ist ihre Sprache in Deutschland nicht als Minderheitensprache auf völkerrechtlicher Basis anerkannt. Rechtliche Anerkennung (als eigenständige Sprache) erfährt die DGS vielmehr nur über Paragraph 6 des Behindertengleichstellungsgesetzes. Wie an dieser Verortung deutlich wird, haftet der DGS (wie Gebärdensprache an sich) nur allzu oft das Image eines zweckbedingten Hilfsmittels an, dass die gesprochene Sprache in Form von Gesten widergibt. Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive besteht jedoch kein Zweifel, dass Gebärdensprachen vollwertige natürliche Sprachen mit einem komplexen grammatikalischen System sind.

Alle beschriebenen Sprechergemeinschaften müssen sich gegenüber dem Deutschen als dominierende Mehrheitssprache behaupten. Dies liegt allerdings mehr an dessen „De-facto-Dominanz“ (Marten 2016: 147) als an dessen Festschreibung als Nationalsprache im Grundgesetz.2 Zwar gibt es einige nachgeordnete Gesetze, die den offiziellen Status bzw. die offizielle Funktion des Deutschen u.a. im Zusammenhang mit Behörden und Gerichten festlegen,3 insgesamt fehlt es in Deutschland jedoch an einer kohärenten Sprach(en)politik. Dies gilt auch für den Umgang mit den autochthonen Minderheitensprachen. Der Grund liegt u.a. in der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik. Das bedeutet, dass die einzelnen Länder über kulturelle Souveränität, d.h. über die primäre Kompetenz in Bezug auf die Gesetzgebung in den Bereichen Kultur und Bildung verfügen. Die meisten minderheitenspezifischen Gesetze finden sich in den Regelungen des jeweiligen Landes, in dem die Minderheit lebt. So hat der Schleswig-Holsteinische Landtag 2004 das sogenannte Friesischgesetz verabschiedet, das das Friesische und seine Verwendung zum Beispiel bei Behörden oder sein Erscheinen auf zweisprachigen Ortsschildern anerkennt. Letzten Endes den einzigen Kontext, in dem Deutschland als gesamter Staat in die Pflicht genommen wird, bildet die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Deutschland gehörte am 5. November 1992 zu den ersten Unterzeichnerstaaten dieses europäischen Vertrags. Die Ratifizierung erfolgte 1995; die Inkraftsetzung zum Januar 1999. Im Text werden zunächst Definitionen für den Anwendungsbereich der Charta gegeben: Demnach

bezeichnet der Ausdruck ‚Regional- oder Minderheitensprache‘ Sprachen, (i) die herkömmlicherweise in einem bestimmten Gebiet eines Staates von Angehörigen dieses Staates gebraucht werden, die eine Gruppe bilden, deren Zahl kleiner ist als die der übrigen Bevölkerung des Staates, und (ii) die sich von der (den) Amtsprache(n) dieses Staates unterscheiden; er umfaßt weder Dialekte der Amtssprache(n) des Staates noch die Sprachen von Zuwanderern. (Europarat 1992: 2)

Weiterhin gibt es einen Teil mit allgemeiner gehaltenen Zielen und Grundsätzen, zu deren Anwendung sich die Vertragsparteien verpflichten. Unter Teil III führt die Charta eine ganze Reihe konkreter Maßnahmen zur Förderung des Gebrauchs von Regional- oder Minderheitensprachen im öffentlichen Leben auf. Diese Maßnahmen betreffen Bildungswesen, Justiz, Verwaltungsbehörden und öffentliche Dienstleistungsbetriebe, Medien, kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen, wirtschaftliches und soziales Leben sowie grenzüberschreitenden Austausch. Bei der Ratifizierung des Dokuments müssen für jede als Regional- oder Minderheitensprache im Sinne der Charta anerkannte Sprache mindestens 35 Maßnahmen aus diesem Katalog angegeben werden, zu deren Anwendung sich der Unterzeichnerstaat verpflichtet. In regelmäßigen Abständen haben die Vertragsstaaten Berichte über die Anwendung der Charta vorzulegen, die von einem Sachverständigenausschuss kontrolliert werden; es fehlt allerdings jede Sanktionsmöglichkeit. Die Umsetzung der Fördermaßnahmen ist in Deutschland Sache der einzelnen Länder. Diese Fragmentierung wird bzw. die sich daraus ergebenden großen Unterschiede in der Umsetzung zwischen den einzelnen Bundesländern werden vom Sachverständigenausschuss immer kritisch kommentiert. Dies gilt insbesondere für das Niederdeutsche, dessen Schutz Angelegenheit von insgesamt acht Ländern ist. Der letzte Bericht des Sachverständigenausschusses von 2018 empfiehlt explizit „die Zusammenarbeit zwischen den Ländern zu verbessern, in denen Niederdeutsch geschützt ist.“

Entsprechend der Einordnung in die erwähnte Handbuch-Serie orientiert sich auch die Gliederung dieses Bandes bzw. der Beiträge an den Vorgängerarbeiten. Pro Beitrag wird ein Gebiet überblicksartig beschrieben und dabei jeweils im Wesentlichen ein „gewisser Kernbestand an Problembereichen“ (Hinderling/Eichinger 1996: XII) behandelt. Die Beschreibungsdimensionen erstrecken sich von den historischen Entwicklungen über die aktuelle demographische und rechtliche Situation bis hin zur Rolle und Präsenz der Minderheitensprache in Wirtschaft, Politik und Kultur. Darüber hinaus wird für jedes Gebiet eine Beschreibung der soziolinguistischen Situation inklusive eines kurzen Profils der Minderheitensprache, der Kompetenz- und Sprachgebrauchssituation, der Spracheinstellungen der Sprecherinnen und Sprecher sowie des visuell realisierten Auftretens der Minderheitensprache im öffentlichen Raum (Linguistic Landscape) geboten.

Die Herausgeber sind allen Beteiligten zu großem Dank verpflichtet: zuvörderst den Autorinnen und Autoren für die Bereitschaft, einen Beitrag zu übernehmen, sich auf das vorgegebene Gliederungsschema einzulassen und es, wo nötig, zu adaptieren. Des Weiteren Norbert Cußler-Volz für die Erstellung einiger Karten im Band. Für die Erstellung der Druckvorlage und die umsichtige und sorgfältige Korrektur der Manuskripte sei Heike Kalitowksi-Ahrens und Julia Smičiklas gedankt. Dem Narr-Francke-Attempto-Verlag danken wir für die Aufnahme des Handbuchs ins Verlagsprogramm und insbesondere Tillmann Bub, der die Entstehung des Bandes ebenso wie die der Vorgängerbände mit freundlicher und unerschütterlicher Langmut betreut hat.

Literatur

Adler, Astrid/Beyer, Rahel (2018): Languages and Language Policies in Germany/Sprachen und Sprachpolitik in Deutschland. In: Stickel, Gerhard (Hrg.): National Language Institutions and National Languages. Contributions to the EFNIL Conference 2017 in Mannheim. Budapest: Hungarian Academy of Sciences, S. 221–242.

Beyer, Rahel/Plewnia, Albrecht (Hrg.) (2019): Handbuch des Deutschen in West- und Mitteleuropa. Sprachminderheiten und Mehrsprachigkeitskonstellationen. Tübingen: Narr Francke Attempto.

Eichinger, Ludwig/Plewnia, Albrecht/Riehl, Claudia M. (Hrg.) (2008): Handbuch der deutschen Sprachminderheiten in Mittel- und Osteuropa. Tübingen: Narr.

Europarat (1992): Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (= Sammlung Europäischer Verträge; 148). Abrufbar unter: https://rm.coe.int/168007c089 (Letzter Zugriff 3.4.2020).

Extra, Guus/Gorter, Durk (2007): Regional and Immigrant Minority Languages in Europe. In: Hellinger, Marlis/Pauwels, Anne (Hrg.): Handbook of Language and Communication: Diversity and Change. Berlin: de Gruyter. S. 15–52.

Hinderling, Robert/Eichinger, Ludwig M. (1996a): Einleitung. In: Hinderling, Robert/Eichinger, Ludwig M. (Hrg.): Handbuch der mitteleuropäischen Sprachminderheiten. Tübingen: Narr. S. IX–XVII.

Hinderling, Robert/Eichinger, Ludwig M. (Hrg.) (1996b): Handbuch der mitteleuropäischen Sprachminderheiten. Tübingen: Narr.

Hünlich, David/Wolfer, Sascha/Lang, Christian/Deppermann, Arnulf (2018): Wer besucht den Integrationskurs? Soziale und sprachliche Hintergründe von Geflüchteten und anderen Zugewanderten. Mannheim: Institut für Deutsche Sprache und Goethe-Institut Mannheim.

Marten, Heiko F. (2016): Sprach(en)politik. Eine Einführung. Tübingen: Narr Francke Attempto.

Plewnia, Albrecht/Riehl, Claudia M. (2018): Handbuch der deutschen Sprachminderheiten in Übersee. Tübingen: Narr.

Rindler Schjerve, Rosita (2004): Minderheit/Minority. In: Ammon, Ulrich et al. (Hrg.): Sociolinguistics. Soziolinguistik. HSK 3.1., 2. Auflage. Berlin/New York: de Gruyter. S. 480–486.

Stickel, Gerhard (2012): Deutsch im Kontext anderer Sprachen in Deutschland heute: Daten und Einschätzungen. In: Eichinger, Ludwig M./Plewnia, Albrecht/Schoel, Christiane/Stahlberg, Dagmar (Hrg.): Sprache und Einstellungen. Spracheinstellungen aus sprachwissenschaftlicher und sozialpsychologischer Perspektive. Tübingen: Narr, S. 227–321.

Dänisch als Minderheitensprache in Deutschland

Karen Margrethe Pedersen / Doris Stolberg


1 Geographische Lage, Demographie und Bevölkerungsstatistik
1.1 Geographische Lage
1.2 Demographie und Statistik
2 Geschichte
2.1 Die historische Entwicklung bis ins frühe 20. Jahrhundert
2.2 1920–1945
2.3 Nach 1945
3 Rolle und Präsenz der Minderheitensprache in Bezug auf Wirtschaft, Politik, Kultur und rechtliche Stellung
3.1 Wirtschaftliche Situation
3.2 Politische Situation
3.3 Rechtliche Stellung
3.4 Kulturelle Institutionen, Medien und Literatur
4 Soziolinguistische Situation: Kontaktsprachen, Sprachform(en) des Deutschen und der Minderheitensprache, sprachliche Charakteristika, Code-Switching und Sprachmischung
4.1 Kontaktsprachen
4.2 Die einzelnen Sprachformen des Dänischen
4.3 Sprachenwahl: Code-Switching, Sprachmischung
5 Spracheinstellungen gegenüber dem Südschleswigdänischen als Schriftsprache
6 Linguistic Landscapes
7 Zusammenfassung
8 Literatur

1 Geographische Lage, Demographie und Bevölkerungsstatistik
1.1 Geographische Lage

Die dänische Minderheit in Deutschland entstand als Folge der Zuordnungsgeschichte des Herzogtums Schleswig. Sie befindet sich auf der deutschen Seite des deutsch-dänischen Grenzraums, in dem Gebiet zwischen der deutschen Staatsgrenze im Norden und dem Nordostsee-Kanal und der Eider im Süden. Dieses Gebiet gehört zum nördlichsten Bundesland innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, Schleswig-Holstein.

 

Das Gebiet wird von der dänischen Volksgruppe Sydslesvig (,Südschleswig‘) genannt – eine Bezeichnung, die daran erinnert, dass das Gebiet ursprünglich den südlichen Teil des Herzogtums Schleswig bildete.


Abb. 1: Nordschleswig und Südschleswig1

In der deutschen Mehrheit wird der Landesteil als Schleswig bezeichnet, eine Benennung, die im Wesentlichen eine geschichtliche Reminiszenz ist. Südschleswig ist offiziell einsprachig (deutsch),2 was u.a. in den deutschen Orts- und Straßennamen zum Ausdruck kommt. Einige Städte haben aber seit 2000 eine zweisprachige Beschilderung wie Flensborg/Flensburg.

Intern verwendet die dänische Minderheit ihre eigenen dänischen Bezeichnungen, und es besteht ein großer Wunsch nach einer weiterreichenden zweisprachig deutsch-dänischen Beschilderung.3 In Bezug auf die dänische Minderheit wird im Folgenden von Sydslesvig/Südschleswig gesprochen, und die Ortsnamen werden dänisch-deutsch angegeben.

1.2 Demographie und Statistik

Das Gebiet Sydslesvig/Südschleswig umfasst rund 4.000 km2 und hat ungefähr 400.000 Einwohner. Nach eigenen Angaben gehören der dänischen Minderheit zirka 50.000 Personen an, d.h. gut 12,5 Prozent der Gesamtbevölkerung des Gebietes.

Sydslesvig/Südschleswig ist als Gebiet historisch definiert (mit der Eider als südliche Grenze) und bildet innerhalb von Schleswig-Holstein keine selbstständige Verwaltungseinheit. Administrativ ist es in die Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg, die kreisfreie Stadt Flensburg und den nördlichen Teil des Kreises Rendsburg-Eckernförde gegliedert. Die dänische Minderheit lebt nicht geschlossen in diesem Gebiet, sondern gemischt mit der Mehrheitsbevölkerung. Da keine offizielle Registrierung der Angehörigen der Minderheit stattfindet, ist es schwierig, sie demographisch genau zu erfassen. Die kulturelle Hauptorganisation der Minderheit, der Sydslesvigsk Forening (SSF; ‚Südschleswigscher Verein‘; vgl. Kap. 3.4), ist in 72 Ortsverbänden (distrikter) und sieben Kreisen (amter) (Stand: Oktober 2019) organisiert und vermittelt einen recht guten Eindruck der Gebiete, in denen die Minderheit vertreten ist (s. Abb. 2). Der SSF umfasst die folgenden Struktureinheiten: die Stadt Flensborg/Flensburg; die Kreise Flensborg/Flensburg Land, Sydtønder/Südtondern, Husum, Gottorp/Gottorf, Ejdersted/Eiderstedt sowie Rendsborg/Rendsburg in einer Einheit mit Egernførde/Eckernförde.


Abb. 2: Sydslesvigsk Forenings amter/Kreise des Südschleswigschen Vereins1

2 Geschichte
2.1 Die historische Entwicklung bis ins frühe 20. Jahrhundert

Ursprünglich ein fester Bestandteil des dänischen Königreiches, wurde Schleswig im Laufe des 13. Jahrhunderts zu einem selbstständigen Herzogtum. Als Lehen war es bis 1864 mit Dänemark verbunden. Schleswig war ein mehrsprachiges Herzogtum, in dem Dänen, Deutsche und Friesen lebten. Als sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch die ideologische Entwicklung des Nationalgedankens auszuwirken begann, führte dies zu Konflikten darüber, ob Reichsdänisch oder Deutsch Kirchensprache, Rechtssprache und Schulsprache in Teilen Südschleswigs sein sollte. In Verbindung mit weiteren Faktoren führte die Entwicklung schließlich zu den Schleswigschen bzw. Dänisch-Deutschen Kriegen von 1848–50 und 1864, die mit der Niederlage Dänemarks endeten; in der Folge fielen 1864 die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an Preußen. Hochdeutsch wurde als Schul- und Verwaltungssprache in ganz Schleswig eingeführt. Kirchensprache war Deutsch in den Gebieten südlich der heutigen Staatsgrenze und teilweise nördlich davon; 22 Gemeinden behielten jedoch Dänisch als Kirchensprache bei.

An Sønderjysk/Südjütisch und Niederdeutsch, die Alltagssprachen im privaten und lokalen Bereich, war jedoch keinerlei nationale Zugehörigkeit geknüpft, und daher unterlagen diese Sprachen keinen nationalideologischen Zuweisungen. Seit Beginn des 18. Jahrhunderts hatte sich ihre relative Ausbreitung jedoch verändert. Gegenüber Sønderjysk/Südjütisch hatte Niederdeutsch an Verbreitung gewonnen. Die Gründe dafür waren der intensive Handel mit den norddeutschen Städten sowie die Vorbildfunktion der holsteinischen Landwirtschaft, die beide mit der Verwendung von Niederdeutsch einhergingen, aber auch der Umstand, dass Deutsch als Bildungssprache in Schleswig (wie z.T. übrigens auch in Dänemark) eine wichtige Rolle spielte. Südlich der heutigen Staatsgrenze war Sønderjysk/Südjütisch Ende des 19. Jahrhunderts nur noch in einem begrenzten Gebiet in regelmäßigem Gebrauch; nördlich davon war es demgegenüber die dominierende Alltagssprache, und dort fand Niederdeutsch keine Verwendung.

2.2 1920–1945

Nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg wurde im Jahr 1920 die Grenzfrage auf der Grundlage der Prinzipien des Selbstbestimmungsrechts der Völker durch Volksabstimmung (Artikel V des Prager Friedens von 1866) entschieden. Durch das Abstimmungsergebnis wurde Schleswig geteilt. Der nördliche Teil fiel an Dänemark, der südliche verblieb bei Deutschland.

Bereits vor der Volksabstimmung stellten die Dänen im südlichen Teil Schleswigs eine Minderheit dar. Doch erst nach 1920 begannen sie, sich als Minderheit zu organisieren und das Gebiet als Sydslesvig/Südschleswig zu bezeichnen. Es handelt sich hier um eine nationale Minderheit, d.h. die Angehörigen der Minderheit besitzen eine andere Nationalität als die der umgebenden Mehrheit, und ihre Nationalität stimmt nicht mit ihrer Staatsangehörigkeit überein. Als nationale dänische Minderheit identifizieren sie sich mit Dänemark als Land und mit seiner Sprache und Kultur. Über die Zugehörigkeit zur Minderheit entscheidet jede Person selbst; es findet keine offizielle Erfassung statt; ebenso bestehen keine Zugangsbedingungen.

Dem Status als nationale Minderheit entspricht, dass Dänemark sich bereiterklärte, die dänische Minderheit als zu Dänemark zugehörig anzuerkennen. Die offizielle Anerkennung findet ihren Ausdruck u.a. darin, dass der dänische Staat der dänischen Minderheit in Sydslesvig/Südschleswig seit 1920 eine jährliche Kulturbewilligung für solche Einrichtungen zur Verfügung stellt, in denen der Gebrauch der dänischen Sprache eine zentrale Rolle einnimmt: das dänische Schulwesen, die dänische Kirche, dänische Bibliotheken und verwandte Bereiche. Politische Aktivitäten sollen demgegenüber in privaten Vereinigungen stattfinden, da in diesen Kontexten Deutsch verwendet wird. Diese Aufteilung reflektiert, dass aus der Sicht Dänemarks die Übereinstimmung von Sprache und nationaler Einstellung zentral ist. Die Kulturbewilligung trug wesentlich zum Ausbau des dänischsprachigen Schul- und Vereinswesens bei, was wiederum den Gebrauch der dänischen Sprache unterstützte und verstärkte.

Die Verfassung der Weimarer Republik gab der dänischen Minderheit die Möglichkeit, die dänische Sprache und Kultur zu bewahren; der Besuch einer dänischen Schule setzte allerdings voraus, dass Dänisch die Muttersprache war und dass die Eltern im Gebiet der Minderheit geboren waren. Da jedoch die Muttersprache vieler Angehöriger der Minderheit inzwischen Deutsch war, wurden nur wenige Kinder in die beiden dänischen Kommunalschulen (1.–7. Klasse) in Flensborg/Flensburg aufgenommen. Um dem Bedürfnis der dänischgesinnten, doch deutschsprechenden Eltern, ihre Kinder auf Dänisch beschulen zu lassen, entsprechen zu können, richteten die dänischen Flensburger 1920 den Dansk Skoleforening for Flensborg og Omegn (‚Dänischer Schulverein für Flensburg und Umgebung‘) ein, der die Bewahrung der dänischen Sprache und Kultur zum Ziel hatte. Mit Unterstützung durch Dänemark eröffnete der Schulverein eine Anzahl dänischer Schulen und beteiligte sich an der Einrichtung dänischer Kindergärten. In der Zeit bis 1940 befanden sich in den dänischen Schulen bis zu 915 Schülerinnen und Schüler, und in den Kindergärten wurden bis zu 212 Kinder betreut.

Daneben fand die dänische Sprache seit 1920 Verbreitung durch die Vermittlung dänischer Kultur in Den slesvigske Forening (‚Schleswigscher Verein‘), der sich auch sozial und politisch engagierte. Kulturvermittlung geschah darüber hinaus in verschiedenen anderen Vereinen und Vereinigungen, u.a. in Sportvereinen, die sich als Sydslesvigs danske Ungdomsforeninger (SdU; ‚Südschleswigs dänische Jugendvereine‘) zusammenschlossen.

 

Die sprachpädagogische Arbeit auf dem Land, außerhalb der Reichweite der städtischen Schulen und Vereine, wurde von Wanderlehrern wahrgenommen. Eine neu eingerichtete Bibliothek in Flensborg/Flensburg spielte eine unterstützende Rolle, und als mobile Bibliotheken, Nebenstellen und Schulbibliotheken folgten, wurden dänische Bücher für alle zugänglich. Die dänischgesinnte Bevölkerung im grenznahen Gebiet hatte zudem die Möglichkeit, den Sender Danmarks Radio zu empfangen und Dänisch zu hören.

Darüber hinaus bestand der Wunsch, Dänisch auch im Gottesdienst zu verwenden, um eine Übereinstimmung zwischen nationaler Zugehörigkeit und Kirchensprache zu erlangen.

In der Zeit des Nationalsozialismus (1933–45) wurden die dänischen Vereine und Schulen zunächst fortgeführt, doch dem Ausdruck dänischer Identität wurde mit politischer Aggression begegnet. Die Mitgliederzahlen der Minderheiten sanken deutlich, und im Zweiten Weltkrieg wurden die Kulturbewilligungen aus Dänemark eingestellt.