Kitabı oxu: «Push», səhifə 2
«Ich will nich mehr.»
«Hast mich verstanden?»
Precious stand auf und trug beide Teller in die Küche. Sie war so voll, sie dachte, sie würde gleich platzen. Sie schaute zu ihrer Mutter hinüber, sah die fettigen Lippen, das braune Gesicht, aufgedunsen wie ein unförmiger Kürbis, den zerrissenen geblümten Hauskittel, die dunkelbraunen gespreizten Schenkel, die aus dem zerschlissenen Unterrock ragten. Der Anblick machte ihr angst. Wenn Precious fett war, gab es kein Wort, das ihre Mutter beschreiben würde, die die halbe Couch einnahm und deren Arme wie riesige Tiere aussahen. Sie stellte ihrer Mutter den Teller hin. «Krapfen alle?»
«Sind noch welche da», antwortete Precious.
«Dann bring mir welche, wenn du dein Teller holst, und beeil dich, bevor ich dir Beine mach.»
Precious schlurfte zurück ins Wohnzimmer, den Teller noch voller als vorher, denn sie wusste, dass ihre Mutter sie sonst nur wieder in die Küche zurückschicken würde, um mehr zu holen. Sie stellte eine Schüssel mit den restlichen Krapfen aufs Tablett ihrer Mutter, setzte sich und ass. Ass und sah zu, wie ihrer Mutter das Fett übers Kinn lief. Ass und sah zu, wie ihre Mutter eine ganze Haxe zum Mund schwang, sah zu, wie sie es ihr nachtat, spürte, wie das glitschige, fette Fleisch seinen salzig-lüsternen Geschmack verströmte, sich mit den Käse-Makkaroni und den Wirsingblättern vermischte. Sie ass stur, zielstrebig arbeitete sie sich vom Fleisch über die Makkaroni und den Kohl zu den Krapfen vor. Das dumpfe Pochen in Rücken und Schulter verschwand nicht, auch nicht der gleißende Schmerz, der durch ihren Nacken fuhr, aber es war egal. Sie hatte den Punkt kurz vor dem Ertrinken erreicht, wenn das Wasser die Lungen füllt, das Ringen um Luft zu Ende ist und der Tod nur noch Sekunden entfernt. Benommen sank sie gegen die Sofalehne, doch der Schmerz in ihrer Schulter hielt sie davon ab, sofort einzuschlafen, wie sonst, wenn ihre Mutter ihr das Essen aufgezwungen hatte. Sie schloss die Augen. Sie spürte die Hände ihrer Mutter zwischen den Schenkeln. Sie regte sich, fühlte, wie ihre Mutter sie mit Daumen und Zeigefinger zwickte. Sie rührte sich nicht mehr und sank noch tiefer in das Sofa, als würde sie schlafen. Sie brauchte die Augen nicht zu öffnen, der Geruch, der sich im Zimmer ausbreitete, sagte ihr, dass ihre Mutter die andere Hand zwischen den eigenen Schenkeln hatte. Ihre Mutter passte schon lange in keine Badewanne mehr. Die Hand ihrer Mutter kroch Precious’ Schenkel hinauf in die feuchte Öffnung ihrer Vagina. Nun fiel Precious wirklich in den Schlaf, den sie nur vorgetäuscht hatte.
Sie ist zwölf. Nein, war zwölf. Jetzt ist sie sechzehn. In den letzten Wochen, seitdem die weiße Ratte Lichenstein sie von der Schule geschmissen hatte, waren 1983 und 1987, zwölf und sechzehn, das erste Kind und das kommende in ihrem Kopf durcheinandergeraten. Hatte ihre Mutter sie eben mit der gusseisernen Pfanne geschlagen? War der Schmerz in ihrer Schulter alt oder neu? Das Baby, neugeboren und in weiße Decken gehüllt, oder mit leblosen Augen bei ihrer Großmutter in der Wiege? Die Zeit wirbelte umher wie Kleider in einer Wäschetrommel – immer im Kreis. Gerade noch war sie das kleine zwölfjährige Mädchen, das von ihrer Mutter getreten wurde, im nächsten Moment sprang sie über den Schreibtisch Mrs. Lichenstein in die Fresse. Precious hievte sich aus dem Sofa und betrachtete ihre schlafende Mutter. Es war Freitag, der 16. Oktober 1987. Sie musste Samstag und Sonntag überstehen, dann kam der Montag: die Alternative.
Schule? Aufs Sozialamt solle sie gehen, hatte ihre Mutter gesagt, die Schule würde ihr nun nicht mehr helfen. Precious schlüpfte in ein Paar neongelber Leggins und in ihr beiges X-Sweatshirt. Sie zog ihre weissen Reeboks an, schnappte sich zwei Dollar-Scheine, steckte sie in den BH, cremte sich das Gesicht mit Vaseline ein, klatschte ihr Haar an und schwor sich, sobald sie ein paar Dollar übrig hätte, würde sie sich Zöpfe flechten lassen. Ihr Blick wanderte von dem Spiegel, der auf einer weißen Kommode stand, zu dem schmalen Bett, das aus demselben weißlackierten Holz gemacht war. Beides, Kommode und Bett, hatte sie schon als kleines Mädchen gehabt. An der Wand über dem Fußende des Bettes hing ein großes Poster von Louis Farrakhan, auf dem in großen schwarzen Lettern stand: DIE ZEIT DES SCHWARZEN MANNES IST GEKOMMEN. Der Radiowecker sagte: 8:30. Ihre Mutter schlief noch. Sie würde nicht lange weg sein. Precious würde rechtzeitig zurück sein, um sauberzumachen und das Frühstück zu richten. Einmal hatte Precious ihre Mutter gefragt, wie kommts, dass du nie was machst? Als sie wieder aufstehen konnte, hatte ihre Mutter gesagt, weils dich dafür gibt.
Ich geh in den neunzehnten Stock vom Theresa Hotel, zur Alternative, sagte sie sich, während sie die Schnürsenkel ihrer Reeboks zuband. Sie zog ihre grüne Lederjacke an und steckte die Hausschlüssel in die Jackentasche. Bin bereit. Sie ging von ihrem Zimmer zur Wohnungstür.
«Wo willst du hin?» dröhnte die Stimme ihrer Mutter aus dem Schlafzimmer.
Warum schlief die fette Schlampe nicht? Precious gab keine Antwort. «Hörst du nich? Ich red mit dir!» Precious begann die vier Schlösser zu entriegeln. «Precious!» Fick dich, Schlampe! Ich bin weg! Kichernd rannte sie, so schnell es ihr dicker Bauch erlaubte, die Stufen runter. Das Treppenhaus war so eng, dass sie ständig irgendwo anstieß. Vielleicht nehm ich ab, wenn das Baby da is. Vielleicht krieg ich dann meine eigene Wohnung.
Als sie aus dem Haus trat, brummte die morgendliche Lenox Avenue vom Lärm der Autos, Taxen und Busse. Trucks standen vor dem Supermarkt und vor McDonald’s auf der 132sten. Männer, Frauen und Kinder drängten sich an der Haltestelle und warteten auf den Bus, der sie nach Downtown zur Arbeit oder zur Schule bringen würde. Wo die wohl alle arbeiten, rätselte sie, als sie die Lenox Avenue runterging. Wo ich wohl mal arbeite. Wie ich aus IHRER Wohnung rauskomm? Ich hasse sie. Precious wartete an der Ampel auf der 126sten und blickte über die Straße zu Sylvia’s, dann auf die afrikanischen Straßenhändler, die den nächsten Block säumten und Kente-Gewänder, Ledergürtel, Handtaschen, Kauri-Schmuck verkauften.
Sie ging jetzt sehr sehr langsam. Niemand sprach sie an. Die Jungs und Männer, die ihr sonst hinterhergebrüllt oder nachgepfiffen hätten, «Hey, Baby! So viel Fleisch und keine Kartoffeln!» oder «Hey, fette Mama», schwiegen jetzt, da ihr Bauch sich so mächtig nach vorne wölbte. Sie war sicher. Sicher vor den Männern auf der Straße, dachte sie, aber war sie auch sicher vor Carl Jones? Dass das zweite Kind von meinem Vater, is das dann auch zurückgeblieben?
Diesmal wusste sie, dass Mama wusste. Hm hm, sie wusste Bescheid. Die hat ihn zu mir reingelassen. Ich spinn doch nich, die dreckige Nutte hat ihn an mich rangelassen. Das hat er verlangt, damit er sie fickt, n Stück von mir. Nach ner Weile is er einfach nur noch auf sie draufgestiegen. «Halts Maul», sagt er, «bist ja offen wie die Mississippimündung», röhrt er und klatscht ihr auf den Arsch. «Erzähl mir nich, dass so bisschen poppen dir weh tut, fette Kuh. Besser, gewöhnst dich dran.» Dann lacht er. «Die is ja schon dran gewöhnt.» Precious liegt auf dem Rücken im Bett, während er über sie drübersteigt. Sie sieht sich tanzen in Video-Clips, in Filmen, sie wird ausbrechen, davonfliegen, bloß tanzen, vielleicht, nein! nicht vielleicht – da ist sie, da draußen! Heizt das Apollo auf für Dough E. Fresh oder Al B. Shure. Die finden sie toll, sagen, sie ist eine der besten Tänzerinnen, kein Zweifel drüber oder dran.
Ich heirate dich, hat er immer gesagt. Beeil dich, Nigger, und halts Maul! Macht ihren Traum kaputt mit seinem Gestöhne und Gequatsche. Erst macht er ihr Leben kaputt mit seinem Geficke, dann versaut er den Fick mit seinem dämlichen Gequatsche. Die Fickerei war ihr peinlich. Mann, halts Maul, Nigger! Wie willst mich denn heiraten, wo du mein Daddy bist, will sie schreien. Bin deine Tochter, is verboten, mich zu ficken. Aber sie hält den Mund, damit die Fickerei nicht in Prügel endet. Dann fühlte es sich gut an, irgendwann. Ihr Körper hörte auf zu tanzen und fing an zu kommen. Sie wollte sich zurückzappen in den Video-Clip, doch jetzt rockt sie unter Carl, zuckend feucht ihre Möse, fühlt sich gut an. Sie schämt sich. Siehste, siehste, schlug er ihr auf die Schenkel wie die Cowboys im Fernsehen auf ihre Gäule, dann quetschte er, biss er ihren Nippel. Sie kam noch mal. Schlug ihr auf die Schenkel, Siehste, das GEFÄLLT dir: Du bist wie deine Mutter, würdest alles tun! Er zog seinen Schwanz aus ihr raus, die warme weiße Ladung floss aus ihrem Loch und nässte das Laken.
Sie lehnt sich gegen die Glasscheibe des Wartehäuschens auf der 125sten.
«Wollen Sie diesen Bus nehmen, junge Frau?»
Precious blinzelt den Busfahrer an und schüttelt den Kopf. Verwirrt schaut sie dem davonfahrenden 101er nach. Sie erinnert sich nicht, wie sie zur Haltestelle gekommen ist, unter das Dach des Wartehäuschens. Sie erinnert sich nicht mal, was sie hier draussen macht, auf der Straße, bis sie auf ihre neongelben Leggins und die weißen Reeboks blickt, natürlich! Alternative. Sie ist … war auf dem Weg die Lenox runter, kurz vor der 125sten, da kamen die schlimmen Gedanken und haben sie entführt.
«Alles in Ordnung?» fragt ein Typ in einer Art Tankstellen-Montur.
«Ja ja, alles in Ordnung», versichert sie und schiebt die Leute weg, die um sie herumdrängen, um zu helfen.
«Die hat n Knall, Mann!» sagt ein schmächtiger Kerl in weiten Hosen ganz laut zu einem großen Typen neben ihm.
«Fick dich in dein dürres Knie, du Flachwichser! Kümmer dich um dein eignen Scheiß!» brüllt Precious, als sie die 125ste runter auf das Theresa Hotel zuwalzt, das am Adam Clayton Powell Boulevard aufragt wie ein riesiges Elfenbeingesicht mit Hunderten von dunklen quadratischen Fenstern anstelle von Augen. Sie überquert die 125ste und marschiert Richtung Hotel. Hundertmal ist sie dran vorbeigegangen, aber nie drin gewesen. Sie geht durch die Eingangstür, an einem Mann am Empfang vorbei, zu den schwarzen Türen der beiden Fahrstühle. Die Türen öffnen sich. Sie betritt den Fahrstuhl und ist allein. Der Fahrstuhl rührt sich nicht. Oh, sie drückt den Knopf.
Precious tritt aus dem Fahrstuhl und sieht eine hellbraune Frau mit Brille und geflochtenen Haaren, die sich wie Mais am Kolben an ihre Kopfhaut schmiegen. Die Frau sitzt hinter einem schwarzen Schreibtisch, neben einer Tür mit einer schwarzen Aufschrift.
«Dass die Alternative?» fragte Precious.
«Die was?» Die Frau runzelte die Stirn und schaute Precious über den Rand ihrer Brillengläser hinweg an.
«Dass die Alternative?» wiederholte sie gereizt – die Schlampe hatte sie doch verstanden.
«Wonach genau suchen Sie?» fragte die Frau besänftigend.
«Na, wass das hier?»
«Hier ist das Alternative Schulprojekt ‹Lernen Für Alle›.»
«Ich such die alternative Schule.»
«Nun», die Frau musterte sie noch ein wenig eingehender, «dies ist eine alternative Schule.»
Precious hatte noch nie Zöpfe gesehen, die nicht frei vom Kopf baumelten. Wozu flechten, wenn man keine Haarteile dran macht?
«Was is Alternative?» Kann genausogut die Schlampe da fragen und rauskriegen, was das für ne Schule is.
«Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihre Frage verstanden habe.»
«Alternative – die Frau von meiner andern Schule hat gesagt, ich soll hierherkommen, zum Theresa Hotel, neunzehnter Stock, das wär ne alternative Schule.»
«Okay, okay», sagte die Frau, «‹Lernen Für Alle› ist eine alternative Schule, und alternativ ist, wenn man die Wahl hat, eine andere Möglichkeit, etwas zu tun.»
«Oh.»
«Von welcher Schule kommen Sie?»
«I.S. 146.»
«Das ist eine Junior Highschool, nicht wahr?»
«Ich bin sechzehn.»
«Sie brauchen die Entlassungspapiere von Ihrer alten Schule, da muss drinstehen, dass Sie offiziell entlassen worden sind, sonst können wir Sie nicht in unser Projekt aufnehmen.»
«Die haben mich rausgeschmissen, weil ich schwanger bin …»
«Schon gut, ich verstehe, dennoch brauchen wir ordentliche Entlassungspapiere, sonst können wir Sie nicht aufnehmen. So sind die Vorschriften.»
«Davon hat Mrs. Lichenstein nie was gesagt.»
«Oh, Sie sind diejenige, wegen der Mrs. Lichenstein angerufen hat.»
«Sie hat angerufen?» Precious war überrascht.
«Ja, ja», murmelte die Frau, «sie sagte, wir sollten nach Ihnen Ausschau halten. Könnte sein, dass Sie auftauchen.»
Sie kramte in ihren Unterlagen. «Claireece P.Jones?»
«Das bin ich.» Precious fühlte sich geschmeichelt. Sie konnte sich an niemanden erinnern, der je nach ihr Ausschau gehalten hätte. Ja schon, ob sie was klaut oder so, aber nicht, ob sie vorbeikommt. Das war nett.
«Gut, die Rektorin der LS. 146 hat bereits Ihre Entlassungspapiere und die anderen Unterlagen hergeschickt.»
«Was für Unterlagen?»
«Ihre Zeugnisse …», die Frau bemerkte Precious’ Gesichtsausdruck und hielt befremdet inne. «Ist alles in Ordnung?»
«Die haben meine Akte geschickt!» spuckte Precious aus.
«Nun ja, wir mussten gewisse, eh, Informationen einholen, ehe wir Sie in unser Projekt aufnehmen. Unsere Schüler müssen bestimmte Kriterien bezüglich Einkommen, Wohnort und schulischen Leistungen erfüllen, bevor wir sie zulassen. Sie haben Ihre Unterlagen nur hergeschickt, damit es schneller geht.»
Precious fragte sich, was in der Akte stand. Sie wusste, in der Akte stand, dass sie ein Baby hatte. Stand da auch, wer der Vater war? Was für ein Kind sie hatte? Stand in der Akte, dass Buchstaben ihr nichts sagten, wieviel sie wog, wie oft sie sich geprügelt hatte? Sie konnte die Akte nicht lesen, aber sie wusste, jedesmal, wenn die sie am Arsch kriegen wollten oder über ihr Leben bestimmen, kamen sie mit der Scheißakte an. Egal, bringen wirs hinter uns.
«Kann ich heut schon anfangen?» fragte, nein, verlangte sie. Wenn die so viel wussten, konnte sie es genausogut verlangen.
«Sicher, natürlich», sagte Ms. Maiskolben, «ich meine, es gibt zwar eine Reihe von Aufnahmeformalitäten, aber das meiste davon ist ja bereits für Sie erledigt worden. Das einzige, was wir noch brauchen, ist eine Einkommensbescheinigung. Beziehen Sie gegenwärtig Sozialhilfe?»
«Nein.»
Ms. Maiskolben runzelte die Stirn.
«Meine Mutter kriegt Sozialhilfe für mich und meine Tochter.»
«Oh, haben Sie sich Ihre Schwangerschaft bereits bescheinigen lassen?» fragte die Frau und betrachtete über den Rand ihrer Brillengläser hinweg Precious’ Bauch.
«Hm?»
«Sie sagten, Ihre Mutter erhalte einen Scheck für Sie und Ihre Tochter?» Sie deutete auf Precious’ Bauch.
«Nich das Baby! Ausser dem da hab ich noch n Baby.»
«Oh, ich verstehe. Ihre Mutter hat also das Sorgerecht für Sie und Ihre Tochter. Mit anderen Worten, sie bezieht Unterhalt für Sie?»
«Mmmhmm.» Precious nickte. Die Schlampe war nich von gestern.
«Okay, also was ich brauche, ist eine Einkommensbescheinigung Ihrer Mutter und eine aktuelle Telefon- oder Stromrechnung, in Ordnung?»
«Okay.» Precious starrte sie an. «Muss ich das alles jetzt holen?»
«Nein, nein, nur keine Panik. Sie müssen ein paar Fragebogen ausfüllen, wir müssen Ihre Fähigkeiten im Rechnen und Lesen einstufen, feststellen, ob Sie in den Prä-GED oder den GED-Kurs kommen.»
«Wass der Unterschied?»
«Nun, GED-Kurse sind für Schüler, deren Fähigkeiten den Anforderungen entsprechen, die so weit sind, dass sie direkt den Unterricht besuchen und auf ihren Abschluss hinarbeiten können, der einem Highschool-Abschluss entspricht. Prä-GED bedeutet, dass der Schüler oder die Schülerin noch daran arbeiten muss, die Anforderungen der Abschlussklasse zu erfüllen.»
«Was für Anforderungen?»
«Nun, für diese Kurse sollte ein Schüler oder eine Schülerin die Anforderungen der achten Klasse erfüllen. Sie sollten einen Lesetest mit 8,0 oder besser bestehen.»
«Ich war inner Neunten auffer LS. 146.»
«Dann sollte es für Sie kein Problem sein», sagte die Frau mit den festgezurrten Zöpfen und lächelte.
«Wos das Problem?» frag ich die dicke dunkle Frau, die über meine Schulter auf mein Fragebogen starrt. Sie hat Leggins an, wie ich, nur sind ihre schwarz. Und ne blaue Bluse, sieht hübsch aus, wie Seide. Ich schätze, sie sieht okay aus. Mag sonst mehr hellhäutige Menschen, die sind nett. Und schlanke Menschen. Mama is schwarz und fett. Wenn ich neunzig wieg, wiegt sie hundertvierzig. Die dicke Lady kuckt mich an. Ich kuck zurück, die hat meine Frage nich beantwortet.
«Wos das Problem?» frag ich wieder.
«Nun, vielleicht solltest du den Test noch mal machen.»
«Sind Sie die Lehrerin?»
«Eine der Lehrerinnen.»
«Was lernen Sie?»
«Ich unterrichte den Abschlusskurs.»
«Wer sind die andern Lehrerinnen?»
«Ms. Rain.»
«Was lernt die?»
«Ms. Rain unterrichtet die Vorstufe.»
Ich weiss, da gehör ich hin. «Da gehör ich hin», sag ich.
«Hm», macht die fette Kuh und glotzt mich an. Glaub nich, dass die ne Lehrerin is.
«Willst du den Test wiederholen?»
«Nein.»
Is nix Neues für mich. Immer hat was mit den Tests nich gestimmt. In den Tests siehts aus, als hätt ich null Grips. In den Tests siehts aus, als wär ich und meine Mutter – meine ganze Familie, blöd, noch mehr, unsichtbar. Einmal hab ich uns inner Glotze gesehn. So Gespensterzeug mit Schlössern, wos spukt, so was. Und die Leute da drin, also manche von den waren echte Leute, und manche waren so Vampire. Aber die echten Leute, die habens nich gewusst, nich, bis es rund ging. So Mehlnasen eben, die Truthahnbraten fressen, Champus saufen und all so was. Da sind also fünf Typen auffer Couch, einer von den steht auf und macht n Foto. Kapiert? Foto is fertig (Polaroid), sitzt da nur ein Typ auffer Couch. Die andern Leute, die gabs gar nich. Waren Vampire. Die essen, trinken, sind angezogen, reden, ficken und alles, aber im Grunde gibts die gar nich.
Ich bin gross und kräftig, ich ess, ich koch, ich lach, ich kuck fern, mach, was meine Mutter sagt. Aber ich weiss, wenn das Bild fertig is, gibts mich nich. Keiner will mich. Keiner brauch mich. Ich weiss, wer ich bin. Ich weiss, was die über mich sagen – bin n Vampir, der das System aussaugt. Schmieriger schwarzer Fettfleck, den man wegwischt, einsperrt, umbringt, umerzieht, Job besorgt.
Ich bin aber jemand. Will ich rausschreien. Inner U-Bahn, im Fernsehn, im Kino, RAUSSCHREIEN.
Ich seh sie genau, die feinen Ferkel mit ihren Anzügen, wie sie durch mich durch glotzen. Sehs, wie ich in ihren Augen verschwinde, in ihren Tests. Ich red ganz laut, aber trotzdem gibts mich nich.
Ich sehs andauernd, die echten Leute, die Leute, die da sind, wenns Bild fertig is, die feinen Ferkel, kleine weisse Mädels mit spitzen kleinen Titten und langen weissen Beinen. Sehn alle weissen Leute aus wie aussern Foto? Nee, weil inner Schule die Weissen, die sind fett und hässlich und eklig, wie die Hexen aussen Märchen, aber immerhin, es gibt sie. Weil sie weiss sind? Wenn Mrs. Lichenstein, die n Fettbauch hat und ausser Möse stinkt, wenns die gibt, warum mich nich? Wieso seh ich mich nich, fühl nich, wo ich anfang und wo ich aufhör? Manchmal kuck ich ihnen in die Augen, den feinen Ferkeln mit ihren Anzügen, den hohen Tieren, und die kucken durch mich durch, als wär da bloss Luft. Mein Vater kuckt auch durch mich durch. Wenn er mich ankucken würd, würd er wissen, dass ich bin wie n weisses Mädel, n richtiger Mensch, in drin. Dann würd er nich über mich drübersteigen, immer auf mich draufsteigen und sein Schwanz in mich reinstecken und mich heiss machen, dass ich blute. Wenn ich blute, schlägt er mich. Merkt der nich, dass ich n Mädchen bin mit Zöpfen und schlanken Beinen und nem Platz auffem Bild? Bin da schon so lang nich mehr drauf, bin dran gewöhnt. Tut trotzdem weh. Manchmal geh ich an Schaufenstern vorbei, und was fettes Schwarzes, alt, wie meine Mutter, glotzt mich ausser Scheibe an. Ich weiss aber, dasses nich meine Mutter sein kann, meine Mutter is zu Hause. Is nich mehr rausgegangen, seit Little Mongo auf die Welt gekommen is. Wen seh ich dann? Manchmal steh ich inner Badewanne und kuck mir mein Körper an, Orangenhaut und Fettfalten. Dann will ich mich verstecken, und dann will ich mich zeigen. Bitte meine Mutter um Geld, fürn Friseur, Kleider. Ich weiss, dass sie Geld für mich kriegt, für mein Baby. Früher hat sie mir Geld gegeben; aber jetzt, wenn ich sie um Geld bitte, sagt sie jedesmal, dass ich ihren Mann weggenommen hab. Ihr Mann? Ehrlich! Dass mein verfickter Vater! Hab gehört, wie sie am Telefon erzählt, ich bin ne kleine Votze, lass nix anbrennen, hab ihren Mann weggenommen. Was muss ich denn machen, dass meine Mutter mich sieht? Manchmal wär ich lieber tot. Aber ich weiss nich, wie man stirbt. Kein Stöpsel dran, um ihn rauszuziehn. Egal, wie dreckig es mir geht, mein Herz will nich aufhören zu schlagen, und morgens gehn meine Augen auf. Seit sie n kleines Baby war, hab ich meine Tochter kaum noch gesehn. Hab nie meine Brust in ihren kleinen Mund gesteckt. Meine Mutter sagt, wozu auch. Wär ausser Mode. Sagt, mit mir hat sies auch nie gemacht. Wozu soll dein Kind deine Titten brauchen? Is doch zurückgeblieben. Mongolin. Daun Sindriom.
Wie sieht der Test aus? Mir doch scheissegal. Ich kuck der Lehrerschlampe in die Augen, versuch rauszukriegen, ob sie mich sieht oder bloss den Test. Aber mir is jetzt egal, was die Leute sehn. Ich seh was, jemand. Hab n Kind. Na und. Bin stolz drauf. Ausser dass das Kind von meinem Vater is und ich nich auffem Bild bin, mal wieder.
«Wiederholen?»
Hat sie was gesagt? Doch, die Lehrerin sagt: «Willst du den Test wiederholen?»
Ich schüttel mit dem Kopf. Nein. Wozu auch, würd nix ändern, hab mich nich geändert. Bin immer noch ich, Precious. Sie sagt, ich bin inner ersten Klasse, die is Montag, Mittwoch, Freitag von neun bis zwölf. Ich sag, «Bin sonst immer den ganzen Tag inner Schule gewesen.» Sie fragt, ob ich mich an was andres gewöhnen kann. Ich sag gar nix, dann laut: «JA.»
Pulsuz fraqment bitdi.