Für Immer und Ewig

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Für Immer und Ewig
Für Immer und Ewig
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Oxuyur Birgit Arnold
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Dann entdeckte Emily jemanden in der Menge, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Mit einer karierten Golfhose und einem limonengrünen Pullover bekleidet, der seinen großen Bauch kaum verdeckte, stand Trevor Mann inmitten der Leute.

„Schau nicht hin“, murmelte sie und griff nach Daniels Hand, um sich sicher zu fühlen, „aber unser verächtlicher Nachbar ist aufgekreuzt.“

Natürlich sah Daniel sofort zu ihm. Als ob Trevor einen sechsten Sinn hätte, bemerkte er es sogleich. Als er die beiden ansah, begannen seinen Augen gleich vor Unheil zu glänzen.

Emily verzog das Gesicht. „Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht hinschauen sollst!“, schimpfte sie Daniel, während sich Trevor seinen Weg zu ihnen bahnte.

„Du weißt, dass es ein ungeschriebenes Gesetz gibt“, zischte Daniel zurück. „Es besagt, dass jemand immer hinschaut, wenn ihm gesagt wird, er solle nicht hinschauen.“

Für eine Flucht war es zu spät. Trevor Mann war schon bei ihnen, er trat durch die Masse wie ein furchtbares, mit Schnäuzer versehendes Biest.

„Oh nein“, stöhnte sie.

„Emily“, sagte Trevor mit vorgespielter Höflichkeit „Sie haben doch wohl nicht die Steuern, die Sie für das Haus noch zahlen müssen, nicht vergessen, oder? Ich nämlich nicht.“

„Der Bürgermeister hat mir eine Verlängerung gewährt“, erwiderte Emily. „Sie waren bei dem Treffen ebenfalls anwesend, Trevor. Es überrascht mich, dass Sie das nicht mitbekommen haben.“

„Es ist mir egal, ob Bürgermeister Hansen meinte, dass die Rückzahlung nicht sofort stattfinden müsse, denn das liegt nicht in seiner Hand, sondern im Ermessen der Bank. Und ich habe mich schon mit ihr in Verbindung gesetzt und ihr von den illegalen Bewohnen des Hauses und dem illegalen Geschäft erzählt, dass sie nun darin betreiben.“

„Sie sind ein Idiot“, sagte Daniel, der sich Trevor beschützerisch in den Weg stellte.

„Lass es sein“, meinte Emily, die ihm eine Hand auf den Arm legte. Das letzte, was sie jetzt brauchte, war, dass Daniel die Beherrschung verlor.

Trevor grinste spöttisch. „Die Verlängerung, die Bürgermeister Hanson Ihnen gewährt hat, wird nicht ewig dauern und würde vor einem Gericht auf keinen Fall bestehen. Und ich werde alles dafür tun, um sicherzustellen, dass Ihre Pension untergeht und nie wieder an die Wasseroberfläche kommt.“

KAPITEL DREI

Emily beobachtete, wie Trevor wieder in der Masse verschwand.

Sobald er nicht mehr zu sehen war, wandte sich Daniel mit sehr besorgtem Gesichtsausdruck an Emily. „Geht es dir gut?“

Emily konnte sich nicht beherrschen. Sie ließ sich gegen seine breite Brust fallen und drückte ihr Gesicht in sein Hemd. „Was soll ich nur tun?“, stöhnte sie. „Die Steuern werden mein Geschäft ruinieren, bevor es überhaupt in Fahrt gekommen ist.“

„Auf keinen Fall“, widersprach Daniel. „Das werde ich nicht zulassen. Bis du hier aufgetaucht bist und dein Grundstück in etwas Begehrenswertes verwandelt hast, hat sich Trevor Mann nie dafür interessiert. Er ist einfach nur neidisch, dass dein Haus so viel besser ist als seines.“

Emily versuchte bei seinem Witz zu lachen, doch brachte nur ein schwaches Glucksen heraus. Der Gedanke daran, Daniel zu verlassen und als Versagerin zurück nach New York zu ziehen, bedrückten sie sehr.

„Aber er hat Recht“, sagte Emily. „Diese Pension wird niemals funktionieren.“

„Sag das nicht“, konterte Daniel. „Alles wird gut. Ich glaube an dich.“

„Wirklich?“, fragte Emily. „Denn ich glaube kaum an mich selbst.“

„Dann ist vielleicht jetzt der richtige Moment, um damit anzufangen.“

Emily schaute in Daniels Augen. Sein ernster Ausdruck gab ihr das Gefühl, es vielleicht wirklich schaffen zu können.

„Hey“, sagte Daniel, dessen Augen plötzlich verschmitzt glänzten. „Ich will dir etwas zeigen.“

Daniel schien sich von ihrer düsteren Stimmung nicht beeindrucken zu lassen. Er nahm ihre Hand und zog sie durch die Menschenmenge in Richtung des Hafens. Zusammen gingen sie zu den Bootsanlegestellen.

„Tada!“, rief Daniel und deutete auf das wunderschön restaurierte Boot, das sich im Wasser hin und her bewegte.

Als Emily das Boot das letzte Mal gesehen hatte, war es kaum seetüchtig gewesen. Nun glänzte es, als wäre es brandneu.

„Das ist ja unglaublich“, stammelte sie. „Du hast das Boot restauriert?“

Daniel nickte. „Ja. Das hat mich viel Mühe und Anstrengung gekostet.“

„Das glaube ich“, erwiderte Emily.

Sie erinnerte sich daran, wie Daniel ihr erzählt hatte, dass er bei der Restaurierung des Bootes an eine Art geistige Grenze gestoßen war, und dass er aus irgendeinem Grund nicht daran arbeiten konnte. Es jetzt zu sehen machte Emily unglaublich stolz und zwar nicht nur, weil er es so wunderschön restauriert hatte, sondern auch weil er es geschafft hatte, über das, was ihn zurückgehalten hatte, hinwegzukommen. Sie erwiderte sein Lächeln, wobei das Glück in ihr aufloderte.

Zur gleichen Zeit überkam sie eine Traurigkeit, denn nun gab es noch ein weiteres Transportmittel, das ihn ihr wegnehmen konnte. Daniel war immer in Bewegung. Entweder er fuhr mit dem Motorrad an den Klippen entlang, oder mit seinem Truck in die benachbarten Städte. Dass er die Welt sehen und sie entdecken wollte, war für sie offensichtlich. Sie wusste, dass Daniel früher oder später Sunset Harbor verlassen würde. Emily wusste noch nicht, ob sie, wenn die Zeit kam, mit ihm gehen würde.

Daniel stupste sie schüchtern an. „Ich sollte mich bei dir bedanken.“

„Wofür denn?“, wollte Emily wissen.

Sie war diejenige gewesen, die ihm den neuen Motor als Dankeschön für seine Hilfe bei der Renovierung der Pension gekauft hatte. Außerdem hatte sie ihn damit anstoßen wollen, das Boot wieder in Schuss zu bringen.

„Kein Problem“, entgegnete Emily, die sich gerade fragte, ob sich das Geschenk nun gegen sie richten würde, ob Daniels Verlangen zu gehen nun durch die Restaurierung des Bootes angeschürt worden war.

„Nun ja“, meinte Daniel, während er auf das Boot deutete, „als Dankeschön fände ich es nur angebracht, wenn du mich auf der Jungfernfahrt begleiten würdest.“

„Oh!“, brachte Emily, von seinem Vorschlag überrascht, hervor. „Du willst mit dem Boot hinausfahren? Jetzt?“ Sie wollte eigentlich nicht so schockiert klingen.

„Außer, du möchtest das nicht“, erwiderte Daniel, der seinen Nacken verlegen rieb. „Ich dachte mir nur, dass wir vielleicht ein Date daraus machen könnten.“

„Ja, sehr gerne“, sagte Emily.

Daniel sprang in das Boot und hielt ihr seine Hand entgegen, die Emily ergriff und sich von ihm in das Boot ziehen ließ, welches unter ihr wackelte und sie ein wenig ins Straucheln brachte.

Daniel startete den Motor und steuerte das Boot aus dem Hafen hinaus. Dann fuhren sie über das glitzernde Meer. Emily atmete die Meeresluft tief ein, während sie zusah, wie Daniel das Boot über das Wasser lenkte. Dabei sah er so natürlich aus, genauso wie auf dem Motorrad, das eine Verlängerung seines Körpers zu sein schien. Daniel gehörte zu der Art Mann, der immer in Bewegung sein musste, und als sie ihn nun beobachtete, sah Emily, wie lebendig und glücklich er plötzlich wirkte, wenn er einem Abenteuer hinterherjagte.

Dieser Gedanke verstärkte ihre Melancholie nur noch. Daniels Verlangen, die Welt zu erkunden, war mehr als nur ein Traum, es war ein Bedürfnis. Er würde Sunset Harbor bald verlassen, daran gab es keinen Zweifel. Sie hatte sich auch noch nicht entschieden, wie lange sie hierbleiben würde. Vielleicht war ihre Beziehung zum Scheitern verurteilt. Vielleicht war es nie mehr als eine flüchtige Affäre gewesen, ein perfekter Moment für eine kurze Zeit. Bei dem Gedanken drehte sich Emilys Magen vor Verzweiflung um.

„Was ist los?“, fragte Daniel. „Du bist doch nicht seekrank, oder?“

„Vielleicht ein wenig“, log Emily.

„Na ja, wir sind gleich da“, meinte er und zeigte nach vorne.

Emily sah auf und sah, dass sie direkt auf eine kleine Insel zusteuerten, auf der es nichts außer ein paar Bäumen und einem verlassenen Leuchtturm gab. Emily setzte sich in ihrer plötzlichen Überraschung auf.

„OH MEIN GOTT!“, schrie sie.

„Was ist los?“, wollte Daniel mit panikerfüllter Stimme wissen.

„Mein Vater hatte in unserem Haus in New York ein Gemälde dieser Insel!“

„Bist du dir sicher?“

„Zu einhundert Prozent! Das ist ja unglaublich! Ich wusste gar nicht, dass der Ort auf dem Gemälde wirklich existiert!“

Daniels Augen weiteten sich. Er schien von dem Zufall genauso überrascht zu sein wie sie.

Ihre Sorgen wurden von dieser unerwarteten Überraschung weggeschwemmt. Schnell zog sich Emily ihre Turnschuhe und Socken und sprang, kaum, dass das Boot auf Grund gelaufen war, über Bord. Wellen schlugen gegen ihre Schienbeine. Obwohl das Wasser kalt war, spürte sie die Kälte kaum. Sie rannte durch das Wasser, auf den nassen Sandstrand und noch ein Stückchen weiter. Dann blieb sie stehen und hob die Hände, die sie mit ihren Daumen und Zeigefingern zu einem Rechteck geformt hatte, hoch und kniff ein Auge zu. Sie drehte sich ein wenig, sodass sich der Leuchtturm zu ihrer Rechten befand, die Sonne daneben schien und sich der weite Ozean auf der anderen Seite befand. Das war er! Der genaue Winkel des Gemäldes, das in ihrem Elternhaus hing!

 

Es überraschte Emily nicht, dass ihr Vater ein solches Gemälde besaß. Er war von Antiquitäten besessen – dazu gehörten auch Kunststücke – doch was Emily überraschte, war die Tatsache, dass es das Gemälde in ihr Elternhaus geschafft hatte. Ihre Mutter war immer sehr gut darin gewesen, ihr Leben in Sunset Harbor von dem in New York zu trennen, so als ob sie das verrückte Hobby ihres Mannes nur zwei Wochen im Jahr aushalten könnte und auch nur so lange es nicht zu sehen war und ihr lupenreines Heim nicht in Anspruch nahm. Wie um alles auf der Welt hatte er dann ihre Zustimmung erlangt, das Gemälde des Leuchtturms in ihrem Elternhaus aufzuhängen? Vielleicht hatte er vorgegeben, dass es sich um einen imaginären Ort handelte, und ihre Mutter hatte nie erfahren, dass das Gemälde in Wirklichkeit einen Teil Sunset Harbors darstellte? Emily lächelte in sich hinein, als sie sich fragte, ob ihr Vater wirklich so gerissen gewesen war.

„Hey“, sagte Daniel, womit er sie wieder ins Hier und Jetzt zurückholte. Als sie sich zu ihm umdrehte, sah sie, dass er einen Korb über den nassen Sand zu ihr hinüberschleppte. „Du bist einfach so davongerannt!“

„Tut mir leid“, erwiderte Emily, die ihm sofort entgegeneilte, um ihm zu helfen. „Was ist denn da drinnen? Der wiegt ja eine Tonne.“

Zusammen brachten sie den Korb an eine geeignete Stelle auf dem Strand, wo Daniel die Schlösser öffnete, die den Deckel zuhielten. Anschließend zog er eine karierte Decke heraus, die er auf dem Sand ausbreitete.

„Meine Dame“, sagte er.

Emily lachte und setzte sich auf die Decke. Daniel begann, verschiedene Nahrungsmittel, unter anderem auch Käse und Obst, aus dem Korb auszuladen, dann zog er eine große Flasche Champagner und zwei Sektgläser heraus.

„Champagner!“, rief Emily. „Aus welchem Anlass?“

Daniel zuckte mit den Schultern. „Es gibt keinen besonderen Anlass. Ich dachte nur, dass wir deinen ersten Gast feiern sollten.“

„Erinnere mich nicht daran“, stöhnte Emily auf.

Daniel löste den Korken und füllte beide Gläser.

„Auf Mr. Kapowski.“

Emily stieß mit ihm an und verzog die Lippen zu einem Lächeln. „Mr. Kapowski.“ Sie nahm einen Schluck und ließ die Blasen auf ihrer Zunge zerplatzen.

„Du bist dir der ganzen Sache immer noch nicht sicher, nicht wahr?“, fragte Daniel.

Emily zuckte mit den Schultern, ihre Augen waren starr auf die Flüssigkeit in ihrem Glas gerichtet. Sie schwenkte es umher und beobachtete den Weg, den die Blasen in der Flüssigkeit nahmen, bevor sie sich wieder beruhigten. „Ich habe einfach nicht sonderlich viel Selbstvertrauen“, sagte sie schließlich mit einem tiefen Seufzen. „Ich habe zuvor ja noch nie irgendetwas erreicht.“

„Was ist mit deinem Job in New York?“

„Ich meine, nichts, dass ich wirklich wollte.“

Daniel wackelte mit den Augenbrauen. „Was ist mit mir?“

Emily konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Ich sehe dich nicht so sehr als eine Errungenschaft…“

„Das solltest du aber“, unterbrach er sie heiter. „Solch ein stoischer Mann wie ich. Es ist nicht gerade einfach, sich mit mir zu unterhalten.“

Emily lachte, dann gab sie ihm einen langen, ausgiebigen Kuss.

„Wofür war das denn?“, wollte er wissen, nachdem sie sich von ihm gelöst hatte.

„Das war ein Dankeschön. Hierfür.“ Dabei nickte sie auf das kleine Picknick vor ihnen. „Dafür, dass du da bist.“

Daniel schien zu zögern und Emily erkannte auch warum: Daniel würde nicht in der Lage sein, immer hier zu bleiben. Das Reisen lag in seinem Blut. Und irgendwann würde er wieder aufbrechen müssen.

Aber was war mit ihr? Sie hatte auch keine festen Pläne, in Sunset Harbor zu bleiben. Sie war bereits seit sechs Monaten hier – eine lange Zeit, in der sie weder New York, noch ihre Mutter oder ihre Freunde gesehen hatte. Und doch, während die Sonne in der Ferne unterging und den Himmel mit orangenen und rosa Streifen übersäte, konnte sie sich keinen Ort vorstellen, an dem sie lieber wäre. In genau diesem Moment, an diesem Ort war alles perfekt. Sie hatte das Gefühl, im Paradies zu leben. Vielleicht könnte Sunset Harbor wirklich zu ihrem Zuhause werden. Vielleicht würde sich Daniel mit ihr niederlassen wollen. Niemand konnte die Zukunft voraussehen, sie würde einfach jeden Tag so nehmen müssen wie er kam. Immerhin konnte sie hierbleiben, bis ihr das Geld ausging. Und wenn sie hart genug arbeitete und es schaffte, dass sich die Pension selbst trug, dann würde dieser Tag noch lange nicht kommen.

„Woran denkst du?“, fragte Daniel.

„An die Zukunft, schätze ich“, antwortete Emily.

„Ah“, entgegnete Daniel, der auf seinen Schoß hinabblickte.

„Kein gutes Gesprächsthema?“, wollte Emily wissen.

Daniel zuckte mit den Schultern. „Nicht immer. Ist es nicht besser, das Hier und Jetzt zu genießen?“

Emily war sich nicht sicher, wie sie diesen Kommentar auffassen sollte. Offenbarte er dadurch sein Verlangen, die Gegend zu verlassen? Hielt er die Zukunft wohl deshalb für kein gutes Gesprächsthema hielt, weil er Liebeskummer voraussah?

„Kann schon sein“, erwiderte sie leise. „Aber manchmal ist es unmöglich, nicht nach vorne zu schauen. Denkst du nicht auch, dass es in Ordnung ist, Pläne zu schmieden?“ Sie versuchte, Daniel sanft aus der Reserve zu locken, ein paar winzige Informationen aus ihm herauszubekommen, irgendetwas, das ihr in ihrer Beziehung mehr Sicherheit gab.

„Nicht wirklich“, sagte er. „Ich bemühe mich wirklich sehr, mit den Gedanken in der Gegenwart zu bleiben. Man sollte sich nicht über die Zukunft sorgen und nicht in der Vergangenheit verweilen.“

Emily gefiel die Vorstellung nicht, dass er sich um ihre Zukunft sorgen könnte, und musste sich zusammenreißen, ihn nicht zu fragen, was für beunruhigende Ereignisse er voraussah. Stattdessen meinte sie: „Gibt es in der Vergangenheit denn vieles, bei dem man verweilen könnte?“

Daniel hatte ihr nicht viel von seiner Vergangenheit erzählt. Sie wusste, dass er oft umgezogen war, seine Eltern geschieden waren, sein Vater Alkoholprobleme hatte und dass er es ihrem eigenen Vater hoch anrechnete, ihm eine Zukunft geschenkt zu haben.

„Oh ja“, entgegnete Daniel. „Sehr vieles.“

Dann verstummte er wieder. Emily wollte noch mehr wissen, doch wusste auch, dass er nichts weiter dazu sagen würde. Sie fragte sich, ob er überhaupt wusste, wie sehr sie sich danach sehnte, dass er sich ihr öffnete.

Doch bei Daniel brauchte man viel Geduld. Er würde reden, wenn er bereit dazu war, wenn dieser Tag denn jemals kommen würde.

Und sie hoffte, immer noch an seiner Seite zu sein, wenn er denn schließlich kam.

KAPITEL VIER

Am nächsten Morgen wachte Emily früh auf, entschlossen, die Frühstücksschicht nicht wieder zu verpassen. Um punkt sieben Uhr hörte sie, wie die Gästezimmertür leise geöffnet und wieder geschlossen wurde, dann erklang das Klappern von Mr. Kapowskis Schritten, als er die Treppe hinunterkam. Emily trat von der Stelle im Flur, wo sie auf ihn gewartet hatte, hervor und stellte sich ans Fußende der Treppe, von wo aus sie ihm entgegenblickte.

„Guten Morgen, Herr Kapowski“, sagte sie selbstbewusst und mit einem netten Lächeln auf dem Gesicht.

Dieser erschrak.

„Oh. Guten Morgen. Sie sind schon wach.“

„Ja“, erwiderte Emily mit weiterhin selbstbewusster Stimme, auch wenn sie sich überhaupt nicht so fühlte. „Ich wollte mich für gestern entschuldigen, dass ich Ihnen kein Frühstück richten konnte. Haben Sie gut geschlafen?“ Sie bemerkte die Ringe unter seinen Augen.

Mr. Kapowski zögerte für einen Augenblick. Dann steckte er nervös die Hände in die Taschen seines zerknitterten Anzugs.

„Äh…nicht wirklich“, antwortete er schließlich.

„Oh nein“, meinte Emily besorgt. „Doch nicht etwa wegen des Schlafzimmers, oder?“

Mr. Kapowski trat unbehaglich von einem Bein aufs andere und rieb sich den Nacken, als ob er etwas loswerden wollte, aber nicht wusste, wie.

„Also um ehrlich zu sein“, brachte er schließlich heraus, „war das Kissen ziemlich klumpig.“

„Das tut mir leid“, erwiderte Emily, die sich ärgerte, es zuvor nicht selbst ausprobiert zu haben.

„Und, nun ja…die Handtücher sind kratzig.“

„Sind sie das?“, fragte Emily besorgt. „Warum kommen Sie nicht mit ins Esszimmer“, schlug sie vor, wobei sie sich beherrschen musste, um sich ihre Panik nicht in der Stimme anmerken zu lassen. „Dort können Sie mir erzählen, was Sie bedrückt.“

Sie führte ihn in das ausladende Esszimmer und zog die Vorhänge auf, um das blasse Morgenlicht in den Raum zu lassen. Auf diese Weise kam das neue Lilienarrangement von Raj zur Geltung, dessen Duft den Raum erfüllte. Die Oberfläche des langen Mahagonitisches glänzte. Emily liebte diesen Raum, er war so ausladend, schick und verziert. Es war der perfekte Raum, um das antike Geschirr ihres Vaters auszustellen, das in Vitrinen stand, welche aus demselben dunklen Mahagoniholz gefertigt waren wie der Tisch.

„Das ist schon besser“, sagte sie mit fröhlicher und leichter Stimme. „Was möchten Sie mir über Ihr Zimmer sagen, damit wir es richten können?“

Mr. Kapowski schien sich unwohl zu fühlen, so als ob er eigentlich gar nichts mehr sagen wollte.

„Es ist nichts. Nur das Kissen und die Handtücher. Außerdem war die Matratze etwas hart und, äh…etwas dünn.“

Emily nickte und tat so, als ob seine Worte sie nicht treffen würden.

„Aber das ist in Ordnung, wirklich“, fügte Mr. Kapowski hinzu. „Ich wache schnell auf.“

„Oh, okay“, sagte Emily, die erkannte, dass es für ihn wohl schlimmer war, ihn zum Reden zu bewegen, als ihn unzufrieden mit seinem Zimmer zurückzulassen. „Was kann ich Ihnen denn zum Frühstück bringen?“

„Eier und Speck, bitte, wenn es keine Umstände macht“, antwortete Mr. Kapowski. „Gebraten. Und Toast mit Pilzen und Tomaten.“

„Kein Problem“, erwiderte Emily, obwohl sie sich darum sorgte, dass sie nicht alle aufgezählten Lebensmittel im Haus haben könnte.

Sie eilte in die Küche, womit sie Mogsy und Rain sofort aufweckte. Beide Hunde begannen, um ihr Frühstück zu winseln, doch Emily ignorierte sie, während sie zum Kühlschrank hastete, um zu sehen, was sie vorrätig hatte. Sie war erleichtert, dass noch Schinken da war, auch wenn es keine Pilze oder Tomaten gab. Immerhin befand sich noch etwas Brot im Brotkorb. Es war ein Geschenk von Karen aus dem kleinen Supermarkt gewesen, das sie vor ein paar Tagen vorbeigebracht hatte. Außerdem gab es dank Lola und Lolly Eier.

Als Emily zur Hintertür hinauseilte und über das Gras zum Hühnerstall ging, bereute sie ihre Schuhwahl. Lola und Lolly stolzierten in ihrem Gehege umher und legten bei dem Geräusch von sich nähernden Schritten den Kopf auf die Seite, denn sie erwarteten, mit frischem Mais gefüttert zu werden.

„Noch nicht, meine Süßen“, sagte sie. „Zuerst ist Mr. Kapowski dran.“

Sie verliehen ihrem Unmut Ausdruck, während Emily zum Hühnerhaus ging, in das sie ihre Eier legten.

„Das gibt es doch nicht“, murmelte sie, als sie nichts fand. Dann drehte sie sich zu den Hühnern um und stemmte ihre Hände in die Hüfte. „Musstet ihr denn ausgerechnet heute keine Eier legen?!“

Dann erinnerte sie sich an ihre gestrige Übungsstunde im Pochieren. Sie musste dabei mindestens fünf Eier verbraucht haben! Sie schmiss ihre Hände in die Luft. Warum habe ich mir von Daniel nur einreden lassen, das Pochieren von Eiern üben zu müssen?, dachte sie frustriert.

Emily ging wieder nach drinnen, enttäuscht, dass sie Mr. Kapowski auch nicht das gewünschte Frühstück servieren konnte, und begann damit, den Schinken anzubraten. Ob es nun an ihrer Aufregung oder der mangelnden Erfahrung lag, Emily schien nicht in der Lage zu sein, auch nur die einfachsten Aufgaben zu erledigen. Sie schüttete Kaffee über die ganze Arbeitsfläche, dann holte sie den Speck nicht rechtzeitig aus der Pfanne, sodass er am Rand hart und schwarz war. Der neue Toaster – ein Ersatz für denjenigen, der explodiert war und die Küche ruiniert hatte – schien viel feinere Einstellungen zu haben als sein Vorgänger, weshalb sie es ebenfalls schaffte, den Toast zu verbrennen.

 

Als sie sich das fertige Produkt auf dem Teller ansah, war Emily kein bisschen zufrieden. Das konnte sie doch niemandem servieren. Deshalb ging sie in die Abstellkammer, wo sie das Ganze in die Hundenäpfe leerte. Immerhin hatte sie somit schon die Hunde gefüttert.

Zurück in der Küche versuchte Emily erneut, das von Mr. Kapowski georderte Frühstück zuzubereiten. Diesmal gelang es ihr besser. Der Speck war nicht schwarz und der Toast war nicht verbrannt. Sie hoffte einfach, dass er ihr die fehlenden Zutaten nachsah.

Als sie einen Blick auf die Uhr warf, stellte sie fest, dass sie fast dreißig Minuten gebraucht hatte, was ihr Herz zum Rasen brachte.

Schnell eilte sie ins Esszimmer.

„Bitteschön, Mr. Kapowski“, sagte Emily, während sie, mit einem Tablett beladen, das Esszimmer betrat. „Es tut mir leid, dass Sie so lange warten mussten.“

Als sie an den Tisch herantrat, bemerkte sie, dass Mr. Kapowski eingeschlafen war. Weil sie nicht wusste, ob sie darüber erleichtert oder verärgert sein sollte, stellte Emily das Tablett ab und begann, sich leise zurückzuziehen.

Plötzlich sprang Mr. Kapowski auf. „Ah“, meinte er mit einem Blick auf das Tablett. „Frühstück. Vielen Dank.“

„Es tut mir leid, aber heute habe ich weder Eier, noch Tomaten oder Pilze“, erklärte sie.

Mr. Kapowski schien enttäuscht zu sein.

Emily ging in den Flur hinaus und holte ein paar Mal tief Luft. Der Morgen war bisher schon sehr arbeitsintensiv gewesen, wenn man bedachte, wie viel sie in letzter Zeit für ihre Mühen verdiente. Wenn sie wollte, dass sich das Unternehmen rentierte, dann müsste sie ein bisschen effizienter werden. Und sie brauchte einen Notfallplan für den Fall, dass Lola und Lolly wieder einmal keine Eier legten.

Kurz darauf kam Mr. Kapowski aus dem Esszimmer. Seit er sein Essen erhalten hatte, war weniger als eine Minute vergangen.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Emily. „Brauchen Sie etwas?“

Wieder einmal schien Mr. Kapowski nur zögerlich mit der Sprache herauszurücken.

„Äh…das Essen ist etwas kalt.“

„Oh“, entgegnete Emily, die leicht in Panik verfiel. „Ich werde es für Sie aufwärmen.“

„Nein, es ist schon in Ordnung“, sagte Mr. Kapowski. „Ich muss jetzt wirklich los.“

„Okay“, meinte Emily ernüchtert. „Haben Sie heute noch etwas Schönes vor?“ Sie versuchte, mehr wie die Besitzerin einer Pension und weniger wie ein in Panik verfallendes Mädchen zu klingen, auch wenn sie sich eher wie letzteres fühlte.

„Oh nein, ich meinte, dass ich nach Hause gehen sollte“, korrigierte sich Mr. Kapowski.

„Sie meinen, Sie möchten auschecken?“, fragte Emily überrascht.

Sie spürte eine Kälte, die sich in ihrem gesamten Körper ausbreitete.

„Aber Sie hatten doch für drei Nächte reserviert.“

Mr. Kapowski sah man sein Unwohlsein an.

„Ich, äh, muss einfach zurück. Ich werde natürlich den vollen Preis bezahlen.“

Er schien es eilig zu haben, wegzukommen, und sogar als Emily vorschlug, den Preis für die zwei Frühstücke abzuziehen, bestand er darauf, den vollen Preis zu zahlen und sofort abzureisen. Als Emily an der Tür stand und ihm dabei zusah, wie er die Einfahrt entlangfuhr, fühlte sie sich wie eine vollkommene Versagerin.

Sie wusste nicht, wie lange sie dort gestanden und über die Katastrophe, zu der sich die erste Übernachtung entwickelt hatte, nachdachte, doch sie wurde erst wieder von dem Klingeln ihres Handys aus den Gedanken gerissen. Aufgrund des schlechten Empfanges im Haus, befand sich der einzige Ort, an dem sie ein Signal bekam, bei der Eingangstür. Sie hatte sogar einen extra Tisch im Flur, nur für ihr Handy. Es war ein wunderschöner, antiker Tisch, den sie in einem der verschlossenen Schlafzimmer des Hauses gefunden hatte. Nun ging sie zu ihm hinüber, während sie sich innerlich für das, was wohl kommen mochte, wappnete.

Es gab nicht viele gute Möglichkeiten. Ihre Mutter hatte sich seit jenem nächtlichen, höchst emotionalen Anruf nicht mehr bei ihr gemeldet, bei dem sie über Charlottes Tod und Emilys Rolle – wohl besser der fehlenden Rolle – dabei geredet hatten. Auch Amy hatte seit ihrem ehrenwerten Versuch, Emily aus ihrem neuen Leben zu „retten“, trotz ihrer Aussöhnung, nichts von sich hören lassen. Ben hingegen, Emilys Ex-Freund, hatte sie seit ihrer überstürzten Abreise oft angerufen, doch Emily hatte keinen einzigen seiner Anrufe beantwortet, und mittlerweile schien er sich immer seltener zu melden.

Als sie auf den Bildschirm sah, wappnete sie sich. Der Name, der dort aufblinkte, war eine vollkommene Überraschung. Es war Jayne, eine alte Schulfreundin aus New York. Sie kannte Jayne schon seit Kindertagen und zwischen ihnen hatte sich im Laufe der Jahre eine Art Freundschaft entwickelt, bei der auch schon einmal ein paar Monate vergehen konnten, bevor sie wieder miteinander sprachen, doch sobald sie wieder zusammen waren, schien es, als lägen keine fünf Minuten dazwischen. Jayne hatte wahrscheinlich von Amy oder einer anderen Quelle der Buschtrommel von Emilys neuem Leben erfahren und rief sie nun an, um mit ihr über die plötzliche und abrupte Veränderung zu sprechen.

Emily ging ran.

„Em?“, fragte Jayne mit unruhiger Stimme und abgehacktem Atem. „Ich habe gerade Amy bei meiner Jogging-Tour getroffen. Sie erzählte mir, dass du New York verlassen hättest!“

Emily blinzelte, ihr Gehirn war mittlerweile nicht mehr an die schnelle Redensart gewöhnt, die alle ihre Freunde aus New York beherrschten. Der Gedanke daran, beim Joggen zu telefonieren, kam Emily plötzlich fremd vor.

„Ja, schon vor einer Weile“, antwortete sie.

„Von welcher Zeitspanne reden wir hier?“, wollte Jayne wissen. Im Hintergrund konnte man das Geräusch ihrer Schritte hören.

Emilys Stimme hatte einen kleinlauten und entschuldigenden Tonfall angenommen. „Äh, von etwa sechs Monaten.“

„Oh verdammt, ich sollte dich wirklich häufiger anrufen!“, keuchte Jayne.

Emily konnte im Hintergrund den Verkehr hören sowie hupende Autos und den dumpfen Aufprall von Jaynes Turnschuhen auf dem Gehweg. Das alles ließ in Emilys Kopf ein bekanntes Bild erscheinen. Noch vor wenigen Monaten war die ebenfalls so ein Mensch gewesen, der immer beschäftigt war, niemals zur Ruhe kam und dessen Handy praktisch am Ohr angewachsen war.

„Was gibt es Neues?“, fragte Jayne. „Erzähl mir alles. Ich schätze, Ben ist aus deinem Leben verschwunden?“

Jayne, wie alle von Emilys Freunden und Familienmitgliedern, hatten Ben nie gemocht. Sie hatten die ganze Zeit gesehen, was Emily sieben Jahre lang nicht erkannt hatte, nämlich, dass er nicht der Richtige für sie war.

„Definitiv“, bestätigte Emily.

„Und gibt es jemand Neuen in deinem Leben?“, wollte Jayne wissen.

„Vielleicht…“, antworte Emily verschmitzt. „Aber es ist noch alles ganz frisch und nicht ganz fest, weshalb ich es lieber nicht verderben möchte, indem ich darüber spreche.“

„Aber ich will doch alles wissen!“, quengelte Jayne. „Oh, warte kurz. Ich bekomme gerade noch einen Anruf.“

Emily wartete, während die Verbindung stumm blieb. Ein paar Augenblicke später erfüllten wieder die Geräusche eines Morgens in New York City ihre Ohren, als sich Jayne wieder mit ihr verband.

„Tut mir leid, Süße“, sagte sie. „Ich musste rangehen. Arbeit und so. Also, Amy meinte, dass du dort eine Art Pension führst?“

„Mhm“, erwiderte Emily. Bei dem Thema war sie ein wenig angespannt, seit Amy es so lautstark als schlechte Idee betitelt hatte, ganz zu schweigen von der Wende in Emilys Leben, die Amys Meinung nach schlecht durchdacht war.

„Hast du gerade ein paar Zimmer frei?“, fragte Jayne.

Das überraschte Emily. Mit dieser Frage hatte sie nicht gerechnet. „Ja“, antwortete sie und ihre Gedanken schweiften zu Mr. Kapowskis nun leerem Zimmer. „Warum?“