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Römerinnen: Zwei Novellen

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Der Diener berichtete einige weitere Einzelheiten. Die ganze Garnison von Forli sei alarmiert. Als er hinaus war, versank Missirilli in Nachdenken, aber nur ein paar Minuten.

»Im Augenblick ist nichts zu machen,« erklärte er.

Vanina war halbtot. Sie zitterte unter den Blicken des Geliebten.

»Was regt dich denn das so auf?« fragte er. Aber schon dachte er wieder an andre Dinge und sah Vanina nicht weiter an.

Gegen Mittag wagte sie ihm zu sagen:

»Schon wieder eine entdeckte Venta! Ich denke, du hast nun für eine Weile genug …«

»Übergenug!« unterbrach er sie und lachte, daß es Vanina graute.

Sie machte dem Pfarrer von San Nicolo einen Anstandsbesuch. Er konnte ein Spion der Jesuiten sein. Als sie um sieben Uhr zum Pranzo wieder heimkam, fand sie das Gelaß leer, das sie dem Geliebten zum Versteck angewiesen hatte. Außer sich suchte sie ihn sofort im ganzen Schlosse. Er war nicht mehr da. In ihrer Verzweiflung lief sie nochmals in seine Stube. Jetzt erst fand sie einen Zettel, auf dem geschrieben stand:

»Ich stelle mich dem Legaten, weil ich an unsrer Sache verzweifle. Der Himmel ist wider uns. Wer mag uns verraten haben? Offenbar der Schurke, der sich in den Brunnen gestürzt hat. Da mein Leben dem armen Italien nichts nützt, so will ich nicht, daß mich meine Kameraden allein auf freiem Fuße sehen und sich am Ende gar einbilden, ich sei der Verräter. Lebe wohl! Wenn Du mich liebst, so sei darauf bedacht, mich zu rächen! Wenn Du den Verräter entdecken solltest, so vernichte den Nichtswürdigen, und wäre es mein Vater!«

Halb von Sinnen und in den Tod unglücklich sank Vanina in einen Stuhl. Sie war keines Wortes mächtig. Die tränenlosen Augen brannten ihr. Schließlich fiel sie in die Knie.

»Allmächtiger!« betete sie. »Nimm mein Gelübde an! Ich will den nichtswürdigen Verräter strafen. Aber vorher muß ich Pietro die Freiheit verschaffen!«

Eine Stunde später war sie unterwegs nach Rom. Ihr Vater hatte sie schon lange zur Heimkehr gedrängt und hatte in ihrer Abwesenheit dem Principe Livio Savelli ihre Hand fest versprochen. Kaum war Vanina wieder zu Hause, als der Fürst zaghaft davon zu sprechen begann. Zu seinem großen Erstaunen ging Vanina sofort darauf ein. Noch am selbigen Abend ward ihr Savelli im Hause der Gräfin Vitelleschi feierlich als Bräutigam zugeführt.

Vanina zeigte sich ihm sehr gesprächig. Er war der eleganteste Mensch und besaß die schönsten Pferde; aber wenn man ihn auch für sehr intelligent hielt, so galt er doch für derartig leichtsinnig, daß er der Regierung niemals verdächtig werden konnte. Damit rechnete Vanina. Wenn sie ihm den Kopf verdrehte, konnte sie ihn bequem zu allerhand gebrauchen. Ihm, dem Neffen des Monsignore Savelli-Catanzara, des Stadtkommandanten und Polizeipräsidenten von Rom, wagte kein Spion nachzustellen.

Nachdem Vanina den galanten Livio mehrere Tage auf das beste behandelt hatte, erklärte sie ihm, sie werde nie seine Gattin. Er wäre ihr viel zu leichtsinnig.

»Wenn Sie nicht das reine Kind wären,« sagte sie zu ihm, »hätten die Beamten Ihres Onkels keine Geheimnisse vor Ihnen. Wissen Sie zum Beispiel, was mit den Karbonari geschehen wird, die man neulich in Forli erwischt hat?«

Nach zwei Tagen kam Livio und meldete Vanina, alle in Forli verhafteten Karbonari seien entwischt.

Vanina sah ihn mit ihren großen schwarzen Augen eindringlich an, lächelte bitter und unsagbar verächtlich und würdigte ihn den ganzen Abend keines Wortes. Zwei Tage danach kam Livio abermals und gestand, man habe ihn vor zwei Tagen falsch unterrichtet.

»Jetzt aber«, erzählte er, »habe ich mir einen Schlüssel zum Arbeitszimmer meines Onkels verschafft. Aus den Akten, die ich daselbst in den Händen gehabt habe, weiß ich, daß eine Kommission von Kardinälen und hochangesehenen Prälaten in einer Geheimsitzung erörtert hat, ob es besser sei, den Karbonari in Ravenna oder in Rom den Prozeß zu machen. Die neun in Forli festgenommenen Verschwörer und ihr Führer, ein gewisser Missirilli, der so dumm gewesen ist, sich selbst zu stellen, werden augenblicklich im Kastell San Leo gefangen gehalten …«

Bei den Worten »so dumm« kniff Vanina den jungen Fürsten mit aller Kraft in den Arm.

»Ich will die offiziellen Akten selber einsehen. Nehmen Sie mich mit in das Arbeitszimmer Ihres Onkels! Sie haben sich jedenfalls beim Lesen geirrt.«

Livio erschrak zu Tode. Vanina forderte etwas geradezu Unmögliches von ihm; aber ihr seltsames Wesen verdoppelte seine Verliebtheit. Nach einigen Tagen konnte Vanina, als Lakai verkleidet, in der kleidsamen Livree der Casa Savelli, eine halbe Stunde lang in den geheimsten Papieren des Polizeipräsidenten herumkramen. Als sie den »Tagesbericht über pp. Pietro Missirilli« las, empfand sie einen Anflug von Glück. Kaum vermochten ihre zitternden Hände das Schriftstück zu halten. Als sie den Namen des Geliebten las, ward sie fast ohnmächtig.

Als sie den Palast des Polizeipräsidenten wieder verließen, durfte Livio sie küssen.

»Sie bestehen die Proben, die ich Ihnen auferlege, recht gut,« erklärte ihm Vanina.

Im Besitze dieses Lobes hätte der junge Principe Vanina zu Gefallen den Vatikan angesteckt.

Am Abend war Ball in der französischen Gesandtschaft. Vanina tanzte viel und fast stets mit Livio. Er war trunken vor Glück. Vanina durfte ihn nicht zur Besinnung kommen lassen. Des war sie entschlossen.

»Mein Vater ist manchmal wunderlich,« sagte sie eines Tages zu ihm. »Heute morgen hat er zwei von seinen Leuten von dannen gejagt. Sie sind weinend zu mir gekommen. Der eine hat mich gebeten, ihm eine Stelle bei Ihrem Onkel, dem Stadtkommandanten von Rom, zu verschaffen. Der andre, ein ehemaliger napoleonischer Artillerist, möchte auf der Engelsburg angestellt werden.«

»Ich nehme sie alle beide in meine Dienste,« erklärte der junge Principe eifrig.

»Habe ich Sie darum gebeten?« fragte Vanina hochmütig. »Ich habe Ihnen die Bitte der beiden armen Schelme wörtlich wiederholt. Sie sollen bekommen, was sie wünschen, und nichts andres!«

Das war nichts weniger als einfach. Monsignore Catanzara war ein höchst eigenwilliger Herr, der nur Leute in sein Haus nahm, die er sehr gut kannte.

Inmitten von tausend äußerlichen Vergnügungen ward Vanina von Reue gequält. Sie fühlte sich grenzenlos unglücklich. Die so langsame Entwicklung der Dinge brachte sie beinahe um. Der Bankier ihres Vaters hatte ihr Geld versorgt. Sollte sie aus dem Vaterhause fliehen, nach der Romagna gehen und ihren Geliebten zu befreien suchen? So unvernünftig dieser Gedanke war, so hätte sie ihn doch wohl ausgeführt, wenn sich der Zufall nicht ihrer erbarmt hätte.

Livio vermeldete ihr:

»Missirilli und seine neun Mitverschworenen werden nach Rom überführt, nachdem sie in Ravenna abgeurteilt worden sind. Das hat mein Onkel heute abend beim Papste durchgesetzt. Sie und ich, wir sind in ganz Rom die einzigen, die dieses Geheimnis wissen. Sind Sie zufrieden mit mir?«

»Sie werden ein Mann!« erwiderte Vanina. »Schenken Sie mir Ihr Bild!«

Am Tage, ehe Missirilli in Rom eintreffen sollte, fand Vanina einen Vorwand, nach Civita Castellana zu fahren. Im Gefängnis dieser Stadt wurden Gefangene, die man von der Romagna nach Rom beförderte, stets eine Nacht verquartiert. In der Tat sah Vanina ihren Missirilli, als er aus dem Gefängnis herausgebracht ward. Er saß kettenbelastet auf einem Karren für sich. Er kam ihr sehr bleich, aber durchaus nicht gebrochen vor. Eine alte Frau warf ihm ein Veilchensträußchen zu. Pietro lächelte ihr Dank zu.

Nachdem Vanina den Geliebten gesehen hatte, fühlte sie sich erstarkt und von neuem Mut beseelt. Bereits seit geraumer Zeit hatte sie den Abbate Cari, den Almosenier der Engelsburg, in der Pietro nunmehr eingekerkert war, in seiner Karriere ein gutes Stück vorwärts gebracht, indem sie ihn zum Beichtvater genommen. Er war ein gutmütiger Mensch. Es ist in Rom nicht unwichtig, Beichtiger einer Prinzessin zu sein, deren Onkel Stadtkommandant ist.

Mit den Karbonari von Forli wurde nunmehr kurzer Prozeß gemacht. Ärgerlich darüber, daß die Sache nach Rom abgewälzt worden war, sorgte die reaktionäre Partei dafür, daß die Kommission, der das Urteil oblag, aus den ehrgeizigsten Prälaten bestand. Den Vorsitz führte der Polizeipräsident.

Das Gesetz gegen den Karbonarismus ist klipp und klar. Den Rebellen von Forli blieb keine Hoffnung. Trotzdem verteidigten sie ihr Leben durch alle nur möglichen Ausflüchte. Die Richter verurteilten sie nicht nur zum Tode, sondern obendrein zu allerlei schrecklichen Nebenstrafen. Es sollten ihnen die Hände abgehauen werden usw. Der Polizeipräsident, der keine Streberei mehr nötig hatte (man vertauscht diesen Posten nur mit dem Kardinalshut), hatte kein Begehr nach abgehauenen Händen. Als er das Urteil Seiner Heiligkeit vorlegte, befürwortete er die Verwandlung sämtlicher Strafen in bloßes Gefängnis. Nur mit Missirilli ward eine Ausnahme gemacht. In diesem jungen Manne erblickte der Polizeipräsident einen gefährlichen Fanatiker. Überdies hatte er wegen der Ermordung der beiden Karabinieri den Tod verdient.

Vanina erfuhr das Urteil und dessen Umwandlung wenige Augenblicke, nachdem Monsignore Catanzara den Vatikan verlassen hatte.

Als er am Abend darauf gegen Mitternacht in seinen Palast zurückkam, war sein Kammerdiener nicht zur Stelle. Erstaunt klingelte Catanzara mehrmals. Endlich erschien ein alter gebrechlicher Lakai. Der Präsident verlor die Geduld und beschloß, sich selbst auszukleiden. Als der Diener hinaus war, verschloß er die Tür.

Es war sehr heiß. Er zog den Rock aus und warf ihn achtlos auf einen Stuhl, warf ihn aber mit solcher Wucht, daß er über den Stuhl hinwegflog, gegen den Musselinvorhang eines der Fenster. Da ward die Form eines hinter dem Vorhang stehenden Menschen erkennbar.

Monsignore stürzte nach dem Nachttisch und ergriff seine Pistole. Als er sich dem Fenster näherte, trat ein junger Mann in der Livree des Hauses hervor, ebenfalls eine Pistole in der Hand.

 

Catanzara erhob die seine und wollte losdrücken. Da rief ihm der junge Mann lachend zu:

»Monsignore, erkennen Sie Vanina Vanini nicht?«

»Was soll der schlechte Scherz?« fragte er zornig.

»Sprechen wir in aller Ruhe!« sagte die Principessa. »Übrigens ist Ihre Pistole entladen.«

Der betroffene Präsident überzeugte sich von der Tatsache. Dann zog er einen Dolch aus seiner Westentasche.

»Setzen wir uns, Monsignore!« schlug Vanina mit einer entzückend gebieterischen Gebärde vor und nahm ruhig auf einem Sofa Platz.

»Sind Sie wenigstens allein?« fragte der Polizeipräsident.

»Gänzlich allein! Das schwör' ich Ihnen,« rief Vanina.

Monsignore stellte dies genauestens fest, indem er im ganzen Zimmer herumging und alles durchsuchte. Darauf setzte er sich in einen Lehnstuhl, drei Schritte von Vanina entfernt.

Sie sagte im friedlichsten Tone:

»Welches Interesse könnte ich wohl haben, einem politisch maßvollen Manne nach dem Leben zu trachten, damit an seine Stelle höchstwahrscheinlich ein jähzorniger Schwachkopf träte, der imstande wäre, sich und die anderen zugrunde zu richten?«

»Was wollen Sie eigentlich, Principessa?« fragte Catanzara ärgerlich. »Die Geschichte paßt mir nicht. Sie hat schon lange genug gedauert.«

Hochmütig und ihre Grazie plötzlich verlassend, entgegnete ihm Vanina:

»Was ich noch zu sagen habe, ist für Sie wichtiger als für mich. Man will, daß der Karbonaro Missirilli mit dem Leben davonkommt. Wenn er hingerichtet wird, ist es binnen acht Tagen auch um Sie geschehen. Ich selbst habe keinerlei Interesse an der Sache. Die Torheit, die Ihnen unangenehm ist, begehe ich erstens zu meinem Vergnügen und zweitens, um einer meiner Freundinnen gefällig zu sein …« Indem sie ihren früheren artigen Ton wieder annahm, fuhr sie fort: »Auch wollte ich einem klugen Manne einen Dienst erweisen, der demnächst mein Onkel wird und offenbar den Glanz seines Hauses noch strahlender machen kann.«

Der Polizeipräsident verlor seine ärgerliche Miene. Vaninas Schönheit trug zweifellos zu diesem plötzlichen Stimmungswechsel bei. Monsignore Catanzaras Vorliebe für hübsche Frauen war stadtbekannt, und in ihrer Maskerade als Lakai mit straffsitzenden seidenen Strümpfen, roter Weste und kokettem himmelblauen silberbetreßten Rocke, die Pistole in der Hand, sah Vanina verführerisch aus.

»Meine liebe Nichte in spe,« sagte Catanzara, fast lachend. »Sie begehen eine große Torheit. Es wird wohl nicht die letzte sein.«

Vanina erwiderte:

»Ich hoffe, ein so kluger Grandseigneur wird mein Geheimnis wahren, besonders vor Ihrem Neffen Livio. Um Sie darauf zu verpflichten, verehrter Onkel, und wenn Sie dem Schützling meiner Freundin das Leben retten wollen, sollen Sie einen Kuß von mir bekommen.«

In diesem halb scherzhaften Tone, mit dem die vornehmen Römerinnen die wichtigsten Angelegenheiten zu behandeln verstehen, führte Vanina die Unterhaltung fort. Dadurch wurde aus der Pistolenszene schließlich eine Art Besuch, den die künftige Principessa Savelli ihrem Onkel, dem Stadtkommandanten von Rom, machte.

Wenn Monsignore Catanzara auch den Gedanken, man könne ihn durch Furcht einschüchtern, stolz von sich wies, so war er doch bald so weit umgestimmt, daß er seiner Nichte genau darlegte, welche großen Schwierigkeiten es mit sich brachte, dem Karbonaro das Leben zu erhalten. Schließlich aber versprach er ihr beinahe Missirillis Rettung.

»Unser Geschäft ist gemacht!« frohlockte Vanina. »Zur Besiegelung haben Sie hier Ihren Lohn!«

Sie fiel ihm um den Hals, und Monsignore nahm seinen Lohn entgegen.

»Meine liebe Vanina,« sagte er, »Sie müssen wissen, daß ich kein Freund vom Blutvergießen bin. Außerdem bin ich noch jung, wenngleich ich Ihnen wohl recht alt erscheine. Ich kann sehr wohl noch die Zeit erleben, wo das heute vergossene Blut auf mein Haupt kommt.«

Es schlug zwei Uhr, als Monsignore Catanzara die schöne Vanina nach dem Gartenpförtchen seines Palastes geleitete.

Zwei Tage darauf erschien er vor dem Papst, ein wenig über sein Anliegen verlegen.

Seine Heiligkeit empfing ihn mit den Worten:

»Vor allem erwarte ich, daß Sie mir eine Begnadigung unterbreiten. Einer der Karbonari von Forli ist zum Tode verurteilt. Der Gedanke daran hat mich nicht schlafen lassen. Der Mann muß gerettet werden!«

Als der Polizeipräsident sah, daß der Papst dasselbe wollte wie er, machte er allerlei Einwände. Schließlich setzte er aber eine Verfügung auf, die der Papst ganz gegen seine Gewohnheit motu proprio unterzeichnete.

Vanina glaubte zwar an die Möglichkeit, die Begnadigung ihres Geliebten zu erreichen, aber sie befürchtete, man könne ihn vergiften. Schon am Tage vor der Begnadigung erhielt Missirilli durch den Abbate Cari ein paar Pakete Zwiebäcke und die Warnung, die Gefängniskost nicht mehr anzurühren.

Nunmehr erfuhr Vanina, daß die gefangenen Karbonari wieder nach dem Kastell San Leo überführt werden sollten. Sofort faßte sie den Entschluß, Pietro bei seinem Durchzuge durch Civita Castellana zu sehen. Vierundzwanzig Stunden vor den Gefangenen langte sie daselbst an, wo sie mit dem Abbate Cari zusammentraf, der bereits einige Tage dort verweilte. Er hatte den Kerkermeister dazu gebracht, daß Missirilli um Mitternacht in der Gefängniskapelle der Messe beiwohnen durfte. Ja, wenn Missirilli damit einverstanden wäre, sich Arme und Beine in Ketten legen zu lassen, so war der Kerkermeister bereit, sich in den Hintergrund der Kapelle zurückzuziehen, allerdings ohne den Gefangenen außer Sehweite zu lassen. Hören konnte er da nichts von dem, was mit Missirilli gesprochen werden würde.

Endlich kam der Tag, an dem sich Vaninas Schicksal entscheiden sollte. Ganz früh am Morgen schloß sie sich in der Gefängniskapelle ein. Sie litt tausend Qualen. Immer wieder fragte sie sich, ob Missirillis Liebe groß genug sei, um ihr zu verzeihen. Sie hatte seine Mitverschworenen denunziert, aber ihm selbst hatte sie das Leben gerettet. Jedesmal, wenn die Vernunft in ihres Herzens Kämpfen die Oberhand gewann, war sie voller Hoffnung, er würde einwilligen, mit ihr zusammen aus Italien zu fliehen. Wenn sie auch Böses getan hatte, so war es doch aus Übermaß von Liebe geschehen.

Als es vier Uhr schlug, hörte Vanina von weitem auf dem Straßenpflaster die Hufschläge der Karabinieri. Bei jedem einzelnen Schlag erzitterte ihr Herz. Bald vernahm sie auch das Rollen der Karren, auf denen die Gefangenen befördert wurden.

Auf dem kleinen Platze vor dem Gefängnis machte der Zug halt. Vanina beobachtete, wie zwei Karabinieri Missirilli herunterhoben. Er befand sich allein in einem der Karren und war derart mit Ketten belastet, daß er sich nicht rühren konnte.

»Er ist wenigstens noch am Leben,« sagte sich Vanina, Tränen in den Augen. »Man hat ihn nicht mit Gift aus der Welt geschafft.«