Zombie Zone Germany: Fressen oder gefressen werden

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Zombie Zone Germany: Fressen oder gefressen werden
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Inhaltsverzeichnis





Titel







Impressum







Fressen oder gefressen werden







Zombie Zone Germany



Fressen oder



gefressen werden



Thomas Williams



Herausgegeben von Claudia Rapp





© 2020 Amrûn Verlag

Jürgen Eglseer, Traunstein



Idee: Torsten Exter



Herausgeberin der Reihe: Claudia Rapp



Lektorat: Claudia Rapp

Umschlaggestaltung: Christian Günther

Atelier Tag Eins - tag-eins.de



Alle Rechte vorbehalten



ISBN TB – 978-3-95869-129-2

Printed in the EU



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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar



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Kapitel 1



Ihre ersten Erinnerungen waren Schmerz und Gelächter. Dann blickte ein Mann auf sie herab, der sein fast zahnloses Grinsen zeigte, bevor er ihr stolz den aufgespießten Augapfel zeigte.



»Tadaaa!«



Sie wusste, dass es sich um ihr eigenes Auge handelte und dennoch wollte sie es nicht begreifen. Sie wünschte sich an einen anderen Ort. Weg von den Männern, die ihr das antaten. Aber sie war an den Tisch gefesselt, auf dem sie lag. Vollkommen nackt, damit sie ihren Körper betrachten und überlegen konnten, wo sie zuerst hineinschneiden sollten. Sie hatten nicht vor, sie zu vergewaltigen.



»Mit dem Essen fickt man nicht!«, sagte einer von ihnen immer wieder, bis ihn ein anderer anschrie, endlich die Klappe zu halten.



Der Zahnlose schob sich den Augapfel in den Mund und begann zu kauen. Dabei sah er die Frau ohne zu zwinkern an.



»Köstlich«, schmatzte er, während ihm der Speichel über das Kinn lief. »Ich hätte gerne Nachschlag.«



Das Messer näherte sich zum zweiten Mal ihrem Gesicht, verschwamm vor ihrem intakten Auge. Irgendjemand schrie und sie begriff nicht, dass sie es war.



Ihre Stimme ging in einem lauten Krachen unter. Tageslicht fiel in den Raum, blendete den Zahnlosen und ließ ihn zurückweichen wie einen Vampir, der sich vor der Sonne in Sicherheit bringen will. Schüsse trieben ihn und seine Freunde noch weiter zurück.



Als der Zahnlose laut zu schreien begann, hoffte sie, dass er getroffen worden war, sehen konnte sie aber nicht. Sie sah nur zur Decke, während sie immer noch schrie.



Die Schüsse endeten so schnell, wie sie begonnen hatten. Ein Schatten legte sich über die Frau, die den Fremden wimmernd ansah. Er hielt seine zwei Revolver immer noch schussbereit, als er sagte: »Sie sind weg.«



Die Frau erbrach sich und verlor das Bewusstsein.




Kapitel 2



»Hey, Doc Frankenstein.«



Er verdrehte die Augen hinter den geschlossenen Lidern und murmelte verschlafen: »Nenn mich nicht so.«



Sie lächelte. Den Spitznamen trug er, seitdem er sie zusammengeflickt hatte. Manchmal vergaß sie sogar seinen richtigen Namen, denn schließlich gab es niemanden mehr, der ihn mit diesem rief. Als er endlich die Augen öffnete, sah er sich blinzelnd um und fragte: »Wo sind wir?«



»Ich glaube, das Kaff nennt sich Bad Oeynhausen. Stand jedenfalls auf dem Ortseingangsschild, aber wegen lauter Einschusslöchern konnte ich es nicht lesen. Ist auch ein merkwürdiger Name, findest du nicht auch? Bad Oeynhausen. Was soll das überhaupt bedeuten?«



Der Doc fuhr sich mit einer Hand durch sein schulterlanges Haar, schmatzte und schloss wieder die Augen. »Was auch immer. Weck mich, wenn wir es hinter uns haben.«



»Wenn ich wüsste, wo ich lang fahren soll.«



»Nimm die Straßenkarte.«



»Du könntest auch mal etwas tun, weißt du?«



Er öffnete ein Auge, um sie anzusehen. Die Augenklappe und das kurz geschnittene, schwarze Haar ließen sie älter aussehen, als sie eigentlich war. Hinzu kamen kleine Narben in ihrem Gesicht, sowie viele schlaflose Nächte und schreckliche Erinnerungen. Sie musste einmal eine echte Schönheit gewesen sein, aber diese Welt, in der sie lebten, veränderte Menschen, innerlich wie äußerlich.



»Gott verdammt«, sagte Doc und öffnete das Handschuhfach des Wagens. Der Straßenatlas war ein mit weißen Drahtspiralen gebundener Klotz. Sie hatten ihn auf einem ihrer Streifzüge durch Wohnungen und Häuser gefunden und wie so vieles einfach mitgenommen, in der Hoffnung, ihn irgendwann gebrauchen zu können. In diesem Fall erwies es sich als richtig.



»Bad Oeynhausen, ja?« Doc Frankenstein räusperte sich und blätterte im Atlas, während seine Partnerin die Straße im Auge behielt. Vor ihnen lagen verlassene Autos, die eine vierspurige Hauptstraße versperrten. Mehrere von ihnen waren ineinander verkeilt. Es würde unmöglich werden, dort hindurchzufahren.



»Wie weit ist es denn noch?«, wollte der Doc wissen.



»Etwas mehr als hundert Kilometer.« Sie behielt zwei Autowracks im Auge, als sich etwas zwischen ihnen bewegte. Es konnte ein Stofffetzen sein, der im Wind flatterte. Vielleicht aber auch etwas ganz anderes. Ein Kleidungsstück oder eine Plane. Natalie wollte aufmerksam bleiben.



Mit dem Finger die Straßenkarte entlangfahrend begann der Doc: »Eigentlich müssten wir nur geradeaus zur Autobahn, aber so wird das wohl nix. Wir könnten ...«



Sie hörte ihm schon gar nicht mehr zu und stieg aus, ohne die vor ihnen liegenden Fahrzeuge aus den Augen zu lassen.



»Dann könnten wir ... Ach, Scheiße. Jetzt machst du wieder einen auf Terminatrix«, hörte sie den Doc noch sagen, bevor sie geduckt an den stehengelassenen Autos entlang schlich.



Sie zog eine P30, die sie seit ihrer Zeit in der Bundeswehr besaß, entsicherte die Pistole und blieb hinter einem roten Golf hocken. Sie warf einen Blick daran vorbei, konnte keine weiteren Bewegungen ausmachen, aber das musste nichts heißen.



Sie sah zum Doc, der immer noch im Wagen saß. Inzwischen kannte sie ihn lange genug, um sich nicht mehr von seiner Ruhe stören zu lassen. Ihm schien es nichts auszumachen, dass sich jederzeit menschenfressende Untote nähern konnten. Als ginge er davon aus, mit ihnen fertig werden zu können.



Okay, es ärgerte sie doch. Und zwar jeden Tag ein bisschen mehr. Irgendwann würde ihn seine Gelassenheit umbringen.



Wütend gab sie ihm mit einer Geste zu verstehen, dass er ihr folgen sollte.



Er hob die Schultern.



Sie zeigte ihm den Mittelfinger.



Und er lächelte.



Aber nur kurz, denn dann hörten sie die Stimmen. Mit der Waffe in beiden Händen richtete Natalie sich langsam auf, um auf die Straße zu blicken. Zwei Männer spazierten den Gehweg entlang. Sie hatten ihr den Rücken zugewendet. Einer von ihnen trug eine schwarze Wollmütze, der andere fiel eher durch seine beachtliche Statur und seinen Pferdeschwanz auf. Als er kurz zur Seite sah, ging die Frau wieder in die Hocke. Sie wollte den Doc auf die beiden aufmerksam machen, aber der war verschwunden.



»Großartig«, murmelte sie, zögerte noch einen Moment, bis sich die Stimmen etwas weiter entfernt hatten und begann dann, den Männern zu folgen.




Kapitel 3



Der Doc hasste es, wenn sie beide vollkommen planlos draufloszogen. Sie mussten sich absprechen, aufeinander abgestimmt sein. Sie hatten schon so viel verrücktes Zeug erlebt und überlebt, aber irgendwann würde sie das Glück verlassen.



Manchmal wünschte er sich, er hätte sie einfach liegengelassen. Aber er musste sie ja mitnehmen, ihre Wunden versorgen und sie aufpäppeln. Dabei hatte er nicht geglaubt, dass sie es schaffen würde. Diese Mistkerle hatten ihr ein Auge genommen, verdammt. Und auf ihrem Körper waren Linien gemalt, an denen sie entlang schneiden wollten. Wie bei einem Schwein, dem man die besten Stücke entfernte.



Er hatte nicht alle Menschenfresser erwischt. Ein paar waren entkommen, und er wäre ihnen nur zu gerne hinterhergeeilt, um auch sie zu erledigen, aber Natalie hatte so stark geblutet. Die Chancen, sie zu retten, waren gering gewesen, denn er besaß zwar Erfahrung, aber nicht das nötige Material.



Wenn er sie jetzt sah, konnte er immer noch nicht fassen, dass es dieselbe Person war, die er in dem Haus vorgefunden hatte.



Als er über einen Kofferraum hinwegschaute und beobachtete, wie Natalie sich den beiden Männern näherte, kam es ihm wie ein kleines Wunder vor, dass sie noch lebte.



Sie besaß einen starken Überlebenswillen und geringes Schmerzempfinden. Seitdem sie gemeinsam unterwegs waren, hatte er sie schon so oft zusammenflicken müssen.



Er hielt nach lebenden Toten Ausschau, während er sich ausmalte, wie sie heute Abend zusammen an einem Lagerfeuer sitzen und er wieder einmal sagen würde, dass sie sich zurückhalten müsste. Aber das konnte sie wohl nicht. Sie hatte in der Bundeswehr gedient und war von Anfang an dabei gewesen, als die Toten auferstanden. Genau wie er musste sie schreckliche Dinge gesehen haben. Doch darüber sprachen sie nie. Es würde nur Erinnerungen wecken, die sie erfolgreich unterdrückten. Sie wussten, wie sie sich in Gegenwart des anderen zu verhalten hatten. Oft sogar ohne Worte.



Der Name des Ortes verriet, dass es sich um einen Kurort handelte. Besonders groß konnte er also nicht sein. Die Großstädte waren von Untoten überrannt worden. Die Bundeswehr war chancenlos gewesen und hatte viele kleinere Orte vollkommen im Stich gelassen. Der Doc konnte sich gut vorstellen, dass Bad Oeynhausen nie Hilfe bekommen hatte. Während ihrer Reise waren der Doc und Natalie durch viele solche Städte gefahren. Während in den Großstädten immer noch herrenlose Panzer und andere Fahrzeuge der Bundeswehr an die vergeblichen Kämpfe erinnerten, suchte man solche Spuren in Kleinstädten vergeblich.

 



Er sah Natalie den Männern folgen und blieb an ihr dran. Er könnte sie auch zurücklassen und allein weitermachen, wie zuvor.



Aber er mochte sie. Es gab keine enge Beziehung zwischen ihnen, nur reine Freundschaft. Es fühlte sich gut an, nicht mehr allein zu sein oder befürchten zu müssen, im Schlaf die Kehle aufgeschlitzt zu bekommen und ausgeraubt zu werden. Und eine andere Stimme zu hören tat immer gut. Jemanden zu haben, mit dem man reden konnte. Sie mochten nicht immer einer Meinung sein und stritten auch oft miteinander, aber genauso oft brachten sie sich gegenseitig zum Lachen.



Er behielt sie weiterhin im Blick und richtete seine Augen dann auf ihr ungefähres Ziel, sah eine schwarze, dünne Rauchsäule in den Himmel steigen. Woher sie kam, konnte er nicht sagen. Ein großes Gebäude versperrte ihm die Sicht. An den Wänden hingen große Plakate von Filmen, die hier vermutlich noch nicht einmal angelaufen waren, bevor die Toten auferstanden. Doc schloss daraus, dass es sich um ein Kino handelte. Was folgte, waren eine Tankstelle und ein Burger King. Irgendwo dahinter befand sich das Feuer. Es konnte nur ein kleines Lagerfeuer sein.



Vermutlich machten sie hier Rast, oder ...



Der Doc zuckte zusammen, als die Schreie begannen. Sofort versuchte er, Natalie wiederzufinden, sah sie zwischen den Wracks entlang huschen und musste sich zusammenreißen, nicht nach ihr zu rufen. Das hätte die Männer auf sie aufmerksam gemacht.



Dennoch drehte sich der Kerl mit der Wollmütze um, als hätte er etwas gehört.



Trotz des Mantels, den er trug, bildete sich eine Gänsehaut auf den Armen des Docs. Der Kerl sah zwar anders aus als bei ihrer letzten Begegnung, aber er erkannte ihn trotzdem wieder. Für den Bruchteil einer Sekunde, der sich für den Doc viel länger anfühlte, sah er die Szene vor sich. Wie der Kerl vor dem Licht zurückwich, als könnte es ihn mehr verletzen als die Revolver, die der Doc auf ihn richtete. Er hatte ihn am Arm getroffen, doch da der Mistkerl entkommen war, konnte es nur ein Streifschuss gewesen sein.



Das ist kein Lagerfeuer, sondern eine Grillparty, dachte der Doc, als sich der Menschenfresser wieder von ihm abwandte.




Kapitel 4



Ihn wiederzusehen fühlte sich anders an als erwartet. In ihrer Vorstellung schoss Natalie ihm wortlos ins Gesicht, während er um sein Leben bettelte. Doch jetzt, als er nur ein paar Meter von ihr entfernt die Straße entlangging, ließ sie sein Anblick fast kalt. Es enttäuschte sie irgendwie, dass sie keine Wut empfand. Dass der aufgestaute Hass nicht überkochte und ihr die Kraft gab, ihn auf der Stelle umzubringen.



Dennoch löste es etwas in ihr aus, denn die Schreie von weiter rechts drangen erst an ihr Ohr, als er seinen Freund mit dem Ellbogen anstieß und sagte: »Die Penner haben schon ohne uns angefangen.«



»Hast du was anderes erwartet?«, fragte der Mann mit dem Pferdeschwanz.



»Um ehrlich zu sein, nein.«



Sie verschwanden kurz hinter der Preistafel der Tankstelle und Natalie nutzte die Chance, ihnen zu folgen. Die Schreie hörten ebenso abrupt auf, wie sie begonnen hatten, doch als Natalie sich nahe der Tankstelle befand, konnte sie auf einen dahinterliegenden Parkplatz sehen. Er gehörte zu einem Einkaufszentrum. Mehrere Geschäftsnamen standen draußen an den Wänden. Kleidungsläden, ein Elektronikfachhandel, ein Supermarkt und mehr. Für einen Moment versuchte Natalie sich vorzustellen, wie es hier früher ausgesehen hatte. Als die Menschen noch herkamen, um einzukaufen und den Tag zu genießen.



Der Verkehr war sicher immer sehr dicht gewesen, da er zu beiden Seiten auf die inzwischen vollkommen verstopfte Autobahn führte.



Sie schlich weiter, ließ ihre Deckung hinter sich, als die beiden Männer auf dem Parkplatz nach rechts abbogen und erneut aus ihrem Blickfeld verschwanden. Vermutlich war die Rauchsäule ihr Ziel.



Natalie sah noch einmal zum Wagen, in dem sie Doc Frankenstein zurückgelassen hatte, konnte ihn aber immer noch nicht sehen. Sicher versteckte er sich wie sie zwischen den Wracks. Vielleicht beobachtete er sie gerade und ärgerte sich über ihren Alleingang. Aber dies war einfacher, als dem verschlafenen Kerl erklären zu müssen, was sie vorhatte.



Sie stand auf, um den beiden Männern zu folgen, als sie schlurfende Schritte hinter sich hörte. Ihr fiel die Bewegung zwischen den Wracks ein und es ärgerte sie, dass sie diese vergessen hatte. Als Natalie sich umdrehte, war der Stinker, wie sie die Toten nannte, nur noch wenige Schritte entfernt. Er bestand nur aus Haut und Knochen, doch sein Bauch war durch Verwesungsgase regelrecht aufgebläht. Die Toten konnten das Fleisch, das sie aßen, nicht verdauen oder ausscheiden. Sie fraßen, bis sie platzten, und selbst dann noch weiter. Sein rechter Arm fehlte, der linke war nach ihr ausgestreckt. Und das, obwohl sein Unterkiefer nur noch an verwesenden Sehnen baumelte und er längst nicht mehr fähig war, zuzubeißen. Ihn zu erschießen, hätte die Männer auf sie aufmerksam werden lassen, also holte sie ein Jagdmesser aus ihrem Gürtel, schlug den Arm des Toten beiseite und rammte ihm die Klinge in die Schläfe. Sie rutschte von allein wieder heraus, als der Stinker zu Boden sank. Inzwischen hatte sie so viele dieser Monster ausgelöscht, dass es eine fließende Bewegung geworden war.



Sofort drehte Natalie sich wieder um, sah zum Parkplatz und machte sich auf den Weg. Der Stinker hatte etwas in ihr ausgelöst. Die seit langer Zeit in ihr brodelnde Wut wollte endlich raus.




Kapitel 5



Früher hatte Doc Frankenstein als Unfallchirurg in Stuttgart gearbeitet und auf den Namen Lars gehört. Seine Erfahrungen mit Verletzungen retteten Natalie das Leben, und inzwischen hatte sie ihre Schuld mehrmals ausgleichen können. Doc mochte ein guter Chirurg sein, aber er war ein lausiger Kämpfer. Er konnte zuschlagen, allerdings nicht einstecken. Als er Natalie gerettet hatte, war das Überraschungsmoment auf seiner Seite gewesen. Hätten sich Natalies Peiniger entschlossen, zurückzuschießen, wäre die Sache wohl anders ausgegangen. Inzwischen waren sie ein eingespieltes Team. Sie hielt ihnen die Stinker und andere Feinde vom Hals, er flickte sie zusammen. Mit der Zeit hatte er sich damit abgefunden, dass er sich von einer Frau beschützen lassen musste. Schließlich würde keiner von ihnen ohne den anderen noch leben. Dennoch kam es ihm manchmal so vor, als wisse sie gar nicht zu würdigen, was er für sie getan hatte, denn immer wieder handelte sie unüberlegt und voreilig. So wie jetzt, als sie den beiden Männern folgte.



Während er ihr zwischen den stehenden Autos entlang hinterherschlich, hielt er nach Stinkern und weiteren Feinden Ausschau, ohne welche zu entdecken. Zähneknirschend verfolgte er, wie Natalie die Tankstelle hinter sich ließ. Er wollte ihr nacheilen, aber in diesem Moment riss ihn jemand mit sich zu Boden. Ehe er überhaupt reagieren konnte, spürte der Doc eine Klinge am Hals und hörte eine Stimme dicht neben seinem Ohr sagen: »Mach jetzt keine Dummheiten!«



Eine Hand fasste in sein Haar, zwang ihn, seinen Kopf in den Nacken zu legen. Sein Gegner sah ihn an und der Doc erblickte ein rundliches, unrasiertes Gesicht. Es erschreckte ihn, als er einen etwa zwanzig Jahre alten Mann erkannte. Auch die Bartstoppeln halfen nicht viel, um ihn älter aussehen zu lassen, und als er wieder sprach, fiel dem Doc auf, wie hoch die Stimme des Mannes klang. Und wie sie zitterte. Der junge Kerl hatte Angst.



»Ich werde dich jetzt durchsuchen. Wenn du auch nur eine Bewegung machst, verteile ich dein ganzes Blut auf der Straße.«



So wie er redete, kannte er wohl zu viele Filme. Doch mit einem Messer am Hals wollte der Doc sich nicht über ihn lustig machen, also krächzte er: »Okay.«



Die Klinge verschwand und der Bursche begann, den Doc abzutasten. Immerhin machte er das ordentlich. Der Doc wollte ihn nicht unterschätzen. Seine Nervosität konnte ihn noch gefährlicher machen.



»Dreh dich auf den Bauch und nimm die Hände hinter den Rücken«, befahl der Fremde schließlich und band die Hände vom Doc zusammen, als dieser gehorchte. Danach zog er ihn auf die Beine und hielt ihm das Messer erneut an den Hals. Wieder griff er ihm ins Haar, bevor er ihn fragte: »Bist du allein?«



Auch diesmal konnte der Doc seine Antwort nur krächzend von sich geben: »Ja.«



»Wehe dir, wenn nicht. Los, geh voran.« Ehe der Doc einen Fuß vor den anderen setzen konnte, gab ihm der Junge einen Stoß in den Rücken und fauchte: »Na los!«



Sie gingen in dieselbe Richtung wie Natalie und die zwei Männer vor ihr. Früher oder später mussten sie aufeinanderstoßen. Um das hinauszuzögern, drehte der Doc sich halb um und sagte: »Hör mal ...«



Weiter kam er nicht. Der Anblick des Jungen würgte ihm das Wort ab, als dieser sich einen aus Stacheldraht gemachten Kranz auf den Kopf setzte. Die blutigen Kratzer an seinem Kopf waren ihm bereits aufgefallen, doch es war schließlich keine Zeit geblieben, darüber nachzudenken. Den Kranz musste der Junge beim Angriff verloren haben.



»Dreh dich wieder um!«, schnauzte er und hielt dem Doc das Messer vors Gesicht.



Der konnte immer noch nichts weiter tun, als den anderen anzustarren. Schließlich fragte er: »Wieso trägst du dieses Ding?«



Der junge Mann schien ihn noch einmal zum Gehen auffordern zu wollen, sagte dann aber: »Ich diene Imperius.«



Als der Doc die Schultern hob, sah er Überraschung im Gesicht des Jungen. »Du weißt nicht, wer das ist?«



»Hab noch nie von ihm gehört.«



»Du wirst ihn kennenlernen. Ihr alle werdet das. Und dann werdet ihr sterben. Jetzt dreh dich wieder um.«



Sobald der Doc gehorchte, hörten sie Schüsse fallen.



»Scheiße! Beweg dich! Los!«, schrie der Junge. Ohne darauf zu warten, dass sein Gefangener gehorchte, packte er ihn am Arm und zerrte ihn mit sich.




Kapitel 6



Solch einen Wagen hatte Natalie noch nie gesehen. An den Fenstern waren Drahtgitter montiert, der zerkratzte Lack und mehrere Beulen machten deutlich, dass er schon einiges mitgemacht hatte. Auf der Ladefläche befand sich ein Käfig. Kaum höher als ein ausgewachsener Mann, doch es hätten etwa zehn solche Personen in ihm Platz gehabt.



Als sie über die Ladefläche hinweg zum Parkplatz spähte, entdeckte sie das kleine Feuer, an dem mehrere Männer und Frauen standen. Ihre Kleidung war dreckig, ihre Haare verfilzt. Was aber besonders auffiel, waren die Stacheldrahtkränze auf ihren Köpfen. Auch das hatte Natalie noch nie gesehen.



Einer der Männer kratzte sich die Stirn und den Hinterkopf. Diese Dinger mussten einen wahnsinnig machen, denn schließlich kratzten einem die Dornen ununterbrochen in die Haut und irgendwann ins Fleisch. Doch außer ihm zeigte niemand irgendeine Reaktion darauf.



Die Aufmerksamkeit der Leute galt der Frau, die zwischen ihnen kniete und eine Hand auf den blutenden Stumpf presste, der einmal ihr linkes Knie gewesen war. Sie starrte ihr halbes Bein an, als könnte sie noch gar nicht glauben, dass da etwas fehlte. Dunkle Haarsträhnen hingen in ihr kreidebleiches Gesicht.



Einer der Männer war dabei, das abgetrennte Bein über dem Feuer zu braten, und brachte die anderen zum Lachen, als er sagte: »Weglaufen kann sie jetzt jedenfalls nicht mehr.«



Natalie versteckte sich wieder hinter dem Wagen, um nicht länger hinsehen zu müssen. Der Wind wehte ihr den Geruch von verbranntem Fleisch entgegen, sodass ihr übel wurde.



Sie holte das Magazin aus der P9. Noch vier Kugeln. Zu wenige, um alle Kannibalen auszuschalten. Sie musste also bluffen. Und zwar schnell. Die Frau würde nicht mehr lange durchhalten. Entweder starb sie am Blutverlust oder am Schock. Oder was auch immer die Menschenfresser als Nächstes mit ihr vorhatten.



Natalie schob das Magazin in die Waffe, entsicherte sie und stand auf. Als Soldatin in der Bundeswehr hatte sie viel gesehen und erlebt, aber ihre Beine zitterten dennoch, als sie den Wagen hinter sich ließ. Sie hoffte, entschlossen zu wirken. Und dass der Doc irgendwo lauerte, um einzugreifen, wenn es brenzlig werden sollte.



Mit der P9 auf die Menschenfresser gerichtet ging sie vorwärts, ließ sich ihre Ausbildung, ihre Zeit in Afghanistan, die Auferstehung der Toten in Deutschland und das darauffolgende Chaos durch den Kopf gehen, um sich einzureden, dass sie nach all dem Wahnsinn auch diesmal überleben würde. Oder wenigstens vier von diesen Mistkerlen mitnehmen konnte, sollte etwas schiefgehen.

 



Als einer der Männer auf sie aufmerksam wurde, reagierte er anders als erwartet. Er nickte in ihre Richtung und sagte gelassen: »Wir kriegen Besuch.«



Sogar die verletzte Frau sah in ihre Richtung. Doch es wirkte eher so, als blickte sie durch sie hindurch.



»Lasst sie gehen«, befahl Natalie, als sie stehen blieb und auf die Gruppe zielte.



Zuerst passierte gar nichts. Niemand erwiderte etwas oder machte Anstalten, zu gehorchen.



Dann begann eine der Menschenfresserfrauen zu lachen und die anderen stimmten mit ein.



»Sie kann aber gar nicht mehr gehen«, spottete die Kannibalin.



Natalies Finger schloss sich etwas fester um den Abzug, doch jetzt abzudrücken, wäre Selbstmord gewesen. Sie hatte keine Deckung und die umgebauten Fahrzeuge standen zu weit entfernt, um sich hinter ihnen in Sicherheit zu bringen.



Einer der Männer wollte auf sie zugehen, aber Natalie schrie: »Stehenbleiben!«



Der andere gehorchte, grinste jedoch: »Und wenn nicht?«



Er war etwas kleiner als die anderen und lag trotz der geringen Nahrungsmittel immer noch gut im Futter. Sein Bauch ragte über den Hosenbund, das Hemd spannte sich über seinem Oberkörper, da es ihm zwei Nummern zu klein sein musste.



Natalie richtete die Waffe auf ihn. »Dann gehst du als erster drauf.«



Er zeigte sich immer noch unbeeindruckt. »Du hast eine ganz schön große Klappe. Vielleicht erwischst du zwei von uns, aber bestimmt nicht alle.«



Während er redete, hoben drei Männer und eine Frau ebenfalls Pistolen. Die Frau hielt einen Colt in den Händen, der aussah, wie aus einem Westernfilm. Das Ding war auf Hochglanz poliert, aber bestimmt nicht, weil sie es so gerne hatte, sondern weil gepflegte Waffen einfach länger hielten. Ohne Waffe war man heutzutage aufgeschmissen. Und schließlich gab es sie nicht an jeder Ecke.



Die anderen hatten Polizeiwaffen, vermutete Natalie. Die einfachste Art, an Gewehre und Pistolen zu kommen, war es, ein Präsidium zu plündern oder in den Krisengebieten zu suchen, wo die Bundeswehr versucht hatte, die Toten zurückzudrängen. Einen Moment blitzte das Bild eines völlig zerstörten Straßenzugs vor Natalies Augen auf. Zerbombte Häuser, brennende Autos und Tote, die sich weiter auf sie zubewegten, egal wie viele von ihnen Natalie und ihre Kameraden mit ihren Maschinengewehren niedermähten. Umgeben von schwarzen Rauchsäulen, die den Himmel verdunkelten, und den Schreien Verwunderter. Und mit Verstärkung im Rücken.



Ihr kam eine Idee. »In diesem Moment sind Gewehre auf euch gerichtet. Wenn ich das Zeichen gebe oder ihr auf mich schießt, eröffnen meine Freunde das Feuer.«



Der Kerl im Hemd grinste immer noch, machte zwei weitere Schritte auf Natalie zu und sagte: »Schätzchen, wir können das hier auf die schnelle oder die langsame Tour machen. Ich empfehle dir die schnelle. Sie ist nicht schmerzlos, aber dafür kurz. Die andere siehst du da hinten.« Er deutete mit dem Daumen auf die verletzte Frau, die nur deswegen noch aufrecht saß, weil einer der Männer seine Hand in ihrem Haar vergraben hatte. Als dieser nun auf sie herabsah, stellte er überrascht fest: »Ich glaube, sie ist tot.«



Der Mann im Hemd drehte sich halb um. Als er sich wieder Natalie zuwandte, schien er eine Sekunde zu überlegen. Und dann lächelte er erneut. »Siehst du, was passiert, wenn ...«



Sie schoss ihm ins Gesicht und wirbelte herum, bevor er zu Boden gegangen war. Die anderen würden das Feuer eröffnen, sobald sich ihre Überraschung gelegt hatte. Natalie rechnete nicht damit, schnell genug hinter einem der Fahrzeuge Deckung zu finden, musste es aber versuchen. Noch unterwegs bereute sie, abgedrückt zu haben, aber früher oder später wäre die Situation ohnehin eskaliert.



Der erste Schuss schlug dicht neben ihren Füßen ein und zwang sie, nach rechts zu laufen. Weg von dem SUV, hinter dem sie vorhin gehockt hatte. Die Menschenfresser wollten ihr nicht erlauben, sich zu verstecken. Sie musste etwas anderes finden und hielt auf einen kleineren Wagen zu. Hinter ihm standen zwei Geländemotorräder. Wenn es ihr gelang, eines zu erreichen und den Motor zu starten, hatte sie vielleicht eine Chance.



Doch die zweite Kugel ließ sie die Idee sofort wieder verwerfen und noch weiter nach links rennen. Der dritte Schuss verfehlte nur knapp ihre Beine und schlug vor ihr ein. Entweder spielten die Menschenfresser mit ihr, oder sie waren verdammt schlechte Schützen.

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