Die Beobachtung als Methode in der Kommunikations- und Medienwissenschaft

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Literatur

Diekmann, Andreas (2010). Empirische Sozialforschung. Reinbek: Rowohlt.

Jahoda, Marie, Lazarsfeld, Paul F. & Zeisel, Hans (1933/1975). Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziologischer Versuch über die Wirkung langandauernder Arbeitslosigkeit. Leipzig: Hirzel / Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

2 Methode der Beobachtung
2.1 Gegenstand

Die sozial- und verhaltenswissenschaftliche Beobachtung ist ein empirisches Verfahren zur Untersuchung menschlicher Verhaltensweisen und Reaktionen im weitesten Sinne. Sie grenzt sich damit von naturwissenschaftlichen Beobachtungsverfahren ab, mit denen z.B. physikalische Zustände wie die Temperatur eines Gases gemessen oder das Verhalten von Tieren in ihrem natürlichen Umfeld erfasst wird. Es ist aber auch von einer Verwendung des Begriffs Beobachtung als Synonym für alle Arten von empirischen Untersuchungen zu unterscheiden. Entsprechende Studien analysieren z.B. Phänomene anhand von hoch aggregierten Daten im Zeitverlauf und werden oft als Beobachtungen der Kriminalitätsentwicklung, Beobachtung von Marktbewegungen oder Beobachtung von Gesellschaftstrends bezeichnet.

2.1.1 Definition

Die sozial- und verhaltenswissenschaftliche Beobachtung ist die systematische Erfassung und Protokollierung von sinnlich oder apparativ wahrnehmbaren Aspekten menschlicher Handlungen und Reaktionen, solange diese nicht rein auf durch Forschende initiierte Kommunikation basieren oder in Form editierter Dokumente vorliegen. Sie dient einem wissenschaftlichen Ziel, ist prinzipiell wiederholbar und legt alle relevanten Aspekte offen.

Diese Definition basiert auf einer systematischen Zusammenstellung wissenschaftlicher Definitionen und der daraus resultierenden Arbeitsdefinition von Gehrau (2002: 25–27) sowie der berechtigten Kritik daran von Brosius, Haas und Koschel (2016: 183–185). Zum besseren Verständnis lohnt es, die wesentlichen Komponenten einzeln zu betrachten:

• Bei der Beobachtung handelt sich um ein systematisches Vorgehen, d.h., es gibt Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens und Reflektierens, denen die wissenschaftliche Beobachtung folgt. Das bedeutet allerdings nicht notwendigerweise, dass das Vorgehen standardisiert stattfindet. Auch nicht-standardisierte Beobachtungen folgen bestimmten Regeln und sind nicht der Willkür der Forschenden überlassen.

• Das Interessierende wird protokolliert bzw. erfasst, d.h., es wird in ein Symbolsystem für die weitere Bearbeitung überführt, wobei nicht festgelegt ist, ob es sich dabei um Texte oder Zahlen handelt.

• Gegenstand der Beobachtung sind theoretisch alle Aspekte menschlichen Handelns bzw. menschlicher Reaktionen. Das schließt sowohl alle Verhaltensweisen ein als auch körperliche Reaktionen wie z.B. Herzklopfen oder Schwitzen.

• Die beobachteten Aspekte müssen sinnlich oder apparativ wahrnehmbar sein. Sie müssen also entweder von einem Menschen gesehen, gehört oder auch gerochen werden oder durch entsprechende Apparate erfasst werden können.

• Beobachtungen dienen einem wissenschaftlichen Ziel und damit zumindest einem avisierten Erkenntnisgewinn. Ob sie aber z.B. Theorien entwickeln helfen oder diese testen sollen, ist nicht entscheidend.

• Ihr Vorgehen ist so angelegt, dass es zumindest in ähnlicher Form von anderen Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftlern wiederholt werden kann, um zu überprüfen, ob die Resultate replizierbar und die daraus gezogenen Schlüsse angemessen sind.

• Dazu ist es nötig, dass alle für das Vorgehen relevanten Entscheidungen expliziert und offengelegt werden, so dass sie kritisiert und nötigenfalls in Folgestudien verbessert werden können.

• Die Aspekte der von Forschenden initiierten Kommunikation und der editierten Dokumente grenzt die Beobachtung von der Befragung sowie der Inhaltsanalyse ab.

In einigen Forschungskontexten ist es kaum möglich, Beobachtungen, Befragungen und Inhaltsanalysen voneinander zu trennen, da sie parallel durchgeführt werden und das durch sie entstandene Material gemeinsam ausgewertet wird. Entsprechende Settings waren insbesondere zu Beginn der wissenschaftlichen Beobachtung häufig vorzufinden.

2.1.2 Abgrenzung

Zunächst einmal lässt sich die sozial- und verhaltenswissenschaftliche Beobachtung von der Alltagsbeobachtung durch ihre Systematik und ihr wissenschaftliches Ziel abgrenzen. Alltagsbeobachtungen dienen zwar auch der Orientierung und dem Informationsgewinn; sie dienen aber keinem primär wissenschaftlichen Zweck. Wissenschaftliche Beobachtungen sollen demgegenüber Alltagsphänomene explorieren und beschreiben, um daraus wissenschaftliche, insbesondere theoretische Aussagen entwickeln oder die Gültigkeit entsprechender wissenschaftlicher Aussagen anhand von Alltagsphänomenen überprüfen zu können. Darüber hinaus geht die wissenschaftliche Beobachtung systematisch vor. Sie folgt also nicht allein dem Gutdünken der Forschenden, sondern Regeln, welche die Erreichung des wissenschaftlichen Ziels sicherstellen und von unterschiedlichen Forschenden auf ähnliche Weise befolgt werden.

Die Einschränkung, dass Beobachtungen nicht auf primär von Forschenden initiierter Kommunikation beruhen, soll die Beobachtung von der Befragung abgrenzen. Streng genommen könnte man bei der Befragung behaupten, es handele sich um eine Beobachtung der Antworten der Untersuchten. Zwar kann man die Antworten der Untersuchten mit Recht als Handlungen verstehen, die sich beobachten lassen. Solche Handlungen sind aber insoweit unnatürlich, als sie nur wegen der Untersuchung stattfinden. Es handelt sich nicht um eigenständige Handlung, weil diese von den Untersuchenden durch deren Fragen initiiert wurden. Wichtiger ist aber die Tatsache, dass allein die Untersuchung selbst Anlass für die Handlungen ist, die so in keinem natürlichen Kontext stattfinden würden. Insofern handelt es sich bei der Befragung um eine Untersuchungssituation und Konstellation, die gänzlich anders gelagert ist als bei der Beobachtung. In Befragungen und zwar selbst in nichtstandardisierten Interviews werden alle interessierenden (Antwort-) Handlungen von den Forschenden initiiert und ihr Ablauf bestimmt. Die eigentlichen Handlungen der Untersuchten interessieren den Forschenden dabei in der Regel gar nicht, sondern allein die darüber transportierten Inhalte. In Beobachtungsstudien wäre von Interesse, wie geantwortet wird: schnell oder langsam, hektisch oder überlegt etc. In Befragungsstudien interessiert demgegenüber, was geantwortet wird. Parallelen zwischen der Beobachtung und der Befragung ergeben sich z.B. Beispiel dann, wenn der verbale Informationsaustausch oder von den Forschenden initiiertes Verhalten beobachtet wird, wobei die Beobachteten angehalten sind, ihr Verhalten zu kommentieren, dem parallelen sogenannten Lauten Denken. Auch wenn Beobachtungen von Personen durchgeführt werden und die Beobachteten wissen, dass sie beobachtet werden, weist die Beobachtung deutliche Parallelen zur Befragung auf. In beiden Verfahren treten ähnliche Probleme in Bezug auf die Rekrutierung der Untersuchten sowie von Einflüssen der Untersuchenden auf die Untersuchten auf.

Mit editierten Dokumenten soll eine Grenze zwischen Beobachtung und Inhaltsanalyse gezogen werden: Beobachtungen sind auch anhand von aufgezeichneten Handlungen oder Handlungsspuren möglich. Damit können auch Videoaufnahmen oder z.B. Briefe Gegenstand von Beobachtungsstudien sein. Die Beobachtung interessiert sich dann für die dort festgehaltenen, natürlichen Alltagshandlungen. Anders sind Medieninhalte oder z.B. offizielle Dokumente anzusehen. In diesen mögen zwar Alltagshandlungen nachgespielt oder erwähnt werden, diese sind aber nicht selbst festgehalten. Das Festgehaltene folgt einer bestimmten Aufbereitungs- oder Editierlogik und nicht der Logik von Handlungen im natürlichen Kontext. Medieninhalte und Dokumente lassen sich inhaltsanalytisch untersuchen und zwar sowohl in Bezug auf die Art ihrer Aufbereitung als auch in Bezug auf die mit ihnen vermittelten Inhalte. Dabei können zwar auch Handlungen und Reaktionen von Menschen Gegenstand der Analyse sein; diese können aber nicht als Alltagshandlungen angesehen werden. Vom Vorgehen sind beide allerdings oft sehr ähnlich, z.B. die Inhaltsanalyse einer Sportübertragung und die Beobachtung von Sportausübung anhand von Videos. Dementsprechend ergeben sich Ähnlichkeiten bei beiden Verfahren in Bezug auf die Art der Codierung des Materials und der dabei auftretenden Fehler durch die Codierer.

2.1.3 Entwicklung

Eine einheitliche Darstellung der Entwicklung der Beobachtung liegt nicht vor. Stattdessen verweisen Autoren unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen auf verschiedene Ursprünge, aus denen sich die (teilnehmende) Beobachtung entwickelt hat. Kalthoff (2006: 146; vgl. auch Breidenstein, Hirschauer, Kalthoff & Nieswand 2015: 13) geht dabei am weitesten zurück und verweist auf die Entdecker als Ursprung der ethnologischen Forschungstradition. Gemeint sind hiermit ebenso Abenteurer oder Missionare wie Kartographen oder Handelsreisende, die im 18. und frühen 19. Jahrhundert in die neuen Kolonien gereist sind, dort einige Zeit gelebt haben, um die Kultur kennen zu lernen und dann Reiseberichte oder Dokumentationen in Europa publiziert haben. Zunächst sollten diese helfen, die Kolonien von Europa aus sinnvoll zu administrieren. Darüber hinaus wurden mit ihnen Techniken entwickelt, unterschiedliche Kulturen und deren gesellschaftlichen Praktiken zu dokumentieren und zu analysieren. In dieser Tradition ist z.B. die Publikation Die Argonauten des westlichen Pazifiks von Malinowski (1922) über die Lebensweise der Landbevölkerung in Neuguinea und Malinesien zu erwähnen (Schönhagen 2011: 305). Diese frühen ethnographischen Praktiken werden inzwischen sehr kritisch betrachtet (vgl. Breidenstein, Hirschauer, Kalthoff & Nieswand 2015: 19–20). Atteslander (2010: 74) verweist bei seinen Angaben zur Geschichte der Beobachtung auf die Publikation Zur Lage der arbeitenden Klasse in England von Engels aus dem Jahr 1845. Dieser hatte einige Jahre in Manchester verbracht, um die englische Industrialisierung, insbesondere im Bereich der Weberei kennen zu lernen. Dazu trug er sowohl umfassendes statistisches Material zusammen als auch Erfahrungen aus vielfältigen Beobachtungen und Befragungen vor Ort. Vor allem in Bezug auf die zum Teil unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Entsprechende Berichte wurden im England der damaligen Zeit unter dem Stichwort Social Survey erstellt (Atteslander 2010: 74). In den Ausführungen von Diekmann (2010: 548–549) wird daneben auf literarische und journalistische Formen als Vorgänger der Beobachtung hingewiesen. Namentlich erwähnt werden Sincalaires Roman über die Zustände in Chicagoer Schlachthöfen zu Beginn des 20. Jahrhunderts sowie die Publikationen von Kisch zur Lebenssituation von Obdachlosen in London, Hopfenpflückern in Böhmen oder Fischern auf Rügen. Einig sind sich alle Autoren darin, dass der Grundstein zur Etablierung der (teilnehmenden) Beobachtung als Verfahren der wissenschaftlichen Datenerhebung durch die Studien der sogenannten Chicagoer Schule in den 1920er-Jahren gelegt wurde (Breidenstein, Hirschauer, Kalthoff & Nieswand 2015: 20–25). Unterschiedliche Wissenschaftler begleiteten Personen oder Gruppen, die am Rande der Chicagoer Gesellschaft lebten, über einen längeren Zeitraum, beobachteten und befragten sie, um darüber dichte und authentische Beschreibungen des jeweiligen sozialen Lebens zu erhalten. Als Beispiele werden oft die Studien „Street Corner Society“ von Whyte (1943) oder „The Gang“ von Trasher (1927) genannt (z.B. Dieckmann 2010: 549–550).

 

Den wohl wichtigsten europäischen Beitrag lieferten Jahoda, Lazarsfeld und Zeisel (1933) mit ihrer Studie Die Arbeitslosen von Marienthal. In dieser dokumentieren sie das Leben in einem kleinen von Massenarbeitslosigkeit betroffenen Ort nahe Wien. Sie erhoben sozialstrukturelle Angaben, befragten Betroffene und beobachteten sie; so diente z.B. das eingangs des Buches erwähnte Gehen über einen öffentlichen Platz als Indikator für die individuelle Motivation und Zielstrebigkeit. Mit dieser Studie sind die ersten, ernsthaften Bestrebungen verbunden, die beobachteten Angaben zu standardisieren, indem jene gezählt und gemessen wurde (siehe auch Dieckmann 2010: 552–560). Als Paradebeispiel für ein voll standardisiertes Beobachtungsverfahren wird von vielen Autoren (z.B. Friedrichs 1980: 276–278) die Interaktionsprozessanalyse von Bales (1956) herangezogen. Mit dieser lässt sich die verbale Interaktion innerhalb kleiner Gruppen anhand von zwölf Kategorien in sechs Dimensionen beschreiben. Die Kategorien waren das Ergebnis theoretischer Vorüberlegungen sowie empirischer Vortests, die auf das Minimum der notwendigen Kategorien reduziert wurden. In den verschiedenen Fachkontexten werden unterschiedliche Standardisierungsbestrebungen verfolgt. In der psychologischen sowie der erziehungswissenschaftlichen Literatur werden z.B. gern die Aufgaben genannt, die Piaget kleinen Kindern aufgegeben hat, um anhand der Lösungsstrategien ihren kognitiven Entwicklungsstand festzustellen (z.B. Sedlmeier & Renkewitz 2013: 104–105). Im Kontext der Wirtschaftswissenschaft nennen z.B. Hague, Hague und Morgan (2013: 81) die systematische Analyse von Verkäufen in Läden sowie die vor Ort durchgeführten Beobachtungen des Käuferverhaltens in den 1930er-Jahren in den USA sowie GB als Initialzündung der heute üblichen systematischen Beobachtungen im Bereich Marketing und Marktforschung.

Seit Mitte des letzten Jahrhunderts findet eine deutliche Differenzierung wissenschaftlicher Beobachtungstechniken statt. Diese wird insbesondere durch die technische Entwicklung und methodische sowie methodologische Diskussionen in den einzelnen Fächern vorangetrieben. Automaten und Sensoren machten Beobachtungsverfahren möglich, die nicht mehr von menschlichen Beobachtern durchgeführt werden mussten. So ließ sich z.B. mittels Lichtschranken oder Drehsperren feststellen, wie viele Personen pro Zeiteinheit einen bestimmten Punkt passieren. Sensoren hielten Trainings- oder Arbeitsleistungen fest. Geräte zur Erfassung von aktuellen Körpermerkmalen wie der Herzfrequenz oder der Hautleitfähigkeit ließen Rückschlüsse auf Erregungszustände von Personen zu und führten zur Etablierung sogenannter physiologischer Messungen. Nicht zuletzt wurden so auch sehr spezielle apparative Messverfahren entwickelt wie z.B. die Telemetrie zur genauen Erhebung der Reichweite bestimmter Fernsehsender und Fernsehsendungen, die sogenannte Einschaltquote. Für jedes einzelne Fach ließen sich hier wahrscheinlich mehrere solcher Spezialverfahren anführen. Der letzte große Schub für die Differenzierung und Verbreitung wissenschaftlicher Beobachtungsverfahren ergab sich durch das Internet und die mobile Kommunikation. Bei dieser lässt sich quasi jede ausgeführte Handlung bei deren Durchführung technisch beobachten oder nach deren Ausführung anhand von Spuren technisch auslesen und analysieren.

Die kurze Skizze von Vorläufern und Entwicklungen der wissenschaftlichen Beobachtung macht sichtbar, dass eine Vielzahl von Studien und Verfahren als wissenschaftliche Beobachtung anzusehen sind, die sich in Bezug auf ihre Varianten und Merkmale aber deutlich voneinander unterscheiden.

2.2 Varianten und Merkmale

Gehrau stellte 2002 eine Metaanalyse von wichtigen Methodenbüchern vor, in denen die Beobachtung als Verfahren wissenschaftlicher Datenerhebung eingehend behandelt wurde. Die dabei diskutierten Varianten und Merkmale der Beobachtung wurden systematisiert und in drei grobe Bereiche eingeteilt: (1) den Beobachter betreffend, (2) die Beobachtungssituation betreffend sowie (3) das Erhebungsverfahren betreffend. Aus den untersuchten Publikationen wurden dann einzelne Merkmale extrahiert und den drei Bereichen zugeordnet.

Systematik von Beobachtungsvarianten


Drei Merkmale betreffen den Beobachter: intern versus extern, selbst versus fremd und teilnehmend versus nicht-teilnehmend; vier charakterisieren die Situation: offen versus verdeckt, wissentlich versus unwissentlich, Feld versus Labor, mit Stimulus versus ohne Stimulus; und vier spezifizieren die Datenerhebung: strukturiert versus nicht strukturiert, direkt versus indirekt, vermittelt versus unvermittelt sowie manuell versus automatisch1 (siehe Abbildung). Die Metaanalyse zeigte, dass auf drei Merkmale von Beobachtungen in allen Publikationen ausführlich eingegangen wurde: Teilnehmend versus nicht-teilnehmend, offen versus verdeckt sowie standardisiert versus nicht-standardisiert. In knapp der Hälfte der Publikationen wurden zudem Unterschiede zwischen Selbst- versus Fremdbeobachtung bzw. Feld- versus Laborbeobachtungen erörtert. Die anderen Aspekte wurden jeweils nur in einer oder zwei Publikationen berücksichtigt, meist jeweils aufgrund einer speziellen Fachperspektive. Offenbar sind die Fragen, ob internes oder externes Beobachtungspersonal sowie ob dabei Stimuli zum Einsatz kommen oder nicht, für viele Autoren und Autorinnen keine Frage der Konzeption von Beobachtungen, sondern von deren Durchführung. Auch die Aspekte direkt versus indirekt, vermittelt versus unvermittelt sowie manuell versus apparativ scheinen dann an die Frage nach dem Einsatz von Technik geknüpft zu sein. Da all diese Punkte aber grundlegende Auswirkungen auf die Art der Beobachtung und die damit verbundenen methodischen Probleme haben, werden sie im Weiteren als eigenständige Varianten bzw. Grundmerkmale von Beobachtungen behandelt.

Gehrau und Hamachers (2017) haben die vorliegende Systematik als Basis einer Inhaltsanalyse aktueller internationaler Fachzeitschriftenpublikationen im Bereich der Kommunikationswissenschaft genutzt. Die Frage, ob Interne oder Externe beobachtet haben, ließ sich anhand der Publikationen nicht klären. Ansonsten erwies sich die vorliegende Systematik als geeignet, um die entsprechenden Publikationen zu den jeweiligen Beobachtungsstudien zu klassifizieren. Probleme ergaben sich lediglich in Bezug auf die Frage, ob wissentlich oder unwissentlich beobachtet wurde. Dies lag aber nicht an Problemen bei der Anwendung des entsprechenden Kriteriums, sondern in dessen Erfassung, da in den analysierten Beiträgen oft nicht das entsprechende Vorgehen deutlich gemacht wurde.

Für das vorliegende Buch wurde 2017 eine erneute Sichtung aktueller Fachbücher durchgeführt. Dabei zeigten sich unterschiedliche Aspekte. Neuauflagen derjenigen Bücher, die bereits 2002 von Gehrau berücksichtigt wurden, haben ihre Beobachtungskapitel wenn überhaupt nur wenig geändert. Neuere technische Entwicklungen werden in diesen meist nicht berücksichtigt. Das ist bei den neu hinzugezogenen Büchern durchaus anders. In der Regel diskutieren diese deutlich mehr unterschiedliche Merkmale und Varianten von Beobachtungen. Infolgedessen ist die Matrix aus Publikationen versus Varianten deutlich besser ausgefüllt. Es finden sich keine Merkmale mehr, die nur in einem oder in zwei Methodenbüchern diskutiert werden. Vor allem diejenigen Merkmale und Varianten, die mit Beobachtungstechnik verbunden sind, werden deutlich häufiger in Betracht gezogen. Insofern scheint sich die Beobachtung in der aktuellen Methodenliteratur gegenüber früheren Publikationen als modernes und technikaffines Erhebungsverfahren etabliert zu haben.

Bei den nachfolgend aufgezeigten Varianten der Beobachtung handelt es sich um idealtypische Beschreibungen, die anhand von Gegensätzen dargestellt werden. Im Forschungsalltag handelt es sich aber nicht um Entscheidungen zwischen den Gegensätzen, sondern um Abstufungen zwischen den jeweiligen Extrempolen, die aber aus Gründen der Textlänge und Lesbarkeit nicht in ihren möglichen Zwischenvarianten dargestellt werden.