Kitabı oxu: «Die Pyrenäenträumer - Band 2»

Şrift:

Wolfgang Bendick

Die Pyrenäenträumer - Band 2

Der Käser

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Pyrenäenträumer 2 - Der Käser

Widmung

Zum Buch

EIN NEUES JAHR

DER PYRENÄEN-KÄSE

FRÜHLING IN ARIEGE

SCHAFE UND SCHWEINE

ZEIT UND GELD

DER ZIEGENKAUF

DER MARKT

DER KANADIER

MADAME BERNAGOU

MARKTRICKS

ZUWANDERER

DER SCHWEIZER TRAKTOR

DER LEGIONÄR

DIE HOBBYFARMER

APFELZEIT

DER STIER

IN DEN BERGEN

DER HAUCH DER EWIGKEIT

FRANZOSEN

DER SUPERGAU

DAS SOMMERFEST

YUCCA

DIE GOTHEN

DER DORFZIRKUS

TROCKENHEIT

EIN JÄGER…

NACH DEUTSCHLAND

FEUER

NOMADEN

DER BAU

DURCH DIE SCHWEIZ

DIE SQUATTER

DAS KALB

EINKAUFSFAHRTEN INS ALLGÄU

DAS EUTER

DIE DEUTSCHE EINHEIT

DIE NEUE STRASSE

GRAVIARET

DIE ACHILLESSEHNE

DER RINDERWAHN

DER ÄMTERWAHN

NEUER ANFANG

DAS JAHRHUNDERTFEST

DIE VERSPÄTETE CHANCE

DIE REVOLTE DES NEOS

DIE NEUE ÄRA

DIE TEUTONEN

DIE RUNDERNEUERUNG

JESUS

BERGMASCHINEN

DER LEHRLING

NEUE METHODEN

IM FORST

DAS ÖFFENTLICHE AMT

STREIT IM PARADIES

WINTERSPAZIERGANG

DER SCHRITT INS 21 JAHRHUNDERT

GENERATIONENWANDEL

INDEX

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Impressum neobooks

Die Pyrenäenträumer 2 - Der Käser

Texte: © Copyright by Wolfgang Bendick

Umschlag: © Copyright by Lucia Bendick

Verlag: Wolfgang Bendick

Las Piassères

09800 Augirein (Frankreich)

wolfgang.bendick@orange.fr

Webseite: wolfgangbendick.com

Titelbild: Wolfgang Bendick beim Käsemachen

Webseite: wolfgangbendick.com

Erste Erscheinung, Herbst 2019

Widmung

Für Gila und Francis, Eric und Françette, Françoise und Lulu, Jean-Noël, Monique, André, Anne, Françine, Jacquie, Hakim, Claudine, Anni-Jeanne, Bernard, Regis, Florençe, Jean-Louis, Ginette, Bruno, Caroline, Jean-Marc, Patrick, Pierre, Gilles, Daniel, Nico und all die anderen, die sich nicht damit zufrieden gaben, bei einem Joint eine neue Welt zu diskutieren, sondern die anpackten, und zeigten: die andere Welt ist möglich!

Für all die, die sich jeden Morgen neu ans Werk machen, die nicht nur ihren Urlaub auf einem Bauernhof verbringen, die bei Krankheit trotzdem da sind, und die mit uns eine Passion teilen: die Liebe zu den Tieren, zur Erde und einer gut ausgeführten Arbeit!

In den Pyrenäen, im Herbst 2019

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Manche in diesem Buch genannten Orte existieren irgendwo, andere sind fiktiv.

Alle in diesem Buch vorkommenden Personen und Ereignisse sind fiktiv.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen oder vergangenen oder zukünftigen Ereignissen sind rein zufällig und nicht gewollt.

Ein Dankeschön an Franz und Lucia für ihr ermunterndes und korrigierendes Lektorat…

Zum Buch

Achtung!

Eine Eigenschaft von Träumen ist, oft wahr zu werden! Somit besteht die Hoffnung, dass der Traum von einer heilen Welt doch noch eines Tages Wirklichkeit werden kann!

Dieses Buch ist die Fortsetzung der Geschichte einer Aussteigerfamilie, die immer mehr in die Geheimnisse des Landlebens hineinfindet, durch die Realität des Alltags aber von eigenen, meist zu idealistischen Prinzipien abweichen muss. Es ist keine Reise in die Vergangenheit, sondern durch die Gegenwart, unsere einzige Realität. Zugleich ist dieses Buch die Geschichte eines Tales, von dem wir inzwischen Teil geworden sind.

Alles kursiv Geschriebene bezieht sich auf praktische Hinweise zur Landwirtschaft, Viehhaltung, zum Käseherstellen und zum Meistern von Problemsituationen und kann über den Stichwortanhang hinten im Buch konsultiert werden.

Ein zukünftiger Bauer oder Käser sollte das Buch mit einem Rotstift in der Hand lesen und alles, was ihm ins Auge fällt, anstreichen. Denn wir haben vieles aus Unwissenheit falsch gemacht. Und wenn es uns gelingen sollte, dem Leser einige Erfahrungen zu übermitteln und ein paar Fehler vermeiden zu helfen, hätte sich das Lehrgeld, das wir gezahlt haben, ein weiteres Mal gelohnt!

Der Träumer möge sich tragen lassen von dem wundersamen Geschehen in einem abgeschiedenen Tal der Pyrenäen, von der steten Einwanderung neuer Generationen, die bis in die hintersten Winkel der Täler vordringt und uns neue Nachbarn und neue Ideen beschert. Ein Teil bleibt, wird sesshaft und trägt dazu bei, diese herrliche Gegend weiterhin am Leben zu erhalten, andere ziehen weiter und bringen die Kunde von unserem Tal in die weite Welt.

EIN NEUES JAHR

Doris Mutter und Bruder sind über die Feiertage auf Besuch gekommen. Da lag an Weihnachten mehr als sonst unterm Baum! Seit ein paar Tagen regnet es, abends wird es kälter, der Regen verwandelt sich in Schnee. Am nächsten Morgen deckt eine samtene Decke das ganze Land. Ich scheue mich etwas, diese Pracht zu betreten. Doch die Tiere warten, und bald zeigt im Schnee ein sich kreuzendes, in alle Richtungen verlaufendes Spurenmuster von den vielen Gängen, die notwendig sind, um die Tiere zu versorgen! Bald sind auch die Kinder draußen, suchen ihre Schlitten, ihr Lachen und Kreischen übertönt das Blöken der Schafe im Stall!

Mit Reiner, Doris Bruder, unternehme ich eine Neujahrswanderung rund um unser Gelände, ausgerüstet mit Hammer, Zange und Krampen, um die Schäden an den Zäunen zu reparieren, die die Wildschweine angerichtet haben. Stellenweise haben sie regelrecht die Pfosten herausgehebelt, um auf unser Land zu gelangen, als ob es hier besseres zum Fressen gäbe als außerhalb! Vielleicht ist die Erde hier etwas weicher, und ihre Schnauzen werden geschont, wenn sie ihre manchmal knietiefen Löcher graben oder auch nur die Grasnarbe umklappen. Viel werden sie nicht gefunden haben, denn an einer anderen Stelle sind sie wieder raus, gerade so, als ob unsere Zäune nicht existierten!

Als wir endlich in Lateou, der höchsten Parzelle ankommen, so auf 1000 Metern gelegen, lassen wir unsere Werkzeuge an der Scheune und stapfen durch den knietiefen Schnee weiter hoch zu den Gemeindewiesen, die seit Herbst mit Kiefern- und Fichtensetzlingen aufgeforstet worden sind. Der Förster hatte uns gefragt, ob wir das Land nutzen wollten. Doch war es schon verkrauteter als unser eigenes Land und zudem noch steiler. Sollen sie es bepflanzen, immer noch besser als Farn und Brombeeren! Ich hatte mit unseren inzwischen 25 Hektar Land genug zu tun! Und würde ich das Gemeindeland wirklich sauber machen, wäre bestimmt Jean aus dem Nachbartal der erste, der es nutzen würde, denn er bringt seine Herde jetzt schon bis an unsere Zäune…

Der Aufstieg hat uns gut aufgewärmt. Wir setzen uns auf unsere Parkas in den Schnee, aus dem hier und da ein Tannenspitzle herausragt. Uns zu Füssen erstreckt sich im Silberlicht der Sonne unser heimatliches Tal. Ein klarblauer Himmel wölbt sich über die Glitzerwelt, dünne aufsteigende, sich dann ausbreitende Rauchfäden zeigen an, dass hier und da noch menschliches Leben vorhanden ist. Tief unter uns liegt das langgestreckte, lehmfarbene Gebäude unseres Hofes wie eine im Eismeer verankerte Arche Noah.

Wir ziehen die Handschuhe aus, um besser den Neujahrsjoint rauchen zu können, den Reiner geschickt zusammenzaubert. Diese Handlung vertieft unser Zusammengehörigkeitsgefühl, fühlen wir uns eh schon wie Brüder, nein, eher wie Zwillinge, denn die streiten sich nicht! Unter uns braucht es nicht viele Worte. Er ist gelernter Gärtner wie ich, und das Arbeiten mit der Erde eint uns. Auch er würde gerne ein Grundstück haben, eine Scheune… Noch ein tiefes Zügle, wir lassen uns vom Gefühl der Heimat durchdringen, das uns der Ort übermittelt.

Am nächsten Morgen, meinem Geburtstag, ziehen die Verwandten es vor, früh aufzubrechen wegen der verschneiten Straßen überall. Zum Glück hatten sie das Auto im Dorf gelassen. Wir laden ihr Gepäck auf den Transporter, wickeln uns dick ein, und tasten uns vorsichtig mit dem Fahrzeug ins Tal, die Kinder johlend mit den stiebenden Schlitten voraus. Ein letztes Umarmen, Winken, dann fahren sie langsam davon, in der Hoffnung, dass die Hauptstraßen besser geräumt sind. Dennoch brauchen sie diesmal 24 Stunden für die Heimfahrt, das Doppelte wie bei schönem Wetter.

Bevor wir wieder in die warme Stube hochgehen, werfe ich noch schnell einen Blick in den Stall, um zu sehen, ob Nachwuchs da ist. Nach einer Weile erfüllt Kuchenduft die Küche. Doris hat zur Feier des Tages einen Kuchen gebacken, die Kinder legen eine Kassette mit lokaler Volksmusik ein, die sie mir gekauft haben, und wir verbringen den Tag im Warmen, nur unterbrochen von Holzholen, Stallarbeit und den Schlittenfahrten der Kinder.

Ein neues Jahr hat angefangen, jetzt, da Ruhe herrscht, ist Zeit, eine Bilanz zu ziehen: Bald sind wir vier Jahre hier. Wir haben vier Kühe, ein Dutzend Jungziegen, 18 Milchschafe und dreißig Bienenvölker. Weiterhin 15 Hühner und einen Hahn, fünf Katzen, einen Hund sowie vier Stallhasen. Und zudem eine Menge Läuse! Aber das sind wohl Dinge, die man in Kauf nehmen muss, wenn die Kinder in die Schule gehen! Und die Biester kriegt man nicht mehr los, weil immer jemand seine Kinder nicht behandelt oder kein Geld dafür hat, oder aus sonstigen ideologischen Gründen. Außerdem zahlt die Krankenkasse nicht das teure Mittel. Doch in Deutschland soll es jetzt auch Läuse geben. Wahrscheinlich sind die Biester inzwischen immun gegen alles. Nur wir Menschen sind anfällig für alles geworden!

Die Nächte sind klirrend kalt. Wir wundern uns in der Früh, dass das Heu nicht aufgefressen ist. Die Schafe machen Terror, wir fragen uns, warum. Bis wir merken, dass die Tränken in den Ställen eingefroren sind! Nur das Brunnenrohr im Hof läuft noch und der Strahl verschwindet in einem bizarren Eisgebilde. Wir schlagen das Eis von der Oberfläche, um mit einem Eimer Wasser zu schöpfen, damit wir die Tiere tränken können. Die Schafe sind so wild auf das Wasser, dass sich alle zugleich darauf stürzen und den Eimer umwerfen. Wir versuchen es mit mehreren Eimern zugleich. Das geht besser. Und wir tränken sie nun mehrmals am Tag.

Die Kühe sind da behäbiger. Sie trinken in satten, tiefen Zügen, ab und zu innehaltend, den Kopf hebend. Das Wasser trieft ihnen dann in dicke Fäden aus den glänzenden Mäulern. Wenn sie anfangen, im Eimer herum zu stoßen, heißt das, sie haben erst mal genug, und man trägt den Eimer zur nächsten Kuh.

Da draußen außer Schneeschaufeln nicht viel zu tun ist, schaffe ich die übrig gebliebenen Bretter vom Bau der Bienenstöcke rein, und fange mit dem Schreinern von Küchenmöbeln an. Zuerst eine Arbeitsfläche, mit Regalen und Schubläden darunter. Archie, der Klempner, hatte mal eine Küchenspüle aus Nirosta-Stahl bei uns gelassen, mit Doppelbecken, für Emil und Rosa. Doch die wollten so ein neumodisches Zeug nicht in ihr Haus einbauen. Also findet sie jetzt bei uns ein neues Leben. Rundum gefliest, darüber mein Weihnachtsgeschenk für Doris, ein elektrischer Durchlauferhitzer von der ‚Redoute‘, einem Versandhaus, der in Ostdeutschland hergestellt ist. Das rieche ich schon, als ich die Verpackung aufmache! Der ist für den Sommer, jetzt tut es unser ‚Schiffle‘ im Küchenherd. Das Weihnachtsgeschenk für mich war ein Elektrohobel, der jetzt mit seinem Surren und Staub das Haus erfüllt, während ich die Bretter anpasse. Da viel Holz übrig ist, baue ich gleich noch eine Ofenbank, mit einer Spielsachenabteilung für jedes Kind unten drin. Natürlich wird diese Bank sofort belegt, weil es der wärmste Platz im Haus ist! Dorle macht es sich darauf bequem und schmökert die ‚Tin Tin‘ - Comics, die der Weihnachtsmann den Kindern gebracht hatte.

Beim Umräumen finde ich in einem Winkel ein Dösle mit grünen Kräutern drinnen, die einen bitteren Duft verströmen. Als alle im Bett verschwunden sind, kann ich es mir endlich auf der Ofenbank bequem machen und schmauche im Dunkeln meine Meerschaumpfeife aus Istanbul. Ich schaue den durch die Ritzen der Ofenringe entweichenden Feuerflecken zu, die an der Zimmerdecke einen sanften Tanz vollführen und frage mich, was Leben ist und Zeit, und warum wir Menschen wirklich null Durchblick haben. Oder – ist vielleicht das Suchen nach dem Grund der wahre Sinn des Lebens? Dann wäre das ja ganz einfach!

Irgendwann werde ich wach. Das Blubbern der Flammen und ihr Tanz haben aufgehört. Gleißend, noch verstärkt durch die Kälte der Nacht, schicken die Sterne ihr Licht durch die neuen Fenster, mir eine Ahnung von der Ewigkeit des Weltalls vermittelnd. Doch wenn es da draußen so etwas wie Ewigkeit gibt, dann muss sie ebenfalls hier unten sein, auch in uns! Ich bin ein Teil des Universums! Mit dieser Gewissheit gehe ich vor die Tür. Meine Hand klebt an der Klinke fest, als ich leise die Tür schließe. Ich lasse sie so lange, bis das Metall sich erwärmt hat und mich wieder frei gibt. Der Schnee um mich herum glitzert wie ein Spiegelbild des Weltalls. Knirschend verdichtet er sich unter meinen Tritten. Ein wohliger Mief schlägt mir entgegen, als ich in den Stall schlüpfe. Noch ist das Wasser in den Becken gefroren, nur vom Rand her sind sie ein wenig aufgetaut. Schläfrig blicken mich die Kühe an, kurz ihr Widerkäuen unterbrechend, um ihren Kautabak auf die andere Seite zu schieben. Wohlig strecken sich ein paar neugierige Schafe, bevor sie näherkommen und mich beschnuppern.

Der Hund liegt hinter seinem Vorhang in der Hütte und grunzt zufrieden, als ich ihn kraule. Noch ein Schluck vom Wasserstrahl oberhalb des Eiskegels auf dem Brunnentrog, dann schnell zurück ins Haus und ins Bett. „Dieses Leben ist das Großartigste, was mir je passiert ist!“ durchströmt es mich, während der Schlaf mich in seine Arme nimmt.

*

Eigenartigerweise ist das Wasser im Haus noch nicht eingefroren. Irgendwie muss ich wieder fließendes Wasser in den Stall bekommen, der Winter kann noch lang dauern! Ich mache mit einer Brechstange einen kleinen Durchbruch vom Flur in den Raum nebenan, in welchem ich später vielleicht die Käserei einrichten will und von dort zu den Kühen. Das neue Rohr umgebe ich gut mit Schaumröhren als Isolierung und schließe es an der bestehenden Leitung im Stall an. Jetzt geht es darum, die Leitungen im Stall aufzutauen, was durch die Wärme der Tiere letztendlich gelingt. Nur müssen wir jetzt den Hahn ein kleines bisschen offenlassen, damit die neue Leitung nicht auch noch einfriert!

Nach ein paar Tagen ist es mir, als wäre es wärmer. Es ist nur noch minus sechs Grad. Und prompt fängt es auch an zu schneien! Am Abend liegen dann schon 20 Zentimeter Neuschnee und ein beißender Wind wirbelt ihn zu bizarren Dünen. Ab und zu schiebt er die Wolken auseinander und gibt den vollen Mond frei, der sich wie ein Diskus vorwärts zu bewegen scheint, die Berge in ein unirdisches Licht tauchend, Mondschattenland… Alles glitzert, sogar die sonst dunklen Schatten. Die Berge scheinen zu schweben, scheinen vergeistigt, von der Erde losgelöst. Selbst die Isolatoren des Weidezaunes funkeln!

Offiziell hat die Schule wieder angefangen. Doch sind die Straßen nicht befahrbar. Selbst der Bus nach St. Girons fällt aus! Die Kinder bauen Iglus, fahren Schlitten, versuchen Filou anzuspannen und als Schlittenhund zu dressieren.

So langsam geht der Küchenumbau zu Ende. Doris atmet auf: „Endlich mal keine Späne mehr!“ Obwohl die auch sehr nützlich sind zum Küchenherd anzünden in der Früh! Manchmal heizen wir auch oben bei den Kindern ein, vor allem, wenn sie Besuch haben. Ansonsten ist die Küche der wärmste Platz, wo wir uns in der Regel alle aufhalten.

Doris wachst den Boden ein. Wir stellen den Tisch aus der Mitte zur Eckbank. Das gibt eine Menge Platz in der Stubenmitte. „Da können die Kinder nicht mehr um den Tisch rasen!“, sagt Doris, „mal sehen, wie sie es jetzt machen, wenn sie streiten!“ Die Kältewelle hält an. Also mache ich drinnen weiter. Ich habe einfach noch nicht gelernt, ohne Arbeit zu sein!

Ich montiere die Ketten auf die Räder unseres Renaults und fahre nach St. Girons, Material besorgen. Die ganze Straße ist unterm Schnee und kaum jemand ist unterwegs. Zurück im Dorf treffe ich auf Patrick, der von einer Skiwanderung heimkommt. Wir laden seine Skier ins Auto, er setzt sich auf die Motorhaube, um Gewicht auf die Räder zu bringen. Am Ende muss er dann aber doch schieben und mit schruppenden Ketten buddeln wir uns bis zum Haus hoch. Nach einem Tee fährt er mit den Skiern zurück ins Dorf.

Oben auf dem Dachboden baue ich Stockbetten für die Mädchen und ein einfaches Bett für den Buben. Alles aus Massivholz! Dann verlege ich das Elektrische neu, da wir vorher unserer ehemaliges 12 Volt-Leitungssystem für die 220 Volt benutzt hatten. Ein paar Steckdosen, sonst nur 25 Watt-Birnen, um die Atomlobby nicht noch mehr zu bereichern!

Irgendwie ist es meine Art, alles dauernd noch vollkommener machen zu wollen. Aus den Holzresten baue ich einen kleinen Tisch, der genau zur Ofenbank passt. Wenn es richtig kalt ist, dann essen wir jetzt da. Oder wenn die Kinder in der Schule sind. Natürlich gibt das Streit, wer auf dem Bänkle liegen darf. Ich mache mich immer spät abends darauf breit, wenn alle im Bett sind. Dann ist die Zeit zum Lesen, Musikhören, oder weiter am Höfle planen.

Endlich mal ein richtiger Winter! Und wir hatten schon befürchtet, dass es den in Südfrankreich nicht gäbe! Wenn tagsüber die Sonne durchbricht oder hinter dem Berg hervorkommt, verwandelt sich die Welt. Man spürt ihre sanften Strahlen, hebt automatisch den Blick, sieht, wie die Grauwelt aufglitzert und hier und dort der ockerne Farbklecks einer alten Scheune oder die grünen Zacken von den hochgeschossenen Tannen aufleuchten, die eigentlich mal als Christbäume gedacht waren. Und dann diese hellblaue Himmelskuppel, die all das wie eine schützende Glocke bedeckt!

DER PYRENÄEN-KÄSE

Oberhalb von Moulis hatten wir eine Familie kennengelernt, die schon seit 10 Jahren hier ansässig ist. Sie haben 40 Ziegen und drei Kühe. Ihr Stall ist ein luftiger Neubau aus Holz, mit erhöhten Futterständen, die auch als Melkstand dienen können, wenn man die Hälse der Tiere darin blockiert, indem man ein Brett nach unten klappt. Bisher melken sie noch von Hand in Eimer, planen aber, bald eine Melkanlage einzubauen, um mehr Zeit für die anderen Arbeiten zu haben. Denn zusätzlich haben sie noch zwei Ferienwohnungen, die sie vermieten und außer ihren eigenen drei Kindern mehrere Pflegekinder, die ihnen das Sozialamt schickt. Diese machen nicht nur eine Menge Arbeit, sondern bringen auch gut Geld ein, was ihnen hilft, den Hof zu modernisieren!

Ihre Käserei ist verhältnismäßig klein und mit hellblauer Schwimmbadfarbe ausgestrichen, weil ja Wände und Boden abwaschbar sein müssen. Doch ist diese Farbe nicht zum Darüberlaufen gemacht und muss öfters erneuert werden. Und billig ist sie auch nicht gerade! Der ganze Hof macht einen guten Eindruck, man sieht, dass Lulu mal Agronomie studiert und dann ein paar Jahre in Afrika gearbeitet hat, in der Wiederaufforstung der massakrierten Regenwälder. Dadurch, dass sie auch Kinder haben und auf dem Weg nach St. Girons liegen, besuchen wir sie bisweilen. Dann sind die Kinder unter sich und wir können uns in Ruhe den Problemen der Landwirtschaft, der Erde und des Weltalls widmen, von der leblosen Materie bis hin zur lebendigen Natur, vom leeren Raum bis hin zum vollen Bewusstsein…

*

Es sind weniger die samstäglichen Wochenmärkte, die uns in die Stadt ziehen, sondern die Viehmärkte, die jeden zweiten und vierten Montag in St. Girons stattfinden. Auf dem Marsfeld und dem Platz vor der Kirche St. Vallier bauen dann Maschinenhändler und Eisenwarenhändler ihre Stände auf oder stellen ihre Traktoren zur Schau. Unweit des Flusses befindet sich der Hühnermarkt, wo man außer Eiern auch alles Federvieh bekommt, das den Bauernhöfen ihren Charme verleiht oder in den Bürgerhäusern sonntags als Braten im Backrohr schmort.

Auf dem Forail, dem Viehmarkt treffen sich, außer den paar Touristen, die Neos und die Einheimischen, die Tiere haben. Doch diesmal ist der Marktplatz und die Halle verlassen. Wir sind die einzigen, die mit den kettenbereiften Rädern Spuren durch den Schnee ziehen. Am Marsfeld stehen ein paar Händler um ein Blechfass herum, in dem sie Holzreste verbrennen und sich wärmen. Wahrscheinlich haben sie die Nacht in ihren Lieferwagen verbracht. Die ganze Stadt sieht aus wie ein Weihnachtskalender und riecht nach Holzfeuer. Die wenigen Autos mahlen sich langsam durch den Schnee, die paar Fußgänger bewegen sich auf der Straße vorwärts, um nicht den Dachlawinen ausgesetzt zu sein, die hier und da niedergehen. Ich hatte in der Früh die Großen zur Schule gebracht, hole sie am Mittag wieder ab. Das Auto ist voller Zeug. Sperrholzplatten, Salzblöcke, Elektrokabel, Sachen aus dem Prisunic, dem Supermarkt. Halt all das, was man auf dem Land braucht und nicht selbst herstellen kann…

*

Viele unserer Freunde hatten sich auf das Käsemachen verlegt, vor allem die, welche wenig Fläche zur Verfügung hatten. Die meisten machen Ziegenkäse, was mit sich bringt, dass auf den Wochenmärkten in St. Girons und der Umgebung ein Überangebot herrscht. Die einen haben schöne Stände mit bunten Marktschirmen, andere haben ihre Waren auf alten Gemüsekisten ausgelegt, manche ihre Käsle auf ein paar Farnblättern direkt auf dem Boden. Die einen machen einen fast professionellen Eindruck, andere sehen eher ziemlich ausgeflippt aus, und wegen der Hunde, die in der Nähe liegen, machen manche Kunden lieber einen weiten Bogen um ihren Stand! Es gibt einen Zuteiler für die Plätze, doch wer später kommt quetscht sich irgendwo in eine Lücke und bietet seine Waren an. Das Gesundheitsamt kommt nur sehr selten. Und wenn die Inspektoren auftauchen, verbreitet sich die Nachricht schneller als die kontrollierenden Beamten. Viele schnappen ihren Stand und verziehen sich, oder sie verschwinden nur selber eine Weile, und die Kontrolleure wissen nicht, was sie mit dem herrenlosen Stand anfangen sollen…

Außer den vielen Ziegenleuten kennen wir nur zwei Bauern in Ariège, die Schafskäse herstellen und ein halbes Dutzend Neubauern, die Kuhkäse fabrizieren. Unser neuester Plan ist, von jeder Tierart etwas zu haben, Käse herzustellen und möglichst in der näheren Umgebung zu verkaufen. Im Laufe der Zeit haben wir natürlich etwas Erfahrung gesammelt, aber noch ist unser Optimismus grösser als unser Wissen! Wir sind uns alle einig, einen guten, naturbelassenen Käse herstellen zu wollen, so, wie er früher hier gemacht worden ist. Und jeder hält natürlich seinen eigenen Käse für den besten. Auch gibt es in St. Girons zwei Käsefabriken, die Pyrenäenkäse herstellen, einen davon mit dem hochtrabenden Namen ‚Montsegur‘, mit der klassischen schwarzen Kruste. Doch bei genauerem Hinschauen entpuppte sich die schwarze Rinde als ein Plastikfilm. Logisch wäre eher, den Käse nach St. Girons zu benennen, nicht nach dem 70 Kilometer entfernten Ort Montsegur, wo es noch nicht einmal Milchvieh gibt! Dort war 1244 der Schauplatz des letzten großen Kartharer-Massakers, wo über 200 ‚Reine‘ oder ‚Perfekte‘, wie sie sich nannten, von den katholischen Kirchenvertretern auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden sind. „Tötet sie alle, Gott wird die Seinen erkennen!“, war die Devise der Schlächter. Würde man in Polen einen Käse ‚Auschwitz‘ nennen, oder ‚Holocaust‘? Vielleicht in 800 Jahren schon, je nachdem, wie die Menschheit bis dahin ihre Geschichte ‚aufgearbeitet‘ hat…

Wenn man die Nummernschilder der Lieferlastzüge, deren Milch in die turmhohen Vorratstanks der Käsefabrik gepumpt wird, anschaut, sind sehr wenig mit 09, dem Kürzel für Ariège darunter. Es läuft da ein riesiger Traffic ab, der ganz normale Standart-Milch in Qualitätsmilch aus den Pyrenäen verwandelt! Wir hingegen wollen mit eigener Milch den echten Käse von hier wieder neu erfinden!

In den Tälern gibt es viele Kuhherden. Für jemanden aus Toulouse sind diese natürlich alle gleich, wenn sie auch manchmal andere Farben haben. Doch die meisten Herden sind Fleischtiere und dienten zur Mast von Kälbern oder Rindern. Wenige Bauern haben noch Milchkühe wie Elie in unserem Dorf. Im Nachbarort gibt es eine Käserei. Diese sammelt im Tal die Milch ein. Das ergibt natürlich nicht viel, und je nach Jahreszeit auch mal nichts. Dann füllt der Käser seinen Tank an einem der Sammel-LKWs der Großkonzerne auf. In Luzenac gibt es eine weitere Käserei, auch in Seix, seit kurzem auch in Engomer, die guten Käse herstellen. Doch fangen manche langsam an zu schummeln. Nicht, indem sie Milch zukaufen, sondern sich von den Fabriken die ‚Rohlinge‘ liefern lassen! Diese bringen sie in ihren Kellern zur Reife, kleben dann ihr traditionelles Etikett drauf, und fertig ist der ‚Pyrenäenkäse‘!

Natürlich wissen die Einheimischen das. Doch nicht die Städter oder die Touristen, die auf der Suche nach Spezialitäten sind! Das Dumme ist nur, dass einer der Großkonzerne sich als den Eigentümer der Bezeichnung ‚Pyrenäen-Käse‘ ansieht, und den Kleinen verbieten will, diesen Namen zu benutzen! Außerdem werden all diese Industriekäse mit pasteurisierter Milch hergestellt. Wir Neos wollen nur Rohmilch verkäsen, denn nur darin sind alle spezifischen Geschmacksstoffe einer Gegend erhalten, und auch alle Vitamine, Enzyme und so viel mehr, von dem wir noch keine Ahnung haben! Unser größtes Lob ist, wenn einer der Einheimischen beim Probieren unserer Käse sagt: „So hat er früher bei uns auch geschmeckt, als die Eltern noch Käse gemacht haben!“

In mehreren Dörfern unseres Tales ist früher Camembert hergestellt worden. Camembert liegt nicht in den Pyrenäen, das weiß sogar ein Toulouser. Doch denen, die ihn kauften, war das egal, denn sie wohnten weit weg, in Algerien. Von hier war es viel näher nach Afrika als von der Normandie, und findige Leute hatten so ein System entwickelt, das den hiesigen Milchbauern eine Existenzmöglichkeit gab, und durch die kürzeren Transportwege für den Konsumenten in Afrika ein optimales Produkt. Die Dauer des Transportes entsprach der Reifezeit der Käse. Doch Algerien ging ‚verloren‘, die Kolonialisten, die Pieds-noirs, kamen zurück ins Vaterland, der Pyrenäen-Camembert war aus der Mode, die Käsereien machten zu.

Ebenfalls bedingt durch den immer mehr fallenden Butterpreis, machten die ‚Frutières‘, die Molkereien zu, in denen die Milch der Bauern entrahmt wurde. Die Bauern bekamen die Magermilch zurück, die sie dann selber verwendeten, zum Käsen, zum Kochen, zum Verfüttern für die Tiere. Der Rahmaufkäufer machte aus der Sahne Butter, die er teuer in die Städte lieferte. Doch inzwischen ist Butter ein Nebenprodukt der Trinkmilchindustrie geworden, und muss mit großem Aufwand in Kühlhäusern gelagert werden, um den Preis stabil zu halten!

Wie war nun der Käse, den die Bauern aus der entrahmten Milch herstellten? Wie ich hörte, war das eine Art von Frischkäse, also sauer gewordene, eingedickte Milch, zum Verzehren mit ‚Patates‘, Kartoffeln. Oder man hat diesen in ein Tuch gebunden, und zum Trocknen aufgehängt, um Quark zu bekommen. Dieser meist in Kugeln geformt, ließ sich begrenzt halten. Wer besser ausgerüstet war und genügend Milch hatte, erwärmte diese und gab Lab hinzu, das Enzym aus dem Magen von Jungtieren, welches Milch zum Gerinnen bringt. Oder auch Labkraut. Die geronnene Milch wurde in kleine Stücke ‚geschnitten‘, manchmal wieder erwärmt und nach einer Weile Rühren in Formen gepackt und unter einer Schieferplatte gepresst. Anschließend wurde die Masse mit groben Salz eingerieben. Der so gewonnenen Käse war über Monate haltbar. Auf dieselbe Weise wurden in allen Regionen der Welt Käse gewonnen. Den Unterschied der einzelnen ‚Sorten‘ machten die Tierarten, die verschiedenartigen Futterpflanzen, Veränderungen der Temperatur oder Handhabungsweise. Meist spielte dabei der Zufall eine große Rolle.

Oft fragte man mich, ob ich nicht den ‚Fromage de la houle‘ herstellen könnte, von dem man so viel hört, aber nirgends mehr findet. Ich fragte etwas herum, um hinter das ‚Geheimnis‘ zu kommen. ‚Houle‘ heisst Gefäß oder Steinguttopf. Alles, was an Käse ungenießbar war oder auch Reste, warf man in einen Topf mit Deckel und vergaß es eine Weile. Bis dann ein ‚strenger Geruch‘ den Topf wieder in Erinnerung brachte. Die Käsereste hatten sich, meist mit Mithilfe von Fermentation und Fliegenmaden in eine klebrige, streichbare Masse verwandelt, waren in gewisser Weise lebendig geworden. Bestenfalls für Angler verwendbar und in einem Töpfchen am Außenspiegel zu transportieren…

Eine andere, nicht mehr auffindbare Spezialität war der Brousse. Hierzu musste die Molke von der Käsegewinnung zum Siedepunkt gebracht werden, dann träufelte man etwas Zitronensaft darauf, was das noch vorhandene Resteiweiß zum Ausflocken brachte. Ein großer Energieaufwand für wenig Resultat, vor allem, wenn man Schweine hat, die auch noch ihren Teil wollen…

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9783750216471
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