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La San Felice Band 4

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Meister Donato war der öffentliche und patentierte Henker. Pasquale de Simone dagegen war der geheime und geheimnißvolle Henker. Der Eine war der Vollstrecker des Gesetzes, der Andere des königlichen Gutdünkens.

Wenn das königliche Gutdünken aufhörte, Guidobaldi, Castelcicala und Vanni für treuergebene Diener zu halten, so konnte es dieselben nicht durch das Gesetz zur Verantwortung ziehen lassen. Sie wußten zu viel und hätten zu Vieles an den Tag gebracht. Wohl aber konnte das königliche Gutdünken sie dem heimlichen Henker Pasquale de Simone überweisen. Es bedurfte einer einzigen Geberde und Alles, was sie wußten, Alles, was sie sagen konnten, schützte sie nicht mehr, sondern gereichte ihnen im Gegentheil zum Verderben. Ein zwischen der sechsten und siebenten Rippe links gut angebrachter Stoß und es war Alles aus. Die Geheimnisse starben mit dem Manne und sein letzter Seufzer war für den, welcher zehn Schritte von dem Ort, wo er niedersank, vorüberging, weiter nichts als ein Windhauch, der blos trauriger und melancholischer klang als ein anderer.

Neun Uhr schlug es auf jener Glocke, bei deren Schall wir die Königin das erste Mal, wo wir den Leser mit ihr in dieses Zimmer treten ließen, zusammenfahren sahen und während der letzte Schlag noch in der Luft summte, öffnete sich die Thür und Caroline erschien.

Die drei Staatsinquisitoren erhoben sich wie ein Mann, begrüßten die Königin und gingen ihr entgegen.

Sie hielt mehrere Gegenstände unter einem großen Kashemirshawl verborgen, den sie mehr wie einen Mantel als wie einen Shawl über die linke Schulter geworfen.

Pasquale de Simone rührte sich nicht von der Stelle. Der starre Schattenriß des Sbirren haftete an der Wand wie eine Figur der Tapete.

Die Königin nahm das Wort, ohne den Staatsinquisitoren Zeit zu lassen, ihre Huldigungen darzubringen.

»Diesmal, Signor Vanni,« sagte sie, »sind nicht Sie es, der den Faden eines Complots in der Hand hält, oder einer Verschwörung auf der Spur ist, sondern ich bin es. Glücklicher als Sie aber, der Sie so viel Schuldige gefunden, ohne zugleich die Beweise zu finden, habe ich zunächst die Beweise gefunden und bringe Ihnen eben durch diese Beweise das Mittel, die Schuldigen ausfindig zu machen.«

»Aber dennoch ist es nicht der Eifer, was uns mangelt, Majestät,« sagte Vanni.

»Nein,« antwortete die Königin, denn Viele beschuldigen Sie sogar, daß Sie dessen zu viel hätten.«

»Das kann nie der Fall sein, wenn es sich um Eure Majestät handelt,« sagte der Fürst von Castelcicala.

»Nie!« wiederholte Guidobaldi wie ein Echo.

Während dieses kurzen Gesprächs hatte die Königin sich dem Tische genähert. Sie schlug ihren Shawl auf die Seite und legte ein Paar Pistolen und einen noch leicht mit Blut befleckten Brief aus den Tisch.

Die drei Inquisitoren sahen ihr mit dem größten Erstaunen zu.

»Setzen Sie sich, meine Herren,« sagte die Königin. »Marquis Vanni, nehmen Sie die Feder und schreiben Sie die Instruction nieder, welche ich Ihnen geben werde.«

Die drei Männer setzten sich und die Königin dictierte, stehen bleibend, die geballte Faust auf den Tisch stützend und in ihren Purpurshawl gehüllt wie eine römische Kaiserin, die folgenden Worte:

»In der Nacht vom 22. zum 23. September dieses Jahres waren sechs Männer in den Ruinen des Schlosses der Königin Johanna versammelt. Sie erwarteten einen siebenten, den der General Championnet von Rom abgesendet. Dieser Abgesandte hatte sein Pferd in Pozzuolo gelassen, dort ein Boot genommen und trotz des drohenden Ungewitters, welches einige Zeit darauf auch wirklich zum Ausbruch kam, steuerte er nach dem verfallenen Palast, wo er erwartet ward. In dem Augenblick, wo das Boot ans Land stoßen sollte, scheiterte es. Die beiden Fischer, welche es ruderten, ertranken. Der Abgesandte stürzte eben so wie sie in’s Wasser, war aber, glücklicher als sie, im Stande sich zu retten. Die sechs Verschworenen und er beriethen sich bis ziemlich eine halbe Stunde nach Mitternacht. Der Abgesandte verließ das Schloß zuerst und lenkte seine Schritte nach der Chiaja; die sechs anderen verließen die Ruinen ebenfalls. Drei davon gingen den Pausilippo hinauf, die drei anderen ruderten in einem Boot die Küste entlang nach dem Castell d’Uovo zu. Kurz zuvor ehe der Abgesandte den sogenannten Löwenbrunnen erreicht, ward er ermordet.«

»Ermordet!« rief Vannis, »und durch wen?«

»Das geht uns weiter nichts an,« antwortete die Königin in eisigem Tone. »Wir haben seinen Mörder nicht zu verfolgen.«

Vanni bemerkte, daß er einen falschen Weg betreten, und schwieg.

»Ehe er fiel, schoß er mit den Pistolen hier zwei Mann nieder und verwundete zwei mit dem Säbel, den Sie in diesem Schrank finden werden,« fuhr die Königin fort und zeigte auf den Schrank, in welchem sie vor vierzehn Tagen den Säbel und den Mantel verwahrt. Der Säbel ist, wie Sie sehen werden, französisches Fabrikat; die Pistolen aber sind, wie Sie ebenfalls sehen werden, aus der königlichen Gewehrfabrik von Neapel. Ueberdies sind sie mit einem N., dem Anfangsbuchstaben des Taufnamens ihres Besitzers, bezeichnet.«

Nicht ein Hauch unterbrach die Königin. Es war, als ob ihre Zuhörer von Marmor wären.

»Ich habe Ihnen gesagt,« fuhr sie fort, »daß der Säbel französisches Fabrikat ist; anstatt der Uniform aber, welche der Abgesandte bei seiner Ankunft trug und welche durch den Regen und das Seewasser durchnäßt worden, trug er einen kürzeren Rock von grünem Sammt, mit Schnüren besetzt, den er von einem der sechs Verschworenen geliehen. Der, welcher ihm diesen Rock geliehen, hatte in der Tasche desselben einen Brief stecken gelassen. Es ist dies ein Brief von Frauenhand, ein Liebesbrief, an einen jungen Mann Namens Nicolino gerichtet. Das auf den Pistolen eingravierte N. beweist, daß diese derselben Person gehören, an welche der Brief gerichtet ist und die, indem sie den Rock geliehen, auch die Pistolen geliehen hat.«

»Die Unterschrift dieses Briefes, sagte Castelcicala, nachdem er ihn sorgfältig besichtigt, »besteht blos in einem Anfangsbuchstaben, einem E.«

»Dieser Brief,« sagte die Königin, ist von der Marquise Elena de San Clemente.«

Die drei Inquisitoren sahen einander an.

»Es ist dies eine der Ehrendamen Eurer Majestät, glaube ich,« sagte Guidobaldi.

»Eine meiner Ehrendamen, ja,« antwortete die Königin mit einem eigenthümlichen Lächeln, welches der Marquise von Clemente die Qualification einer Ehrendame, welche Guidobaldi ihr beigelegt, abzusprechen schien. »Da nun,« fuhr sie fort, »wie es scheint, die Liebenden noch in ihrem Honigmonat zu stehen scheinen, so habe ich heute Morgen der Marquise, welche morgen Dienst bei mir haben sollte, aber durch die Gräfin von San Marco ersetzt werden wird, Urlaub gegeben. Jetzt hören Sie aufmerksam, was ich sage.«

Die drei Inquisitoren näherten sich der Königin, indem sie die Hälse über den Tisch streckten und in den von der Lampe geworfenen erleuchteten Ring geriethen, so daß die bis jetzt im Schatten befindlich gewesenen drei Köpfe plötzlich deutlich sichtbar wurden.

»Also hören Sie mich aufmerksam an,« fuhr die Königin fort. »Es ist wahrscheinlich, daß die Marquise von San Clemente, meine Ehrendame, wie Sie, Guidobaldi, sie nennen, ihrem Gatten von dem Urlaub, den ich ihr ertheilt, kein Wort sagt, sondern den ganzen morgenden Tag ihrem theuren Nicolino widmet. Nun verstehen Sie wohl, nicht wahr?«

Die drei Männer hoben ihre Augen fragend zur Königin empor. Sie hatten nicht verstanden.

Caroline fuhr fort:

»Die Sache ist gleichwohl sehr einfach. Pasquale de Simone umstellt mit seinen Leuten den Palast der Marquise von San Clemente. Sie sehen die Marquise herauskommen, sie folgen ihr, ohne daß sie es bemerken kann. Das Stelldichein ist in einem dritten Haus. Sie erkennen Nicolino, sie lassen den Liebenden vollauf Zeit, beisammen zu sein. Die Marquise kommt wahrscheinlich zuerst wieder heraus und wenn Nicolino seinerseits herauskommt, so nehmen sie ihn fest, ohne ihm etwas zu Leide zu thun. Wer ihn härter anrührt, als nothwendig ist, um ihn gefangen zu nehmen,« sagte die Königin mit erhobener Stimme und die Stirn runzelnd, Würde mit seinem Kopfe dafür haften. Pasquale’s Leute nehmen ihn also fest, führen ihn nach dem Castell San Elmo, und empfehlen ihn der ganz besondern Obhut des Gouverneurs, der für ihn einen seiner festesten Kerker auswählen wird. Wenn er sich dazu versteht, seine Mitschuldigen zu nennen, so wird Alles gut gehen. Weigert er sich aber, Vanni, so ist dies dann Ihre Sache. Sie haben dann nicht mehr mit einem kurzsichtigen Tribunal zu thun, welches Sie hindert, die Tortur in Anwendung zu bringen, und Sie werden mit ihm verfahren wie mit einem Leichnam. Ist Ihnen dies klar, meine Herren? Und bin ich, wenn ich mich mit Entdeckung von Complotten befasse, ein guter Spürhund?«

»Alles, was die Königin thut, trägt das Gepräge des Genialen, sagte Vanni, sich verneigend. »Haben Ew. Majestät uns noch andere Befehle zu ertheilen?«

»Nein,« antwortete die Königin. »Was der Marquis Vanni so eben niedergeschrieben wird Ihnen allen Dreien zur Richtschnur dienen. Nach dem ersten Verhör werden Sie mir Bericht erstatten. Nehmen Sie den Mantel und den Säbel, die Sie in diesem Schranke finden werden, die Pistolen und den Brief, der auf diesem Tische liegt, als Ueberführungsbeweise mit, und Gott nehme Sie in seinen Schutz.«

Die Königin begrüßte die drei Inquisitoren durch eine Handbewegung. Alle Drei verneigten sich tief und bewegten sich rückwärts zur Thür hinaus.

Als die Thür sich hinter ihnen geschlossen, gab Caroline dem bis jetzt immer noch im Schatten gebliebenen Pasquale de Simone ein Zeichen, und der Sbirre näherte sich, so daß er von der Königin nur durch die Breite des Tisches getrennt war.

»Hast Du gehört?« fragte ihn die Königin, indem sie ihm eine mit Gold gefüllte Börse aus den Tisch warf.

 

»Ja, Majestät,« antwortete der Sbirre, indem er die Börse ergriff, und sich durch eine tiefe Verbeugung bedankte.

»Morgen wirst Du zur selben Stunde wieder hier sein, um mir zu berichten, was geschehen sein wird.«

Am nächstfolgenden Tage, zu derselben Stunde, erfuhr die Königin aus Pasquale’s Munde, daß der Geliebte der Marquise von Sau Clemente unversehens überfallen, um drei Uhr Nachmittags, ohne Widerstand leisten zu können, festgenommen, nach dem Castell San Elmo gebracht und hier eingekerkert worden sei.

Ueberdies erfuhr sie, daß dieser Geliebte Nicolino Caracciolo, Bruder des Herzogs von Rocca-Romana und Neffe des Admirals Caracciolo sei.

»Ha!« murmelte sie, »und wenn wir so glücklich wären, daß der Admiral auch die Hand hier mit im Spiele hätte?«

Elftes Capitel.
Der Ausmarsch

Vierzehn Tage nach den Ereignissen welche wir im vorigen Capitel erzählt, das heißt nach Nicolino Caracciolo’s Gefangennehmung, an einem jener schönen Tage, wo der neapolitanisehe Herbst mit dem Frühling und Sommer anderer Länder wetteifert, drängte sich die Bevölkerung nicht blos ganz Neapels, sondern auch der benachbarten Städte und Dörfer nach dem königlichen Palaste.

Die Ausgänge aller Straßen aber, welche auf den Platz vor dem königlichen Palaste mündeten, waren durch Truppen gesperrt, so daß das Volk nicht weiter konnte.

Auf der Mitte dieses Platzes paradierte der General Mack, umringt von einem glänzenden Generalstabe, der aus höheren Officieren zusammengesetzt war, unter welchen man den General Micheroux und den General von Damas, zwei französische Emigranten, welche ihren Haß und ihren Degen dem Dienste des eingefleischtesten Feindes Frankreichs geweiht, den General Raselli, welcher das nach Toscana bestimmte Expeditionscorps commandiren sollte; den General Parisi, den General von Gambs und den General Fonseca, die Obersten San Filippo und Giustini und neben ihnen die im Range von Ordonnanzofficieren stehenden Vertreter der vornehmsten Familien Neapels unterschied.

Diese Officiere waren mit Orden aller Länder und von allen Farben bedeckt, und ihre Uniformen funkelten von Goldstickereien. Auf ihren dreieckigen Hüten wallten jene von den südlichen Ländern so gern gesehenen Federbüsche.

Sie galoppierten fortwährend von einem Ende des Platzes nach dem andern unter dem Vorwande, Befehle zu überbringen, in der That aber blos um ihre gute Haltung und die Anmuth bewundern zu lassen, womit sie ihre Pferde zu tummeln wußten.

An allen auf den Platz gehenden Fenstern, an allen, welche die Aussicht darauf möglich machten, grüßten Damen in großer Toilette, von den weißen Fahnen der Bourbonen und den rothen Fahnen Englands beschattet und ihre Tücher schwenkend.

Der Ruf: »Es lebe der König! Es lebe England! Es lebe Nelson! Nieder mit den Franzosen!« erhob sich von Zeit zu Zeit wie ein drohender Windstoß mitten unter diesem Menschenmeere, dessen Wogen an die Dämme anschlagen, welche er jeden Augenblick zu durchbrechen drohte.

Diese im Hintergrunde der Straße beginnenden Rufe kletterten von Fenster zu Fenster wie jene feurigen Schlangen, welche ein Feuerwerk entzünden, bis hinauf zu den letzten Stockwerken und verhallten auf den mit Zuschauern bedeckten Dächern.

Dieser ganze auf dem Platze umher galoppierende Generalstab, dieses ganze in den Straßen sich drängende Volk, alle diese ihre Tücher schwenkenden Damen, alle diese die Dächer bevölkernden Zuschauer erwarteten den König Ferdinand, welcher sich an die Spitze seiner Armee stellen wollte, um in eigener Person gegen die Franzosen zu marschieren.

Schon seit acht Tagen war der Krieg laut und offen entschieden. Die Priester predigten in den Kirchen, die Mönche auf den freien Plätzen oder auf Ecksteinen stehend. Die Proklamationen des Königs bedeckten alle Mauern. Sie erklärten, der König habe Alles gethan, was er gekannt, um die Freundschaft der Franzosen zu erhalten, die neapolitanische Ehre sei aber durch die Besetzung von Malta, einem Lehen des Königreichs Sicilien, beleidigt worden; er könne die Besetzung der Staaten des Papstes, den er als seinen alten Bundesgenossen liebe und als Oberhaupt der Kirche achte, nicht dulden und er werde deshalb seine Armee in Marsch setzen, um Rom seinem rechtmäßigen Herrscher zurückzugeben.

Dann wendete er sich direct an das Volk und sagte:

»Wenn ich diesen Vortheil durch irgend ein anderes Opfer hätte erlangen können, so würde ich nicht gezögert haben, es zu bringen. Welche Hoffnung auf Erfolg könnte es aber nach so vielen verderblichen Beispielen geben, die Euch Allen wohlbekannt sind? Erfüllt von Vertrauen auf die Güte des Herrn der Heerschaaren, welche meine Schritte leiten und meine Unternehmungen lenken wird, stelle ich mich an die Spitze der muthigen Vertheidiger des Vaterlands. Ich gehe mit der größten Freude, um aus Liebe zu meinen Landsleuten, meinen Brüdern und meinen Kindern, denn als solche habe ich Euch stets betrachtet, allen Gefahren zu trotzen. Bewahrt die Treue gegen Gott und gehorcht den Befehlen meiner vielgeliebten Gemahlin, der ich die Sorge der Regierung in meiner Abwesenheit übertrage. Ich empfehle Euch, sie zu achten und zu lieben wie eine Mutter.

»Ich lasse Euch auch meine Kinder zurück, die Euch nicht weniger theuer sein müssen als mir. Wie die Ereignisse auch kommen mögen, so vergeßt nicht, daß Ihr Neapolitaner seid, daß man, um tapfer zu sein, es nur zu wollen braucht und daß es besser ist, ruhmreich für die Sache Gottes und des Vaterlandes zu sterben, als unter verderblichem Druck zu leben. Der Himmel spende Euch seinen Segen!

»Dies ist der Wunsch dessen, der, so lange er lebt, für Euch die zärtlichen Gesinnungen eines Monarchen und eines Vaters bewahren wird.«

Es war dies das erste Mal, daß der König von Neapel sich direct an sein Volk wendete, von seiner Liebe zu demselben sprach, seine väterliche Gesinnung rühmte, an den Muth des Volkes appellirte und ihm seine Gattin und seine Kinder anvertraute.

Seit der Schlacht von Velletri, welche im Jahre 1744 durch die Spanier gegen die Deutschen gewonnen und wodurch der Thron Karls des Dritten gesichert ward, hatten die Neapolitaner nur an großen Festtagen Kanonendonner gehört, was sie aber in ihrem Nationalstolz nicht abhielt, sich für die ersten Soldaten der Welt zu halten.

Was Ferdinand betraf, so hatte er niemals Gelegenheit gehabt, Beweise von seinem Muth und seinen militärischen Talenten zu geben. Man konnte ihn deshalb im Voraus weder der Unfähigkeit noch der Schwäche beschuldigen. Er allein wußte, was er von sich zu denken hatte, und er hatte sich, wie man gesehen, in Gegenwart des Generals Mack mit seinem gewöhnlichen Cynismus darüber ausgesprochen.

Nun war es schon ein großer socialer Fortschritt, daß er, als es einen so ernsten Entschluß zu fassen galt, welcher zum Kampfe mit einem so gefährlichen Feind wie die Franzosen führen mußte, sich an sein Volk wendete, um sich wohl oder übel vor seinen Unterthanen in Bezug auf die Nothwendigkeit zu rechtfertigen, in welche er sie gesetzt, sich tödten zu lassen.

Allerdings rechnete er, abgesehen von der Hilfe Oesterreichs, an welcher er, nach dem Briefe, den er empfangen, nicht zweifelte, auf eine Division von Piemont. Der Fürst Belmonte hatte an den Chevalier Priocca, Minister des Königs von Sardinien, eine vertrauliche Depesche geschrieben.

Wenn wir den Text dieser Depesche nicht vor uns liegen hätten und folglich der Echtheit derselben nicht sicher wären, so würden wir zögern, sie hier mitzutheilen, so sehr scheinen uns das Völkerrecht ebenso wie die göttliche und menschliche Moral darin verletzt zu werden.

Diese Depesche lautete:

»Herr Chevalier.

»Wir wissen, daß in dem Cabinetsrath Sr. Majestät des Königs von Sardinien mehrere vorsichtige, um nicht zu sagen furchtsame Minister vor dem Gedanken an Meineid und Mord zurückschaudern, als ob der letzte Allianzvertrag zwischen Frankreich und Sardinien ein politischer Act von der Art wäre, daß er respektiert werden müßte. Ist er aber vielleicht nicht durch die Uebermacht des Siegers dictirt worden? Hat man ihn nicht blos dem Zwange der Nothwendigkeit zufolge angenommen? Dergleichen Verträge sind weiter nichts als Ungerechtigkeiten des Stärkern gegen den Unterdrückten, welcher, indem er sie verletzt, sich ihrer bei der ersten Gelegenheit entledigt, welche die Gunst des Geschicks ihm darbietet.

»Wie! In Gegenwart Ihres Königs, der in seiner Hauptstadt gefangen gehalten wird und von feindlichen Bajonetten umringt ist, nennen Sie es Meineid, wenn die durch die Nothwendigkeit erpreßten, durch das Gewissen gemißbilligten Versprechungen nicht gehalten werden? Sie nennen die Ausrottung Ihrer Tyrannen Meuchelmord? Die Schwäche der Unterdrückten kann also niemals rechtmäßigen Beistand gegen die Macht hoffen, die sie unterdrückt?

»Die von Sicherheit und Vertrauen auf den Frieden erfüllten französischen Bataillone stehen in Piemont vereinzelt umher. Stacheln Sie den Patriotismus des Volkes bis zum Enthusiasmus und zur Wuth an, so daß jeder Piemontese nach der Ehre trachtet, einen Feind des Vaterlands niederzuschlagen.

»Diese vereinzelten Ermordungen werden Piemont mehr nützen als auf dem Schlachtfeld erfochtene Siege und niemals wird die billigdenkende Nachwelt energische Thaten eines ganzen Volkes, welches über die Leichen seiner Unterdrücker hinwegschreitet, um seine Freiheit wieder zu erobern, mit dem Namen des Verraths belegen.

»Unsere tapfern Neapolitaner werden unter Führung des Generals Mack zuerst das Todessignal gegen den Feind der Throne und der Völker geben und sind vielleicht schon auf dem Marsche, wenn dieser Brief in Ihre Hände gelangt.«

Alle diese Aufreizungen hatten in dem neapolitanischen Volke, welches sich so leicht zu Extremen hinreißen läßt, einen Enthusiasmus angefacht, welcher an Wahnsinn streifte.

Der König, der als ein zweiter Gottfried von Bouillon den heiligen Krieg begann, dieser Vorkämpfer der Kirche, welcher den umgestürzten Altären, der entweihten Religion zu Hilfe eilte, war der Abgott Neapels, und jeder, der sich in langen Beinkleidern und mit kurz abgeschnittenem Haar unter diese Menge gewagt, hätte sein Leben riskiert.

Alle, welche des Jakobinismus verdächtig waren, das heißt, welche Fortschritt und Aufklärung wünschten, welche mit einem Wort Frankreich als die die Völker der Civilisation entgegenführende Macht betrachteten, hielten sich daher klüglich in ihre Wohnungen eingeschlossen und hüteten sich wohl, sich unter diese Menge zu mischen.

Und dennoch, so gut gesinnt dieselbe auch war, so begann sie doch nichtsdestoweniger ungeduldig zu werden, denn es war dieselbe, welche auf den heiligen Januarius schimpft, wenn er zögert, sein Wunder zu verrichten.

Der König, dessen Ankunft um neun Uhr erfolgen sollte, war immer noch nicht da, obschon es auf allen Uhren aller Kirchen von Neapel schon halb elf geschlagen.

Nun wußte man aber, daß der König in der Regel nicht auf sich warten ließ. Bei den Versammlungen zur Jagd war er allemal der Erste auf dem Platz. Ins Theater kam er, obschon er recht wohl wußte, daß der Vorhang nicht eher ausgehen würde, als bis er in seiner Loge erschiene, stets zur richtigen Zeit. so daß er dieselbe in seinem ganzen Leben kaum drei- oder viermal versäumt hatte.

Was das Verzehren seiner Maccaroni, dieses Amüsement, welchem, wie er wußte, das ganze Parterre ungeduldig entgegensah, betraf, so wartete er damit nie länger als bis zu dem Augenblick, wo der Saturn, welcher im San Carlotheater die Stelle der Uhr vertritt, mit der Spitze seiner Sense die zehnte Stunde bezeichnete.

Was war sonach der Grund dieser Saumseligkeit, sich den Wünschen eines Volkes zu fügen, an welchem er, seiner Proclamation zufolge, mit so großer Liebe hing?

Freilich aber begann der König jetzt ein Unternehmen, welches ein wenig gewagter war als eine Hirsch- oder Eberjagd oder der Besuch einer Oper und des Ballets. Er stand im Begriff, ein Spiel zu spielen, welches er noch nicht versucht und zu welchem, wie sein Bewußtsein ihm sagte, er wenig Geschick besaß. Er hatte daher durchaus keine Eile, seine Karten in die Hand zu nehmen.

Endlich wirbelten die Trommeln, die an den vier Ecken des Platzes aufgestellten Musikchöre spielten sämtlich mit einem Male auf, die auf die Balcons des Palastes führenden Fenster öffneten sich und die Balcons selbst füllten sich.

Aus dem mittelsten erschienen die Königin, der Kronprinz, die Prinzessin von Calabrien und die übrigen Prinzen und Prinzessinnen von königlichem Geblüt, Sir William und Lady Hamilton, Nelson, Truebridge und Ball, sowie die sieben Minister.

Auf den andern Balcons befanden sich die Ehrendamen, die Ehrencavaliere, die dienstthuenden Kammerherren und Alle, die nah oder fern zum Hofe gehörten.

 

Gleichzeitig, mitten unter betäubendem Jubelgeschrei, erschien der König selbst unter dem Hauptportal des Schlosses zu Pferde, begleitet von den Prinzen von Sachsen und Hessen-Philippthal und gefolgt von seinem vertrauten Adjutanten, dem Marquis Malapina, den wir schon in seiner Nähe auf der Galera Capitana gesehen, und seinem speciellen Freund, dem Herzog von Ascoli, dessen Bekanntschaft für uns von demselben Tage datiert, einem Freund, welchen der König nicht entbehren zu können behauptete und der, obschon er in der Armee keinen Grad bekleidete, doch mit Freuden eingewilligt hatte, seinem Monarchen zu folgen.

Wenn der König zu Pferd saß, so nahm er sich viel besser aus als zu Fuße. Uebrigens war er, nächst dem Herzog von Rocca-Romana, der beste Reiter in seinem ganzen Königreich und obschon er sich ein wenig krumm hielt, so entwickelte er doch in dieser Situation weit mehr körperliche Anmuth als in jeder andern.

Dennoch aber und ehe er noch das große Portal passiert hatte, that, mochte es nun Zufall oder Vorbedeutung sein, sein sonst so sicheres und frommes Pferd einen Seitensprung, der jeden andern Reiter aus dem Sattel geworfen haben würde. Dann wollte es wieder nicht auf den freien Platz heraus, sondern bäumte sich so, daß es sich beinahe überschlagen hätte.

Der König gab ihm jedoch die Hilfe, stieß ihm die Sporen in die Flanken und mit einem einzigen Satze, als ob es über ein unsichtbares Hinderniß hinwegspränge, stand das Pferd auf dem Platze.

»Ein schlimmes Omen!« sagte der Marquis, ein Mann von Geist und entschiedener Feind der Regierung, zu dem Herzoge von Ascoli. »Ein Römer würde umkehren.«

Der König aber, welcher genug moderne Vorurtheile hatte, ohne noch die des Alterthums, die er übrigens auch gar nicht kannte, zu bedürfen, sprengte lächelnd und stolz, seine Gewandtheit vor einem solchen Publikum zeigen zu können, mitten in den Kreis hinein, welchen die Generale gebildet, um ihn zu empfangen.

Er trug eine brillante, mit Stickereien und Schnüren beladene Feldmarschallsuniform. Auf seinem Hute wallte ein Federbusch, der an Weiße und Umfang mit dem seines Ahns, Heinrichs des Vierten, bei Ivry wetteiferte, dem aber die Armee nicht wie dem des Siegers von Mayonne auf dem Wege der Ehren und des Sieges, sondern auf dem der Niederlage und der Schmach folgen sollte.

Beim Anblick des Königs erhob sich, wie wir bereits bemerkt, ein betäubendes Jubelgeschrei. Der König hatte, stolz auf seinen Triumph, ohne Zweifel jetzt einen Augenblick lang Vertrauen zu sich selbst.

Er warf sein Pferd nach der Seite herum, wo die Königin auf dem Balcon stand, und begrüßte sie durch das Heben des Hutes.

Nun ward es auf sämtlichen Balcons des Palastes ebenfalls lebendig. Man erhob auch hier lauten Beifallsruf, die Tücher flatterten in der Luft, die kleinen Prinzen und Prinzessinnen streckten die Arme nach dem König aus, die große Menge schloß sich dieser Demonstration an, welche allgemein ward, und an welcher sich die Schiffe aus der Rede durch Flaggen und die Kanonen der Forts durch immer neue Geschützsalven ebenfalls betheiligten.

Gleichzeitig kamen vom Arsenal heraus mit kriegerischem Gerassel fünfundzwanzig Stück Geschützt mit Mannschaft und Munitionswagen.

Diese fünfundzwanzig Kanonen waren für das Armeecorps des Centrums, das heißt für das bestimmt, an dessen Spitze der König und General Mack marschieren sollten.

Zuletzt kam die Kriegskasse, die sich in mehreren eisernen Wagen befand.

Auf der St. Ferdinandskirche schlug es elf Uhr.

Dies war die Stunde des Abmarsches, oder vielmehr man hatte sich um eine Stunde verspätet, denn ursprünglich war die zehnte Stunde dazu festgesetzt worden.

Der König wollte das Schauspiel mit einem Knalleffect schließen.

»Meine Kinder!« rief er, indem er die Arme nach dem Balcon ausstreckte, auf welchem neben den jungen Prinzessinnen, die kleinen Prinzen Leopold und Albert standen.

Es waren dies die beiden jüngsten Söhne des Königs, – der eine, Leopold, neun Jahre alt und später Prinz von Salerno, Lieblingssohn der Königin, der andere, Albert, sechs Jahre alt, Lieblingssohn des Königs. Leider waren die Tage dieses jüngsten Prinzen schon gezählt.

Die beiden Prinzen verschwanden, als sie sich von dem König rufen hörten, von dem Balcon, gingen mit ihren Hofmeistern hinunter, entschlüpften denselben auf der Treppe, eilten zu dem großen Thor hinaus, wagten sich mit dem leichtsinnigen Muth der Jugend mitten unter die den Platz anfüllenden Pferde, und eilten auf den König zu.

Der König hob sie einen nach dem andern zu sich herauf und küßte sie.

Dann zeigte er sie dem Volke, und rief mit starker Stimme, so daß er von den ersten Reihen, die es den letzten wieder erzählten, gehört ward:

»Ich empfehle sie Euch, meine Freunde. Sie sind nächst der Königin das Theuerste, was ich auf der Welt mein nenne.«

Und nachdem er die Knaben ihren Hofmeistern zurückgegeben, setzte er, indem er den Degen mit derselben Geberde zog, die er, als Mack den seinigen gezogen, so lächerlich gefunden, hinzu:

»Und ich, ich werde für Euch siegen oder sterben.«

Bei diesen Worten stieg die allgemeine Bewegung aufs Höchste. Die jungen Prinzen weinten, die Königin drückte ihr Tuch an die Augen, der Herzog von Calabrien hob die Hände gen Himmel, wie um den Segen Gottes auf das Haupt seines Vaters herabzurufen, die Hofmeister faßten die jungen Prinzen in ihre Arme, um sie trotz ihres Geschreies hinwegzutragen, und die Menge brach in lautes Schluchzen und erneuten Jubelruf aus.

Der gewünschte Effekt war erzeugt. Denselben verlängern, hätte zugleich ihn mindern geheißen.

Die Trompeter gaben daher das Signal zum Abmarsch und setzten sich in Bewegung.

Eine kleine Abtheilung Cavallerie, die an dem Largo San Ferdinando gehalten, folgte ihnen und bildete die Spitze der Colonne.

Der König folgte unmittelbar hinterdrein in der Mitte eines großen freien Zwischenraumes und begrüßte das Volk, welches mit dem tausendstimmig wiederholten Rufe: »Es lebe Ferdinand der Vierte! Es lebe Pius der Sechste! Nieder mit den Franzosen!« antwortete.

Mack und der ganze Generalstab folgten hinter dem Könige, nach dem Generalstabe kamen die Geschütze, auf welche wiederum eine kleine Abtheilung Cavallerie folgte, wie die, welche den Zug eröffnete.

Ehe der König den Platz vor dem Schlosse ganz verließ, drehte er sich noch ein letztes Mal herum, um die Königin zu begrüßen und seinen Kindern Lebewohl zu sagen. Dann bog er in die lange Toledostraße ein, welche ihn über den Largo Mercatello, Port Alba und Largo delle Pigne auf die Straße von Capua führen sollte, wo das Gefolge des Königs Halt zu machen bestimmt war, während der König in Caserta seiner Gemahlin und seinen Kindern noch einmal Lebewohl sagte und seinen Känguruhs einen letzten Besuch abstattete.

Das, was der König am meisten bedauerte, war seine Krippe, die er unvollendet in Neapel zurücklassen mußte.

Außerhalb der Stadt erwartete ihn ein Wagen. Er bestieg denselben mit dem Herzog von Ascoli, dem Marquis Malapina und dem General Mack, worauf alle Vier nach Caserta fuhren und hier ruhig warteten, bis zwei Stunden später die Königin, die Prinzen und Prinzessinnen und die vertrauten Personen des Hofes nachkamen, denn erst den nächstfolgenden Tag fand der eigentliche Aufbruch statt.