Der Klang Deiner Stimme

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Der Klang Deiner Stimme
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TAMARA HINZ

Der Klang

Deiner Stimme

Gott und sich selbst neu begegnen –

Impulse für ein Jahr


Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 9783865064189

© 2011 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers

Die zitierten Bibeltexte wurden der Einheitsübersetzung entnommen.

Einbandgestaltung: Brendow Verlag, Moers

Titelgrafik: shutterstock

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013

www.brendow-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Copyright

Zu diesem Buch

1 Wenn Neues wächst

2 Füreinander einstehen

3 Gebet

4 Jesus in seiner Passion nahe sein

5 Den Auferstehungssieg feiern

6 Reifer und befreiter Glaube

7 Den Himmel im Herzen

8 Gott mit allen Sinnen lieben

9 Grenzen setzen

10 Gottes Willen für mein Leben erkennen

11 Mit Alter und Behinderung umgehen

12 Vollkommen sein

13 Jesus begegnet Menschen

14 Mutig über den Glauben sprechen

15 So spreche ich über den Glauben

16 Ein fröhliches Herz

17 Meine Lebensziele

18 Daseinslust

19 Abschied nehmen und trauern

20 Loslassen

21 Sorgen abgeben

22 Meine Meinung ist gefragt

23 Von Gott berufen

24 Berufung und Alltag

25 Berufung und Gaben

26 Berufung und Gottes Zeitpunkt

27 Meine Berufung schützen

28 Im Vergleich mit anderen

29 Rache

30 Vergebung wagen

31 Vergeben und dennoch Grenzen setzen

32 Mir selbst vergeben

33 Für Fehler Verantwortung übernehmen

34 Im Licht Gottes stehen

35 Von falschen Schuldgefühlen frei werden

36 Mein Frömmigkeitsstil

37 Ehrfurcht vor Gott

38 Stark durch die Kraft des Herrn

39 Mit Gefühlen umgehen

40 Das Wort Gottes anwenden

41 Heilung der Vergangenheit

42 Ja sagen zur eigenen Geschichte

43 Abschied von der Vergangenheit

44 Geduld

45 Mit mir selbst Geduld haben

46 Mit der richtigen Spannung leben

47 Machs dir leichter

48 Von Gott gelobt

49 Mein Alltag

50 Die große Freiheit

51Von Gott versorgt

52 Mein Credo

Stichwortverzeichnis

Zu diesem Buch

In diesem Buch geht es um verschiedene Themen, mit denen wir im Laufe unseres Lebens, auch unseres geistlichen Lebens, konfrontiert werden. Themen, die unseren inneren Menschen, unseren Charakter, unsere Persönlichkeit, unsere Denk- und Verhaltensmuster, die Beziehung zu unseren Mitmenschen, unsere Spiritualität und unsere Beziehung zu Gott betreffen. Bei den wenigsten geschieht die Auseinandersetzung mit einem solchen Thema auf einer rein theoretischen Ebene. Fast immer passiert etwas in unserem Leben, finden Begegnungen statt oder entstehen Situationen, die uns förmlich zwingen, uns mit einer bestimmten Frage zu beschäftigen. Hier ist die Chance, zu wachsen und geistlich zu reifen. Hier ist die Chance, konkrete Schritte zu gehen, die zu einer tief greifenden Veränderung in vertrauten Denk- und Verhaltensmustern führen.

Dieses Buch will Ihnen durch einen Bibelvers und kurze, inspirierende Gedanken helfen, sich mit »Ihrem Thema« zu beschäftigen. Dabei soll es Ihnen gerade nur so viele Impulse geben, dass in Ihnen eigene Gedanken und Ideen wachsen und Sie ermutigt sind, Ihren eigenen Weg zu finden und auch zu gehen.

Sie finden in diesem Buch 52 Themen. Sie können sich also, wenn Sie mögen, ein Jahr lang jede Woche ein anderes Thema heraussuchen und es bewegen. Die Anregungen (In dieser Woche will ich …) sollen Ihnen helfen, kreative Denk- und Handlungsansätze für sich ganz persönlich zu finden.

Bei den weiterführenden Bibelstellen zum Thema – für jeden Tag der folgenden Woche ein Text – handelt es sich manchmal um einen größeren Textabschnitt, manchmal aber auch nur um einen Vers. Wenn es sich um eine längere Passage handelt, beispielsweise um eine Begegnung mit Jesus, lade ich Sie ein, diesen Text nicht analytisch zu lesen, sondern ihn zu erleben, sich in ihn hineinzufühlen und in die Gedanken und Gefühle der beschriebenen Personen hineinzuschlüpfen. Frauen haben an dieser Stelle ja eine große Gabe – die sollten sie auch für ihr geistliches Leben nutzen! Wenn es nur ein Vers ist, der für den Tag angegeben ist, lohnt es sich, ihn abzuschreiben und irgendwo sichtbar hinzuhängen, um ihn den ganzen Tag immer wieder vor Augen zu haben. Auf diesem Weg prägt er sich ein und begleitet Sie in die verschiedenen Situationen hinein.

Warum überhaupt Texte aus der Bibel? Ich persönlich finde die Worte der Bibel unendlich kostbar, weil sie mehr als alle anderen Worte dieser Welt das Reden Gottes enthalten. Hier stellt sich Gott vor, hier kommen mir Ideen, wie Gott über mich und über mein Leben denkt, und hier werde ich inspiriert, selbst kreativ und gewinnbringend über mein Leben nachzudenken. Hier spricht mich Gott direkt an – das allein ist schon dermaßen spannend, dass es Lust macht auf mehr. Und genau das möchte dieses Buch: Lust wecken. Lust an der Begegnung mit sich selbst, mit Gott und dem Leben, so wie es uns geschenkt und gegeben ist.

 

Gott begegnen, das mag in manchen Ohren nach Pflichterfüllung und angestaubten, der eigenen Realität nicht wirklich nahe kommenden Predigten und Bibeltexten klingen. Nach frommen Idealen, die uns präsentiert werden und denen wir mit schöner Regelmäßigkeit hinterherhinken. Nach aufkeimenden, manchmal zweifelnden, rebellischen Gedanken, die aber schnell wieder abgewürgt werden, weil man oder frau als Christ so nicht denken oder fühlen sollte. Mit Lust am Leben, Lust an Gott und Lust, sich auf sich selbst und die eigenen Gedanken und Gefühle einzulassen, hat das nicht wirklich etwas zu tun. Dieses Gefühl entsteht erst da, wo ich mich selbst in meinem ganzen Sosein von Gott angenommen fühle, wo ich sein darf und Raum habe und wo kreative Freiheit zum Denken und Handeln gelebt, gefördert und eingeübt wird. Dazu möchte ich Sie ermutigen: ganz Sie selbst zu sein!

Und: Gönnen Sie sich etwas Humor. Das Leben, auch das geistliche Leben mit einem fröhlichen Augenzwinkern anzugehen hilft manchmal mehr, mit Unwirtlichkeiten fertig zu werden, als der fromm-verbissene Blick. Humor schafft Abstand und lacht dem Teufel ins Gesicht, wenn er versucht, uns in die Tiefe zu zerren.

In meinem Herzen habe ich das Bild von einem lachenden Jesus. Natürlich ist er auch ernst und wirft mir manch besorgten Blick zu, wenn ich meine Kapriolen schlage. Sein Gesicht ist manchmal schmerzverzerrt und sein Blick sehr verletzt. Aber oft lacht er auch. Steht neben mir: Fröhlich, entspannt, mit den Händen in den Hosentaschen und einem Grashalm zwischen den Zähnen grinst er mich vergnügt an. Weil wir miteinander etwas Tolles erlebt haben, weil wir Christen so schräge Vögel sind und für manchen Lacher sorgen und weil er … Lust am Leben hat. Möge seine Lebenslust Sie anstecken!

Tamara Hinz

1
Wenn Neues wächst

Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten. Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es denn nicht?

JESAJA 43,18 - 19

Bibbernd stehe ich in der Frühlingskälte. Dicke Jacke, eiskalte Finger und eiskalte Füße. Aber ich habe beschlossen, dass heute der erste Tag im Jahr für Gartenarbeit ist. Tapfer bewaffne ich mich mit allerlei Gerätschaften, die mir nötig erscheinen, um Totes, dem Frost Anheimgefallenes abzuschneiden und das Unkraut auszurupfen, das sofort mit den ersten, wärmenden Sonnenstrahlen aufgebrochen ist. Ich jäte und hacke mir die Seele aus dem Leib, da sehe ich ein kleines, noch ganz dunkles, fast erdfarbenes Blatt aus dem Boden hervorsprossen. Winzig, kaum wahrnehmbar. Es gehört zu einer Pflanze, die ich im Herbst neu gesetzt hatte und die durch die Wintermonate hindurch gänzlich verschwunden gewesen war. Ich hatte sie schon vergessen oder war davon ausgegangen, dass der lange Frost in diesem Winter sie dahingerafft hatte. Gerade noch rechtzeitig sehe ich das Pflänzlein, bevor meine Hacke niedersaust und ihm gänzlich den Garaus macht. Just in diesem Moment fällt mir obiger Bibelvers ein. Und wie so oft wird mir eine Alltagssituation zum Lehrmeister, durch den Gott spricht.

Manchmal ist das Neue, das Gott schafft, ein Bravourstück, das plötzlich unübersehbar da ist und alles andere in den Schatten stellt. Aber oft genug ist es ein kleines, zartes Pflänzchen, das sich vorsichtig ans Licht schiebt und meines Schutzes bedarf. Wie oft reiße ich es in meinem Arbeitseifer einfach aus oder trampele es unachtsam nieder! Oder es passt mir nicht in den Kram: Meine schöne, vertraute Gartenordnung wird durcheinandergebracht. Was da wächst, ist mir zu groß, zu klein, zu unscheinbar oder zu raumgreifend.

Manchmal ist es aber auch anders. Da sehne ich mich nach dem Neuen, nach Veränderung, und finde sie nicht. Dann tippt Jesus mir auf die Schulter und flüstert mir zu: »Guck mal, da ist doch schon etwas, schau mal genau hin, erkennst du es denn nicht?« Wie immer macht er mir Mut, auch die kleinen, zögerlichen Anfänge zu achten …

In dieser Woche will ich gut aufmerken, ob etwas Neues in mir wächst. Das mögen ein ganz neuer, fremder Gedanke, ein mir bis dahin unbekanntes Gefühl oder noch nie da gewesene Wünsche oder Sehnsüchte sein. Wenn ich mir noch nicht sicher bin, ob dieses Neue von Gott in mein Leben hineingelegt wurde oder sich vielleicht doch als Unkraut entpuppt, will ich es dennoch achtsam behandeln und nicht mit Füßen treten. Auch nicht mit frommen Füßen. Erst einmal darf es sein. Erst einmal darf ich es angstfrei wahrnehmen. Darf es beobachten, darf es wachsen lassen. Ohne es direkt als »gut« oder »schlecht« zu bewerten. Irgendwann wird der Tag kommen, an dem ich klarer sehe – möglicherweise werde ich dann auch manches behutsam entfernen müssen.

In dieser Woche will ich das Neue, das von Gott kommt, nähren und schützen. Womit könnte ich es nähren? Welche Menschen, welche Bücher, welche Bilder, welche Musik könnten ihm Nahrung geben? Vor wem muss ich es schützen? Wer würde dieses Neue vielleicht mit Stumpf und Stiel ausrotten, weil es ihm zu bedrohlich erscheint? Was tut diesem neuen Pflänzchen gut, was schadet ihm? Ich will es mit liebevoller Aufmerksamkeit beobachten.

Zum Thema Wenn Neues wächst finde ich in der Bibel folgende Texte: Jesaja 42,5 - 9; Jeremia 4,3; Matthäus 9,16 - 17; Matthäus 13,24 - 30; Markus 4,1 - 20;Apostelgeschichte 10,9 - 23; Epheser 4,22 - 24.

2
Füreinander einstehen

Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.

GALATER 6,2

Heute feiern wir in der Gemeinde Abendmahl. Wir stellen uns in kleinen Gruppen zusammen und teilen unter uns das Brot und den Wein. Leise Musik läuft im Hintergrund und untermalt das feine Gemurmel – Worte der Ermutigung und Verheißungen, die wir uns gegenseitig zusprechen. Selten empfinde ich die Gemeinschaft und unsere Zusammengehörigkeit so stark wie beim Abendmahl. Bei aller Unterschiedlichkeit stehen wir füreinander ein, gehören zusammen, sind ein Leib. Als ich mich umsehe, bleibt mein Blick an einer Frau hängen, die sich nicht zu einem dieser Kreise gestellt hat, sondern an ihrem Platz sitzen geblieben ist. Ich weiß auch, warum. Sie lebt, wie man in frommen Kreisen zu sagen pflegt, in Sünde. Leidet selbst daran, kämpft, kann nicht loslassen. Hinkt auf beiden Seiten und geht daran kaputt. Will vertrauen und schafft es nicht. Weiß, dass die Wege, die sie geht, nicht gut sind, aber verlässt sie trotzdem nicht. Deshalb ist sie sitzen geblieben und nicht zum Abendmahl gekommen. Mit versteinertem Gesicht und Tränen in den Augen sitzt sie da. Ausgeschlossen, allein, ohne Worte der Ermutigung und der Verheißung. Mir zerreißt es schier das Herz. Wenn jemand hier in diesem Raum ein Stück von Jesus braucht, dann sie. Ohne weiter zu überlegen, nehme ich das größte Stück Brot, das ich finden kann, vom Teller und reiße es entzwei. Während alle anderen in tiefer Andacht versunken sind oder fröhlich ihr Brot vor sich hinmümmeln, husche ich schnell zu ihr hinüber, reiche ihr das Stück Brot und flüstere ihr zu: »Hier, ich geb dir was von meinem Brot ab – das reicht für uns beide.« Kurz nehme ich sie in den Arm, genauso kurz wiege ich sie einen Moment hin und her, bevor ich wieder auf meinen Platz zurückkehre.

Wenn sie schon der Vergebung nicht glauben kann, dann soll sie meinen Glauben an die Vergebung haben. Wenn sie schon die Freiheit im Moment nicht ergreifen kann, dann soll sie meine Freiheit haben. Wenn sie schon nicht vertrauen kann, dann gebe ich ihr von meinem Vertrauen ab. Wenn sie im Moment nicht die Kraft zu Gehorsam und Konsequenz findet, dann soll Jesus eben meinen Gehorsam nehmen.

Ich gebe ihr, was sie nicht hat, und hoffe, dass es für uns beide reicht. Für einen Moment bleibe ich andächtig und mit gesenkten Augen stehen. Dann wage ich aber doch einen vorsichtigen Blick in Richtung Jesus. Er sieht etwas verwirrt aus (kein Wunder, das Ganze ging ja auch so was von schnell), dann guckt er etwas ungläubig, und um seine Mundwinkel beginnt es verräterisch zu zucken. Ich glaube, wenn wir jetzt nicht im Gottesdienst wären, würden wir beide in schallendes Gelächter ausbrechen …

In dieser Woche will ich darauf achten, ob es Menschen in meinem Umfeld und in meiner Gemeinschaft gibt, die ich mit meinem Glauben und mit meinem Gebet unterstützen kann. Ich will ihnen abgeben von dem, was ich empfangen habe, und ihnen zur Verfügung stellen, was sie im Moment nicht zur Verfügung haben. Vielleicht hilft ihnen das über eine Durststrecke hinweg.

Vielleicht bin ich aber im Moment auch selbst der Bedürftige, der von jemand anders in der Gemeinschaft mitversorgt werden muss. Dann will ich Scheu und Scham ablegen, mich mitteilen und dankbar annehmen, dass jemand anders seinen Glauben und seine Beziehung zu Jesus mit mir teilt und sich schützend vor mich stellt. So lange, bis ich wieder auf eigenen Füßen stehen kann.

Zum Thema Füreinander einstehen finde ich in der Bibel folgende Texte: 2. Mose 17,8 - 13; Psalm 133; Sprüche 17,17; Römer 15,1 - 3; 2. Korinther 8,13 - 14; Galater 6,2; Hebräer 13,16.

3
Gebet

Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, die meinen, sie werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen. Macht es nicht wie sie, denn euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr bittet.

MATTHÄUS 6,7 - 8

Du vollkommene, schützende Macht im Himmel, bergend, sorgend, Dich kümmernd, stark. Du bist für mich besonders, kostbar und einzigartig. Ich wünsche mir, dass all das Gute, Vollkommene und Heilbringende von Dir sich umsetzt und verwirklicht in meinem Leben und in meinem Umfeld. Bei Dir und in Deinem Reich ist es schon da. Hier bei mir möchte ich noch manches wachsen sehen.

Ich bin bedürftig und abhängig von Dir. Ich lebe hier in dieser Welt und brauche manches zum Überleben, zum Wachsen und um guter Dinge zu sein. Bitte versorge mich mit dem Nötigen und darüber hinaus mit allem, was ich ganz persönlich zum Leben brauche.

Zu diesem Leben gehört es, dass ich schuldig werde. An mir selbst, an anderen, an Dir. Ich bin nicht perfekt, sondern habe und mache Fehler. Bitte entschuldige mich. So tue ich es bei meinen Kindern, wenn sie Fehler machen und versagen. Immer wieder aufs Neue verzeihe ich ihnen – weil ich sie liebe. Diese Liebe ist ein kleines, zartes Abbild Deiner Liebe zu mir. Wie viel größer und umfassender ist Deine Liebe und Bereitschaft, mir zu vergeben!

Undenkbar für mich, dass Du mich in Situationen bringst, die mir zum Fallstrick werden könnten. Undenkbar, dass Du mich in eine Lage bringst, in der ich Gefahr laufe, Deine Hand loszulassen. Stattdessen möchte ich von Dir erwarten, dass Du alle unerlösten Anteile in mir, alles, was noch unfrei, gebunden und verkrustet ist, mit Deiner heilenden und Leben spendenden Hand berührst und freisetzt.

Das alles ist Dir möglich, weil alles Dir gehört, alle Überwinderfähigkeit von Dir kommt und Du ein einzigartiger, vollkommener Herrscher bist.

In dieser Woche will ich die Worte des »Vaterunser« meditieren. Ich will die einzelnen Aspekte dieses Gebetes in mir hin und her wenden, sie mit eigenen Worten, Gedanken und Gefühlen füllen und diese in mein Leben mit hineinnehmen.

Diese Woche will ich meine Gebetszeit sehr schlicht halten. Ja, vielleicht ist für mich sogar ein »Wörterfasten« dran, weil ich mir angewöhnt habe, meine Gedanken endlos lange vor Jesus auszubreiten. In meiner Stillen Zeit bin ich abgedriftet in ein ständiges Kreisen um die Probleme meines Lebens in Form von Beten, Beten und nochmals Beten. So ist die Gebetszeit keine Quelle mehr, die mich nährt und aus der ich Kraft gewinne, sondern zum Aderlass geworden, der mir noch meine letzten Reserven nimmt.

Vielleicht schreibe ich am Anfang der Woche meine Kümmernisse auf, lege sie in einen Umschlag und schiebe sie Jesus kurz rüber, wenn ich mit ihm zusammen bin. Und dann bekenne ich nur noch: »Dein ist das Reich, die Kraft und die Herrlichkeit, in Ewigkeit.« Dann könnte ich noch ein schönes Musikstück hören oder ein schönes Bild betrachten, um der Größe Gottes in meinem Herzen ein Bild und einen Klang zu geben. Mit dem Bild im Herzen und dem Klang der Ewigkeit im Ohr mache ich mich dann an mein Tagwerk.

 

Zum Thema Gebet finde ich in der Bibel folgende Texte: 2. Mose 14,13 - 14; Psalm 131; Prediger 5,1; Matthäus 7,7 - 11; Römer 8,26; Philipper 4,6; Jakobus 5,16 - 18.

4
Jesus in seiner Passion nahe sein

Die Wächter trieben ihren Spott mit Jesus. Sie schlugen ihn, verhüllten ihm das Gesicht und fragten ihn: Wer hat dich so geschlagen?

LUKAS 22,63 - 64

Heute beginnt die Karwoche. Ich mag es immer gern, wenn einzelne Gegenstände ein Geschehen oder ein Thema, um das es gerade geht, greifbar machen. Deshalb bin ich heute weit vor dem Gottesdienstbeginn da und suche für den Altarraum einen purpurroten Samtstoff hervor, eine Dornenkrone und Palmenzweige. Bewaffnet mit diesen Utensilien, betrete ich den Gottesdienstraum. Unterwegs umarme ich zur Begrüßung herzlich eine Frau aus der Gemeinde, die ebenfalls schon sehr zeitig gekommen ist. Leider habe ich bei dieser innigen Umarmung vergessen, dass ich eine Dornenkrone in der Hand halte, und ramme sie ihr mit voller Wucht in den Rücken. Peinlich, peinlich …

Nun stehe ich vorne, drapiere den Samtstoff und die Palmenzweige und möchte die Dornenkrone am Kreuz anbringen. Bei uns haben wir schon alle möglichen Dinge am Kreuz angebracht. Das ist ohne Weiteres möglich, denn unser Kreuz ist ziemlich hässlich und vom Material her wertlos. Zusammengehauen aus zwei klobigen, rissigen Holzbalken, die an manchen Stellen rostige Male von alten Nägeln tragen, ist es nicht gerade ein Schmuckstück. Aber wir wollen es so. Denn was damals passierte an diesem Kreuz, war ja auch nicht gerade ein Glanzstück menschlichen Erfindungsreichtums. So hässlich wie unser Kreuz, so hässlich war das Ereignis, zu dessen Symbol das Kreuz später wurde.

Ich halte Hammer und Nagel in der Hand und will diesen Nagel in das Kreuz schlagen, um die Dornenkrone zu befestigen. Aber ich kann nicht. Keine zehn Pferde werden mich dazu kriegen, diesen Nagel jetzt in das Kreuz zu schlagen. Ich will an dieser miesen Aktion nicht beteiligt sein. Niemals, niemals würde ich einem Menschen so etwas antun. Ich kann Menschen nicht verstehen, die andere quälen und zu Tode foltern. Ich kann das nicht verstehen und will das nicht verstehen. Ich lasse Hammer und Nagel sinken und schau mich um. Neben mir sehe ich Maria, die Mutter von Jesus, und noch einige andere Frauen, die ihn immer begleitet haben. Auch sie stehen fassungslos vor diesem Geschehen. Können die Brutalität und Gemeinheit dieses Ereignisses nicht begreifen. Sie haben Jesus genährt, haben ihn umsorgt, ihm Geborgenheit und – soweit es bei seiner Lebensweise möglich war – ein Zuhause geboten. Sie haben mit ihm gelacht, ihn bewundert, mit ihm geweint und waren für ihn da, wenn er sich nach stundenlangen Fußmärschen und noch längeren Predigten ermattet auf den Boden plumpsen ließ. Und jetzt sind sie auch bei ihm. Können nicht helfen, aber wenigstens da sein. Halten diese letzten Stunden mit ihm aus, sind ihm nah. Laufen nicht weg, wenden sich nicht ab. Welch eine Freude für Jesus!

In dieser Woche will ich einfach nur bei Jesus bleiben. Ich werde dabei sein, wenn er in Jerusalem einzieht, werde sein Königsein proklamieren und ihm mein schönstes Gewand zu Füßen legen. Ich will mit ihm ein letztes Mal essen und mir von ihm die Füße waschen lassen. Vielleicht gelingt es mir, im Garten Gethsemane nicht einzuschlafen, sondern bei Jesus auszuharren. Beobachtend, wartend. Dann werde ich mit ihm den Weg nach Golgatha gehen. Ich werde nicht weglaufen, sondern bleiben – so wie die anderen Frauen. In dieser Woche will ich einfach nur bei ihm sein.

Zum Thema Jesus in seiner Passion nahe sein finde ich in der Bibel folgende Texte: Psalm 63,1 - 9; Hohelied 1,4; Hohelied 8,6 - 7; Jesaja 53; Lukas 10,38 - 42; Johannes 12,1 - 8; Johannes 18 - 19.