Ghostsitter

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Ghostsitter
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Die bisherigen Bände dieser Serie:

Ghostsitter Band 1: Geister geerbt

Ghostsitter Band 2: Vorsicht! Poltergeist!

Ghostsitter Band 3: Hilfe, Zombie-Party!

Ghostsitter Band 4: Schreck im Spiegelkabinett

Ghostsitter Band 5: Tanz der Untoten

Die Serie wird fortgesetzt!

1. überarbeitete Neuauflage August 2019

Copyright © 2019 by Tommy Krappweis & Edition Roter Drache

Edtion Roter Drache, Holger Kliemannel, Haufeld 1, 07407 Remda-Teichel

edition@roterdrache.org; www.roterdrache.org

Umschlagillustration und Vignetten: Timo Grubing

Umschlaggestaltung: Timo Grubing

Korrektorat: Diane Krauss

Gesamtherstellung: Jelgavas tipografia

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2020

Alle Rechte vorbehalten.

Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (auch auszugsweise) ohne die schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

ISBN 978-3-964260-58-1


Inhalt

Kapitel 1:Übung Schmübung

Kapitel 2:Verlorene Zeit

Kapitel 3:Odor

Kapitel 4:Ungebetener Besuch

Kapitel 5:Seltsarrm

Kapitel 6:Geisterwecker

Kapitel 7:Die Taschenuhr

Kapitel 8:Der kleine große Tom

Kapitel 9:Zu Hause bei Zoracz

Kapitel 10:Dada

Kapitel 11:Das Getüm

Kapitel 12:Kleine Schritte

Kapitel 13:Wer weiß was warum

Kapitel 14:Whoaa!

Kapitel 15:Der Handel

Kapitel 16:Auf der Flucht

Kapitel 17:Der grüne Punkt

Kapitel 18:Happy Place

Kapitel 19:Verborgene Fähigkeiten

Kapitel 20:Die Treppe

Kapitel 21:Mimi

Kapitel 22:Eine alte Geschichte

Kapitel 23:Die Zwieslerbrut

Kapitel 24:Noch mehr Flure

Kapitel 25:Der Handel

Kapitel 26:Endlich frei

Kapitel 27:Familie

Kapitel 28:Hermina vom Hohenblick

Kapitel 29:Die Gruft

Kapitel 30:Zu Hause

Kapitel 31:Ein weiterer Piks

Kapitel 32:Die Zukunft

Über den Autor

Weitere Bücher


Kapitel 1: Übung Schmübung

Ich hab aber keinen Bock meheheeeer!«, schallte die Stimme des Geistermädchens quer durch den Zirkuswagen. Gerade noch war Mimi mit geschlossenen Augen durch den Raum geschwebt und hatte versucht zu spüren, ob sie sich vor dem Tisch oder auf dem Tisch befand. Tatsächlich war sie aber durch den Tisch hindurchgeschwebt und hatte nichts davon bemerkt. Nun flatterte sie hin und her, und ihre Augen waren nicht mehr geschlossen, sondern genervt gegen die Decke gerollt.

Tom seufzte. »Das versteh ich wirklich gut, Mimi. Aber wenn du deinen Character in World of WerWizards irgendwann mal auch selbst steuern willst, musst du diese Übungen zur Teilmaterialisierung eben regelmäßig machen.«

»Jaja, Übungen, Schmübungen …«, grummelte Mimi wenig schlagfertig, aber dem Gespenst war anzusehen, dass es genau wusste, wie recht Tom damit hatte.

Als Geist der Sorte Apparatio konnte sie sich zwar frei bewegen und ungehindert durch Wände, Böden oder Personen schweben – aber genauso glitt sie eben auch durch alle anderen Dinge hindurch. Etwas festzuhalten, aufzuheben oder auch nur ein paar Zentimeter hin und her zu schieben, war für sie nicht möglich. Das galt für Maus und Tastatur in einem Online Game, aber eben nicht nur dafür – die Sache wurde auch immer problematischer, je näher sich Mimi und Tom kamen. Schon in einer ganz normalen Freundschaft kam es schließlich vor, dass man jemanden mal umarmte, tröstend die Hand auf die Schulter legte oder ein Krabbeltierchen vom Ohr schnippte. Das alles war schlicht nicht möglich für einen Menschenjungen und ein Geistermädchen.

»Boah, ich komm mir voll blöd vor …«, meckerte Mimi, als sie zum vielleicht zwanzigsten Mal durch den Tisch geschwebt war. »Wie lang soll ich das denn jetzt noch machen?«

»So lange, bis du einen Widerstand spürst«, antwortete Tom. »Und nein, ich weiß nicht, wie lange es dauert, aber es lohnt sich! Da bin ich mir ganz sicher, Mimi! Es ist doch super, dass ich diese Zeilen in Vlarads Aufzeichnungen überhaupt gefunden hab.«

»Bin mir da grad nicht so sicher«, murmelte das Geistermädchen.

»Na logo!«, widersprach Tom energisch. »Allein dass ich endlich mal ein bisschen was über Untote lesen durfte, ist ja der Hit. Ich hatte echt schon das Gefühl, ihr wollt mich absichtlich doof halten.«

»Du weißt genau, dass das nicht stimmt«, schnappte Mimi sofort zurück. »Und außerdem mach ich das jetzt schon voll ewig lang! Lahang! Lahahahangweiliiiiiig!«

Tom schaute auf die Zeitanzeige seines neuen Smartphones.

»Ich weiß ja nicht, wie man als Gespenst die Zeit wahrnimmt, aber für uns Normalsterbliche sind viereinhalb Minuten keine Ewigkeit …«

»Pah! Google mal den Einstein, der wird dir erklären, dass Zeit relativ ist. Es kommt immer drauf an, was man gerade tun muss.«

»… oder tun will«, ließ sich da die Stimme von Vlarad dem Vampir vernehmen. Tom und Mimi drehten sich zu ihm herum. »Wenn man etwas muss, scheint die Zeit entschieden langsamer zu vergehen als in Situationen, in denen man etwas gerne tut …«

Der Graf ließ sich für seine Verhältnisse überraschend schlapp auf einem der Küchenstühle nieder. Sonst achtete er eigentlich sehr auf Haltung und einen gräflichen Gesamteindruck, doch jetzt gerade schien ihm das völlig egal zu sein. Er lümmelte sich regelrecht auf den Stuhl, streckte dann die Beine aus und kratzte sich gedankenverloren an der Stirn.

 

»Du siehst auf jeden Fall gerade so aus, als käme dir die Zeit besonders lang vor, Vlarad«, sagte Tom und setzte sich besorgt zu ihm an den Tisch. »Was ist denn los?«

Auch Mimi kam sofort angeflattert und musterte den erschöpften Vampir.

Der schüttelte traurig den Kopf: »Ich gebe zu, ich bin zerschmettert. Seit Wochen und Monaten forsche ich nun schon an Hop-Teps Lazarus-Serum. Immer wenn ich denke, dass ein Durchbruch kurz bevorsteht, löst sich die Hoffnung auf in ein deprimierend belangloses Wölkchen aus gelblich schimmerndem Nichts. Wenn das so weitergeht, rechne ich mit dem Schlimmsten.«

»Oh je …«, murmelte Mimi. Tom wusste natürlich genau, was sie fühlte. Ohne das kostbare Lazarus-Serum würde die Mumie ihr untotes Leben nicht erhalten können und unweigerlich zu Staub zerfallen.

»Wie lang, glaubst du, kann Hop-Tep noch durchhalten mit dem restlichen Serum?«, fragte Tom, obwohl er gar nicht so sicher war, ob er die Antwort wirklich hören wollte.

Vlarad blickte ernst in die Runde. »Meinen Berechnungen zufolge kommt unser ägyptischer Prinz damit in etwa bis Halloween.«

»Was?«, rief Mimi erschrocken. »Das ist ja …«

»… in weniger als drei Monaten, richtig«, beendete Vlarad ihren Satz. »Danach ist der Verfall seiner sterblichen Anteile nicht mehr aufzuhalten. Er mag bei guter Pflege seiner Bandagen und regelmäßiger Neubalsamierung noch Wochen oder gar Monate überstehen. Da sein Fall absolut einzigartig ist, kann ich nicht sagen, wie lange es dauert, bis er vollständig zu Staub zerfallen ist.«

»Oh Mann …« Gestresst quetschte Tom seine Nasenwurzel zwischen Daumen und Zeigefinger und presste die Augenlider zusammen, als hätte er plötzlich rasende Kopfschmerzen. »Wir haben doch gerade erst Wombie davor gerettet, an seinem Getodstag vom Wind verteilt zu werden, und nun droht uns das Gleiche mit unserem ägyptischen Prinzen.«

Als er begann, hell flackernde Punkte zu sehen, öffnete er die Augen und rieb sich stattdessen die Schläfen. »Was ist das eigentlich für eine Sache mit euch Untoten und diesem andauernden Zu-Staub-zerfallen-Ding?«

»Mach dir da keine Illusionen, Junge«, winkte der Vampir ab. »Auch ihr Menschen zerfallt irgendwann zu Staub. Bei euch sieht es nur deutlich langweiliger aus.«

»Dann bin ich auch irgendwann mal langweilig zerstaubt, oder?«, warf Mimi ein. »Schließlich war ich auch mal menschlich.« Dann kicherte sie. »Hihi, also zumindest nehm ich das jetzt mal an. Genau weiß ich es natürlich nicht. Ich erinnere mich ja blöderweise nur so weit zurück, wie ich ein Gespenst bin.«

»Du weißt, wie ich darüber denke, junges Fräulein«, antwortete Vlarad. »Du kannst es bedauern oder du kannst froh darüber sein. Ich rate zu Letzterem, denn man wird nicht ohne Grund ein schicksalsgebundener Geist, wie du einer bist. Meist ist das Schicksal ein grausames solches. Viele andere Wesen, die dergleichen erleben, wären froh, wenn sie vergessen könnten, was ihnen widerfuhr.«

Tom bemerkte den Seufzer, mit dem der Vampir den letzten Satz begleitet hatte. Stimmt, dachte er, ich weiß auch gar nix über Vlarads Geschichte, bevor er zum Vampir wurde.

Er beschloss, hier mal bei Gelegenheit vorsichtig nachzubohren. Aber nun hatten sie ja andere Probleme.

»Gibt es denn irgendetwas, das wir für Hop-Tep tun können?«, fragte Tom, aber der Vampir schüttelte den Kopf.

»Um ehrlich zu sein, ich wüsste nicht, was«, sprach er leise und blickte dann ausdruckslos ins Leere.

Tom hatte den Vampir noch nie so niedergeschlagen erlebt, und auch Mimi tauschte einen besorgten Blick mit ihm aus. Doch da erhob sich der Graf plötzlich und straffte sich, als würde er Körper und Geist zur Ordnung rufen.

»Nein! Das ist nicht akzeptabel!«, rief er und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Ich bin mir sicher, dass irgendetwas Essenzielles meiner Aufmerksamkeit entgeht, und will abermals doppelt und dreifach verdammt sein, wenn ich da nicht bald draufkomme, Hölle und Brut!«

Er wandte sich zum Gehen, drehte sich dann aber noch einmal zu dem Geistermädchen um: »Es freut mich zu sehen, dass du nach über zweihundert Jahren endlich mit den Übungen zur Teilmaterialisierung begonnen hast. Sobald sich ein Effekt bei dir einstellt, meldet euch bitte bei mir, damit ich den abschließenden magischen Spruch anwenden kann.«

Erstaunt blickte Tom zu Mimi, doch das Gespenstermädchen mied seinen Blick …


Kapitel 2: Verlorene Zeit

Tom spürte, wie ihm eine seltsame Art von Enttäuschung ins Herz gekrochen kam, um sich dort häuslich einzurichten. Es fühlte sich nicht gut an. »Du … du hast die Übungen schon mal von Vlarad gesagt bekommen? Vor so langer Zeit? Und du hast niemals …«

Plötzlich stand der Graf wieder vor Tom, musterte ihn seltsam und fuhr dazwischen: »Wo sollte sie die Übungen denn sonst herbekommen haben, wenn nicht von mir?«

Tom war verwundert über diese Reaktion. »Na, aus deinen Notizbüchern, die du mir in die Hand gedrückt hast. Da standen die drin. Zwar ohne den finalen Zauberspruch, aber dafür müssen wir ja eh zu dir kommen.«

Augenblicklich entspannte sich der Vampir: »Die Abschrift … Nur die Abschrift … natürlich. Ja, das ist selbstverständlich völlig in Ordnung. Entschuldige bitte, mein Junge.«

Bevor Tom genauer nachfragen konnte, was Vlarad meinte, wandte der sich schon an Mimi: »Wie sagt man so schön: Besser spät als nie. Trotzdem ist es schade um all die verlorene Zeit, wenn ich das so sagen darf. Hättest du seinerzeit direkt mit dem Training begonnen, wärst du jetzt schon einen bedeutenden Schritt weiter. Du könntest Objekte berühren, greifen und sogar für eine begrenzte Zeit festhalten.«

»Echt jetzt?«, entfuhr es Tom schärfer als er es beabsichtigt hatte.

»In der Tat. Aber wie sagt man noch so schön: Können ist einfach, können wollen meist schwer«, antwortete der Vampir und nickte professoral in Richtung des Gespensts. »Wie dem auch sei, ich bin mir sicher, deine Lernkurve wird sehr bald steil nach oben zeigen, meine Liebe. Du wirst schnell erste Erfolge verzeichnen.«

Mimi antwortete nicht, aber Tom fragte hoffnungsvoll nach: »Sehr bald? Was genau meinst du denn damit?«

Vlarad warf einen undurchdringlichen Blick in die Runde. »Zeit ist relativ, mein Junge. Ich wünsche eine geruhsame Restnacht allerseits. Wenn ihr mich sucht, ich bin in meinem Labor.«

Damit drehte er sich um, stakste durch den überdachten Durchgang hinüber in die Geisterbahn und schloss die Tür hinter sich.

Tom stand mit offenem Mund da. Erst als die Schritte des Vampirs nicht mehr zu hören waren, drehte er sich auf dem Stuhl zu Mimi um. Einen Moment lang wusste er gar nicht, was er sagen sollte.

Das Geistermädchen schwebte mitten im Raum und ließ den Kopf hängen, als hätte man sie mit dem Kragen an einem Garderobenhaken befestigt.

Schließlich fand Tom seine Stimme wieder: »Du kanntest diese Übungen schon seit zweihundert Jahren und hast die noch nie gemacht?« Er klang so bitter und vorwurfsvoll, dass er selbst darüber erschrak.

Mimi nickte stumm, und sofort bereute er seinen scharfen Ton. Tom stand auf und ging seufzend zu ihr hinüber.

»Oh Mann … Bitte entschuldige, Mimi«, flüsterte er und streckte unwillkürlich die Hand nach ihr aus. Bevor er es bereuen konnte, schaute das Geistermädchen bereits traurig auf die Hand, die es ja doch nicht berühren konnte. Mimi blickte wieder auf zu Tom.

Der kniff die Lippen zusammen, schimpfte lautlos in sich hinein und zog die Hand zurück. Genau das war ihm leider schon ein paarmal passiert, und er hatte sich eigentlich fest vorgenommen, dass es nie wieder vorkommen würde.

»Schon okay …«, murmelte Mimi, und Tom suchte fieberhaft nach den richtigen Worten. Aber leider hatten sich alle Buchstaben gerade gegen ihn verschworen und bildeten in seinem Hirn nur lauter sinnlose Wortgebilde. Weder »Brögldompf« noch »Gniebelfips« oder »Wuggu-Wuggu« würden die Situation verbessern, da war sich Tom sicher. Also sagte er besser nichts.

In dem Moment öffnete sich die Tür des Zirkuswagens und Onkel Welf trat herein. Er wirkte seltsam gehetzt und blickte sich unruhig im Raum um. Seine geballten Fäuste steckten in den Taschen der abgewetzten Lederjacke. In den ersten Wochen seiner Zeit als Ghostsitter wäre Tom noch alarmiert gewesen und hätte sofort gefragt, ob etwas Schlimmes passiert sei. Das war jetzt nicht mehr nötig. Tom wusste genau, warum Welf hereingekommen war und wieso er sich so seltsam verhielt.

»Okay, Vollmond. Alles klar, bitte hereinspaziert«, sagte er. Gleichzeitig öffnete sich wie von selbst die doppelte Wand am Ende des Zirkuswagens, hinter der sich der magisch gesicherte Käfig auftat. Dass Tom das nur mit der Kraft seiner Gedanken tun konnte, war ihm schon in Fleisch und Blut übergegangen, er dachte gar nicht mehr darüber nach.

Sofort machte Welf ein paar große Schritte quer durch den Raum und betrat den Käfig. Dort ließ er sich auf der Holzpritsche nieder und bedeutete Tom mit einem genervten Schnauben, die Gitterstäbe wieder zu schließen.

Der folgte der Aufforderung umgehend: Mit einem weiteren Gedankenbefehl schloss Tom die Stangen vor dem Werwolf und sorgte so dafür, dass dieser nach seiner vollständigen Verwandlung niemandem ein Haar krümmen konnte.

Tom wusste, dass sein Ziehonkel in diesen Momenten noch weniger Lust auf ein Gespräch hatte als sonst, also nickte er ihm nur schweigend zu. Der Werwolf nickte zurück, und Tom ließ die Wand vor den Käfig gleiten. Er war froh, dass sich Welf immer früh genug vor der Verwandlung in eine reißende Bestie bei ihm einfand, um sein Spielzimmer zu betreten, wie Mimi den Käfig scherzhaft nannte.

»Also, w…«, begann er, um sich wieder dem Geistermädchen zuzuwenden, doch als er sich umsah, war von Mimi nichts mehr zu sehen.

»Na toll«, stöhnte Tom und ließ sich matt auf sein Bett fallen. Was konnte jetzt noch passieren, um den Abend noch ein bisschen scheißiger zu machen …? Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

Achtung, eine Meldung an alle, hörte er da die telepathische Stimme von Vlarad in seinem Kopf. Wombie ist verschwunden.


Kapitel 3: Odor

Sofort sprang Tom auf und angelte unter dem Bett nach seinen Turnschuhen. Gleichzeitig öffnete er einen telepathischen Kanal zu allen anderen: Was ist passiert?

Es war die salbungsvolle Stimme von Hop-Tep, die sich nun meldete: Ich bin im Spurenlesen weniger begabt als unser wölfischer Freund, der uns ja nun leider nicht zur Verfügung steht. Und doch möchte ich sagen –

Entschuldige, Hop-Tep!, unterbach Tom die ägyptische Mumie so höflich wie möglich. Aber wenn es irgendwie geht – fass dich bitte kurz!

Du sprichst knapp, aber weise, junger Freund. Nun, wenn ich die Zeichen und Geschehnisse richtig deute, haben wir wohl ein Marderproblem.

Und was hat das mit Wombie zu tun?, fragte Tom verwirrt, während er sich hektisch die langen Schnürsenkel zuband. Unserem Zombie gehen Marder doch am Hintern vorbei, so wie alles andere. Wir könnten ihm den großen Zeh auskugeln und er würde nicht mal blinzeln.

Da magst du recht haben, antwortete nun der Vampir telepathisch. Aber wenn ein Marder Wombies geliebten Kuschelhasen Odor entführt …

… ändert das die Sache, auweia, beendete Tom den Satz.

Wir sind sofort da, ertönte da auch Mimis Stimme. Wo genau seid ihr?

Hinter der Geisterbahn, den Feldweg hinunter, direkt am Waldrand, erklärte Vlarad, und Tom machte sich sofort auf den Weg.

 

Er hatte weniger als drei Minuten gebraucht, um seine Sachen zusammenzusuchen, den Zirkuswagen zu verlassen und den Feldweg zum Wald hinunterzurennen.

Dort schwebte Mimi bereits zwischen Mumie und Vampir und starrte mit ihnen in die Dunkelheit. Sie würdigte Tom nur eines flüchtigen Blickes.

Der seufzte. »Also, wie sicher auf einer Skala von null bis zehn sind wir, dass der Marder da mit Wombies Kuschelhasen reingerannt ist?«

»Wie sagst du immer so schön?«, murmelte Vlarad. »Tausend.«

»Aha, und warum?«

»Nun, der Lavendelgeruch von Odor ist so ausdrucksstark, dass ich fast schon eine lila schimmernde Spur zu sehen glaube.«

Er winkte Tom zu sich, und kaum hatte der einen tiefen Atemzug durch die Nase genossen, waren alle Zweifel aufs Blumigste beseitigt: Ein chemisch-aufdringlicher Geruch von parfümiertem Waschmittel stand in der Luft, als wolle er Hänsel und Gretel zum Waschhäuschen der Hexe locken.

»Inzwischen bin ich mir gar nicht mehr so sicher, welchen Gestank ich furchtbarer finde«, stöhnte Tom.

Als er Wombie und seinen Kuschelhasen Odor kennengelernt hatte, war er vom infernalischen Gestank des ungewaschenen Kuscheltiers fast ohnmächtig geworden. Wombie ließ nicht zu, dass irgendwer außer ihm das Plüschhäschen auch nur anfasste, und so hatte sich zunächst der faulige Geruch vieler Jahrzehnte darin gesammelt. Vor Kurzem aber hatte der Zombie doch tatsächlich die wunderbare Welt der Weichspüler entdeckt. Seitdem verging kaum ein Tag ohne Waschgang für Odor. Beim Dosieren folgte Wombie der Devise »Deckel ab und rein damit«. Nach Ende des Waschgangs explodierte jedes Mal eine gigantische Geruchsgranate in den Nasen der Geisterbahnbewohner.

»Es beschämt mich, aber ich muss hier leider passen«, begann der Vampir nun. »Ich kann euch diesmal nicht behilflich sein. Der Wald ist voller Wildtiere, und das Rauschen des Blutes in ihren Adern ist so gewaltig, dass ich das nächste arme Tierchen aussaugen würde wie einen Tetrapak.«

Unwillkürlich machte Tom einen Schritt von Vlarad weg, was diesem nicht verborgen blieb.

»Keine Sorge, ich werde mich so lange im Griff haben, bis ich zurück in meinem Labor bin. Aber ich kann nicht länger hier am Waldrand verharren. Der Blutdurst ist überwältigend.«

»Okay, hab verstanden«, nickte Tom, und das hatte er wirklich. Wenn Vlarad ein Tier nur anpikte, trug dieses außer einer winzigen Wunde und ein paar verlorenen Sekunden keinen Schaden davon. Trank er aber mehr als ein paar Milliliter von dem Blut eines einzelnen Lebewesens, passierten zwei Dinge: Das Geschöpf wurde ebenfalls zu einem vampirischen Untoten und Vlarad mutierte vorübergehend zu dem Spenderwesen.

Mit einer Mischung aus Belustigung und Genervtheit dachte Tom daran zurück, wie Vlarad sich in einen Hamster verwandelt hatte. Gott sei Dank hatten sie auch das angepikste Tierchen gerade noch rechtzeitig gefunden, um es mit Hop-Teps mächtigem Lazarus-Serum von seinem vampirischen Schicksal zu heilen.

Da vernahm Tom die telepathische Stimme der Mumie in seinem Kopf: Nun, ich allerdings kann unbehelligt von jeglichen Blutdürsten durch das Holz streifen und Tom helfen, unseren starken Freund zurückzuholen.

»Stimmt«, überlegte Tom, »und so spät in der Nacht wird wohl kaum jemand im Wald unterwegs sein und sich bei deinem Anblick zu Tode erschrecken. Dann lasst mich mal sehen, wo Wombie steckt.« Er rollte seinen Ärmel hoch. In der Dunkelheit waren die rot leuchtenden Punkte unter seiner Haut sehr gut zu erkennen.

Er nannte diese verrückte magische Fähigkeit sein Geister-Navi, denn genau das war es eigentlich auch. Anhand dieser sanft pulsierenden Lichter auf seinem Unterarm konnte Tom sehen, wer von ihnen sich in etwa wo befand.

Routiniert drehte er sich einmal hin und her, um zu sehen, welcher rote Punkt sich dabei am wenigsten bewegte – logischerweise war dies dann seine eigene Markierung und er konnte so erkennen, welche die anderen waren.

»Okay, das bin ich, dann ist das da hinten Welf in seinem Käfig, das ist Vlarad, daneben Hop-Tep und Mimi. Also ist Wombie … der da. Er ist noch nicht mal so arg weit weg, und anscheinend bewegt er sich kaum. Ähm … Mimi, würdest du …«

»Klar«, antwortete das Geistermädchen betont einsilbig, warf einen kurzen Blick auf Toms Unterarm und huschte auch schon davon.

Nur wenige Sekunden später war sie zurück. »Also, Wombie hockt da drüben im Wald und gräbt.«

»Er gräbt?«, wiederholte Tom verwundert.

Der Vampir zuckte mit den Achseln. »Natürlich tut er das. Marder wohnen nun einmal in Höhlen oder Felsspalten. Es ist anzunehmen, dass das Tierchen Wombies Waschmittelwunder mit in seine Behausung genommen hat.«

»Ah, okay, das leuchtet ein«, überlegte Tom. »Also … Ich könnte jetzt auf seinen roten Punkt drücken und ihn damit zu mir rufen …«

Vlarad sah ihn ausdruckslos an. »Ja, das könntest du tun, Tom …«

»Aber wenn er gerade in Sorge um sein Kuscheltier ist, dann wär das irgendwie blöd«, beendete Tom seinen Gedanken, und der Vampir entspannte sich sofort. »Genauso ist es, Tom. In Notsituationen ist diese Funktion natürlich hilfreich und angemessen, aber es ist sehr anständig von dir, dass du sie nicht als Rezeptionsklingel missbrauchst.«

»Kein Problem«, antwortete Tom. »Wir wollen ihm ja helfen und ihn nicht gegen seinen Willen von Odors Rettung abziehen. Also, dann gehst du jetzt besser mal zurück in dein Labor, Vlarad, und wir holen unseren Zombie aus dem Wald.«

Er zückte die Taschenlampe und wollte gerade losstapfen, als ihn Mimis Stimme zurückhielt: »Ich glaube, das machen wir besser mal alleine.«

Verwundert drehte sich Tom zu ihr um. »Was? Wieso das denn jetzt?«

War Mimi echt so sauer auf Tom, dass sie ihn nun nicht mal bei der gemeinsamen Suche nach Wombies Kuscheltier dabeihaben wollte?

Da meldete sich Hop-Tep telepathisch: Unsere schimmernde Prinzessin hat leider recht, mein Junge. Im Gegensatz zu uns siehst du kaum etwas im Dunkeln und bist auf die Taschenlampe angewiesen. Diese jedoch würde den Marder verschrecken. Es könnte passieren, dass er sich mit seiner Trophäe weiter in die Höhlen zurückzieht oder gar in den Wald flüchtet. So aber kann Mimi einfach in den Boden fahren, ihn aufspüren und zu einem der Ausgänge scheuchen. Und da werde ich auf ihn warten, um ihm Odor möglichst sanft zu entreißen.

Tom seufzte. Natürlich hatte die Mumie absolut recht. Weder konnte er es mit der nächtlichen Sehkraft noch mit der übermenschlichen Reaktionsschnelligkeit der Untoten aufnehmen.

»Also gut …« Er rollte seinen Ärmel wieder herunter und hob dann halbherzig die Hand. »Dann viel Erfolg.«

Die Mumie deutete eine höfliche Verbeugung an. Gehab dich wohl, junger Freund. Wir vermelden auf telepathischem Wege Erfolg, sobald sich jener unmissverständlich eingestellt hat.

»Okay, danke. Also bis später«, antwortete Tom und blickte zu Mimi, doch das Geistermädchen schaute an ihm vorbei zum Waldrand und schwieg.

Zuerst dachte Tom, sie ignoriere ihn ausschließlich wegen ihres Streits von vorhin, doch dann erkannte er etwas anderes in ihren Zügen. Er trat ein paar Schritte an das Geistermädchen heran und fragte leise: »Mimi, was ist mit dir? Also, ich meine, ist noch irgendwas anderes, als dass du sauer bist auf mich? Du wirkst so …«

»Sauer!? Das bin ich auch«, schnappte Mimi scharf. »Ansonsten alles supi, danke der Nachfrage.«

Tom seufzte. »Okay, dann … bis später. Oder so.«

»Oder so, ja«, antwortete Mimi und schwebte, ohne sich noch einmal umzudrehen, hinter Hop-Tep her Richtung Waldrand.