Isabelle von Bayern

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IV.

Am nächsten Tage mit Sonnenaufgang durchzogen Herolde, in die Farben des Herzogs von Touraine gekleidet, die Straßen von Paris. Trompeter ritten ihnen voran, und sie hielten auf allen Kreuzwegen und Plätzen still. Mit lauter Stimme verlasen sie hier die Herausforderung, die schon seit einem Monat im ganzen Reiche, so wie in die Hauptstädte von Italien, England und Deutschland verteilt worden war. Sie lautete:

»Wir, Ludwig von Valois, Herzog von Touraine, durch die Gnade Gottes Sohn und Bruder der Königin von Frankreich, tun im Verlangen, die edlen Herren, Ritter und Junker des Königreichs Frankreich, wie der andern Königreiche, kennen zu lernen, kund und zu wissen, nicht aus Stolz, Hass oder Böswilligkeit, sondern aus dem, Wunsche nach ihrer ehrenwerten Gesellschaft und mit der Erlaubnis des Königs Unsers Bruders, dass Wir von 10 Uhr morgens bis 3 Uhr Nachmittags den Kampfplatz behaupten wollen, und das zwar gegen Jedermann. Vor unserm Zelte, das sich am Eingange der Schranken erheben wird, hängen. Unser Kriegs- und Unser Wappengeschmücktes Friedensschild. Wer mit uns kämpfen will, berühre durch seinen Stallmeister oder selbst mit dem Schafte seiner Lanze. Unser Friedensschild, wenn er ein Schimpfspiel; mit der Spitze der Lanze aber Unser Kriegsschild, wenn er einen ernsten Kampf will. Damit nun jeder edle Ritter der Junker, der Kunde von dieser Aufforderung erlangt, sie für ernst und unwiderruflich halte, haben wir diesen Brief öffentlich verkünden und mit Unserm Siegel versehen lassen.

»Geschrieben, gegeben und geschehen zu Paris in Unserm Hôtel Touraine am 20. Tage des Monats Juni im 1389. Jahre der Geburt unsers Herrn und Heilandes.«

Die Ankündigung eines Kampfes, in dem der erste Prinz von Geblüt die Schranken halten wollte6, hatte schon seit langer Zeit viel Aufsehen gemacht. Die Räte des Königs versuchten es, sich zu widersetzen, als der Herzog von Touraine von seinem Bruder um die Erlaubnis eines solchen Kampfes bei Gelegenheit des Einzuges der Madame Isabelle bat. Der König liebte zwar dergleichen Spiele und war selbst Meister darin, aber dennoch ließ er den Herzog von Touraine zu sich kommen und ersuchte ihn, auf seinen Wunsch zu verzichten; sein Bruder sagte ihm jedoch, er habe die Verpflichtung zu diesem Kampfe in Gegenwart der Damen des Hofes übernommen, und der König, welcher das ganze Gewicht eines solchen Versprechens kannte, gab seine Einwilligung. Übrigens fand bei dergleichen Spielen nicht viel Gefahr statt; fast immer kämpften die Gegner nur mit stumpfen Waffen, und der Kriegsschild, der vor demselben Zelte dem Friedensschild gegenüber hing, schien nur da zu sein, um anzudeuten, dass sein Gebieter vor keiner Gefahr zurück wiche und jede Art des Kampfes anzunehmen bereit sei. Indessen geschah es doch zuweilen, dass besonderer Hass sich solche Gelegenheit zunutze machte, unter der Maske des Spieles in die Schranken eindrang, sich dort plötzlich entlarvte und einen wirklichen Kampf statt eines Scheinkampfes forderte. Für einen solchen möglichen Fall waren daher stets in dem Zelte auch scharfe Waffen und ein zur Schlacht gerüstetes Pferd vorrätig.

Madame Valentine teilte zwar den Enthusiasmus jener Zeit, war aber dennoch besorgt um den Ausgang des Kampfes. Das Verlangen der königlichen Räte schien ihr ganz in der Ordnung, und die Angst ihres Herzens sagte ihr, was den Andern ihr Verstand vorstellte. Sie war daher in trübes Sinnen versunken, als man ihr eben das junge Mädchen meldete, das sie am vorgestrigen Tage hatte zu sich rufen lassen. Madame Valentine tat sogleich einige Schritte gegen die Tür, und Odette trat ein. Es war noch immer dieselbe Schönheit, Anmut und Offenherzigkeit, aber die ganze liebliche Erscheinung hatte einen Anstrich tödlicher Melancholie angenommen.

»Was ist dir?« sagte die Herzogin, erschreckt durch ihre Blässe, »und was verschafft mir das Glück, dich bei mir zu sehen?«

»Ihr wart so gut gegen mich«, erwiderte Odette, »dass ich mich nicht durch die Regel eines Klosters von der Welt trennen kann, ohne Euch Lebewohl zu sagen.«

»Wie, armes Kind«, sagte Madame Valentine gerührt, nimmst du denn den Schleier?«

»Noch nicht, Madame; denn ich musste meinem Vater versprechen, ihn nicht zu nehmen, so lange er lebt; aber ich habe so lange und heftig an seiner Brust geweint, seine Knie so flehend umschlungen, dass er mir endlich erlaubt hat, mich als Kostgängerin in das Kloster der Dreieinigkeit zu rückzuziehen, dessen Priorin meine Tante ist. Ich begebe mich dahin.«

Die Herzogin ergriff ihre Hand und sagte: »Das ist nicht alles, was du mir anzuvertrauen hast, nicht wahr?« Denn lebhaft sprachen die Augen des jungen Mädchens noch Traurigkeit und Besorgnis aus.

»Nein«, erwiderte Odette, »ich wollte noch mehr sprechen; von –«

»Von wem?«

»Und von wem soll ich mit Euch sprechen, wenn es nicht von ihm ist? für wen soll ich et was fürchten, als für ihn?«

»Was kannst du fürchten?«

»Ihr verzeiht es mir gewiss, nicht wahr, wenn ich mit Euch, mit Madame Valentine, von dem Herzoge von Touraine spreche? Aber wenn irgendeine Gefahr –«

»Eine Gefahr?« rief Madame Valentine aus. »Erkläre dich deutlicher; du gibst mir den Tod!«

»Der Herzog wird heut die Schranken halten, nicht wahr?«

»Ja. Nun?«

»Es kam gestern zu meinem Vater, der, wie Ihr wisst, im Rufe steht, in ganz Paris die besten Streithengste zu haben, ein Herr in Begleitung einiger andern und verlangte die besten und kräftigsten Kampfrosse zu sehen, die er zu verkaufen hätte. Mein Vater fragte, ob es zu dem heutigen Turnier sein sollte, und sie antworteten: Ja! – ein fremder Ritter wollte dabei kämpfen. – So wird also ein ernster Kampf. Stattfinden? fragte mein Vater. – Gewiss, erwiderte sie lachend, und zwar ein sehr derber. – Ich zitterte bei diesen Worten und folgte ihnen; sie wählten das stärkste Pferd aus dem ganzen Stalle und legten ihm zur Probe eine Kriegsrüstung an.«

Odette weinte heftig. »Versteht Ihr das wohl, Madame? Ach, sagt es dem Herzog, fügt ihm, was ihn bedroht; sagt ihm, dass er sich mit seiner ganzen Kraft und Geschicklichkeit verteidige. –«

Sie fiel nieder auf die Knie. – »Dass er sich verteidigt für Euch, die Ihr so schön seid und ihn so sehr liebt. Sagt es ihm, wie ich es Euch sage, auf den Knien, mit gefalteten Händen. Sagt es ihm, wie ich es ihm sagen würde, wenn ich an Eurer Stelle wäre.«

»Ich danke dir, mein Kind, ich danke dir.«

»Ihr werdet es seinen Stallmeistern auch sagen, nicht wahr, damit sie eine beste Rüstung nehmen? Als er Euch aus Italien holte, muss er eine aus Mailand mitgebracht haben, und dort soll man sie ja besser und fester machen, als sonst irgendwo in der Welt. Sagt ihm auch, dass er seinen Helm gut befestigen lasse. Und seht Ihr, was freilich unmöglich ist, denn der Herzog von Touraine ist ja der schönste, tapferste und gewandteste Ritter des Reiches – was wollte ich doch noch sagen? – Ach ja: wenn Ihr seht, dass er schwach wird, denn sein Gegner könnte ja irgend ein Zaubermittel anwenden, so bittet den König – der König wird doch da sein, nicht wahr? – so bittet den König, dass er den Kampf enden lasse. Er hat das Recht dazu; ich habe meinen Vater danach gefragt. Die Kampfrichter dürfen nur ihren Stab zwischen die Kämpfenden werfen, und sie müssen sogleich aus einander. Sagt ihm also, dass er diesen unglücklichen Kampf enden lasse, da man ihn doch nicht verhindern kann. Ich werde währenddessen –«

Sie hielt inne.

»Nun, was wirst du?« sagte die Herzogin viel kälter.

»Ich werde mich in die Klosterkirche einschließen. Jetzt, da mein Leben Gott geweiht ist, muss ich für alle Menschen beten, besonders aber für den König, seine Brüder und seine Söhne. Und ich werde für ihn beten, die Stirn am Boden. Ich werde Gott bitten, dass er meine Tage, mit denen ich nichts anzufangen weiß, für die seinigen hinnehmen möge, und Gott wird mich hören und mein Gebet vielleicht erfüllen. Ihr betet gewiss auch, und Gott wird Eure Stimme eher vernehmen, als die meinige, denn Ihr seid eine große Prinzess und ich bin nur ein armes Mädchen. Lebt wohl, Madame, lebt wohl!«

Bei diesen Worten sprang Odette empor, küsste noch einmal die Hand der Herzogin und stürzte aus dem Gemache.

Die Herzogin von Touraine begab sich so gleich nach den Zimmern ihres Gemahls, aber schon seit einer Stunde befand er sich in seinem Zelte, wohin er sich früher begeben hatte, um sich vollständig rüsten zu lassen. In eben diesem Augenblicke meldete man ihr, dass die Königin sie erwarte, sich mit ihr nach dem St. Katharinenfeld zu begeben. Die Schranken waren an eben der Stelle wie am vorhergehenden Tage errichtet, jedoch innerhalb derselben und unter dem Balkon des Königs befand sich das Zelt des Herzogs von Touraine, auf dessen Spitze sein Banner mit seinem Wappen wehte. Es hing mit einem hölzernen Gebäude zusammen, in welchem sich seine Stallmeister und Pferde befanden; der letzteren waren vier, drei zum Schimpfspiel, eins zum ernsten Kampf gerüstet. Auf der linke Seite des Zeltes hing der große Kriegsschild des Herzogs, ohne Wappen und als Devise nur mit einem Knotenstocke und der Umschrift: Ich fordere heraus!

An der rechten Seite des Zeltes hing der Friedenschild mit drei goldnen Lilien auf himmelblauem Felde, dem Wappen der Kinder Frankreichs. Gegen über und am äußersten Ende der Schranken befand sich eine Tür, die auf das freie Feld führte und zum Einlass der Ritter diente.

Sobald der König, die Königin und die Herren und Damen des Hofes Platz genommen hatten, trat ein Herold mit zwei Trompetern vor, und las mit lauter Stimme die Herausforderung ab, welche unsere Leser bereits aus dem Eingang dieses Kapitels kennen. Die Kampfrichter hatten nur noch einige Bemerkungen über die Art und Weise des Kampfes hinzugefügt. Hiernach verpflichtete sich jeder Ritter und Junker, der den Schild berührte, nur zu zwei Lanzen; für die, welche den Kriegsschild berührten, bestimmte die Sitte freie Wahl der Waffen.

 

Nach dieser Erklärung kehrte der Herold in das Zelt zurück. Die Kampfrichter, Messire Olivier von Clisson und der Herr Herzog von Bourbon, nahmen an beiden Seiten der Schranken ihren Platz ein, und die Trompeten ertönten zur Fanfare der Herausforderung. Madame Valentine war blass wie der Tod.

Es entstand ein Augenblick tiefen Schweigens, nach welchem außerhalb der Schranken eine Trompete in gleichen Tönen antwortete. Die Schrankentür öffnete sich, und ein Ritter ritt herein. Sein Visier war zurückgeschlagen, und ein Jeder konnte den Messire Boucicaut den Jüngern erkennen. Die Herzogin atmete freier auf, als sie ihn sah.

Sobald man ihn erkannte, durchlief ein wohl wollendes Gemurmel die ganze Galerie; die Herren grüßten mit der Hand, die Damen winkten mit den Tüchern, denn Boucicaut war einer der besten, bravsten Turnierritter seiner Zeit.

Messire Boucicaut verneigte sich, um für den wohlwollenden Empfang der Zuschauer zu danken, ritt dann gerade zu dem Balkon der Königin vor, grüßte sie anmutsvoll und neigte die Spitze seiner Lanze bis zur Erde. Dann ließ er das Visier seines Helmes mit der linken Hand herab, berührte mit dem Schafte seiner Lanze den Friedensschild des Herzogs von Touraine, setzte sein Pferd in Galopp und sprengte an das entgegengesetzte Ende der Schranken.

In eben dem Augenblicke ritt der Herzog, ganz gerüstet, den Schild festgeschnallt, die Lanze eingelegt, aus seinem Zelte hervor. Er trug eine Mailänder Rüstung vom feinsten Stahle, mit Gold verziert; die Decke war von dunkelrotem Samt, und alles, was sonst von Eisen zu sein pflegt, Bügel, Stange u. s. w. von massivem Silber. Die Rüstung war so vortrefflich gearbeitet und gab allen Bewegungen des Ritters so sehr nach, wie es nur ein Panzerhemd oder ein Tuchkleid gekonnt hätte.

Hatte ein wohlwollendes Gemurmel den Messire Boucicaut empfangen, so schallte ein lauter Jubel dem Herzog entgegen; denn es war unmöglich, die Anwesenden mit mehr Anmut zu begrüßen, als er es tat. Der Beifallsruf endete erst, als der Herzog das Helmvisier schloss. Jetzt ertönten die Trompeten, beide Ritter legten die Lanzen ein, und die Kampfrichter riefen: »Zügel los!«

Die beiden Ritter gaben ihren Rossen, den Sporn und stürzten mit dem ganzen Ungestüm ihrer Tiere auf einander ein. Beide trafen sich mitten auf die Brust und zersplitterten ihre Lanzen. Ihre Pferde sanken in die Hanken und erhoben sich zitternd wieder, aber weder der eine noch der andere Kämpfer verlor auch nur einen Bügel; sie warfen sogleich ihre Rosse herum, und Jeder nahm eine frische Lanze aus den Händen seines Stallmeisters.

Kaum hatten sie sich zu diesem neuen Rennen gerüstet, als die Trompeten abermals ertönten, und noch schneller als das erste Mal sprengten sie auf einander ein; jetzt aber änderte jeder die Richtung seiner Lanze. Beide trafen sich in das Visier, enthelmten sich und rannten an einander vorbei. Dann wendeten sie ihre Rosse, und grüßten sich artig. Es war unmöglich, beiderseitig eine vollkommenere Gleichheit zu zeigen; man fand daher auch, dass ein solches Rennen für Beide gleich ehrenvoll sei.

Die beiden Ritter überließen es ihren Stallmeistern, die Helme aufzuraffen, und kehrten mit entblößtem Haupte zurück, Messire Boucicaut zu der Tür, durch welche er eingeritten war, der Her zog von Touraine in sein Zelt. Ein schmeichelhaftes Gemurmel begleitete den letztern, denn er glich dem Erzengel Michael, so schön war er, mit seinem langen, blonden Haar, seinen blauen Augen, sanft wie die eines Kindes, und feiner zarten Mädchenhaut.

Die Königin neigte sich ganz über die Brüstung, um ihn noch länger zu sehen, und Madame Valentine, welche sich an das erinnerte, was Odette ihr gesagt hatte, sah die Königin mit einer Art von schreckensvoller Ahnung an.

Nach einigen Augenblicken verkündeten die Trompeten, dass der Herzog zu einem neuen Rennen bereit sei. Es verging einige Zeit, bis eine Antwort erfolgte, und man fragte sich schon, ob ein so schönes Spiel so schnell aus Mangel an Kämpfern enden sollte, als eine andere Trompete in fremdartigen Tönen antwortete. Zugleich öffnete sich die Tür, und ein Ritter erschien mit herabgelassenem Visier und vorgehaltenem Schilde.

Madame Valentine bebte, denn sie kannte diesen neuen Gegner nicht, und der Ernstkampf, den sie fürchtete, erfüllte ihre Seele mit fortwährender Besorgnis, die sich in eben dem Maße steigerte, wie der Fremde sich dem Zelte näherte. Vor dem königlichen Balkon angelangt, hielt er seinen Streithengst an, ließ seine Lanze zu Boden gleiten, stützte sie mit dem Knie, drückte an der Feder seines Helmes und nahm diesen ab. Man erblickte nun einen schönen jungen Mann von etwa vier und zwanzig Jahren, dessen bleiches, stolzes Gesicht fast allen Anwesenden unbekannt war.

»Gruß unserm Vetter von Lancaster, Grafen von Derby«, sagte der König, der den Vetter Richards von England erkannt hatte. »Er wusste wohl, dass er des Waffenstillstandes, den Unser überseeischer Bruder, Gott möge ihn schützen, Uns gewährte, nicht bedurfte, um an Unterm Hofe willkommen zu sein. Unser Abgeordneter, Messire von Châtel-Morand, verkündete uns schon gestern Eure Ankunft und ist so wahrlich ein Bote guter Neuigkeiten.«

»Monseigneur«, sagte der Graf von Derby, indem er sich abermals verneigte, »es gelangte nach unserer Insel das Gerücht von den herrlichen Spielen und Festen, die an Euerm Hofe stattfinden sollten, und da wir nun mit Leib und Seele Engländer sind, kamen wir über das Meer, eine Lanze zu Ehren der französischen Damen zu brechen. Ich hoffe, dass der Herr Herzog von Touraine vergessen wird, wie wir nur ein Vetter des Königs sind.«

Der Graf von Derby sagte diese letzten Worte mit einer spottenden Bitterkeit, welche bewies, dass er schon damals daran dachte, die Kluft zu überschreiten, die ihn vom Throne trennte.

Er grüßte hierauf zum letzten Male den König und Madame Isabelle, setzte seinen Helm wieder auf und berührte mit dem Schafte seiner Lanze den Friedensschild des Herzogs von Touraine. Erst jetzt kehrten die Farben, welche die Furcht bisher von den Wangen der Herzogin verbannte, zurück, denn sie hatte noch immer gezittert, dass der Nationalhass der Engländer gegen die Franzosen den Grafen von Derby zu diesem Turnier führte.

Ehe die beiden Gegner das Rennen begannen, begrüßten sie sich mit der Artigkeit, durch welche zwei so edle Herren sich auszeichnen mussten; dann ertönten die Trompeten, sie legten die Lanzen ein und rannten auf einander zu. Sie trafen sich auf den vollen Schild, aber ihre Pferde jagten aneinander vorüber, und Beide waren daher gezwungen, ihre Lanzen fallen zu lassen. Der Stallmeister des Herzogs von Touraine, so wie der des Grafen von Derby eilten sogleich herbei, sie aufzuheben und ihren Gebietern darzureichen, aber Beide zugleich gaben ihnen ein Zeichen, und der englische Stallmeister bot dem Herzoge von Touraine die Lanze des Grafen von Derby, während der französische Stallmeister dem Grafen von Derby die Lanze des Herzogs von Touraine übergab. Dieser Handlung wurde lauter Beifall gezollt, und man fand sie echt ritterlich.

Die beiden Ritter kreuzten sich von neuem, ein. Jeder seinen vorigen Platz einzunehmen, legten ihre Lanzen wieder ein und sprengten abermals auf einander zu.

Diesmal dienten die Pferde der Geschicklichkeit ihrer Reiter besser, denn sie trafen sich so gerade, dass man glaubte, sie würden sich die Stirn gegen einander zerschmettern. Auch diesmal wieder trafen sich beide Ritter auf die volle Rüstung und mit solcher Gewalt, dass ihre Lanzen zersplittert in die Luft flogen und beide Gegner nur noch einen Stumpf davon in der Hand behielten.

Sie grüßten sich hierauf, der Herzog von Touraine kehrte in sein Zelt zurück, und der Graf von Derby verließ die Schranken. An dem Ausgange wartete seiner ein Page des Königs, ihn im Namen seines Gebieters einzuladen, zur Linken der Königin unter den Zuschauern Platz zu nehmen. Der Graf nahm diese Ehre an, und erschien einen Augenblick darnach auf der königlichen Estrade, ganz gerüstet, wie er gekämpft hatte, nur ohne Helm, welchen ein Page in seinen Farben ihm nachtrug. Sobald der Graf saß, ertönten die Trompeten zum dritten Male.

Diesmal erfolgte die Antwort so schnell, dass man sie für ein Echo hätte halten können, nur geschah es mit einer jener langen Kriegstrompeten, deren, man sich bloß im Kampfe bediente, und deren schmetternder Ton die Feinde erschrecken sollte. Jedermann erbebte, und Madame Valentine bekreuzte sich mit großer Furcht, indem sie sagte:

»Mein Herr und Heiland, habe Barmherzigkeit mit mir!«

Alle Augen richteten sich auf die Tür, welche sich öffnete, um einen Ritter einzulassen, der alle Waffen trug, welche zu einem ernsten Kampfe erforderlich sind, nämlich eine starke Lanze, eines jener langen Schwerter, dessen man sich mit einer, wie mit beiden Händen bedienen konnte, und eine Streitaxt. Der Schild, den er trug, entsprach durch seine Devise der des Herzogs von Touraine, welche, wie erwähnt, in einem Knotenstocke, mit der Umschrift: »ich fordere heraus!« bestand. Der Schild des ebenerwähnten Ritters zeigte einen Hobel, dazu bestimmt, die Knoten abzuhobeln, mit der Umschrift: »ich nehme es an.«

Jeder richtete die Augen auf den Ritter, mit der Neugier, die ein ähnlicher Umstand immer er weckt; aber sein Visier war fest geschlossen und kein heraldisches Zeichen verriet seinen Namen; nur sein Helm trug einen Schmuck, der seine Geburt oder seine Würde bezeichnete, nämlich eine Grafenkrone von reinem Golde.

Indem er in die Schranken einritt, ließ er sein Pferd mit jener anmutigen Leichtigkeit manövrieren, welche den mit den Waffen vertrauten Ritter verrät. Vor dem königlichen Balkon angelangt, neigte er den Kopf bis zu der Mähne seines Streithengstes, und begleitet von tiefem Schweige ritt er dann zu dem Zelte des Herzogs von Touraine. Heftig stieß er hier mit der Spitze eine Lanze gegen den Kriegsschild des edlen Platzhalters. Der Todesruf ertönte von einem Ende der Schranken bis zu dem andern; die Königin wurde blass und Madame Valentine stieß einen Schrei aus.

Ein Stallmeister des Herzogs von Touraine erschien so gleich am Eingange des Zeltes, zu sehen welche Verteidigungs- und Angriffs-Waffen der Ritter habe. Dann grüßte er ihn artig, sagte: »Es soll geschehen, wie Ihr verlangt«, und trat in das Zelt zurück.

Der Ritter erreichte das Ende der Schranken wo er warten musste, bis der Herzog von Touraine sich gerüstet hatte. Nach zehn Minuten schon erschien dieser; er trug dieselbe Rüstung, wie früher ritt aber ein frisches, kräftiges Pferd. Er hatte wie sein Gegner, eine starke Lanze mit eiserner Spitze, ein langes Schwert an der Seite, und ein Streitaxt am Sattelknopfe hängen. Alle diese Waffen waren der Rüstung ähnlich, kostbar wie diese und mit Gold und Silber verziert.

Der Herzog von Touraine gab mit der Hand ein Zeichen, dadurch anzudeuten, dass er bereit sei; die Trompeten ertönten, die Gegner legten ihre Lanzen ein, pressten sie fest unter den Arm, spornten ihre Pferde, und sprengten mit aller Gewalt auf einander zu; mitten auf der Bahn trafen sie sich, so sehr lag Jedem daran, seinen Gegner zu erreichen.

Jeder der beiden Kämpfer hatte sich dabei tapfer und gut benommen, denn die Lanze des fremden Ritters traf den Helm des Herzogs von Touraine, riss ihm denselben vom Kopfe und warf ihn zehn Schritt rückwärts. Die Lanze des Herzogs von Touraine hatte den fremden Ritter auf die volle Brust getroffen, die Halsberge durchbohrt, war dann auf die Rüstung getroffen, davon ausgeglitten, und hatte den linken Arm in der Achselhöhle verwundet. Die Spitze der Lanze war dabei abgebrochen und in der Halsbeuge stecken geblieben.

»Monseigneur von Touraine«, sagte der fremde Ritter, »ich bitte, setzt einen andern Helm auf, während ich mir diese Lanzenspitze herausziehe, die mich nicht verwundet, mir aber unbequem ist.«

»Ich danke, mein Vetter von Nevers«, erwiderte der Herzog, denn er hatte ihn an dem glühenden Hasse erkannt, den auch er gegen ihn hegte, »ich danke. Ich gebe Euch volle Zeit, Euern Arm verbinden zu lassen, aber ich werde den Kampf so fortsetzen.«

»Es sei, wie Ihr wollt, Monseigneur; da aber ein Kampf ebenso gut mit einem Stück Eisen in der Halsberge, als mit unbehelmtem Haupte fortgesetzt werden kann, bedarf ich nicht mehr Zeit, als nötig, diese Lanze wegzuwerfen und dies Schwert zu ziehen.« Mit dem Wort vereinigte er die Tat, und hatte im Nu das Schwert in der Hand.

 

Der Herzog von Touraine folgte seinem Beispiele, ließ die Zügel seines Pferdes fallen, und bedeckte sein Haupt mit dem Schilde; der Graf von Nevers ließ den linken Arm hängen, da er sich desselben nicht mehr bedienen konnte. Die Stallmeister, welche sich genähert hatten, ihren Gebietern beizustehen, zogen sich zurück, als sie die Fortsetzung des Kampfes sahen.

In der Tat hatte auch dieser mit erneuter Gewalt begonnen. Der Graf von Nevers kümmerte sich wenig darum, dass er seinen linken Arm nicht brauchen konnte, vertraute der Festigkeit seiner Rüstung und bot sich ganz den Streichen seines Gegners dar. Er seinerseits griff unablässig das unbedeckte Haupt seines Gegners an, das nur noch durch den Schild geschützt wurde, und jeder seiner Hiebe fiel auf den Schild mit einem Getöse, wie der Hammer auf den Amboss. Der Herzog von Touraine, der noch ausgezeichneter durch seine Gewandtheit und Geschicklichkeit war, als durch seine Kraft, sprengte um den Grafen von Nevers herum, und suchte mit dem Schwerte die Fugen von dessen Rüstung zu treffen, indem er mit der Spitze angriff, da er mit der Schneide nicht hoffte durchzukommen. Rings umher herrschte tiefes Schweigen; man hörte nichts, als die Berührung des Eisens mit dem Eisen; man hätte sagen mögen, dass die Zuschauer sich zu atmen fürchteten, und dass all ihr Leben sich in die Augen gedrängt habe. Die allgemeine Teilnahme sprach sich aber nur für den Herzog von Touraine aus, da Niemand den Namen seines Gegners kannte. Der Kopf des Herzogs von Touraine, der durch sein Schild beschattet wurde, konnte einem Maler als Modell für den Erzengel Michael dienen; der sorglose Charakter seines Gesichtes war verschwunden; seine Augen sprühten Flammen, seine Haare flogen wie ein Heiligenschein um sein Haupt, und seine Lippen ließen das blendende Weiß seiner Zähne sehen. Es durchlief daher auch mit jedem Streiche, den sein furchtbarer Gegner auf ihn führte, ein Beben die ganze Versammlung, als hätte jeder Vater für seinen Sohn, jedes Mädchen für ihren Geliebten zu fürchten.

In der Tat verschwand auch der schützende Schild allmählich, denn jeder Streich riss ein Stück davon hinweg, als wär’ er von Holz; bald spaltete er sich in der Mitte, und der Herzog fühlte die Streich die bisher auf den Schild gefallen waren, auf seinem Arme; endlich gleitet ein Hieb an seinem Arm entlang, traf den Kopf und ritzte ihm leicht die Stirn.

Der Herzog von Touraine sah jetzt ein, da sein Schild ihm keinen Schutz mehr gewähre, dass sein Schwert zu schwach sei gegen die Rüstung seines Gegners; er ließ sein Pferd einen gewaltig Satz zurück tun, warf mit der linken Hand seinen Schild, mit der rechten sein Schwert weit von sich und ergriff mit beiden Händen die schwere Streitaxt, die an seinem Sattelknopfe hing. Dann sprengte er auf den Grafen von Nevers ein, ehe dieser seine Absicht noch ahnen konnte, und versetzte ihm einen solchen Schlag auf den Helm, dass die Visierbänder sprangen und der Graf von Nevers ohne enthelmt zu sein, sein Gesicht entblößt sah, er senkte den Kopf, und der Helm fiel herab. Ein allgemeiner Schrei der Überraschung ertönte, als man ihn erkannte.

In eben dem Augenblicke, als er sich fest in den Bügel stellte, um Streich für Streich zu geben, flogen die Stäbe beider Kampfrichter zwischen die Streiter herab, und die kräftige Stimme des Königs rief: »es ist genug, Ihr Herren! Es ist genug!«

Bei dem Streiche des Grafen von Nevers, und als sie das Blut über das Gesicht des Herzogs rinnen sah, war Madame Valentine in Ohnmacht gefallen, und die Königin ergriff bleich und zitternd den Arm des Königs und bat:

»Lasst enden, Monseigneur, um des Himmels willen, lasst enden!«

Die beiden Kämpfer hielten, ihrer Wut ungeachtet, augenblicklich inne. Der Graf von Nevers ließ sein Schwert an der Kette herabhängen; der Herzog von Touraine befestigte seine Streitaxt wie der an dem Sattelknopf. Die Stallmeister näherten sich ihren Gebietern; die Einen stillten das Blut, das über die Stirn des Herzogs von Touraine rann, die Andern zogen aus der Halsberge des Grafen von Nevers die Eisenspitze, die bis die Schulter eingedrungen war. Als dies Beides geschehen war, begrüßten sich mit kalter Höflichkeit, wie Leute, die einen gewöhnlichen Spiele gespielt haben. Der Graf Nevers verließ die Schranken, der Herzog von Touraine ging nach seinem Zelte, einen andern Helm aufzusetzen. Der König erhob sich von seinem Sitze und sagte mit lauter Stimme:

»Ihr Herren, es ist. Unser Wille, dass Spiel hiermit aus und zu Ende sei.«

Der Herzog von Touraine setzte daher sein Weg nicht fort, sondern trat zudem königlichen Balkon, das Armband zu empfangen, welches der Preis für den war, der den Platz behauptete. Als er jedoch am Fuße des Balkons angekommen war, sagte Madame Isabelle sehr freundlich:

»Steigt zu Uns herauf, Monseigneur, um Unserm Geschenke mehr Wert zu versehen, wollen Wir es selbst an Euerm Arme befestigen.«

Der Herzog sprang leicht vom Pferde, und einen Augenblick darauf empfing er, vor der Königin kniend, das Armband, welches sie bei dem Einzug versprochen hatte, und während Madame Valentine die Stirn ihres Gemahls abwischte, um sich zu überzeugen, dass die Wunde nicht tief sei, während der König den Grafen von Derby zu dem Mahle in seinem Palaste einlud, traf die Hand des Herzogs die der Madame Isabelle, und die erste ehebrecherische Gunst wurde heimlich gewährt sind empfangen.