EINSICHT in UNerhörtes

Mesaj mə
0
Rəylər
Fraqment oxumaq
Oxunmuşu qeyd etmək
EINSICHT in UNerhörtes
Şrift:Daha az АаDaha çox Аа

Dr. Manfred Nelting

Einsicht in UNerhörtes

Verlag:

basic erfolgsmanagement, Pfarrkirchen, 2021

www.basic-erfolgsmanagement.de

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-949217-00-5

eISBN 978-3-949217-01-2

Lektorat:

Josef Nöhmaier

Koordination und Organisation:

Medienbüro Susanne Wagner, Pfarrkirchen

Umschlaggestaltung, Layout/Satz:

Michaela Adler, Pfarrkirchen

Bildrechte:

Cover: © Adobe Stock – sdmix, zolotons


Klimaneutral gedruckt, Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft

Made in Germany

Dieses Buch enthält Links zu externen Webseiten Dritter, auf deren Inhalte der Verlag basic erfolgsmanagement keinen Einfluss hat. Deshalb übernehmen wir für diese fremden Inhalte keine Haftung. Für die Inhalte der verlinkten Seiten ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber der Seiten zuständig. Die verlinkten Seiten wurden zum Zeitpunkt der Verlinkung auf mögliche Rechtsverstöße überprüft, rechtswidrige Inhalte waren nicht erkennbar.

Wichtiger Hinweis:

Die Informationen und Ratschläge in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt von Autor und Verlag erarbeitet und geprüft. Alle Leserinnen und Leser sind jedoch aufgefordert, selbst zu entscheiden, ob und wieweit sie die Anregungen in diesem Buch umsetzen wollen.

Dieses Buch widme ich allen Lebewesen, die UNerhört sind, kleinen und großen Menschen, Tieren, Bäumen und auch „dem Kind“ in uns. Hören wir hin.

Vorwort Dr. Auma Obama

Begrüßung der Leserin/des Lesers

Vorwort des Autors mit Anmerkungen zur Corona-Krise

Einführung und Aufbau des Buches

1.Gesunde Hirnentwicklung in den ersten Lebensjahren

1.1Wachstumsbedingungen

1.2Phasen der Hirnentwicklung in den ersten Lebensjahren

1.2.1Ich/Du-Entwicklung

1.2.2Impulskontrolle

1.2.3Selbststeuerung

1.2.4Trotzphase

1.2.5Impulsunterdrückung beim kleinen Kind

1.3Die Bedeutung des autonomen Nervensystems für die Bindungsfähigkeit

1.4Telomere und ihre Bedeutung

1.4.1Stress im Mutterleib

1.5Von „Orchideen“ und Resilienz bei Kindern

1.6Epigenetik

1.7Die Dunedin-Studie zur Selbstkontrolle

Kurze Zusammenfassung

2.Eltern

2.1Gesundheit und Erkrankungen in Deutschland

2.1.1Stress

2.1.2Beziehungs-Stress und Trennungen

2.1.3Stressrelevante Einflüsse der Digitalisierung

2.1.4Stress-Faktor permanente Online-Einbindung

2.1.5Stress durch Informationsüberflutung – News/Fake News

2.1.6Stress durch Angst: z. B. die Corona-Pandemie

2.1.7Stress durch sozialen Vergleich

Exkurs Konsum als systemrelevant

Exkurs Soziale Ungleichheit

2.2Lebensstil, Mediennutzung und gesundheitliche Verfassung der Eltern

2.2.1Bedeutung für die Zeit vor und bei der Empfängnis

Bedeutung für die Zeit der Schwangerschaft

Bedeutung für die ersten Lebensjahre

2.3Genderthemen

2.3.1Muttersein

2.3.2Gesellschaftspolitische und kulturelle Anschauungen zum Muttersein

Katholische Kirche, Queer-Theorien, Integrative Sicht, Matrilineare Gesellschaften, Polygame Gesellschaften

2.3.3Mütterthemen in der aktuellen medialen Diskussion

2.3.4Rechtsextremistischer Missbrauch von Mütterthemen

2.3.5Abnehmende Alltagskompetenzen der Menschen

2.3.6Gedanken zu Karriere

Das Bild der „modernen“ Frau

Das Bild des „modernen“ Mannes

Veränderungen in den patriarchalischen Strukturen

Normalität von Krisen im Leben von Menschen

Kurze Zusammenfassung

3.Schutzlose Kinder – die Tabus

3.1Verrat am Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit

Die Bedeutung beeinträchtigter Reifung des präfrontalen Cortex im Kleinkindalter

3.2Der emotionale Verrat – Vernachlässigung und Gewalt an Kindern

3.2.1Zur aktuellen Situation der Kinder in Deutschland

3.2.2Vernachlässigung, Gewalt und sexueller Missbrauch von Kindern familiär oder familiennah

Außerfamiliärer sexueller Missbrauch in Institutionen

Gewalt unter den Eltern

3.2.3Tabuisierung von Kindheitstraumata

Untersuchung und Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch

Berichterstattung

Umgang mit schockierenden Informationen

Annäherung an ein Verstehen von Gewalt in Familien

Schuld

Antisoziale Persönlichkeitsstörung und Psychopathie

Pädophilie und Kinderpornografie

3.2.4Hintergründe zu Vernachlässigung und Gewalt

 

Exkurs Körperkontakt in Familien und Institutionen

Täter als Opfer

3.3Der digitale Verrat – Digitalisierung ohne Schutz der Kinder

3.3.1Internet und soziale Netze

Woran liegt es, dass souveräne Mediennutzung so schwierig ist?

Die implizite Normierung in der Erzählung und dem Versprechen der digitalen Welt

3.3.2Gefahren online

3.3.3Cybermobbing und andere Gefahren

3.3.4Porno-Videokonsum von Jugendlichen

3.3.5Kinder als Kunden – Gefahr für normales leben

Moderner Kinderalltag und Entwicklung

3.3.6Online-Adipositas und andere „digitalbedingte“ Erkrankungen bei Kindern im Rahmen der allgemeinen gesundheitlichen Verfassung der Kinder und Jugendlichen

Die gesundheitliche Lage der Kinder heute

Exkurs Verhaltenssucht und Drogen

Bedeutung des sensorischen Mangels bei digitalen Anwendungen

Digitalisierung und Auswirkungen auf Organe

Digitale Medien und Klimaerwärmung

3.4Der soziale und politische Verrat – Opferung des kindlichen Potenzials auf dem Altar der Wachstumswirtschaft

3.4.1Frühbetreuung und Frühpädagogik – die Wirtschaft konkurriert mit den Kleinsten um die Mütter

3.4.2Kinderbetreuung in aktuellen noch lebenden Naturvölkern und Geschichte

3.4.3Kitas für unter Dreijährige in Deutschland – Fortschritt oder Gefahr für die Kinder?

Kindergärten

Kitafremde Einflüsse

3.4.4Frühbetreuung im Ausland – Vorbildlich?

Die damalige Situation in der DDR

Kinder im Kibbuz

3.4.5Schule: Bismarcks Erbe und Wirtschaftslogik – hirnphysiologisch ohne wirklichen Lernertrag

System Schule

Die aktuelle Situation

Was Kinder zum Lernen brauchen

Schule neu denken

Folgen für die spätere Erwachsenenzeit

Kurze Zusammenfassung

4.Tiefere Ursachen und Folgen von Schutzlosigkeit bei Kindern

4.1Bedeutung der Globalisierung und Wachstumswirtschaft für Kinder und Eltern

4.1.1Der Erhalt ausreichender guter Lebensbedingungen auf unserer Erde

4.1.2Der notwendende Übergang in eine nachhaltige Wirtschaft

4.1.3Ethik und Markt – der Markt ist nicht so klug wie gedacht

Kurzer wirtschaftlicher Exkurs – das Märchen vom freien Markt

Kapitalkonzentration und -verflechtung

4.1.4Unordnungsfolgen ungezügelter Wachstumswirtschaft und Familien-Ethik

Genuss und Warencharakter

Exkurs: Alltag, Umgang und kommunikatives Annäherungs-Spiel der Geschlechter

4.1.5Der Umgang mit Macht

Gehirn und Macht

Günstige Parteien-Entwicklung

4.2Auswirkungen von Kindheitsprägungen auf die Gesellschaft und auf politische Einstellungen

4.2.1Der mündige Bürger – noch beliebte Phantomgestalt der Politik

Autoritäre Erziehung versus Entwicklungsbegleitung der Kinder

4.2.2Das körperliche Selbstbestimmungsrecht der Frau

Gedanken zum Schwangerschaftsabbruch

4.2.3VUKA-Welt und Optimierungs-Szenarien beim Menschen

Die sogenannte VUKA-Welt

Die Optimierung des Menschen

Die Gen-Editierung mit Crispr-Technologie

4.3Gewalt in der Gesellschaft

4.3.1Gewalt

Gedanken zum „Bösen“ im Menschen

Empathie

4.3.2Umgang mit rechtsextremen Positionen

Rechtsextremistische Gewalt

Extremistische Tätertypen und der Boden ihrer Radikalisierung

4.4Auswege aus aggressiven Familiendynamiken

Exkurs Täterbestrafung

Therapeutische Bindungsarbeit

Unterstützung der Mütter

Kurze Zusammenfassung

5.Gestaltungsräume Wie ändert man die Welt?

5.1Entfaltung der eigenen Person

5.1.1Sein oder Design

5.1.2Hirnphysiologie zum besseren Selbstverstehen

Die eigene Vorstellung von der Welt

Die Plastizität des menschlichen Gehirns

Framing und Hirnphysiologie

Wie wir die Welt passend machen

Inneres Wachstum

5.2In der Familie

5.2.1Vorbereitung auf ein Kind

5.2.2Zeit

Pausen

Herzratenvariabilität

Stärkung für ein kooperatives Zusammenleben

Spielen

Games und Gamification

Entscheidung der Eltern für lebensförderliche Lebensstile

Vorbereitungen und Entscheidungen in der Schwangerschaft

Zur Geburt

Geburtshilfe im Detail, Geburtsort und Sicherheit, Geburtshilfe neu denken, Kaiserschnitt

Nach der Geburt

5.2.3Mediale Präsenz der Eltern

Empfehlenswerte Regeln für den Handy-Gebrauch in der Familie

Apps und digitale Assistenzsysteme, allgemeine Regeln für souveräne Mediennutzung

Warum Lebenspflege heute notwendig ist

Anhaltspunkte für eine mögliche Lebenspflege heute

5.3Die Bedeutung von Achtsamkeitspraktiken im Alltag am Beispiel von QiGong

5.3.1Körperwahrnehmung

5.3.2QiGong

Westliche Sehweise von QiGong

Meditative Aspekte von QiGong

Meditation allgemein

Starke Immunkräfte bei Viruserkrankungen

Zur Praxis von Achtsamkeitsübungen – bewährte Hinweise

5.4Alter und Altern

5.5Politik und Gestaltung

Die „Ausreichend Große Anzahl“ (AGA)

 

5.5.1Friedfertiges Narrativ

Wachstum und Renditen

Die Ausgangslage ist klar

5.5.2Bedingungsloses Grundeinkommen – Konkretes Kindeswohl

Fragen zur Realisierung

Gesellschaftlicher Umgang mit aktuellen Vermögen und Erbe

5.5.3Regionalwirtschaft

Globale Auswirkungen auf die Region

Sinnvolle Regio-Logik

5.5.4Grund- und Vorzüge der Gemeinwohl-Ökonomie

5.5.5Politik und Bürger

Kreativprozess statt Faumikoko

Grundgesetz und Menschheitsfragen in der Demokratie

Politisches Intermezzo

Sozialer Widerstand und Protest in der Demokratie

Corona-Pandemie

Kurzer Exkurs zu Medien

5.6Disruptive Prozesse

Digitalisierung im gesellschaftlichen Kontext

Arbeitsmarktturbulenzen in der Disruption

Die Welt vom Kind her sehen

Das Fahrrad

6.Zusammenfassung und Ausblick

Spektrum – Kinderschutz weltweit

Überbevölkerung

Gesundheitliche Gefährdung von Kindern

Krieg und Flucht

UN-Kinderrechtskonvention, WFC, Stiftung Sauti Kuu und Sansibar-Erklärung

Danksagung

QR-Code für eine Leser*innen-Botschaft

Anhang

Informationen zum Gezeiten Haus

Anmerkungen

Literaturhinweise

QR-Code für die Internet-Link-Liste

Gesamtliste der in diesem Buch aufgeführten QR-Codes

Gender-Hinweis:

In diesem Buch wird vorwiegend die neutrale Schreibweise ohne weitere Kennzeichnung für beide Geschlechter benutzt, andere individuelle Einordnungen der sexuellen Identität sind natürlich ebenfalls impliziert. Die aktuellen Entwürfe gendergerechterer Formulierungen sind in der Entwicklung, werden noch weiter ausreifen, sind für gute Lesbarkeit nach meinem Empfinden noch eine Hürde und noch nicht übereinstimmend für Druck- und Sprechversion (Hörbuch) anwendbar.1

In „Neltings Welt“ beschäftigt sich unsere Familie ausführlich mit dem Thema gendergerechter Wahrnehmung, Schriftform und Sprache im Dialog zweier Generationen.

(Siehe QR-Code auf der Rückseite des Buches)

Vorwort Dr. Auma Obama

Ich fühle mich sehr geehrt, meine Stimme – meine starke Stimme – zu der Diskussion um das Wohlergehen beziehungsweise Nicht-Wohlergehen von Kindern beitragen zu dürfen.

Es geht hier um die Auseinandersetzung mit dem Verrat der Gesellschaft an den Kindern, die vorgibt, sie zu schützen; darum, dass sich um diesen Verrat ein Schleier des Wegschauens, Verdrängens und Schweigens ausbreitet, den es aufzudecken gilt. Darum geht es in diesem Buch – darum, was dagegen getan werden muss.

Laut Dr. med. Manfred Nelting gibt es im reichen Land Deutschland sehr viele Kinder, denen es „weniger gut oder skandalös schlecht“ geht. Von frühester Kindheit an werden ihnen die Lebensgrundlagen durch einen Mangel an Liebe, Zuneigung und Schutz durch die eigenen Eltern genommen. Vernachlässigten Kindern, die eine bedrückende emotionale Kälte, emotionale und körperliche Gewalt oder Missbrauch erfahren haben, fehlt das Grundvertrauen in das Leben. Die hirnphysiologische Selbststeuerung kann nicht ausgebildet werden. Seine These: Um die Rahmenbedingungen eine gesunde, natürliche, unbehinderte Hirnentwicklung eines Kindes als Grundbedingung für sein künftiges psychisches Wohlergehen zu ermöglichen, braucht ein Kind in den ersten Lebensjahren Liebe, emotionale Wärme und eine schützende Umgebung.

An erster Stelle sind wir Eltern (ich zähle mich dazu) dazu aufgefordert – als fundamentale Voraussetzung – darauf zu achten, dass unsere Kinder diese Liebe und Zuneigung bekommen. Das ist das Fundament einer Elternschaft.

Unsere Aufgabe als Eltern müssen wir sehr ernst nehmen und ihr nachkommen. Wir müssen unsere Prioritäten richtig setzen, und unsere Kinder sollten an erster Stelle stehen.

In dem Moment, in dem wir Eltern werden, nimmt unser Lebensstil, unsere Haltung, unser Verhältnis zur Arbeit eine neue bedeutende Dimension an. Unsere ganze Einstellung zum Leben, unsere soziale und finanzielle Situation wird infrage gestellt. Alles hat einen Einfluss darauf, wie oder ob wir unseren Kindern die Liebe, Zuneigung und den Schutz schenken können, die oder den sie brauchen. Leider gelingt es vielen Eltern nicht, da sie in den meisten Fällen selbst Betroffene sind und verletzt oder traumatisiert aufwachsen mussten. Überfordert vom eigenen Leben können sie nur ihre Wunden (vielfach transgenerational) weitergegeben.

Es gilt, dieses Muster zu durchbrechen und zu heilen. Nur so können wir eine gesunde Gesellschaft schaffen. Die Kinder sind das Potenzial dieser Gesellschaft und wenn wir nicht darauf achten, dass es unseren Kindern gut geht, wird die Stabilität unserer Gesellschaft gefährdet und wir schaden uns selbst.

Kinder kommen mit vollem Potenzial in die Welt. Mit ihrer Geburt sind schon alle Voraussetzungen, alle Eigenschaften vorhanden, ein gut wohlfunktionierendes, ausgeglichenes Mitglied der Gesellschaft zu werden. Wir, die Eltern, die Gesellschaft beeinflussen und bestimmen, inwiefern diese Eigenschaften positiv entwickelt werden. Wir können sie nähren und fördern oder wir können sie unterdrücken, sogar kaputtmachen.

Dass dies so vielen Kindern angetan wird und was ihnen damit an Potenzial verwehrt wird, ist eben dieser Verrat der Gesellschaft an den Kindern.

Das Problem, so Dr. Nelting, muss sehr ernst genommen werden. Wir Eltern – und hiermit meine ich tatsächlich WIR, die Normalverbraucher (Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen1), und die Gesellschaft – stellvertretend für Soziales, Politisches und Wirtschaftliches sind gefragt, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen und notwendigerweise unser Verhalten zu ändern.

Damit sich die Gesellschaft im Interesse der Kinder entwickeln kann, müssen wir unseren Lebensstil passend einrichten, damit für die Kinder ein guter, sicherer und liebevoller Platz geschaffen wird. Jedes Handeln, jede Veränderung muss darauf abzielen, unseren Kindern Liebe und Vertrauen in ihr Leben und die Welt zu geben. Letztendlich kommt es uns und unserer Gesellschaft zu Gute.

Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die Kinder in den sogenannten Entwicklungsländern gefährdeter und benachteiligter sind. Und ja, in Zusammenhang mit der westlichen Definition von Wohlbefinden, das auf materiellem Wohlstand basiert ist, könnte man so argumentieren. Materieller Wohlstand ist jedoch nicht das einzige Maß für das Wohlbefinden. Tatsächlich ist es eher ein Zusatz, und das nur, wenn die anderen wichtigeren Komponenten Liebe, Zuneigung und Schutz vorhanden sind.

Wir in den sogenannten Entwicklungsländern neigen dazu, die westliche Welt, d. h. Europa und Nordamerika als Maß aller Dinge zu betrachten, auch im Hinblick darauf, wie wir Wohlbefinden definieren. Und immer mehr tendieren wir dazu, unser Wohlergehen und das unserer Kinder darauf basieren zu lassen, wie die westlichen Länder unseren Wohlstand und die Entwicklung definieren – eine Definition gemessen an materiellen Wohlstand und stark gefördert durch die klassische Entwicklungshilfe-Politik. Was dazu geführt hat, dass wir uns als arm und unterentwickelt sehen. Und das, obwohl die westliche Lebensweise in vieler Hinsicht – insbesondere in Bezug auf die Kindererziehung – nicht notwendigerweise für uns geeignet ist. Immer häufiger glauben Kinder und Jugendliche in den sogenannten Entwicklungsländern, dass ihre Probleme darauf zurückzuführen sind, dass sie finanziell bzw. materiell benachteiligt sind. Aber nur, weil man keinen Strom und fließendes Wasser hat, heißt es noch lange nicht, dass man arm und unglücklich ist. Liebe, Zuneigung und Schutz brauchen keinen Strom und fließendes Wasser. Konsum und sofortige Bedürfnisbefriedigung ist keine Grundlage für ein Grundvertrauen in die Welt. Sie garantieren nicht das Glück. Auch die Freiheiten, die in den sogenannten entwickelten Ländern genossen werden, sind oft sehr stark zugunsten der Bürokratie konzipiert. Das System muss sich dem Menschen anpassen und nicht umgekehrt. Sich an ein System anpassen bedeutet in vielen Fällen Einengung und Mangel an Mitgefühl.

Der häufige Verweis auf den schrecklichen Zustand der Kinder, die in den sogenannten Entwicklungsländern aufwachsen, erwähnt selten die Tatsache, dass viele dieser Kinder trotz materieller Armut (im europäischen Sinne) viel Liebe und Zuneigung erfahren. Sie wachsen in einer Umgebung auf, die Werte wie Respekt, Gastfreundschaft, Familien-Ethik und das Wohlergehen der Kollektive, u. a. die Grundwerte, sehr hoch schätzt. Ihre Lebensgrundlage ist von frühestem Lebensalter an durch Liebe und Zuneigung geprägt. Erst im Umgang mit „europäischen“ Verhältnissen kommen Gefühle der Benachteiligung und des Versagens auf, die dann auch zu psychischen Problemen führen.

Mit dieser Aussage will ich nicht behaupten, dass wir in den sogenannten Entwicklungsländern nicht auch Fälle haben, wo Liebe, Zuneigung und Schutz fehlen. Auch wir erleben eine Einengung und mangelnde Empathie in unseren modernen gesellschaftlichen Strukturen. Auch unsere Systeme orientieren sich immer mehr an den Erfordernissen der globalen Wirtschaftsstrukturen. Ihre Entwicklung wird beschleunigt durch den immer größer werdenden Einfluss der Digitalisierung. Es hat zur Folge, dass eine Diskussion um das psychische Wohlergehen der Menschen, insbesondere der Kinder, und die Grundlagen für eine gesunde Hirnentwicklung in den ersten Lebensjahren in dieser Umgebung nicht stattfindet.

Nichtsdestotrotz müssen wir eine dauerhafte, zukunftsfähige Grundlage für unsere Kinder schaffen, müssen ihren Lebensraum schützen, bewahren und lebenswert machen. Auch wenn viele glauben, dass sie nichts an den Zuständen ändern können, wir Eltern und die Gesellschaft können und müssen für das unverzügliche Schaffen von Bedingungen für eine körperlich-emotionale Unversehrtheit unserer Kinder mit gesunder Hirnentwicklung in den ersten Kinderjahren als Grundlage späterer Gesundheit, sozialer Widerstandskraft und souveräner Mediennutzung sorgen. Das können wir aber nur dann tun, wenn wir aufhören, sie einer Welt, die für Geldpolitik und ein profitorientiertes individualistisches ökonomisches System mit sinnlosem Konsum und sofortiger Bedürfnisbefriedigung steht, vorzuziehen. Wir müssen mehr Verantwortung für unsere Kinder übernehmen, wenn wir bessere Lebensbedingungen für sie im Heute und in der Zukunft schaffen wollen.

Erst dann werden wir die aktuellen globalen Probleme und Herausforderungen, die den Schutz der Menschheit und die Bewahrung des Planeten Erde gefährden, wie beispielsweise Umweltzerstörung, Klimawandel, Kriege, Gewalttaten und bittere Armut, bewältigen. Sie sind Teil der Lösung.

Wir wissen, was zu tun ist. Es geht nur um das Wie. Wichtig ist, dass die Lösungen nicht nur aus dem industrialisierten Westen kommen, sondern von überall auf der Welt – auch von den sogenannten Entwicklungsländern. Ich fordere den Status Quo des westlichen Blickes auf die Dinge heraus, um auch insbesondere in den Ländern des Südens nach Lösungen zu suchen. Die Kraft des interkulturellen, wertschätzenden und kooperativen Austausches darf nicht unterschätzt werden. In der globalisierten Welt von heute können wir nur gemeinsam die Herausforderungen und Probleme meistern, da sie uns alle gleichermaßen betreffen. So wie wir alle Teil des Problems sind, so sind wir alle auch Teil der Lösung.

Ich appelliere an unser Verantwortungsgefühl, nicht nur gegenüber unseren Kindern heute, sondern auch für zukünftige Generationen. Unser Selbsterhaltungstrieb muss über unsere Generation hinaus und auch für unsere Kindeskinder gelten. Es reicht nicht aus, sich darauf zu verlassen, dass die Politik schon alles richten wird. Ja, wir müssen darauf achten, dass sie verantwortungsvolles und nachhaltiges Handeln effektiv verbreitet und umsetzt, aber wir sind ebenso dafür verantwortlich – und das ist unsere vordringlichste Aufgabe – unseren Kindern Liebe, Zuneigung und Schutz zu schenken. Jeder Einzelne von uns muss mitverantworten, dass zukünftige Generationen ein besseres Leben führen. In meiner Stiftung, die Auma Obama Foundation Sauti Kuu („Starke Stimmen” auf Kiswahili) arbeiten wir mit Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 4 – 25 Jahren, um ihnen eine Stimme zu geben. Mit einer starken Stimme können sie Teil der Gestaltung gesellschaftlicher Prozesse sein. Es geht um die Förderung und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und des kreativen Potenzials des Kindes, geistig wie körperlich, um sie für das Erwachsenenleben mit allen Herausforderungen auszurüsten, d. h. die Erlangung eigenen Glücks und Zufriedenheit.

Die abrupte gesellschaftliche „Vollbremsung“, die die COVID-19-Pandemie uns unterzogen hat, gibt uns die Gelegenheit für ein anderes neues Denken und die Gelegenheit, eine Kurskorrektur unseres gesellschaftspolitischen Leitbildes in Erwägung zu ziehen. Es ist eine Gelegenheit, weltweit daran zu arbeiten, die besten politischen Konzepte einzusetzen; Themen entsprechend in politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen zu verankern, die entscheidend für das Leben und das Überleben jetziger und zukünftiger Generationen sind. Und daran sollen sich alle beteiligen: privat und öffentlich engagierte Menschen, Bürgerrechtler, Politiker, Akademiker und Humanisten.

Ich freue mich sehr, für dieses so wichtige Werk einen Beitrag leisten zu können und ich wünsche Dr. Manfred Nelting und seiner Frau Elke Nelting viel Erfolg mit der Verbreitung ihrer so wichtigen Gedanken.

Nairobi, Juni 2020 Dr. Auma Obama

Gründerin/Direktor, Sauti Kuu Foundation